In unserem Rechtsprechungsüberblick präsentieren wir Urteile verschiedener Gerichte - des BVerfG zur Schuldenbremse, des BVerwG zum Anspruch auch tödliche Medikamente und des EuGH zum „Schufa-Scoring“
Damit Sie in Ihren Prüfungen bestmöglich vorbereitet sind, scannen wir regelmäßig die Entscheidungen von BGH & Co. Heute befassen wir uns 3 lehrreichen und aktuellen Entscheidungen des BGH zu den Mordmerkmalen des § 211 StGB
Die Rechtsprechung zur Abgrenzung einer strafbaren Tötung eines anderen (ggfs. auf Verlangen, §§ 212, 216 StGB) von der straflosen Beihilfe zum Suizid ist seit Jahren im Wandel vor allem, seitdem der Gesetzgeber und das BVerfG das Selbstbestimmungsrecht gestärkt haben. Nunmehr hat der BGH einen interessanten Beschluss erlassen, mit welchem er u.a. eine verfassungskonforme Auslegung des § 216 StGB in Aussicht stellt.
Am 26. Februar 2020 wurde eine weitreichende Entscheidung des BVerfG zum Recht auf Suizid und Hilfe zum Suizid veröffentlicht. Der zweite Senat - 2 BvR 2347/15 - entschied, dass § 217 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung vom 3. Dezember 2015 (Bundesgesetzblatt I Seite 2177) das Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes und aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes verletze, die Vorschrift daher mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig sei.
Die Definition des Mordmerkmals der Heimtücke bei § 211 StGB ist höchst streitig. Einigkeit besteht zunächst dahingehend, dass der Täter bewusst die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausnutzen muss. Ob es darüber hinaus aber Restriktionen geben muss und wie diese aussehen sollen, wird unterschiedlich bewertet. Relevanz erlangt dieser Streit u.a. bei der Tötung des Haustyrannen und bei dem sog. „Mitleidsmord“. Zu letzterem gibt es nun eine interessante Entscheidung des BGH aus 2019.
Die Abgrenzung der straflosen Teilnahme an einem freiverantwortlichen Suizid von der täterschaftlichen Tötung eines anderen taucht regelmäßig in Klausuren auf. Nunmehr gibt es eine neue Entscheidung des BGH, mit welcher dieser seine Rechtsprechung zur Tötung (auf Verlangen) durch das Unterlassen von Rettungsbemühungen geändert hat.
Nicht nur in den Fällen, in denen das Opfer mit Tötungsvorsatz lebensgefährdende Mittel zu sich nimmt, die der Täter zuvor besorgt oder bereitgestellt hat, stellt sich die Frage nach einer Strafbarkeit gem. §§ 212 (216), 13 StGB sondern auch in den Fällen, in denen das Opfer ohne Tötungsvorsatz gefährliche Drogen konsumiert, die ihm vom Täter zur Verfügung gestellt wurden. Ist der Täter handlungspflichtig, wenn sich das mit den Drogen verbundene, eigenverantwortlich eingegangene Risiko tödlich realisiert?
Bei der Abgrenzung der straflosen Teilnahme an einem Suizid von einer strafbaren täterschaftlichen Begehung dreht sich letztlich alles immer wieder um dieselbe Frage: Liegt eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Opfers vor, dann ist alles, was ein Dritter unternimmt, eine lediglich straflose Teilnahme an dieser Selbstgefährdung. Nur wenn eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung ausgeschlossen ist, kann eine Täterschaft als vorsätzlich handelnder Allein - Täter, als mittelbarere Täter, als Unterlassungstäter oder als Fahrlässigkeitstäter in Betracht kommen. Nun stellt sich die spannende Frage, unter welchen Voraussetzungen eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung angenommen werden kann. Dazu hat sich der BGH im Sirius - Fall (BGHSt 32,38) Gedanken gemacht.
Bei BGH und Co haben wir uns schon mehrmals mit dem Thema „Sterbehilfe“, auch durch das Unterlassen von Rettungsmaßnahmen (§§ 216, 13 StGB) auseinandergesetzt. Nunmehr gebietet eine Entscheidung zum einen des OLG Hamburg aus Juni 2016 sowie nachfolgend des LG Hamburg in 2017 und der Umstand, dass der BGH derzeit (Juli 2019) über die Sache verhandelt, eine erneute Befassung mit diesem streitigen Thema.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft München ist die Entscheidung eines an Alzheimer erkrankten Menschen, sich durch eigenes Handeln selbst das Leben zu nehmen, als eigenverantwortliche Selbstgefährdung auch dann verbindlich, wenn infolge von Bewusstlosigkeit ein Tatherrschaftsverlust eintritt. Respektieren die Angehörigen dies, indem sie es unterlassen, ärztliche Hilfe zu holen, machen sie sich nicht gem. §§ 216, 13 StGB strafbar. Es bleibt eine straflose Teilnahme am Suizid.
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