Zivilprozessordnung

Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung

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B. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung

I. Allgemeine (Verfahrens-)Voraussetzungen

451

Auch im Zwangsvollstreckungsverfahren müssen zunächst die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen vorliegen, die im Wesentlichen den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage entsprechen (Parteifähigkeit, Prozessfähigkeit etc.).

Kornol/Wahlmann Zwangsvollstreckungsrecht Rn. 20 ff. In jedem Fall muss ein Antrag des Gläubigers beim zuständigen Vollstreckungsorgan vorliegen.

 

1. Antrag

452

Ein Vollstreckungsverfahren wird nie von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Gläubigers eingeleitet (vgl. § 753 Abs. 1 ZPO, der etwas unglücklich von „Auftrag“ spricht, weil man früher dachte, dass das Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Gerichtsvollzieher privatrechtlich ist). Der Dispositionsgrundsatz gilt folglich auch im Zwangsvollstreckungsrecht. Der Gläubiger bestimmt in seinem Antrag die Art der Vollstreckung und welches Ausmaß sie haben soll. So kann er den Vollstreckungsauftrag von vorneherein beschränken, etwa auf einen Teil seiner Forderung.

BGH NJW 2017, 571, 572. Er kann entscheiden, ob ihm Ratenzahlung genügt (§ 802b Abs. 2, 3 ZPO). An diese Weisungen ist das Vollstreckungsorgan gebunden. Der Gläubiger muss den Antrag nicht selbst stellen, sondern kann dazu auch einen Anwalt einschalten.Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rn. 19. Das wird in der Praxis auch gerne gemacht. Nähere Ausführungen zur (elektronischen) Form des Antrags finden sich bei den einzelnen Vollstreckungsarten.

2. Zuständiges Vollstreckungsorgan

453

Der Antrag muss sich an das örtlich, sachlich und funktionell zuständige Vollstreckungsorgan richten. Die funktionelle Zuständigkeit (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht, Prozessgericht, Grundbuchamt) für den Antrag hängt davon ab, welchen Inhalt der VollstreckungsTitel hat (Geld-, Herausgabe-, Unterlassungstitel etc.). Beim Geldtitel kommt es noch auf das Vollstreckungsobjekt an (bewegliche körperliche Sache, Forderungen, unbewegliches Vermögen). Näheres dazu findet sich oben bei Rn. 448 und 450. Die örtliche Zuständigkeit knüpft in der Regel an den Ort der Vollstreckungshandlung an (vgl. §§ 764 Abs. 2, 828 Abs. 2 ZPO, § 20 GVO).

Kornol/Wahlmann Zwangsvollstreckungsrecht Rn. 22. Falls man nicht weiß, welcher Gerichtsvollzieher konkret zuständig ist, kann man die Hilfe der Geschäftsstelle in Anspruch nehmen (§ 753 Abs. 2 ZPO). Taucht das Wort „Vollstreckungsgericht“ im 8. Buch auf, ist das Amtsgericht gemeint. Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts (§ 764 Abs. 1 ZPO) ist ausschließlich (§ 802 ZPO). Bei der Vollstreckung von Handlungen und Unterlassungen (§§ 887 ff. ZPO) ist das „Prozessgericht“ zuständig (damit kann je nach Ausgangssituation das AG oder das LG sachlich zuständig sein).

II. Allgemeine Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung

454

Neben den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen kommen drei weitere spezifische Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung hinzu. So wird ein Vollstreckungsorgan nur tätig, wenn folgende Grundvoraussetzungen vorliegen: Titel, Klausel und Zustellung.

1. Vollstreckungstitel

a) Grundlagen

455

Erste Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung ist, dass der Gläubiger gegen den Schuldner einen Vollstreckungstitel hat. Der Titel ist die zentrale Grundlage der Vollstreckung. Der wichtigste Titel ist das Endurteil (§ 704  ZPO). Es setzt einen gewonnenen Prozess in Deutschland voraus! Die weiteren Titel sind in § 794 ZPO aufgezählt. Ein wichtiger Vollstreckungstitel ist der Prozessvergleich (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die weiteren Vollstreckungstitel finden sich in § 794 Abs. 1 Nr. 2–9 ZPO. Dazu gehören Kostenfestsetzungsbeschlüsse (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), Vollstreckungsbescheide (§ 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO), für vollstreckbar erklärte Schiedssprüche (§ 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO) sowie notarielle Urkunden mit sofortiger Unterwerfungserklärung (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO). Auch bestimmte europäische Titel gehören zum „erlauchten Kreis“, die eine Vollstreckung in Deutschland erlauben. Dazu zählen Europäische Zahlungsbefehle (§ 794 Abs. 1 Nr. 6 ZPO mit §§ 1093 ff. ZPO), Europäische Vollstreckungstitel über unbestrittene oder geringfügige Forderungen (§ 795 Abs. 1 Nr. 7 und 8 ZPO mit §§ 1082 ff., 1105 f. ZPO) sowie Vollstreckungstitel nach der EuGVO (§ 794 Abs. 1 Nr. 9 ZPO mit §§ 1112 ff. ZPO). Gerade die EuGVO (Brüssel Ia-VO) hat die grenzüberschreitende Vollstreckung in der EU deutlich erweitert; außer dem (ausländischen) Titel braucht man nur eine Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat (Art. 53 EuGVO).

Näher Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rn. 82i ff. Arrestbefehle und einstweilige Verfügungen sind Vollstreckungstitel „light“ (näher Rn. 575 ff.). Auch inhaltlich müssen die Titel gewisse Anforderungen erfüllen. Aus dem Vollstreckungstitel müssen der vollstreckbare Anspruch (Inhalt der Leistung) sowie die Parteien des Zwangsvollstreckungsverfahrens klar erkennbar (bestimmbar) sein.Brox/Walker Zwangsvollstreckungsrecht Rn. 42 f. Keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben Gestaltungs- oder Feststellungsurteile.

b) Vorläufige Vollstreckbarkeit

456

Das Vollstreckungsrecht muss sich mit der Frage auseinandersetzen, aus welchen Endurteilen vollstreckt werden kann. Unproblematisch ist eine Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil möglich, da es nicht mehr aufgehoben werden kann (§§ 704 Alt. 1, 705 ZPO). Hat ein Amtsgericht, ein Landgericht oder ein Oberlandesgericht ein Urteil erlassen, das noch mit der Berufung oder Revision angefochten werden kann, ist die Situation etwas schwieriger. Hat der Kläger gewonnen und will er vollstrecken, besteht die Gefahr, dass das nächsthöhere Gericht das Urteil aufhebt und die Vollstreckung voreilig war. Mit dieser Thematik befasst sich die „vorläufige Vollstreckbarkeit (§§ 708 ff. ZPO). Dieses Instrument ermöglicht es, aus einem noch nicht rechtskräftigen Urteil die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Erklärt das Gericht sein Urteil für vorläufig vollstreckbar, darf daraus vollstreckt werden (§ 704 Alt. 2 ZPO). Dies geschieht zum Schutz des Gläubigers. Denn andernfalls hätte es der Schuldner in der Hand, durch Einlegung von Rechtsbehelfen die Vollstreckung (endlos) hinauszuzögern. Grundsätzlich ist die vorläufige Vollstreckbarkeit bei allen Endurteilen anzuordnen. Dies gilt auch für klageabweisende Urteile, da aus diesen zumindest wegen der Kostenentscheidung vollstreckt werden kann.

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Der Schuldner ist nicht rechtsschutzlos gestellt, wenn das Gericht in seinem Urteil die vorläufige Vollstreckbarkeit anordnet. In der Regel erfolgt die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit nur gegen Sicherheitsleistung (§§ 708, 709 ZPO). In der Praxis ist dies regelmäßig eine Bankbürgschaft (vgl. § 108 Abs. 1 S. 2 ZPO). Bevor der Gläubiger vollstrecken will, muss er erst dem Vollstreckungsorgan den Nachweis der Sicherheitsleistung erbringen. Wurde voreilig vollstreckt, also das Urteil in der nächsthöheren Instanz aufgehoben, steht dem Schuldner nach § 717 Abs. 2 ZPO ein Schadensersatzanspruch gegen den (voreiligen) Gläubiger zu. Die Sicherheitsleistung deckt dann den Schaden in aller Regel ab.

Beispiel

Das Berufungsurteil des LG Köln lautet im Fall Mona folgendermaßen:

I.

Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des AG Köln vom 9.5.2022 (Az. 12 C 521/17) abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 30 Fliesen des Typs XY zu übereignen sowie Ein- und Ausbau der Fliesen vorzunehmen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

2. Vollstreckungsklausel

a) Grundlagen

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Zweite Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung ist, dass der Titel mit einer Vollstreckungsklausel versehen ist (§§ 724, 725 ZPO). Die Vollstreckungsklausel ist die formelle Bescheinigung des Urkundsbeamten, dem der Originaltitel vorliegt, dafür, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Titel stattfinden darf. Sie setzt einen Antrag voraus und lautet: „Vorstehende Ausfertigung wird dem Kläger/Beklagten zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt“ (§ 725 ZPO). Sie wird prinzipiell nur einmal erteilt, um den Schuldner vor einer Doppelvollstreckung zu schützen (§ 733 ZPO regelt weitere Ausfertigungen).

Kornol/Wahlmann Zwangsvollstreckungsrecht Rn. 35. Diese förmliche Erteilung entlastet die Vollstreckungsorgane. Ihnen wird das „zwangsweise Zugriffsrecht“ allein aufgrund der Klausel erlaubt, ohne dass es einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Titel bedarf. Dieses Klauselerteilungsverfahren ist ein eigenes Verfahren, das zeitlich vor dem (echten) Zwangsvollstreckungsverfahren durch die Vollstreckungsorgane liegt.Zöller/Seibel ZPO § 724 Rn. 1. Im Übrigen gibt es bestimmte Titel, die keiner Vollstreckungsklausel bedürfen. Hierzu gehören beispielsweise Vollstreckungsbescheide (§ 796 ZPO), Arrestbefehle und einstweilige Verfügungen (§§ 929, 936 ZPO), Haftbefehle (§ 802g ZPO) sowie Titel nach der Brüssel Ia-VO (§ 1112 ZPO). Der Gläubiger solcher Titel kann sich also direkt an die Vollstreckungsorgane wenden (ohne den „Klausel-Umweg“).

 

b) Besonderheiten der Klauselerteilung

459

Grundsätzlich sind die Personen des Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahrens identisch. Hat Mona die V-GmbH verklagt und gewinnt sie den Prozess, wird Mona gegen die V-GmbH vollstrecken. Die beiden Parteien müssen bei Beginn der Zwangsvollstreckung im Urteil und in der Klausel namentlich bezeichnet sein (§ 750 Abs. 1 ZPO). Da Parteienidentität besteht, wird hier eine sog. einfache Klausel erteilt (§ 724 ZPO). Nun gibt es den Fall, dass nicht der im Urteil bezeichnete Gläubiger (Mona), sondern ein Rechtsnachfolger die Vollstreckung betreiben möchte oder umgekehrt auf Schuldnerseite ein Rechtsnachfolger existiert. Derartige Änderungen im Rahmen der Rechtskraftwirkung des § 325 ZPO können im Klauselerteilungsverfahren berücksichtigt werden. In den Fällen der Rechtsnachfolge kann eine sog. titelumschreibende Klausel erteilt werden (§§ 727–729 ZPO). Die Rechtsnachfolge muss aber bei Gericht offenkundig sein oder durch öffentliche Urkunden (z.B. Erbschein) nachgewiesen sein. Zuständig ist in diesem Fall der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 12 RpflG). Eine sog. titelergänzende Klausel ist nötig, wenn der Titel eine Bedingung enthält, deren Eintritt der Gläubiger nachweisen muss (§ 726 ZPO).

c) Rechtsbehelfe

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Wie wichtig die Klausel für das Vollstreckungsverfahren ist, wurde soeben aufgezeigt. Ohne Klausel wird das Vollstreckungsorgan nicht tätig.

Heiderhoff/Skamel Zwangsvollstreckungsrecht Rn. 131. Da das Klauselerteilungsverfahren ein eigenes Verfahren ist, gibt es auch separaten Rechtsschutz. Das Interesse des Gläubigers, die Klausel schnell zu erhalten, und das Interesse des Schuldners, die Erteilung der Klausel wegen neuer Einwendungen abzuwehren, wird in den speziellen KlauselRechtsbehelfen der §§ 731, 732, 768 ZPO weitgehend berücksichtigt.Hierzu näher Jäckel JuS 2005, 610.

3. Zustellung

III. Besondere Vollstreckungsvoraussetzungen

462

Vor Beginn des Vollstreckungsverfahrens muss das Vollstreckungsorgan ggf. noch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen prüfen. Dies sind der Eintritt eines Kalendertags (§ 751 Abs. 1 ZPO; z.B. Räumungsfrist im Titel), der Nachweis der Sicherheitsleistung des Gläubigers (§ 751 Abs. 2 ZPO) oder die Befriedigung des Schuldners bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung (§§ 756 Abs. 1, 765 ZPO). Manche Vollstreckungsmaßnahmen dürfen erst nach Ablauf einer Wartefrist erfolgen (z.B. §§ 720a, 798a ZPO).

IV. Keine Vollstreckungshindernisse

463

Ein Vollstreckungshindernis besteht, wenn die Zwangsvollstreckung nach Maßgabe des § 775 ZPO beschränkt oder eingestellt worden ist. Das ist beispielsweise gem. § 775 Nr. 1 ZPO der Fall, wenn ein Urteil den Titel oder dessen Vollstreckbarkeit aufhebt, wie etwa ein abänderndes Berufungsurteil oder eine erfolgreiche Vollstreckungsgegenklage.

Kornol/Wahlmann Zwangsvollstreckungsrecht Rn. 46. Ein weiteres Vollstreckungshindernis stellt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners dar (§ 89 InsO). Ab Insolvenzeröffnung sitzen die Gläubiger (von Air Berlin, Prokon, Schlecker etc.) „in einem Boot“ und dürfen nicht mehr „egoistisch“ die Einzelzwangsvollstreckung betreiben.

Hinweis

Das Zwangsvollstreckungsverfahren ist ein stark formalisiertes Verfahren. Daher kann die Vollstreckung nur beginnen, wenn die Formalien (Titel, Klausel, Zustellung, Vollstreckungsantrag) eingehalten sind und ggf. die weiteren Nachweise in dokumentierter Form vorliegen. Durch die Anknüpfung an Formalien sind die Vollstreckungsorgane davon befreit, (komplizierte) materiell-rechtliche Fragen zu prüfen.

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