Verwaltungsprozessrecht

Statthafte Klagearten im Verwaltungsprozess

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III. Statthafte Klageart

123

Ist der Verwaltungsrechtsweg für die betreffende Streitigkeit eröffnet (Rn. 53 ff.), so bestimmt sich die statthafte Klageart – und einhergehend mit dieser die ggf. zu wahrenden rechtsschutzformabhängigen (besonderen) Zulässigkeitsvoraussetzungen (z.B. §§ 68 Abs. 1 S. 1, 74 Abs. 1 S. 1 VwGO) – nach dem ggf. auszulegenden/umzudeutenden klägerischen Begehren (Rn. 36 ff.), § 88 VwGO. Abhängig von diesem hält die VwGO im Wesentlichen die folgenden Klagearten bereit:

Hierzu sowie zum nachfolgenden Schaubild siehe Hufen Verwaltungsprozessrecht § 13 Rn. 1 ff., 5. Siehe auch die Einteilung nach Gestaltungs-, Leistungs- und Feststellungsklagen bei Martini Verwaltungsprozessrecht S. 34.

124

Begehr (§ 88 VwGO)

statthafte Klageart

Abwehr…

… eines (belastenden) VA

Anfechtungsklage (Rn. 126 ff.)

… eines Realakts

allgemeine Leistungsklage (Rn. 190 ff.)

Leistung…

… eines (begünstigenden) VA

Verpflichtungsklage (Rn. 142 ff.)

… eines Realakts

allgemeine Leistungsklage (Rn. 190 ff.)

Feststellung…

… der Rechtswidrigkeit eines erledigten VA

Fortsetzungsfeststellungsklage (Rn. 162 ff.)

… der Nichtigkeit eines VA

Nichtigkeitsfeststellungsklage (Rn. 202 ff.)

… des (Nicht-)Bestehens eines Rechtsverhältnisses

allgemeine Feststellungsklage (Rn. 202 ff.)

… der Gültigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm

verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle (§ 47 VwGO)

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Wie die vorstehende Übersicht verdeutlicht, ist der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz keinesfalls auf denjenigen gegen Verwaltungsakte (§ 35 S. 1 VwVfG) beschränkt. Vielmehr wirkt die Einordnung einer behördlichen Maßnahme als Verwaltungsakt unter der Generalklausel des § 40 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 VwGO nicht rechtsschutzeröffnend („Ob“), sondern lediglich klageartbestimmend („Wie“). Konsequenz dieser verfassungsrechtlich (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG; Rn. 9 ff., 69) gebotenen Absage an das Enumerationsprinzip früherer Zeiten ist, dass in denjenigen Fällen, in denen die in der VwGO geregelten Klagearten keinen ausreichenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gewährleisten, notfalls atypische Klagearten (sui generis) anzuerkennen sind.

Zum gesamten Vorstehenden siehe Hufen Verwaltungsprozessrecht § 13 Rn. 1; Mann/Wahrendorf Verwaltungsprozessrecht § 14 Rn. 5; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 173; Schaks/Friedrich JuS 2018, 860 (861). „Für jede hoheitliche Handlung, die in die Rechte eines Bürgers eingreift, muss eine statthafte Klageart zur Verfügung stehen“; Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO verhindern einen numerus clausus der Klagearten im Verwaltungsprozess, deren Kreis mithin nicht abgeschlossen ist.Hufen Verwaltungsprozessrecht § 13 Rn. 2, 4. A.A. BVerwGE 100, 262. Eines näheren Eingehens auf die umstrittene Frage nach der Anerkennung weiterer, von der VwGO nicht ausdrücklich geregelter Klagearten bedarf es bei extensiver Handhabung der vorhandenen verwaltungsprozessualen Klagearten i.d.R. allerdings nicht, vgl. Übungsfall Nr. 6.

Hinweis

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Allein aus der etwaigen Unstatthaftigkeit der gewählten Klageart darf keinesfalls auf die Unzulässigkeit der verwaltungsgerichtlichen Klage insgesamt geschlossen werden. Dies wäre nach zutreffender Sichtweise ein schwerer Fehler. Vielmehr ist in einem solchen Fall an eine Auslegung bzw. Umdeutung des Klageantrags in den Grenzen des § 88 VwGO zu denken, wobei in der Praxis das Gericht auf die Stellung eines Antrags i.S.d. statthaften Klageart hinwirkt, § 86 Abs. 3 VwGO (Rn. 36 ff.).

Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 24 Rn. 1; Hufen Verwaltungsprozessrecht § 13 Rn. 1, § 20 Rn. 7 f.; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 171; Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 439. Siehe etwa zur auf die Feststellung der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts gerichteten „negativen NichtigkeitsfeststellungsklageSchenke JuS 2016, 97 (98 f.) m.w.N. zum Streitstand.

1. Anfechtungsklage

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Begehrt der Kläger die gerichtliche Aufhebung (Kassation) eines Verwaltungsakts, so ist die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft.

Zum gesamten Folgenden siehe Decker in: Wolff/Decker, VwGO/VwVfG § 79 VwGO Rn. 7 f.; Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 22 Rn. 4 ff.; Frenz JA 2011, 433 ff.; Gersdorf Verwaltungsprozessrecht Rn. 18 ff., 59 ff.; Hufen Verwaltungsprozessrecht § 14 Rn. 1 ff., § 28 Rn. 6 ff.; Mann/Wahrendorf Verwaltungsprozessrecht § 15 Rn. 1 ff.; Schaks/Friedrich JuS 2018, 860; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 175 ff., 274; Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht Rn. 136 ff.; Wolff in: ders./Decker, VwGO/VwVfG § 42 VwGO Rn. 31, 35; Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 269 ff., 384. Wie sich aus § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ergibt („soweit“), kann mittels dieser Klageart auch lediglich ein Teil eines Verwaltungsakts angegriffen werden, sofern dessen isolierte Aufhebung nicht offenkundig von vornherein ausscheidet (logische Teilbarkeit; z.B. Anfechtung eines Gebührenbescheids i.H.v. insgesamt 1000 € nur i.H.e. Teilbetrags von 250 €).

Hinweis

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Da es sich beim Verwaltungsakt nach wie vor um die ganz überwiegende Handlungsform der Verwaltung handelt, ist die auf dessen gerichtliche Aufhebung gerichtete Anfechtungsklage die in der Praxis – und auch in der Klausur – am häufigsten vorkommende Klageart („Klassiker“

Frenz JA 2011, 433.). Dem Verwaltungsakt kommt damit eine wichtige Schnittstellenfunktion zwischen dem Allgemeinen Verwaltungsrecht und dem Verwaltungsprozessrecht zu.Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 22 Rn. 1; Hufen Verwaltungsprozessrecht § 14 Rn. 3.

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Entsprechend dieser Zielrichtung – der Beseitigung der Wirksamkeit (§ 43 VwVfG) eines belastenden Verwaltungsakts („Rückkehr zum status quo ante

Hufen Verwaltungsprozessrecht § 14 Rn. 13.) – handelt es sich bei der Anfechtungsklage um eine prozessuale Gestaltungsklage, welche auf die unmittelbare Umgestaltung der Rechtslage durch das VG gerichtet ist. Aus diesem Grund sind Anfechtungsurteile einer Vollstreckung weder bedürftig noch zugänglich, vgl. § 167 Abs. 2 VwGO.

128

Beispiel

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Klage des Gastwirts gegen die Aufhebung der ihm zuvor erteilten Gaststättenerlaubnis; Klage der Ehefrau gegen die gegenüber ihrem Ehemann erlassene Ausweisungsverfügung; (negative Konkurrenten-)Klage des Taxiunternehmers gegen den seinem Konkurrenten erteilten Subventionsbescheid.

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Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage ist mithin, dass im Zeitpunkt der Klageerhebung ein Verwaltungsakt vorliegt. Ob der verwaltungsprozessuale Verwaltungsakt-Begriff des § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO stets an den verwaltungsverfahrensrechtlichen Verwaltungsakt-Begriff des Bundes-VwVfG anknüpft (§ 35 S. 1 VwVfG) oder ob bei Handeln einer Landesbehörde (vgl. § 1 Abs. 3 VwVfG, § 1 Abs. 1 VwVfG NRW) vielmehr auf den Verwaltungsakt-Begriff des jeweiligen Landes-VwVfG abzustellen ist (z.B. § 35 S. 1 VwVfG NRW), ist streitig, kann aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung beider Begriffe letztlich aber dahingestellt bleiben.

Vgl. Jakel JuS 2016, 410 (410, 413); Schaks/Friedrich JuS 2018, 860 (862), jeweils m.w.N. zum Streitstand. Schiffbauer JuS 2015, 548 (550) empfiehlt, diese Frage in der Klausur nicht zu thematisieren.

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Ob es sich bei der mit der Klage angegriffenen Maßnahme tatsächlich um einen Verwaltungsakt handelt, ist allein nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Auf die bloße Behauptung des Klägers, dass dies der Fall sei, kommt es ebenso wenig an wie auf die Frage, in welcher Form die Behörde rechtmäßiger Weise hätte handeln müssen. Wählt diese im konkreten Fall eine falsche Handlungsform (z.B. Verwaltungsakt statt Realakt), so ist dieser „Formenmissbrauch“

Erbguth/Guckelberger Allgemeines Verwaltungsrecht § 5 Rn. 24. allein im Rahmen der Begründetheit der Klage relevant, nicht jedoch für die Bestimmung der statthaften Klageart (im Beispiel: Anfechtungsklage). Letztere richtet sich nämlich ausschließlich nach der objektiv erkennbaren Rechtsnatur der behördlichen Tätigkeit (vgl. auch Rn. 90).

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Unabhängig vom Vorliegen der in § 35 S. 1 VwVfG genannten materiellen Voraussetzungen ist eine regelnde behördliche

Fehlt es an einer behördlichen Maßnahme, so liegt ein Nicht- bzw. Schein-Verwaltungsakt vor. Ob dieser anfechtbar ist, ist str., siehe den Meinungsüberblick bei Bickenbach JA 2015, 481 (487). Maßnahme allerdings auch bereits dann als Verwaltungsakt zu qualifizieren und mithin die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen sie statthaft, wenn sie äußerlich in die Form eines Verwaltungsakts gekleidet ist (formeller Verwaltungsakt; z.B. Bezeichnung als „Bescheid“, „Verfügung“ etc., Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO, Androhung von Zwangsmitteln, Rechtsbehelfsbelehrung) – was sich auch erst aus dem Erlass eines Widerspruchsbescheids ergeben kann (vgl. Rn. 304).Kurzfall hierzu bei Wienbracke VR 2015, 93 (95). A.A. Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 233. Denn „[a]us dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 [S. 1] GG) folgt, dass eine behördliche Entscheidung in der Weise angegriffen werden kann, in der sie sich äußerlich für den Adressaten darstellt.“VGH Mannheim BeckRS 2014, 49685. Entsprechend ist die AnfechtungsklageAnstatt mittels der Anfechtungsklage kann der Kläger freilich auch im Wege der Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO gegen den nichtigen Verwaltungsakt gerichtlich vorgehen (Rn. 217 f.). Gem. § 44 Abs. 5 VwVfG kann die Behörde die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat. Kommt die Behörde dem nicht nach, so ist nach umstr. Ansicht eine Verpflichtungsklage auf behördliche Feststellung der Nichtigkeit des betreffenden Verwaltungsakts statthaft, vgl. Schenke JuS 2016, 97 (101 f.) m.w.N. Dort (S. 100, 102 f.) auch zur behördlichen Aufhebung eines nichtigen Verwaltungsakts nach § 48 VwVfG („zumindest in entsprechender Anwendung“). ebenfalls gegen einen nichtigen (§ 44 Abs. 1, 2 VwVfG) Verwaltungsakt statthaft (vgl. § 43 Abs. 2 S. 2 VwGO), geht doch auch von diesem der Rechtsschein der Verbindlichkeit aus (str.So die h.M., siehe etwa Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 22 Rn. 17. A.A. Hufen Verwaltungsprozessrecht § 14 Rn. 11.).

132

Expertentipp

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Bestehen Zweifel am Verwaltungsaktcharakter der jeweiligen behördlichen Maßnahme und liegt auch kein Fall des Verwaltungsakts kraft Form vor (ist Letzteres der Fall, kann im Rahmen von § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO das Vorliegen der Merkmale des § 35 S. 1 VwVfG dahingestellt bleiben), so ist bereits innerhalb des Gliederungspunkts „statthafte Klageart“ – und nicht erst in der Begründetheit – zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 35 S. 1 VwVfG erfüllt sind.

Gersdorf Verwaltungsprozessrecht Rn. 19 f.; Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht Rn. 141. Diese werden im Skript „Allgemeines Verwaltungsrecht“ (Rn. 39–74) näher dargestellt.

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Da ein Verwaltungsakt allerdings erst mit der Bekanntgabe (§ 41 VwVfG) an (irgend-)einen Adressaten oder Betroffenen – dies muss nicht der Anfechtungskläger sein – rechtlich existent wird (äußere Wirksamkeit; zuvor liegt lediglich ein bloßes Verwaltungsinternum vor), muss diese bereits zwingend erfolgt sein. Auch darf nachträglich keine Aufhebung (Rücknahme, Widerruf) oder Erledigung

„[M]it einer Klage, die einen Dauerverwaltungsakt zum Gegenstand hat, [kann] zugleich dessen Aufhebung (in Ansehung von Gegenwart und Zukunft) als auch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit (in Ansehung der Vergangenheit) begehrt werden“, BVerwG NVwZ 2012, 510 (511). (§ 43 Abs. 2 VwVfG; siehe auch § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) stattgefunden haben, damit die Anfechtungsklage statthaft ist (z.B. kann Nachbar N gegen die Bauherrn B erteilte Baugenehmigung ab deren Bekanntgabe an B auch ohne Bekanntgabe an sich [N] selbst Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO erheben). Schließlich ist die Anfechtungsklage auch gegen einen gesetzlich fingierten Verwaltungsakt (vgl. § 42a VwVfG) statthaft.

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Ist vor Erhebung der Anfechtungsklage ein Vorverfahren nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO durchgeführt worden, d.h. wurde ein Widerspruchsbescheid erlassen, der als weiterer Verwaltungsakt neben den Ausgangsbescheid tritt (vgl. auch § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO: Aufhebung des „Verwaltungsakt[s] und de[s] […] Widerspruchsbescheid[s]“), so ist gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt (Ausgangsbescheid) in der Gestalt, d.h. mit dem Inhalt und mit der Begründung, die er durch den Widerspruchsbescheid erfahren hat, Gegenstand der Anfechtungsklage (Einheitsklage). Andernfalls (kein Widerspruchsverfahren; Fälle des § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO, Rn. 306 ff.) ist denknotwendig allein der Ausgangsbescheid Gegenstand der Anfechtungsklage.

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Durch diese Regelung des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO werden der Ausgangs- und der Widerspruchsbescheid zu einer prozessualen Einheit miteinander verschmolzen. Dies macht Sinn, da bei Aufhebung allein des Widerspruchsbescheids der Ausgangsbescheid – und damit die in diesem enthaltene Belastung – wieder aufleben würde. Folge dieser „Verschmelzung“ von Ausgangs- und Widerspruchsbescheid ist, dass eine Anfechtungsklage dann keinen Erfolg hat, wenn der im Ausgangsbescheid enthaltene rechtliche Fehler durch den Widerspruchsbescheid behoben wurde bzw. umgekehrt eine Anfechtungsklage dann erfolgreich ist, wenn der Ausgangsbescheid zwar noch rechtmäßig war, nunmehr aber der Widerspruchsbescheid einen relevanten Rechtsfehler enthält.

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Abweichend vom Grundsatz des § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ausnahmsweise allein (isoliert) der Abhilfebescheid (Rn. 333) oder der Widerspruchsbescheid (Rn. 337) Gegenstand der Anfechtungsklage, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält (z.B. wird aufgrund eines Nachbarwiderspruchs die dem Gastwirt G zunächst erteilte Gaststättenerlaubnis wieder aufgehoben; daraufhin ficht G den Widerspruchsbescheid an). Zudem „kann“ – nicht: „muss“ – der Widerspruchsbescheid gem. § 79 Abs. 2 S. 1 VwGO auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbstständige Beschwer enthält (z.B. reformatio in peius; Rn. 339 ff.). Gem. § 79 Abs. 2 S. 2 VwGO, der als Spezialnorm die Anwendbarkeit von § 44a VwGO und § 46 VwVfG ausschließt, gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift als eine zusätzliche Beschwer, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. Diese im Rahmen von § 79 Abs. 2 S. 2 VwGO mithin erforderliche Kausalität des Verfahrensfehlers für die im Widerspruchsbescheid getroffene Sachentscheidung („beruht“) ist i.d.R. allerdings nur bei Ermessensentscheidungen (Rn. 429 ff.) und bei Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum (Rn. 418 ff.) denkbar, nicht hingegen auch bei gebundenen Verwaltungsakten. Denn anders als bei den beiden Erstgenannten ist bei Letzteren die Sachentscheidung der Behörde vom Gesetz genau vorgezeichnet – und zwar unabhängig davon, ob im Zuge der Entscheidungsfindung wesentliche Verfahrensvorschriften eingehalten wurden oder nicht (str.

So die h.M., z.B. BVerwG NVwZ 1999, 641; Brenner in: Sodan/Ziekow, VwGO § 79 Rn. 51. A.A. etwa Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 244.). Abweichendes gelte der RechtsprechungBVerwG NVwZ 1999, 1218 (1219). zufolge nur dann, wenn bei drohender Verböserung die nach § 71 VwGO gebotene Anhörung unterblieben ist. Denn hierdurch werde dem Widerspruchsführer die Möglichkeit der Rücknahme seines Widerspruchs und damit die Herbeiführung der Bestandskraft des Ausgangsbescheides genommen.

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Ist der angefochtene Verwaltungsakt (z.B. Gebührenbescheid) schon vollzogen, so kann der Kläger neben dessen Aufhebung zudem noch im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO; Rn. 47 ff.) den gerichtlichen Ausspruch beantragen, dass und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat, § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO (Annexantrag, z.B. Rückzahlung der zu Unrecht erhobenen Gebühr). Im Vergleich zu der dem Kläger durch § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO unbenommenen Möglichkeit, den Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch als Unterfall des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs (FBA) erst zu einem späteren Zeitpunkt – nämlich nach Rechtskraft des Aufhebungsurteils – mittels gesonderter (Verpflichtungs- bzw. allgemeiner Leistungs-)Klage gerichtlich durchzusetzen, besteht der Vorteil des darüber hinaus an keine weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen

Brosius-Gersdorf JA 2010, 41 (42). A.A. Wolff in: ders./Decker, VwGO/VwVfG § 113 VwGO Rn. 61, dem zufolge neben dem Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts und dem Vorliegen eines Antrags nach § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO auch noch die Spruchreife gem. § 113 Abs. 1 S. 3 VwGO Voraussetzung für die gerichtliche Folgeentscheidung sei. geknüpften Annexantrags gerade darin, dass der Anspruch auf Rückgängigmachung des vollzogenen Verwaltungsakts aus prozessökonomischen Gründen gleichzeitig mit dessen Anfechtung geltend gemacht werden kann. Hierdurch erspart sich der Anfechtungskläger die Führung eines zweiten Prozesses. Ob zur Rückgängigmachung der Vollziehung die Vornahme eines Realakts (z.B. Rückgabe der zu Unrecht beschlagnahmten Sache) oder der Erlass eines Verwaltungsakts (s.u.) erforderlich ist, ist für die Zulässigkeit des Antrags nach § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO ohne Bedeutung.

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Beispiel

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Antrag des Hauseigentümers an das Gericht, die behördlicherseits erfolgte Einweisung eines Obdachlosen aufzuheben (Aufhebungsantrag i.S.v. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) und die Behörde zu verpflichten, gegenüber dem Obdachlosen eine Räumungsverfügung zu erlassen (Annexantrag i.S.v. § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO).

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Ob der vom Kläger gem. § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO geltend gemachte Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch tatsächlich besteht, bemisst sich nicht etwa nach dieser Vorschrift selbst, welche die Existenz dieses Anspruchs voraussetzt, sondern vielmehr nach dem materiellen Recht (Rn. 395 ff.).

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Geht es dem Kläger nicht um die Rückgängigmachung des Vollzugs des angefochtenen Verwaltungsakts (z.B. Entlassung eines Beamten), sondern um die Gewährung sonstiger Leistungen (z.B. Besoldungszahlung), so kann er einen Antrag nach § 113 Abs. 4 VwGO stellen. Nach dieser Vorschrift ist, falls neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden kann, im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

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Prüfungsschema

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Wie prüft man: Anfechtungsklage

A.

Zulässigkeit

 

 

I.

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

 

 

 

 

öffentlich-rechtliche Streitigkeit

(Rn. 76 ff.)

 

II.

Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO

 

 

 

 

Verwaltungsaktqualität der angegriffenen Maßnahme

(Rn. 129 ff.)

 

III.

Beteiligtenfähigkeit, § 61 VwGO

 

 

IV.

Prozessfähigkeit, § 62 VwGO

 

 

V.

Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO

 

 

 

 

subjektiv-öffentliches Recht des Klägers

(Rn. 250 ff.)

 

VI.

Richtiger Klagegegner, § 78 VwGO

 

 

VII.

Vorverfahren, § 68 Abs. 1 VwGO

 

 

 

 

Statthaftigkeit bzw. Entbehrlichkeit des Vorverfahrens

Rn. 304 ff.

 

VIII.

Klagefrist, § 74 Abs. 1 VwGO

 

 

 

 

Fristberechnung

(Rn. 362 f.)

B.

Begründetheit

 

 

 

siehe Rn. 392 ff.

 

2. Verpflichtungsklage

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Begehrt der Kläger die Verurteilung zum vollständigen oder teilweisen (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO: „soweit“; z.B. Klage auf Leistungsbescheid nur über einen Teilbetrag) Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts, so ist gem. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO die Verpflichtungsklage die statthafte Klageart.

Zum gesamten Folgenden siehe Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 22 Rn. 24; § 23 Rn. 1 ff., § 24 Rn. 13; Frenz JA 2011, 917 ff.; Gersdorf Verwaltungsprozessrecht Rn. 65 ff., 75; Hufen Verwaltungsprozessrecht § 14 Rn. 13 ff.; § 15 Rn. 1 ff.; Mann/Wahrendorf Verwaltungsprozessrecht § 16 Rn. 1 ff.; Schaks/Friedrich JuS 2018, 860; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 178, 256 ff., 347; Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht Rn. 288 ff.; Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 319 ff.

143

Gemäß dieser Zielrichtung des Klägers, gegenüber seiner ursprünglichen Lage „ein Mehr“ – nämlich einen begünstigenden Verwaltungsakt (§ 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG) – zu erlangen, handelt es sich bei der Verpflichtungsklage um eine besondere Form der Leistungsklage. Anders als bei der Anfechtungsklage vermag der Kläger dieses Rechtsschutzziel aber selbst im Fall seines Erfolges vor Gericht nicht allein durch dessen entsprechende Entscheidung zu erreichen. Denn auch soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig, der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt und die Sache spruchreif ist, spricht das Gericht gem. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO lediglich die – vollstreckbare (§ 172 S. 1 VwGO) – Verpflichtung der Behörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen; nicht hingegen erlässt das Gericht diesen selbst. Denn nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ist die Judikative auf eine Kontrolle der Exekutive beschränkt, übt selbst jedoch keine Verwaltungstätigkeit aus.

144

Beispiel

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Klage des Grundstückseigentümers auf Erteilung einer Baugenehmigung; (positive Konkurrenten-)Klage des Taxiunternehmers auf Erteilung eines Subventionsbescheids auch an ihn; Klage der Ehefrau auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ihren Ehemann; Klage des Nachbarn auf Aufhebung der dem Bauherrn erteilten Baugenehmigung.

145

Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage ist mithin, dass es sich bei der erstrebten Maßnahme um einen Verwaltungsakt handelt. Insoweit gelten die obigen Ausführungen zur Anfechtungsklage (Rn. 129 ff.) auch hier. Entsprechendes trifft auf § 79 VwGO (Rn. 134 ff.) zu, sofern die Ablehnung des beantragten Verwaltungsakts Gegenstand eines Vorverfahrens war.

146

Hinsichtlich der Abgrenzung der Verpflichtungsklage zur

Anfechtungsklage gilt:

Besteht das Rechtsschutzbegehren des Klägers in der Abwehr eines belastenden Verwaltungsakts (z.B. Gewerbeuntersagung, § 35 Abs. 1 S. 1 GewO), so ist gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO grundsätzlich die Anfechtungsklage statthaft. Für die in einem solchen Fall an sich auch denkbare Klage auf Verpflichtung der Behörde zum Erlass eines Aufhebungsbescheids (z.B. nach § 48 VwVfG) würde es dem Kläger hingegen regelmäßig am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Denn bei Erfolg der Anfechtungsklage wird der angegriffene Verwaltungsakt unmittelbar durch das Gericht aufgehoben (Rn. 126), wohingegen bei Erfolg der Verpflichtungsklage die Behörde erst noch einen entsprechenden Aufhebungsbescheid erlassen müsste (Rn. 143); käme sie dieser Verpflichtung von sich aus nicht nach, bedürfte es zudem noch der Urteilsvollstreckung gem. § 172 VwGO. Abweichend vom Vorstehenden ist allerdings dann die Verpflichtungs- (und nicht die Anfechtungs-)Klage statthaft, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung der Kläger begehrt, bereits formell bestandskräftig ist (str.

Nach a.A. sei eine solche Klage unzulässig, da andernfalls die Fristen der §§ 70, 74 VwGO ausgehöhlt würden, siehe die Nachweise bei Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 278. Zur Nichtigkeitsfeststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) in dieser Situation siehe Schmitz JuS 2015, 895 (898 f.) m.w.N.). Der dem Kläger in einer solchen Konstellation materiell-rechtlich zustehende Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (im engeren Sinn nach § 51 Abs. 1–3 VwVfG oder im weiteren Sinn nach § 51 Abs. 5 VwVfG) bzw. u.U. unmittelbar auf Aufhebung des Verwaltungsakts (§§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 VwVfG) ist prozessual nämlich mittels der Verpflichtungsklage geltend zu machen;

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wird der Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts (z.B. Baugenehmigung, § 75 Abs. 1 S. 1 BauO NRW) begehrt und lehnt die Behörde diesen ab, so ist gem. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO im Grundsatz allein die Verpflichtungsklage (in Gestalt der Versagungsgegenklage; Rn. 155) die statthafte Klageart. Dieses Rechtsschutzziel könnte der Kläger mit einer allein gegen den ablehnenden Bescheid (z.B. Ablehnung der beantragten Baugenehmigung) erhobenen Anfechtungsklage dagegen nicht erreichen. Denn selbst im Falle des Erfolgs dieser isolierten Anfechtungsklage würde lediglich der ablehnende Bescheid aufgehoben, nicht aber würde der Kläger den von ihm erstrebten Verwaltungsakt erlangen. Hierfür müsste vielmehr eine gesonderte (Verpflichtungs-)Klage erhoben werden. Die isolierte Anfechtungsklage ist daher nur dann statthaft, wenn sich das klägerische Begehren in der Aufhebung des Ablehnungsbescheids erschöpft. Das für die Zulässigkeit einer solchen Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt ausnahmsweise dann vor, wenn der Ablehnungsbescheid über die Versagung des begehrten Verwaltungsakts hinaus negative Folgen hat (z.B. Erlöschen der Fiktion nach § 81 Abs. 3 S. 1 AufenthG);

148

Beispiel

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Auf den Widerspruch des Nachbarn N hin wird die dem Grundstückseigentümer G zunächst erteilte Baugenehmigung durch Widerspruchsbescheid später wieder aufgehoben. Da G unbeirrt an seinem genehmigungspflichtigen Bauvorhaben festhält, wendet er sich hilfesuchend an Rechtsanwalt R. Zu welcher Klageart wird R dem G raten?

G begehrt (§ 88 VwGO) eine Baugenehmigung, d.h. den Erlass eines Verwaltungsakts. Dieser wurde hier zunächst erteilt und erst später wieder aufgehoben. Statthafte Klageart ist damit die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, gerichtet auf Kassation des die ursprüngliche Baugenehmigung beseitigenden Widerspruchsbescheids. Denn dringt G mit dieser Klage durch, so lebt infolge der dann rückwirkenden „Aufhebung ihrer Aufhebung“ die ursprünglich erteilte Baugenehmigung wieder auf.

149

zur Konkurrenten(verdrängungs)klage als „Dauerbrenner in Klausuren und Praxis“

Uerpmann-Wittzack/Edenharter JA 2013, 561 (564). vgl. Übungsfall Nr. 4; zum Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen siehe Übungsfall Nr. 1;

150

allgemeinen Leistungsklage gilt: Die Verpflichtungsklage ist immer dann die statthafte Klageart, wenn es sich bei der vom Kläger begehrten behördlichen Maßnahme um einen Verwaltungsakt handelt. Ist diese dagegen als Realakt zu qualifizieren, so ist grundsätzlich die allgemeine Leistungsklage statthaft. Abweichendes gilt allerdings dann, wenn dem schlichten Verwaltungshandeln eine regelnde behördliche Entscheidung darüber vorgeschaltet ist, ob der Realakt vorgenommen wird oder nicht (z.B. Ausgleich des Vermögensnachteils nach erfolgter Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, § 48 Abs. 3 S. 4 VwVfG).

Ist der Vornahme eines Realakts (z.B. Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen) ein Verwaltungsakt vorgeschaltet, so gilt dies nach der actus contrarius-Theorie auch im Fall seiner späteren Beseitigung (z.B. Vernichtung erkennungsdienstlicher Unterlagen), siehe Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 444. In einem solchen Fall ist allein die Verpflichtungsklage statthaft. Die Frage, ob in derartigen Konstellationen analog § 113 Abs. 1 S. 2 bzw. Abs. 4 VwGO (Rn. 137 ff.) mit dem Verpflichtungsbegehren (gerichtet z.B. auf den Erlass eines Bewilligungsbescheids) zugleich ein Annexantrag auf die den Verwaltungsakt vollziehende schlichthoheitliche Leistung (z.B. Geldzahlung) verbunden werden kann, ist str.Bejahend Kopp/Schenke VwGO § 113 Rn. 86, 177, verneinend Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO § 113 Rn. 392.

151

Beispiel

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Zeitungsverlag Z beantragt bei der zuständigen Behörde die Einsichtnahme in die dort geführten Akten über Abwassereinleitungen des Industrieunternehmens I. Nach unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 Nr. 2 UIG erfolgter Ablehnung dieses Antrags fragt Z nunmehr nach seinen Rechtsschutzmöglichkeiten.

Welche Rechtsschutzmöglichkeit Z vorliegend zur Verfügung steht, richtet sich nach der Rechtsnatur des begehrten behördlichen Handelns, d.h. hier der Gewährung der Einsichtnahme in die Akten. Dabei handelt es sich um einen Realakt, so dass Z an sich eine allgemeine Leistungsklage vor dem zuständigen VG (§ 6 Abs. 1 UIG) erheben müsste. Wie sich allerdings aus §§ 5 Abs. 1 S. 4, 6 Abs. 2 UIG ergibt, geht der Zugänglichmachung von Umweltinformationen als schlicht-hoheitlichem Verwaltungshandeln eine behördliche Entscheidung über deren „Ob“ und „Wie“ (Umfang) in Gestalt eines Verwaltungsakts voraus. Nach ggf. erfolgloser Durchführung eines ordnungsgemäßen Widerspruchsverfahrens gem. §§ 68 ff. VwGO (Rn. 295 ff.) ist hier daher die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO die statthafte Klageart. Hat diese Erfolg, d.h. wird die Verwaltung zum Erlass eines positiven Bescheids gegenüber Z verpflichtet, so kassiert das Verpflichtungsurteil zugleich den vorausgegangenen Ablehnungsbescheid (Rn. 155).

3. Fortsetzungsfeststellungsklage

162

Hat der Kläger eine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO erhoben, hat sich der mit dieser angegriffene Verwaltungsakt aber „vorher“ durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht gem. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (Fortsetzungsfeststellungsklage, FFK).

Zum gesamten Folgenden siehe BVerfGE 96, 27; BVerwGE 72, 38; 151, 36; BVerwG NVwZ 2014, 736; SächsVBl. 2015, 164; Decker JA 2016, 241 ff.; Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 26 Rn. 1 ff.; Gersdorf Verwaltungsprozessrecht Rn. 82 ff.; Hufen Verwaltungsprozessrecht § 18 Rn. 36 ff.; Kopp/Schenke VwGO § 113 Rn. 95, 118; Mann/Wahrendorf Verwaltungsprozessrecht § 20 Rn. 1 ff.; Ogorek JA 2002, 222 ff.; Rozek JuS 1995, 414 ff., 598 ff., 697 ff.; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 306 ff., 610, 665 f., 703; R.P. Schenke JuS 2007, 697 ff.; Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht Rn. 143 ff., 352 ff.; Wolff in: ders./Decker, VwGO/VwVfG § 113 VwGO Rn. 92; Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 633, 640 ff.

163

Aus der Stellung von § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO im 10. Abschnitt der VwGO über „Urteile und andere Entscheidungen“ sowie der inneren Systematik von § 113 Abs. 1 VwGO folgt, dass sich die im Gesetzestext ausdrücklich enthaltene zeitliche Bestimmung „vorher“ auf die gerichtliche Entscheidung über das Anfechtungsbegehren bezieht. Da das Ergehen eines Urteils jedoch notwendigerweise eine rechtshängige Klage voraussetzt (§ 90 Abs. 1 VwGO), erfasst § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO in seiner unmittelbaren Anwendung nur solche Fälle, in denen sich der Verwaltungsakt nach Erhebung der Anfechtungsklage und vor Urteilsverkündung erledigt.

164

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165

Beispiel

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Veranstalter V plant für den 3.10. eine Demonstration, deren Durchführung von der zuständigen Behörde bereits am 17.6. verboten wurde. Über die hiergegen kurze Zeit später erhobene Anfechtungsklage wird erst am 9.11. entschieden. In der an diesem Tag stattfindenden mündlichen Verhandlung beantragt V die gerichtliche Feststellung, dass das Versammlungsverbot rechtswidrig war. Hierbei handelt es sich um einen typischen Anwendungsfall von § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO.

166

Mit dieser Regelung in § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass mit Erledigung des angegriffenen Verwaltungsakts das mit der Anfechtungsklage primär verfolgte Rechtsschutzziel, nämlich die zu dessen Unwirksamkeit führende gerichtliche Aufhebung (Rn. 126), nicht mehr erreicht werden kann. Ein erledigter Verwaltungsakt ist nämlich bereits kraft Gesetzes unwirksam, § 43 Abs. 2 VwVfG. Infolge dessen wird die ursprüngliche Anfechtungsklage mit Erledigungseintritt unzulässig,

Nach z.T. vertretener Auffassung bereits wegen Unstatthaftigkeit, nach a.A. aufgrund fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses, siehe die Nachweise bei Gersdorf Verwaltungsprozessrecht Rn. 83. so dass es nicht mehr zu einer Entscheidung des Gerichts über die (Un-)Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts käme. An einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit auch eines erledigungsbedingt unwirksamen Verwaltungsakts kann der Kläger in bestimmten Konstellationen aber durchaus ein berechtigtes Interesse haben (Rn. 382 ff.). Den prozessualen Weg zu dieser von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG geforderten Feststellungsmöglichkeit eröffnet § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Dabei handelt es sich beim Übergang von der Anfechtungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO grundsätzlich nicht um eine Klageänderung. Abweichendes gilt jedoch ausnahmsweise dann, wenn „das Feststellungsbegehren nicht nur die – von der Fortsetzungsfeststellungsklage erfasste – Rechtslage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, sondern einen davorliegenden Zeitraum betrifft.“BVerwG NVwZ 2015, 986 (989).

Hinweis

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Eine andere Möglichkeit des Klägers, einer erledigungsbedingten Abweisung der Anfechtungsklage zu entgehen, besteht darin, die Hauptsache für erledigt zu erklären. Das Gericht entscheidet dann gem. § 161 Abs. 2 S. 1 VwGO nur noch über die Kosten des Verfahrens (bei beiderseitiger/übereinstimmender Erledigungserklärung) bzw. stellt bei tatsächlich eingetretener Erledigung diese nach gem. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 bzw. 3 ZPO erfolgter Klageänderung fest, § 43 Abs. 1 VwGO (Fall der einseitigen Erledigungserklärung). Bei einer Klagerücknahme (§ 92 VwGO) würde der Kläger hingegen gem. § 155 Abs. 2 VwGO mit den Verfahrenskosten belastet.

Deckenbrock/Dötsch JuS 2004, 689 (691) m.w.N. auch zur a.A.; Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozeßrecht Rn. 352.

167

Vor diesem Hintergrund erhellt, dass es sich bei der Fortsetzungsfeststellungsklage der Rechtsnatur nach richtigerweise um eine fortgesetzte Anfechtungsklage handelt. Da aufgrund der Erledigung des Verwaltungsakts allerdings nicht mehr dessen Aufhebung (§§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO), sondern nur noch die Feststellung von dessen Rechtswidrigkeit verlangt werden kann, wird die Fortsetzungsfeststellungsklage plakativ auch als „amputierte Anfechtungsklage“ bezeichnet (a.A.: besondere Form der Feststellungsklage bzw. eigene Klageart [sui generis]).

168

Über den vergleichsweise schmalen Anwendungsbereich hinaus, der § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bei unmittelbarer Anwendung damit zukommt (Erledigung des mit einer Anfechtungsklage angegriffenen Verwaltungsakts nach Klageerhebung und vor Urteilsverkündung), gibt es allerdings auch noch eine Reihe weiterer gesetzlich nicht geregelter Fallkonstellationen, in denen aufgrund vergleichbarer Interessenlage eine entsprechende Anwendung dieser Norm angezeigt ist.

169

Dies gilt zum einen im Hinblick auf die ursprünglich erhobene Klageart („Eingangsklage“). Da es für den Rechtsschutzsuchenden keinen Unterschied macht, ob er durch einen erledigten belastenden Verwaltungsakt oder durch eine versagte bzw. unterlassene

Str. Nach a.A. käme im Fall der erledigten Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zur Anwendung, siehe etwa Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 26 Rn. 32. Begünstigung in seinen Rechten verletzt wird und die Fortsetzungsfeststellungsklage verhindern soll, dass ein Kläger, der infolge eines erledigenden Ereignisses seinen ursprünglichen Antrag nicht weiterverfolgen kann, um die „Früchte“ der bisherigen Prozessführung gebracht wird, ist allgemein anerkannt, dass § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auf die Fälle der Erledigung eines Verpflichtungsbegehrens nach Klageerhebung analog anzuwenden ist. Auch insoweit besteht daher die Möglichkeit für den Kläger, die Rechtswidrigkeit der Ablehnung bzw. Unterlassung des begehrten Verwaltungsakts im Zeitpunkt unmittelbar vor Eintritt des erledigenden EreignissesNicht mehr um ein derartiges „Minus“ zum ursprünglichen Verpflichtungsbegehren, sondern vielmehr um eine allgemeine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO), d.h. eine Klageänderung i.S.v. § 91 VwGO, handelt es sich hingegen dann, wenn der Kläger mit seinem Feststellungsantrag auf einen anderen Zeitpunkt abstellt oder darauf, dass die behördliche Ablehnung bzw. Unterlassung des begehrten Verwaltungsakts rechtswidrig gewesen ist und ihn in seinen Rechten verletzt. gerichtlich feststellen zu lassen. Eine analoge Anwendung des verwaltungsaktbezogenen § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auf „erledigtes“ schlicht-hoheitliches Handeln (Realakte; z.B. Beseitigung eines mittlerweile an eine andere Stelle verbrachten Müllcontainers) kommt nach h.M.Nachweise bei Heinze/Sahan JA 2007, 805 (810); Hebeler JA 2015, 958 (959). A.A. etwa Hufen Verwaltungsprozessrecht § 18 Rn. 44 f. dagegen nicht in Betracht. Einschlägig ist insofern vielmehr die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO.

170

Beispiel

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Mit Bescheid vom 1.3. wurde der Antrag des Schaustellers S auf Zulassung seines Autoscooter-Fahrgeschäfts zu dem nach §§ 60b Abs. 2, 69 Abs. 1 GewO für den 1.6. festgesetzten gemeindlichen Volksfest abgelehnt. S hält diese Entscheidung mit Blick auf § 70 Abs. 1 GewO für rechtswidrig. Da das VG über die von ihm daraufhin in zulässiger Weise erhobene Verpflichtungsklage bis zum 1.6. allerdings noch nicht entschieden hat und S befürchtet, auch im nächsten Jahr nicht zum jährlich stattfindenden Volksfest zugelassen zu werden, kann er in der am 1.9. stattfindenden mündlichen Verhandlung analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO einen Fortsetzungsfeststellungsantrag stellen.

171

Zum anderen wird § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO von der h.M.

Nachweise bei Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 323. ebenfalls in zeitlicher Hinsicht analog angewandt. Weil die Art des Rechtsschutzes nicht von dem mehr oder weniger zufälligen Zeitpunkt des Erledigungseintritts abhängig sein könne, müsse § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auch auf diejenigen Fälle erstreckt werden, in denen die Erledigung des belastenden (Anfechtungssituation) bzw. begünstigenden (Verpflichtungssituation) Verwaltungsakts jeweils schon vor – und nicht erst nach – Klageerhebung eintritt.

172-173

Beispiel

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Veranstalter V plant für den 3.10. eine Demonstration, deren Durchführung von der zuständigen Behörde am 2.10. mit für sofort vollziehbar erklärter Verfügung verboten wurde. Am 4.10. erhebt V Klage vor dem VG mit dem Antrag festzustellen, dass das Versammlungsverbot rechtswidrig gewesen ist. Der Antrag ist nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog statthaft (Erledigung des Anfechtungsbegehrens vor Klageerhebung).

Nach rechtswidriger Ablehnung des von Grundstückseigentümer G bei der zuständigen Behörde gestellten Antrags auf Erteilung einer Baugenehmigung ändert sich die Eigenart der näheren Umgebung zum Nachteil des G, so dass sein § 34 Abs. 1 BauGB unterfallendes Bauvorhaben zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr genehmigungsfähig ist. Nunmehr erhebt G Fortsetzungsfeststellungsklage vor dem VG mit dem Antrag festzustellen, dass ursprünglich ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung bestand. Die Klage ist in doppelt analoger Anwendung von § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO statthaft (Verpflichtungssituation mit Erledigungseintritt vor Klageerhebung).

174

Dieser Auffassung (Rn. 171) wird allerdings teilweise

Siehe etwa Pietzcker in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO § 42 Abs. 1 Rn. 86. mit dem Hinweis darauf entgegen getreten, dass es für eine analoge Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auch in zeitlicher Hinsicht an der für jede AnalogieAllgemein zur Analogie siehe im Skript „Juristische Methodenlehre“ Rn. 248 ff. m.w.N. notwendigen planwidrigen Regelungslücke fehle. Denn bei der Frage, ob die Behörde dazu berechtigt war, den erledigten Verwaltungsakt zu erlassen (Anfechtungssituation) bzw. den begehrten Verwaltungsakt zu versagen bzw. zu unterlassen (Verpflichtungssituation), handele es sich um ein Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO, dessen (Nicht-)Bestehen im Wege der allgemeinen Feststellungsklage zu klären sei. Diese Sichtweise hatte zwischenzeitlich durch das Urteil des BVerwG vom 14.7.1999BVerwGE 109, 203. Auftrieb erfahren. NachfolgendVgl. BVerwG NJW 2009, 98. hat sich das BVerwG von dieser Rechtsprechung jedoch wieder distanziert, so dass entgegen anderslautenden Stimmen in der LiteraturSiehe die Nachweise bei Hufen JuS 2016, 189 (190). insoweit letztlich doch nicht von einer Kehrtwende gesprochen werden kann. Folgt man der h.M.Siehe etwa Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 325 m.w.N., so ergibt sich die nachfolgende Übersicht über den Anwendungsbereich der Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO:

175

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176

Definition

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Definition: Erledigung

Die in jedweder, d.h. sowohl in unmittelbarer als auch in (doppelt) analoger Anwendung von § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO erforderliche Erledigung

Nach z.T. vertretener Auffassung (Hufen Verwaltungsprozessrecht § 18 Rn. 41; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 326) sei § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auch dann analog anzuwenden, wenn sich der Verwaltungsakt zwar nicht erledigt hat, seine gerichtliche Aufhebung aber gleichwohl ausscheidet, z.B. infolge Heilung (§ 45 VwVfG) oder Unbeachtlichkeit (§ 46 VwVfG) eines Verfahrensfehlers. des Verwaltungsakts ist in der Anfechtungssituation zu bejahen, wenn der angegriffene Verwaltungsakt keine Regelungswirkung mehr entfaltet, vgl. § 35 S. 1 VwVfG („Wegfall der Beschwer“).

177

Die Gründe hierfür können sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Natur sein. Als Beispiele für Letztere werden in § 43 Abs. 2 VwVfG die Rücknahme (§ 48 VwVfG; siehe auch § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO), der Widerruf (§ 49 VwVfG) und die anderweitige Aufhebung (gem. §§ 72 f. bzw. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) genannt. Tatsächlich kann sich ein Verwaltungsakt zum einen u.a. durch Zeitablauf erledigen (z.B. nach § 77 Abs. 1 BauO NRW), § 43 Abs. 2 VwVfG. Dieser Fall liegt dann vor, wenn sich der Verwaltungsakt auf einen mittlerweile abgelaufenen Zeitpunkt bzw. -raum bezieht und sein Bestand auch nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit von noch andauernden Folgemaßnahmen ist (so z.B. die anlässlich eines Auswärtsspiels der deutschen Fußball-Nationalmannschaft an Hooligan H gerichtete Untersagung der Ausreise aus dem Bundesgebiet bis zum 16.10.2018, 24:00 Uhr). Die in § 43 Abs. 2 VwVfG zum anderen noch erwähnte Erledigung des Verwaltungsakts „auf andere Weise“ als in den vorgenannten Fällen ist zu bejahen, sofern die Aufhebung des keine Wirkungen mehr entfaltenden Verwaltungsakts sinnlos geworden ist – sei es, weil beispielsweise dessen Regelungsobjekt untergegangen ist (z.B. die an die Behörde herauszugebende Sache) oder weil bei Höchstpersönlichkeit des Verwaltungsakts, d.h. fehlender Rechtsnachfolge, dessen Adressat verstorben ist (Wegfall des Regelungsadressaten).

178

Grundsätzlich nicht zur Erledigung eines Verwaltungsakts führt hingegen dessen Vollziehung bzw. freiwillige Befolgung, da der Verwaltungsakt hierfür Rechtsgrund bleibt. Entsprechendes gilt nach h.M.

BVerwG NVwZ 2009, 122; Bünnigmann JuS 2017, 650 (652) m.w.N. auch zur a.A. auch im Fall der Vollstreckung eines Verwaltungsakts. Dies kommt auch in § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO zum Ausdruck, wonach die Rückgängigmachung der Vollziehung des Verwaltungsakts frühestens mit dessen gleichzeitiger Aufhebung verlangt werden kann (z.B. kann der Bürger erst dann mit Erfolg die Herausgabe seiner von der Polizei beschlagnahmten Sache verlangen, wenn die Beschlagnahmeanordnung aufgehoben ist). Besteht ein solcher Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch hingegen nicht – etwa weil unumkehrbare Tatsachen geschaffen wurden –, so führt der Vollzug eines Verwaltungsakts ausnahmsweise sehr wohl zu dessen Erledigung (z.B. wenn der Hauseigentümer die ihm gegenüber erlassene Abrissverfügung befolgt hat).

179

Expertentipp

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Bevor in der Klausurbearbeitung die Erledigung eines Verwaltungsakts bejaht wird, sollte zur Kontrolle die Überlegung angestellt werden, ob dessen Aufhebung aus Sicht des Klägers noch Sinn macht („Wird noch irgendetwas geregelt?“). Ist dies unter jedem denkbaren Aspekt zu verneinen, so wird regelmäßig vom Erledigungseintritt auszugehen sein.

Bünnigmann JuS 2017, 650 (651); Ogorek JA 2002, 222 (224).

180

Beispiel

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Behörde B hat gegenüber Einwohner E einen gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO sofort vollziehbaren Gebührenbescheid i.H.v. 1000 € erlassen. Nach erfolgloser Einlegung eines Widerspruchs hiergegen erhebt E Anfechtungsklage. Da E allerdings die Vollstreckung des Gebührenbescheids fürchtet, zahlt er noch während des laufenden Prozesses die 1000 € und begehrt nunmehr anstelle der Aufhebung des Gebührenbescheids die Feststellung von dessen Rechtswidrigkeit.

Der Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ist unzulässig, da der Verwaltungsakt (Gebührenbescheid) sich ungeachtet der Zahlung durch E nicht erledigt hat. Vielmehr wirkt dieser Bescheid als Rechtsgrundlage (causa) für das behördliche Behaltendürfen der 1000 € weiterhin fort. Auch kann er immer noch aufgehoben und die Erfüllungshandlung, d.h. die Zahlung des Geldbetrags, wieder rückgängig gemacht werden.

181

Von der Erledigung eines Verpflichtungsbegehrens ist namentlich dann auszugehen, wenn „das Rechtsschutzziel aus Gründen, die nicht in der Einflußsphäre des Klägers liegen, in dem Prozessverfahren nicht mehr zu erlangen ist, weil es entweder bereits außerhalb des Prozesses erreicht wurde [z.B. Behörde erlässt den begehrten Verwaltungsakt] oder überhaupt nicht mehr erreicht werden kann“

BVerwG NVwZ 1989, 48., z.B. weil der Jahrmarkt, zu dem Schausteller S erfolglos die behördliche Zulassung seines Fahrgeschäfts erstrebt hatte, im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hierüber bereits stattgefunden hat. Fernerhin auch dann, wenn zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (Rn. 469 ff.) eine Änderung der Sach- bzw. Rechtslage in Bezug auf den beantragten Verwaltungsakt eingetreten ist, aufgrund derer der Kläger diesen nicht mehr beanspruchen kann (z.B. weil sich nach erfolgloser Beantragung einer Baugenehmigung die nähere Umgebung während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens so verändert hat, dass die Genehmigung für das § 34 Abs. 1 BauGB unterfallende Bauvorhaben nicht mehr erteilt werden kann). War die Sache im Erledigungszeitpunkt noch nicht spruchreif, so kann analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Feststellung begehrt werden, dass der Beklagte zur Bescheidung verpflichtet war.

182

Hinweis

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Speziell in Bezug auf beamtenrechtliche Konkurrentenklagen sind folgende Besonderheiten zu beachten:

Zum gesamten Folgenden siehe BVerfG NVwZ 2007, 1178; 2008, 70 und 194; BVerwGE 80, 127; 118, 370; 124, 99; 138, 102; Brinktrine Jura 2015, 1192; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 277 ff., 358, 524. Zwar gewährt Art. 33 Abs. 2 GG jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, vgl. auch § 9 BBG, § 9 BeamtStG. Daraus folgt der Anspruch eines Stellenbewerbers auf beurteilungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung. Ist ein Konkurrent unter Verstoß gegen diesen Bewerbungsverfahrensanspruch zum Beamten ernannt worden, so kann seine Ernennung allein aus diesem Grund nach den einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften regelmäßig aber nicht wieder rückgängig gemacht werden (Grundsatz der Ämterstabilität; Ausnahme: ein herkömmlicher gesetzlicher Rücknahmetatbestand wie § 14 BBG bzw. § 12 BeamtStG ist erfüllt). Eine hiergegen Es gilt der Grundsatz, dass Rechtsschutz erst nach Abschluss eines Stellenbesetzungsverfahrens zu erwirken ist. Dessen vollständigen Abschluss bringt die Verwaltung erst durch die Bekanntgabe des Verwaltungsakts über die erfolgreiche Person verbunden mit der ablehnenden Bescheidung der weiteren BewerberInnen in der „Konkurrentenmitteilung“ zum Ausdruck – und nicht etwa durch vorherige Wissensmitteilungen betreffend unselbstständige Zwischenschritte des Verfahrens, siehe BVerfG NVwZ 2014, 785 (786). erhobene Anfechtungsklage des unterlegenen Bewerbers – bei der Ernennung des Konkurrenten handelt es sich um einen diesen begünstigenden Verwaltungsakt mit belastender Drittwirkung – hätte daher keinen Erfolg. Doch auch mit einer auf die eigene Ernennung gerichteten Verpflichtungsklage würde der Mitbewerber ab dem Zeitpunkt der Ernennung des Konkurrenten nicht durchdringen, da für eine seiner Bewerbung entsprechende Entscheidung dann mangels verfügbarer Stelle kein Raum mehr ist. Ein Amt darf nämlich nur zusammen mit der Einweisung in eine besetzbare Planstelle verliehen werden (siehe z.B. § 49 Abs. 1 BHO), so dass die ausgeschriebene Planstelle mit ihrer Besetzung durch den Konkurrenten nicht mehr zur Verfügung steht. Auch ist der zugeordnete Dienstposten nicht mehr frei, weil der Ernannte einen Rechtsanspruch auf ein seinem statusrechtlichen Amt entsprechendes (abstrakt und konkret funktionelles) Amt hat.

Erledigt sich der um eine Bewerberauswahl geführte Rechtsstreit demnach grundsätzlich mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle, so lässt sich der vorgenannte Bewerbungsverfahrensanspruch regelmäßig nur vor der Ernennung des ausgewählten Konkurrenten mittels einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO absichern (Rn. 591 ff.). Der abgelehnte Bewerber muss vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz (Rn. 197, 373, 378) in Anspruch nehmen mit dem Ziel, dem Dienstherrn die Ernennung des ausgewählten Bewerbers gerichtlich einstweilen zu untersagen. Durch einen diesem Antrag stattgebenden Beschluss wird die Stelle bis zu einer abschließenden Entscheidung über den Bewerbungsverfahrensanspruch freigehalten und die ansonsten mit der Ernennung des ausgewählten Konkurrenten eintretende Schaffung von vollendeten Tatsachen verhindert. Im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit übernimmt damit das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig die Funktion des Hauptsacheverfahrens, weshalb Ersteres nach Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe auch nicht hinter Letzterem zurückbleiben darf. D.h., es findet ausnahmsweise keine nur summarische Prüfung, sondern eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl statt. Auch gilt im vorliegenden Zusammenhang eine Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache (Rn. 633 ff.).

Vom Vorstehenden Abweichendes gilt im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) allerdings dann, wenn die Verwaltung durch ihr Verhalten rechtzeitigen vorläufigen Rechtsschutz verhindert (z.B. weil der Dienstherr den unterlegenen Bewerbern die Auswahlentscheidung nicht mindestens zwei Wochen vor der Ernennung mitteilt) oder sich über dessen erfolgreiche Inanspruchnahme hinweggesetzt hat (z.B. weil der Dienstherr den Konkurrenten ungeachtet einer anderslautenden einstweiligen Anordnung des Gerichts gleichwohl ernennt). In einem solchen Fall kann der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz allein mittels einer Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) gegen die Ernennung des ausgewählten Bewerbers nachgeholt werden. Verstößt diese gegen die Rechte des unterlegenen Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG, so ist sie mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) aufzuheben. Der Grundsatz der Ämterstabilität steht dem nicht entgegen, hätte es der Dienstherr andernfalls doch in der Hand, das Grundrecht der unterlegenen Bewerber aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG durch vorzeitige Ernennungen kurzerhand auszuschalten, vgl. auch den in § 162 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken. Hierdurch drohende Gefährdungen der Funktionsfähigkeit von Justiz oder Verwaltung kann der Dienstherr vermeiden, indem er die Anforderungen der Rechtsschutzgarantie beachtet.

Was die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage anbelangt, so ist wie folgt zu differenzieren:

183

Wie dargestellt, handelt es sich bei der Fortsetzungsfeststellungsklage im Ausgangspunkt, d.h. bei unmittelbarer – und nicht analoger – Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, um die Fortsetzung einer zunächst erhobenen Anfechtungsklage, bei der sich der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt hat (Rn. 163, 167). War aber bereits die Anfechtungsklage unzulässig, so kann auch für die Fortsetzungsfeststellungsklage nichts anderes gelten; eine unzulässige Klage darf nicht fortgeführt werden. Deshalb müssen in solchen Konstellationen, in denen sich die Fortsetzungsfeststellungsklage als nichts anderes als die Fortführung der ursprünglichen Anfechtungsklage darstellt, die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungsklage (namentlich diejenigen des § 68 Abs. 1 und des § 74 Abs. 1 VwGO; Rn. 141) erfüllt sein, damit die Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig ist. Entsprechendes gilt für den Fall der Erledigung eines Verpflichtungsbegehrens nach Klageerhebung (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog).

184

Hinweis

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„Allein die Erledigung kann […] aus einer vor Erledigung unzulässigen Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage keine zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage […] machen.“

Rozek JuS 1995, 697 m.w.N.

185

Beispiel

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Veranstalter V plant für den 1.5. eine Demonstration, deren Durchführung von der zuständigen Behörde jedoch am 21.3. verboten wird. Der entsprechende Bescheid, dem eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist (statthafter Rechtsbehelf ist danach der Widerspruch), wird V am 24.3. bekannt gegeben.

Nach Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO ist nicht nur eine – etwa am 30.4. – gegen das Demonstrationsverbot erhobene Anfechtungsklage unzulässig, sondern hat auch ein auf die Feststellung von dessen Rechtswidrigkeit gerichteter Antrag nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO – beispielsweise vom 2.5. – keinen Erfolg.

186

Nichts anderes (Rn. 183) gilt ferner dann, wenn die Erledigung zwar vor Klageerhebung (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO [doppelt] analog; Rn. 171 ff.) aber nach Ablauf der Widerspruchsfrist eingetreten ist. Auch insoweit dürfen die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage nicht umgangen werden. Insbesondere wenn diese gem. § 68 Abs. 1 S. 1 (ggf. i.V.m. Abs. 2) VwGO nur nach vorheriger Durchführung eines ordnungsmäßen Widerspruchsverfahrens zulässig war, die Widerspruchsfrist des § 70 VwGO bzw. die Frist des § 58 Abs. 2 VwGO aber versäumt wurde, ist auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig. Äußerst umstritten ist dagegen die Beurteilung der Fälle der Erledigung vor Klageerhebung und vor Ablauf der noch offenen Widerspruchsfrist. Näher hierzu im Übungsfall Nr. 2.

4. Allgemeine Leistungsklage

190

Abweichend von den übrigen in Rn. 124 genannten Klagearten ist die allgemeine Leistungsklage in der VwGO zwar nicht ausdrücklich geregelt; doch wird sie an mehreren Stellen erwähnt (z.B. in § 43 Abs. 2 S. 1 und § 111 S. 1 VwGO) und ist als eigene Klageart mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannt.

Hierzu sowie zum gesamten Folgenden siehe OVG Lüneburg BeckRS 2014, 49981; Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 24 Rn. 1 ff.; Frenz JA 2010, 329 ff.; Gersdorf Verwaltungsprozessrecht Rn. 99 ff.; Hufen Verwaltungsprozessrecht § 16 Rn. 1 ff., § 17 Rn. 1 ff.; Mann/Wahrendorf Verwaltungsprozessrecht § 18 Rn. 1 ff.; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 226 ff., 343 ff., 1087 ff.; Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht Rn. 313, 377 ff.; Sennekamp in: Quaas/Zuck, Prozesse in Verwaltungssachen § 3 Rn. 99; Wolff in: ders./Decker, VwGO/VwVfG Anh zu § 43 Rn. 30, 32; Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 375 ff., 479 ff., 711 ff.

191

Die allgemeine Leistungsklage ist statthaft, wenn das klägerische Begehren auf die gerichtliche Verurteilung des Beklagten zu einer bestimmten Leistung

Der Leistungsanspruch kann gegenwärtig bestehen oder auch erst in der Zukunft liegen, vgl. § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 257 ff. ZPO. Bestand der Anspruch dagegen nur in der Vergangenheit, so ist nach h.M. die allgemeine Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) statthaft. (Handeln, Dulden oder Unterlassen, vgl. § 241 Abs. 1 BGB) gerichtet ist, die nicht – wie bei der Verpflichtungsklage als spezielle Form der Leistungsklage der Fall (Rn. 143) – im Erlass eines Verwaltungsakts oder dessen Beseitigung (dann: Anfechtungsklage), sondern vielmehr in einem rein tatsächlichen Verhalten besteht (Realakt). Demgemäß kann mit der allgemeinen Leistungsklage als „Auffangklage“Hufen Verwaltungsprozessrecht § 17 Rn. 1. bzw. „prozessuale ‚Mehrzweckwaffe‘“Steiner JuS 1984, 853. nicht nur vom Bürger ein Verhalten eines Hoheitsträgers (z.B. Folgenbeseitigung), sondern umgekehrt auch von einem Hoheitsträger als Kläger ein bestimmtes Verhalten des Bürgers verlangt werden (z.B. Abgabenzahlung; vgl. aber Rn. 370 zum Rechtsschutzbedürfnis). Schließlich ist die allgemeine Leistungsklage auch im Verhältnis verschiedener Träger hoheitlicher Gewalt sowie ebenfalls bei Innenrechtsstreitigkeiten, d.h. zwischen Organ(teil)en derselben juristischen Person des öffentlichen Rechts, statthaft (z.B. Kommunalverfassungsstreit; str.Siehe die Nachweise bei Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 228. Demgegenüber tendiert die h.M. dazu, bei Innenrechtsstreitigkeiten die allgemeine Feststellungsklage als statthaft anzusehen, siehe Hufen Verwaltungsprozessrecht § 21 Rn. 12 und vgl. Übungsfall Nr. 6.). Ebenso wie bei der Verpflichtungsklage (Rn. 143) gestaltet das Gericht auch bei der allgemeinen Leistungsklage im Fall des Obsiegens des Klägers die Rechtslage allerdings nicht selbst um, sondern verurteilt den Beklagten vielmehr zu einer entsprechenden Leistung.

192

Beispiel

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Klage auf Widerruf einer von einem Amtsträger geäußerten Tatsachenbehauptung, auf Auszahlung einer von der Behörde bewilligten Geldleistung, auf Reparatur einer Straße, auf Rückgängigmachung der Umsetzung eines Beamten, auf Verurteilung des Bürgers zur Leistung gemäß dessen Verpflichtung aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, auf Kostenerstattung zwischen verschiedenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, auf Rückgängigmachung des Ausschlusses eines Gemeinderatsmitglieds von zukünftigen Sitzungen durch den Bürgermeister.

193

Hinsichtlich der Abgrenzung der allgemeinen Leistungsklage zur Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gilt: Wendet sich der Bürger gegen ein tatsächliches hoheitliches Handeln, das einen Verwaltungsakt vollzieht (z.B. Beschlagnahme einer Sache), so kann die tatsächliche Leistung (z.B. Herausgabe der Sache) frühestens mit der zeitgleichen Aufhebung des zugrundeliegenden Verwaltungsakts verlangt werden (vgl. Rn. 137). Allerdings kann sich im Wege der Auslegung bzw. Umdeutung ergeben, dass mit der Klage auf Rückgängigmachung der Vollziehung zugleich die Anfechtung des zugrundeliegenden Verwaltungsakts begehrt wird (Rn. 36 ff.). Zur Abgrenzung der allgemeinen Leistungsklage zur Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) siehe Rn. 150.

194

Beispiel

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In dem in Rn. 180 gebildeten Beispielsfall bereut E es jetzt, die 1000 € gezahlt zu haben und möchte daher eine auf Rückzahlung der 1000 € gerichtete Leistungsklage vor dem VG erheben. Wäre diese erfolgreich?

Nein. Zwar wäre die allgemeine Leistungsklage hier statthaft, weil es sich bei der von E begehrten Handlung, der Zahlung der 1000 €, um einen Realakt handelt. Doch wäre eine solche Klage vorliegend deshalb ohne Erfolg, weil in Gestalt des Gebührenbescheids (Verwaltungsakt) ein Rechtsgrund (causa) für die erfolgte Vermögensverschiebung besteht. Richtigerweise müsste E diesen daher nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO anfechten, wobei er gem. § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO zugleich einen Annexantrag auf Rückzahlung des Geldes stellen könnte (Rn. 137).

195

Entsprechend dem jeweiligen klägerischen Begehren kann typologisch zwischen solchen allgemeinen Leistungsklagen differenziert werden, mit denen der Kläger die Verurteilung des Beklagten zu einem Tun (Vornahmeklage; z.B. Entfernung einer Straßenlaterne), zu einem Unterlassen (vgl. § 169 Abs. 2 VwGO; Unterlassungsklage, z.B. Unterlassen des künftigen Betriebs der Straßenlaterne) oder zu beidem erstrebt (z.B. Klage sowohl auf Widerruf einer getätigten ehrverletzenden Äußerung als auch auf deren zukünftiges Unterlassen). In den beiden letztgenannten Fällen ist v.a. im Hinblick auf den Prüfungspunkt des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses die weitere Unterscheidung zwischen den verschiedenen Erscheinungsformen der Unterlassungsklage als quasi „negativer Leistungsklage“

Hufen Verwaltungsprozessrecht § 16 Rn. 3. von Relevanz: Ist das Verwaltungshandeln, dessen Abwehr der Kläger begehrt,

196

bereits eingetreten, d.h. geht es um dessen Beendigung (z.B. Unterlassen andauernder Immissionen), so spricht man von einer allgemeinen Unterlassungsklage;

197

noch nicht eingetreten, d.h. droht dieses erst in der Zukunft, so spricht man von einer vorbeugenden Unterlassungsklage. Hat das drohende Verwaltungshandeln

198

 

Verwaltungsaktqualität (z.B. angekündigtes Beschäftigungsverbot nach § 21 Abs. 1 GastG), so wurde namentlich früher bereits die Statthaftigkeit einer derartigen „Verwaltungsaktsverhütungsklage“

Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 553. in Frage gestellt.Siehe etwa Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht Rn. 313. Denn nach der Entscheidung des Gesetzgebers gewähre die VwGO grundsätzlich nur nachträglichen (repressiven) Rechtsschutz gegen bereits ergangene hoheitliche Maßnahmen (vgl. §§ 42, 68 ff. VwGO). Dies genüge in Anbetracht der Rückwirkung der Aufhebung eines Verwaltungsakts (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO; Rn. 447), des grundsätzlichen Suspensiveffekts von Widerspruch und Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 1 S. 1 VwGO; Rn. 500), der Möglichkeit der behördlichen Aussetzung der Vollziehung (§ 80 Abs. 4 VwGO; Rn. 546 ff.) sowie der gerichtlichen Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 S. 1 VwGO; Rn. 551 ff.) i.d.R. auch den sich aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG ergebenden Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz (Rn. 9 ff.). Würde man dagegen auch solche Klagen zulassen, mit denen der Bürger vorbeugenden (präventiven) Rechtsschutz gegen den erst in der Zukunft drohenden Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts begehrt, so würden hierdurch zum einen die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der §§ 42, 68 ff., 74 VwGO ausgehöhlt. Zum anderen würde in einen noch nicht abgeschlossenen Entscheidungsprozess der Verwaltung eingegriffen, d.h. gegen das grundgesetzliche Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) verstoßen. Da allerdings auch mittels der vorgenannten, allesamt nachträglichen Instrumentarien in bestimmten Fällen ein i.S.v. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG wirksamer Rechtsschutz ausnahmsweise nicht erlangt werden kann (so z.B. regelmäßig gegen eine unter Verletzung von Art. 33 Abs. 2 GG erfolgte Beamtenernennung; Rn. 182), ist die Statthaftigkeit der (vorbeugenden) Unterlassungsklage – als Unterfall der allgemeinen Leistungsklage – gegen den bevorstehenden Erlass eines Verwaltungsakts heute gleichwohl weitgehend anerkannt.Siehe beispielsweise Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 24 Rn. 24. Im Ergebnis zulässig ist eine solche Klage freilich insbesondere nur dann, wenn der Kläger über ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis verfügt (Rn. 372 ff.);

199

 

keine Verwaltungsaktqualität, sondern schlicht-hoheitlicher Natur, so können die vorgenannten Bedenken von vornherein nicht greifen. Denn selbst bei erst nachträglichem Rechtsschutz hiergegen (z.B. Realakt wie drohender lebensmittelrechtlicher Warnhinweis) wäre dann mangels Vorliegens eines Verwaltungsakts nicht die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, so dass deren besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen auch nicht durch eine vorbeugende Unterlassungsklage umgangen werden. Zu beachten ist freilich auch insoweit der Vorrang der Anfechtungsklage: So muss etwa der Nachbar eines genehmigungsbedürftigen Vorhabens Anfechtungsklage gegen die immissionsrechtliche Genehmigung erheben und vermag sich nicht mit der Unterlassungsklage gegen die von der Genehmigung umfassten faktischen Beeinträchtigungen zur Wehr setzen. Geht es dem Kläger darum, den zukünftigen Erlass einer untergesetzlichen Rechtsnorm (Rechtsverordnung, Satzung) zu verhindern, so ist für eine solche „Normunterlassungsklage“ als actus contrarius zur „Normerlassklage“ ebenfalls die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft (str.

So z.B. Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 796. A.A. etwa Hufen Verwaltungsprozessrecht § 16 Rn. 11 (allgemeine Leistungsklage); Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 1089 ff. (generelle Bedenken gegenüber dem vorbeugenden Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen).).

200

Unabhängig von der Rechtsnatur des drohenden Verwaltungshandelns muss dieses freilich bereits stets derart bestimmt (konkret) sein, dass es einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist.

201

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Allgemeine Leistungsklage

A.

Zulässigkeit

 

 

I.

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

 

 

 

 

öffentlich-rechtliche Streitigkeit

(Rn. 76 ff.)

 

II.

Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage

 

 

 

 

vorgeschalteter Verwaltungsakt

(Rn. 150)

 

III.

Beteiligtenfähigkeit, § 61 VwGO

 

 

IV.

Prozessfähigkeit, § 62 VwGO

 

 

V.

Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog

 

 

 

 

subjektiv-öffentliches Recht des Klägers

(Rn. 250 ff.)

 

VI.

Richtiger Klagegegner

 

 

VII.

Grds. kein Vorverfahren

 

 

 

 

Ausnahme: Beamtenrecht, § 126 Abs. 2 S. 1 BBG bzw. § 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG; Rückausnahme: § 54 Abs. 2 S. 3 BeamtStG i.V.m. z.B. § 103 Abs. 1 S. 1 LBG NRW

 

 

VIII.

Grds. keine Klagefrist

 

 

 

 

Ausnahme: Beamtenrecht, sofern Vorverfahren durchgeführt, § 126 Abs. 2 S. 1 BBG bzw. § 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG, jeweils i.V.m. § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO

 

 

IX.

Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

 

 

 

 

qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis bei vorbeugender Unterlassungsklage

(Rn. 372 ff.)

B.

Begründetheit

 

 

 

Rn. 480

 

 

5. (Nichtigkeits-)Feststellungsklage

202

Gem. § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens

Sog. positive Feststellungsklage. oder NichtbestehensSog. negative Feststellungsklage. eines Rechtsverhältnisses (allgemeine Feststellungsklage; Rn. 203 ff.) oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts (Nichtigkeitsfeststellungsklage; Rn. 217 f.) begehrt werden.Zum nach dieser Vorschrift ferner notwendigen berechtigten Interesse des Klägers an der baldigen Feststellung siehe Rn. 387 ff. Zum gesamten Folgenden siehe BVerwGE 111, 276; 136, 54; BVerwG NVwZ 2007, 1311; 2014, 1666; Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 24 Rn. 1, § 25 Rn. 1 ff.; Geis/Schmidt JuS 2012, 599 ff.; Gersdorf Verwaltungsprozessrecht Rn. 116 ff.; Hufen Verwaltungsprozessrecht § 18 Rn. 1 ff.; Kopp/Schenke VwGO § 43 Rn. 26; Mann/Wahrendorf Verwaltungsprozessrecht § 19 Rn. 1 ff.; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 374 ff., 1064 ff.; Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht Rn. 326 ff.; Wöckel JA 2015, 205 ff.; Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 396 ff., 438 ff.

203

Anders als die Anfechtungsklage (Rn. 127) bewirkt die Feststellungsklage keine unmittelbare Rechtsänderung und verschafft dem erfolgreichen Kläger auch nicht – wie bei der Verpflichtungs- und der allgemeinen Leistungsklage der Fall (Rn. 143, 191) – einen auf ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen gerichteten vollstreckbaren Titel; ein Feststellungsurteil ist nur hinsichtlich der Kosten vollstreckbar. Vielmehr handelt es sich bei ihr um einen rein prozessualen Rechtsbehelf, von dem typischerweise bei unklarer Rechtslage Gebrauch gemacht wird und der allein auf die verbindliche Feststellung des Rechts gerichtet ist.

204

Beispiel

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Klage auf Feststellung, dass es für eine bestimmte Tätigkeit nicht einer gewerberechtlichen Erlaubnis bedarf; Klage auf Feststellung, dass die auf Fällung eines bereits umgestürzten Baumes gerichtete Verfügung nichtig ist.

205

Definition

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Definition: Rechtsverhältnis

Rechtsverhältnis“ i.S.v. § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO sind „die rechtlichen Beziehungen […], die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen

Einschließlich der einem Organ(teil) einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Verhältnis zu deren anderen Organen zustehenden Rechte, vgl. Übungsfall Nr. 6. untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben.“BVerwG NVwZ 2014, 1666 (1668) m.w.N.; st. Rspr.

206

An sich ist diese Standarddefinition rechtstheoretisch insoweit nicht haltbar, als sie von der Existenz öffentlich-rechtlicher Beziehungen von einer Person zu einer Sache ausgeht. Denn Rechtsbeziehungen können nur zwischen Rechtssubjekten bestehen. Sie lässt sich aber dann aufrechterhalten, wenn man die Formulierung „rechtlichen Beziehungen einer Person [. . .] zu einer Sache“ als Verkürzung für die Vielzahl personaler Rechtsbeziehungen in Ansehung einer Sache (z.B. einer öffentlichen Straße) versteht.

Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 25 Rn. 10; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 378 f.

207

Stehen nur einzelne sich aus einem Rechtsverhältnis (z.B. Beamtenverhältnis als einem „Bündel von Rechten und Pflichten“) ergebende Rechte und Pflichten (z.B. zur Tragung von Dienstkleidung) in Streit, so können auch diese alleiniger Gegenstand der allgemeinen Feststellungsklage sein. Nicht feststellungsfähig sind demgegenüber unselbstständige Elemente, Tatbestandsmerkmale oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses wie etwa die Eigenschaften einer Person (z.B. Zuverlässigkeit i.S.v. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG) oder einer Sache (z.B. die Bebaubarkeit eines Grundstücks), sofern mit ihnen keine unmittelbaren Rechte oder Pflichten verbunden sind (so aber z.B. bei der deutschen Staatsangehörigkeit). Auch ein Verwaltungsakt ist selbst kein Rechtsverhältnis, sondern kann nur entweder auf einem solchen beruhen oder aber dieses begründen, verändern oder beenden; es ist zwischen der Regelung (vgl. § 35 S. 1 VwVfG) und der von ihr ausgehenden rechtlichen Beziehung (Rechtsverhältnis) zu differenzieren. Eine über bloße Tatsachen geführte Streitigkeit (z.B. bezüglich der Echtheit einer Urkunde) betrifft schließlich ebenfalls kein „Rechts“verhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO.

208

Voraussetzung für die Existenz einer sich aus einer öffentlich-rechtlichen Rechtsnorm ergebenden rechtlichen Beziehung zwischen Personen (ggf. in Ansehung einer Sache) ist das Vorhandensein zumindest eines subjektiv-öffentlichen Rechts (Rn. 255 ff.). Dieses muss sich aus der Anwendung einer bestimmten Norm auf einen konkreten (überschaubaren) Sachverhalt ergeben. Die allgemeine Feststellungsklage ist keine „allgemeine ‚Auskunftsklage‚ über die Rechtslage ohne konkreten Anlass. Notwendig ist immer ein konkreter ‚Auslöser‘“

Hufen Verwaltungsprozessrecht § 18 Rn. 11., der die Rechtsfrage verdichtet. Deshalb können rein abstrakte („akademische“Kopp/Schenke VwGO § 43 Rn. 14. bzw. „hypothetische“ BVerwG NVwZ 2014, 1666 (1670).) Rechtsfragen auf Basis eines nur erdachten oder als möglich vorgestellten Sachverhalts nicht Gegenstand einer allgemeinen Feststellungsklage sein (z.B. bzgl. der Bedeutung des Merkmals „Unzuverlässigkeit“ in § 35 Abs. 1 S. 1 GewO).

209

Aus dem Vorstehenden folgt ferner, dass im Rahmen von § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO die (Un-)Wirksamkeit eines Gesetzes nicht unmittelbar, sondern nur inzident als Vorfrage geltend gemacht werden kann – nämlich insofern, als um die Frage gestritten wird, ob sich aus der Anwendung der betreffenden Vorschrift auf einen konkreten Fall Rechte oder Pflichten für den Kläger ergeben, d.h. das streitige Rechtsverhältnis besteht (z.B. Klage auf Feststellung des Nichtbestehens der Mitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit der Begründung, dass das diese Zwangsmitgliedschaft begründende Gesetz ungültig sei). Das ist dann nicht der Fall, wenn die jeweilige Norm wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam ist, worüber bei Gesetzen im nur materiellen Sinn (Rechtsverordnungen und Satzungen) – anders als bei nachkonstitutionellen Parlamentsgesetzen (dann: Vorlage an das betreffende Verfassungsgericht gem. Art. 100 Abs. 1 GG) – das jeweilige VG selbst entscheidet. Die Ausschöpfung dieser Möglichkeit der inzidenten Normenkontrolle ist nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde regelmäßig (Ausnahme z.B. straf-/bußgeldbewehrte Norm) Zulässigkeitsvoraussetzung einer nachfolgenden (Rechtssatz-)Verfassungsbeschwerde gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG.

Näher hierzu: Wienbracke Einführung in die Grundrechte Rn. 625 m.w.N. Keinesfalls aber darf die in § 47 VwGO eigens vorgesehene abstrakte bzw. prinzipale Normenkontrolle dadurch umgangen werden, dass mittels einer auf einen nur erdachten oder noch ungewissen zukünftigen Sachverhalt gestützten allgemeinen Feststellungsklage die Gültigkeit einer Rechtsnorm geklärt werden soll. Dasselbe gilt für Klagen, die auf Feststellung der Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm wegen Verstoßes gegen das Europarecht gerichtet sind. Hierzu vgl. Wienbracke Grundwissen Europarecht S. 127 m.w.N.

210

Die insbesondere von der Rechtsprechung

BVerwGE 136, 54 (58). zusätzlich zum Vorstehenden im Rahmen der Statthaftigkeit noch geforderte Streitigkeit des Rechtsverhältnisses ist richtigerweise erst beim Feststellungsinteresse zu verorten (Rn. 388). Namentlich ist das subjektiv-öffentliche Recht, welches das Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO begründet, nicht davon abhängig, ob es bestritten wird oder nicht. Im Übrigen liegt dann, wenn es an einem Meinungsstreit fehlt, bereits keine „Streitigkeit“ i.S.v. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO vor (Rn. 70).

211

Da § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO keine weitergehenden Anforderungen an das festzustellende Rechtsverhältnis stellt, kann es sich bei diesem sowohl um ein Außenrechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger bzw. verschiedenen Verwaltungsträgern als auch um ein Innenrechtsverhältnis handeln (zum Kommunalverfassungsstreit siehe Übungsfall Nr. 6). Ferner muss das Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO nicht – wie jedoch regelmäßig der Fall – zwischen Kläger und Beklagtem, sondern kann ebenfalls zwischen dem Beklagten und einem Dritten bestehen (Drittrechtsverhältnis; z.B. Klage des Unternehmers U auf Feststellung, dass der von der Stadt S mit seinem Konkurrenten K geschlossene öffentlich-rechtliche Subventionsvertrag unwirksam ist). Im letztgenannten Fall ist allerdings besonderes Augenmerk auf die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klagebefugnis, des richtigen Klagegegners sowie des Feststellungsinteresses zu legen. „Eine Feststellungsklage gegen den Normgeber kommt […] nur dann in Betracht, wenn die Rechts[norm] unmittelbar Rechte und Pflichten der Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich“, d.h. sie i.d.S. „self-executing“, ist.

BVerwGE 136, 54 (59 f.).

212

Unerheblich für die Statthaftigkeit der allgemeinen Feststellungsklage ist schließlich auch, ob das Rechtsverhältnis ein solches der Vergangenheit (erledigter Realakt; z.B. Klage auf Feststellung, dass die im vergangenen Jahr durchgeführte Observation durch die Polizei rechtswidrig war), der Gegenwart (z.B. Klage auf Feststellung der Genehmigungsfreiheit des vom Kläger aktuell ausgeübten Gewerbes) oder der Zukunft

„Ein zukünftiges Rechtsverhältnis ist dann gegeben, wenn ein subjektives Recht derzeit noch nicht besteht, sondern von Umständen abhängt, deren zukünftiger Eintritt wahrscheinlich ist“, Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 406. ist (z.B. Klage des Beamten auf Feststellung, dass im Fall seines Vorversterbens seine Ehefrau einen Anspruch auf Versorgungsbezüge hat; siehe aber noch Rn. 389 zum Feststellungsinteresse).

213

Allerdings kann nach § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nicht begehrt werden, d.h. die allgemeine Feststellungsklage ist unstatthaft, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Der Sache nach handelt es sich bei dieser Subsidiaritätsklausel um eine spezielle Ausprägung des Rechtsschutzbedürfnisses, das der Gesetzgeber jedoch bereits mit der Statthaftigkeit der allgemeinen Feststellungsklage verknüpft hat, vgl. § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO („kann nicht begehrt werden“). Hierdurch hat er das Verhältnis dieser Klageart zur Anfechtungs-, Verpflichtungs-, Fortsetzungsfeststellungs- (dazu: Übungsfall Nr. 6) und allgemeinen Leistungsklage (str.; Rn. 216) geregelt. Dies war notwendig, weil unter den weiten Begriff des „Rechtsverhältnisses“ i.S.v. § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO u.a. auch Rechte und Pflichte aus einem Verwaltungsakt sowie Ansprüche auf Leistung (inkl. Unterlassung) fallen. Wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Rechtswege gilt die Subsidiaritätsklausel rechtswegübergreifend auch im Verhältnis zu solchen Gestaltungs- und Leistungsklagen, die vor anderen als den allgemeinen VGen (z.B. den Zivilgerichten) erhoben werden können – was praktisch allerdings kaum einmal von Bedeutung sein dürfte. Nicht zur Anwendung gelangt § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO dagegen im Verhältnis zur Nichtigkeitsklage natürlicher oder juristischer Personen gem. Art. 263 Abs. 4 AEUV. Denn die Subsidiaritätsklausel bezieht sich nur auf den nationalen Rechtsschutz. Zuständig für Entscheidungen im ersten Rechtszug über Klagen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV ist aber das (europäische) Gericht, Art. 256 Abs. 1 S. 1 AEUV. Die nationalen Gerichte sind dem EuGH zufolge hingegen nicht dazu befugt, über die Gültigkeit von EU-Recht zu entscheiden.

Näher dazu Wienbracke Grundwissen Europarecht S. 60 ff. m.w.N.

Expertentipp

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Wegen der aus § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO resultierenden „Auffangfunktion“

Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 25 Rn. 2. der allgemeinen Feststellungsklage sollte auf diese bei der Ermittlung der statthaften Klageart erst dann eingegangen werden, wenn keine der übrigen in Rn. 124 genannten Klagearten statthaft ist. Aus dem derartigen „Schattendasein“ ist die allgemeine Feststellungsklage in den letzten Jahren faktisch allerdings ein Stück weit herausgetreten und erlebt derzeit eine gewisse „Konjunktur“.Schübel-Pfister JuS 2018, 441 (441 f.) unter Hinweis auf die restriktive EuGH-Rspr. zu Art. 263 Abs. 4 Var. 3 AEUV. Hierzu: Wienbracke Grundwissen Europarecht S. 127 m.w.N.

214

Hintergrund der Regelung in § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO ist zum einen ein prozessökonomischer. Da mittels der allgemeinen Feststellungsklage lediglich ein Recht festgestellt werden kann, nicht aber die Rechtslage unmittelbar verändert und auch kein vollstreckbarer Titel geschaffen wird (Rn. 203), würde es eine unnötige doppelte Inanspruchnahme der Gerichte bedeuten, wenn der die Aufhebung bzw. den Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts begehrende Kläger zunächst lediglich auf die Feststellung der fehlenden staatlichen Befugnis bzw. der bestehenden staatlichen Verpflichtung zum Erlass dieses Verwaltungsakts und – falls der unterlegene Beklagte nicht freiwillig dazu bereit ist, die entsprechenden Konsequenzen aus einem solchen, nicht vollstreckbaren Feststellungsurteil zu ziehen – erst im Anschluss daran in einem weiteren Prozess auf die gerichtliche Aufhebung bzw. Verurteilung zum Erlass des Verwaltungsakts klagen würde. Vielmehr soll der Rechtsstreit auf das eine Verfahren konzentriert werden, welches für den Kläger am rechtsschutzintensivsten ist (so z.B. die Verpflichtungsklage auf Verurteilung zur Erteilung einer Baugenehmigung im Vergleich zur Klage auf bloße gerichtliche Feststellung, dass die Behörde zur Genehmigungserteilung verpflichtet ist). Bietet die allgemeine Feststellungsklage (z.B. auf Feststellung des Nichtbestehens der Mitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft) dem Kläger im konkreten Fall allerdings ausnahmsweise ein „Mehr“ an Rechtsschutz (z.B. zu keinem Zeitpunkt Mitgliedsbeiträge zahlen zu müssen) als eine Gestaltungs- oder Leistungsklage (z.B. gegen jeden einzelnen Beitragsbescheid), so ist sie unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung einer Vielzahl von Prozessen sehr wohl statthaft. Dasselbe trifft zu, wenn das Anliegen des Klägers im Rahmen einer Gestaltungs- oder Leistungsklage lediglich als – der Rechtskraft nicht fähige – Vorfrage behandelt würde.

Beispiel

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Schlossherr H veranstaltet auf seinem Grundstück jährlich an zwei Wochenenden im Dezember einen Weihnachtsmarkt mit ca. 10 000 Besuchern. Mit Bescheid vom 28.11. erteilte die Stadt S dem H die auf § 29 Abs. 2 StVO gestützte Erlaubnis für die Durchführung des Weihnachtsmarkts am 8./9.12. und am 15./16.12. Dieser waren den H belastende Nebenbestimmungen beigefügt. Mit seiner am 28.12. erhobenen Klage begehrt H die verwaltungsgerichtliche Feststellung, dass der auf seinem Grundstück an zwei Wochenenden im Dezember eines jeden Jahres stattfindende Weihnachtsmarkt nicht der Erlaubnispflicht nach § 29 Abs. 2 StVO unterliegt. Steht § 43 Abs. 2 VwGO der Zulässigkeit dieser Klage entgegen?

Nein. Die von S erstrebte Feststellung, dass er einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO nicht bedürfe, kann mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage – namentlich einer Fortsetzungsfeststellungsklage gegen den Bescheid vom 28.11. – nicht in gleicher Weise geklärt werden. Denn durch eine solche könnte nur festgestellt werden, dass der auf die Durchführung des Weihnachtsmarkts im Dezember dieses Jahres bezogene Bescheid rechtswidrig gewesen ist. Im Rahmen dieser Fortsetzungsfeststellungklage wäre die Erlaubnispflicht des Weihnachtsmarkts nach § 29 Abs. 2 StVO als Vorfrage der Rechtmäßigkeit des durch Zeitablauf erledigten Verwaltungsakts zwar zu prüfen. Doch würde die Entscheidung dieser Vorfrage nicht gem. § 121 VwGO in Rechtskraft erwachsen und die Beteiligten insoweit nicht binden.

215

Zum anderen verhindert § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO, dass die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 68 ff., 74 VwGO) durch Erhebung einer allgemeinen Feststellungsklage umgangen werden (bei der behördlichen Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts handelt es sich um ein Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO; Rn. 207). Konsequenterweise greift die Subsidiaritätsklausel auch dann, wenn die an sich statthafte spezielle Klageart im konkreten Fall – z.B. wegen Verfristung – nicht mehr zulässig ist, vgl. § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO („hätte verfolgen können“; z.B. Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der bestimmungsgemäßen Nutzung eines Luftverkehrslandeplatzes nach Verstreichenlassen der Anfechtungsfrist der vorangegangenen luftverkehrsrechtlichen Genehmigung). Ergibt sich die Möglichkeit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage dagegen erst nach Erhebung der allgemeinen Feststellungsklage, so scheitert deren Zulässigkeit nicht an § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO.

So die h.M., etwa Schmitt Glaeser/Horn Verwaltungsprozessrecht Rn. 338. A.A. Hufen Verwaltungsprozessrecht § 18 Rn. 7.

216

Entgegen dem Wortlaut von § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO, der neben Gestaltungsklagen ausdrücklich auch die allgemeine Leistungsklage erfasst, hält das BVerwG

Siehe nur BVerwGE 36, 179 (181 f.); BVerwG NJW 1997, 2534 (2535); NVwZ 2001, 1057 m.w.N. – im Anschluss an die Rechtsprechung der Zivilgerichte zu § 256 Abs. 1 ZPO – die Subsidiaritätsklausel insoweit nicht für anwendbar, als sich die allgemeine Feststellungsklage gegen eine juristischen Person des öffentlichen Rechts richtet (Folge: Wahlmöglichkeit des Bürgers zwischen diesen beiden Klagearten). Denn besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen, deren Umgehung im Wege der allgemeinen Feststellungsklage durch § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO verhindert werden soll, gebe es bei der allgemeinen Leistungsklage nicht (Rn. 201). Zudem könne aufgrund der Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) davon ausgegangen werden, dass diese sich auch ohne den von einem vollstreckbaren Leistungstitel ausgehenden Druck entsprechend der bloßen gerichtlichen Feststellung der Rechtslage verhalten werde, sog. „Ehrenmanntheorie“. Dass dieses Argument des durchweg rechtstreuen Verhaltens der Verwaltung letztlich jedoch nicht verfängt, ist im SchrifttumStatt vieler siehe Ehlers in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 24 Rn. 1, § 25 Rn. 39 m.w.N.; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 420. herausgearbeitet worden: Nicht nur nehmen in der Rechtswirklichkeit juristische Personen des öffentlichen Rechts typischerweise die Beklagtenrolle einer allgemeinen Feststellungsklage ein, so dass eine insoweit erfolgende teleologische Reduktion der Subsidiaritätsklausel zu ihrem weitgehenden Leerlauf führen würde. Vielmehr belegt darüber hinaus die Existenz des die Vollstreckung von Urteilen gegen eine juristische Person des öffentlichen Rechts regelnden § 170 VwGO, dass der Gesetzgeber gerade nicht von deren stets freiwilliger Befolgung gerichtlicher Entscheidungen ausgeht, vgl. ferner § 172 VwGO.Eklatant die fehlende Umsetzung einer einstweiligen Anordnung (§ 32 BVerfGG) des BVerfG zur Vergabe einer Stadthalle durch die Stadt Wetzlar, siehe BVerfG Pressemitteilung Nr. 16/2018 vom 26. März 2018. Doch auch die Annahme, dass sich die Funktion von § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO darauf beschränke, die Umgehung der besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu verhindern, sei nicht zutreffend. Denn wäre dies der Fall, hätte es ausgereicht, die Subsidiarität allein bzgl. dieser beiden Klagearten anzuordnen. Da der Gesetzgeber mit der Normierung von § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO aber eine darüber hinausgehende Regelung zum Rechtsschutz treffen wollte, ist in dieser Vorschrift allgemein von „Gestaltungs-“ und „Leistungsklagen“ die Rede.

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Hinsichtlich der Nichtigkeitsfeststellungsklage (§ 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) gilt, dass es im Rahmen ihrer Statthaftigkeit allein auf das objektive Vorliegen eines Verwaltungsakts ankommt (Rn. 129 ff.). Ob dieser tatsächlich nichtig ist (§ 44 Abs. 1, 2 VwVfG), ist allein eine Frage der Begründetheit der Nichtigkeitsfeststellungsklage (Rn. 484). Ebenfalls unerheblich für deren Statthaftigkeit ist, dass § 44 Abs. 5 VwVfG die Möglichkeit eröffnet, die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts durch die Behörde feststellen zu lassen. Der besonderen Erwähnung der Nichtigkeitsfeststellungsklage in § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO bedurfte es deshalb, weil ein Verwaltungsakt selbst kein Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist (Rn. 207).

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Die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO findet nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 43 Abs. 2 S. 2 VwGO auf die Nichtigkeitsfeststellungsklage keine Anwendung, d.h. der Kläger hat insoweit ein Wahlrecht zwischen Erhebung der Anfechtungs- oder der Nichtigkeitsfeststellungsklage (Rn. 131). Im Gegensatz zur kumulativen Erhebung dieser Klagen, die nach § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 S. 2 GVG in Bezug auf denselben Verwaltungsakt unzulässig wäre, können Nichtigkeitsfeststellung- und Anfechtungsantrag als Haupt- bzw. Hilfsantrag gestellt werden (Rn. 47). Die Vorschriften über das Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO) und die Klagefrist (§ 74 VwGO) finden auf die Nichtigkeitsfeststellungsklage grundsätzlich keine Anwendung (Ausnahme: Beamtenrecht, § 126 Abs. 2 S. 1 BBG bzw. § 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG).

Hinweis

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Der Grund dafür, dass der Kläger im Hinblick auf den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz gegen nichtige Verwaltungsakte nach h.M. ein Wahlrecht zwischen der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO (Rn. 131) und der Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO hat, ist, dass sich vielfach – insbesondere in den Fällen des § 44 Abs. 1 VwVfG – nur schwer beurteilen lässt, ob ein Verwaltungsakt „bloß rechtswidrig“ oder darüber hinaus sogar nichtig ist. „Hier ist dem Adressaten […] dringend zu raten, Widerspruch einzulegen und Anfechtungsklage zu erheben, weil unsicher ist, ob das Gericht seine Einschätzung der Nichtigkeit des Verwaltungsakts auch teilt; ist dies nämlich nicht der Fall und nimmt das Gericht bloß Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts an, würde der Adressat […] Widerspruchs- und Klagefrist versäumen und der [Verwaltungsakt] nach Ablauf dieser Fristen in Bestandskraft erwachsen.“

Würtenberger/Heckmann Verwaltungsprozessrecht Rn. 324 m.w.N. Vgl. auch dies. a.a.O. Rn. 408.

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Prüfungsschema

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Wie prüft man: Allgemeine Feststellungsklage/Nichtigkeitsfeststellungsklage

A.

Zulässigkeit

 

 

I.

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

 

 

 

 

öffentlich-rechtliche Streitigkeit

(Rn. 76 ff.)

 

II.

Statthaftigkeit der allgemeinen Feststellungsklage bzw. der Nichtigkeitsfeststellungsklage, § 43 VwGO

 

 

 

 

Subsidiarität

(Rn. 213 ff.)

 

III.

Beteiligtenfähigkeit, § 61 VwGO

 

 

IV.

Prozessfähigkeit, § 62 VwGO

 

 

V.

Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO analog (str.; Rn. 249)

 

 

 

 

subjektiv-öffentliches Recht des Klägers

(Rn. 250 ff.)

 

VI.

Richtiger Klagegegner

 

 

VII.

Grds. kein Vorverfahren

 

 

 

 

Ausnahme: Beamtenrecht, § 126 Abs. 2 S. 1 BBG bzw. § 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG (Rückausnahme: § 54 Abs. 2 S. 3 BeamtStG i.V.m. z.B. § 103 Abs. 1 S. 1 LBG NRW)

 

 

VIII.

Grds. keine Klagefrist

 

 

 

 

Ausnahme: Beamtenrecht, sofern Vorverfahren durchgeführt, § 126 Abs. 2 S. 1 BBG bzw. § 54 Abs. 2 S. 1 BeamtStG, jeweils i.V.m. § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO

 

 

IX.

Besonderes Feststellungsinteresse, § 43 Abs. 1 VwGO

 

B.

Begründetheit

 

 

 

siehe Rn. 483 f.

 

 

 

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