Inhaltsverzeichnis
- II. Primäranspruch des Mieters gem. § 535 Abs. 1
- 1. Anspruchsentstehung
- a) Wirksamer Mietvertrag und Anspruchsumfang
- aa) Wirksamer Mietvertrag
- bb) Anspruchsumfang
- (1) Gebrauchsgewährung, § 535 Abs. 1 S. 1
- (2) Gewährleistung eines vertragsgemäßen Zustands, § 535 Abs. 1 S. 2
- b) Änderungen in der Person des Anspruchsinhabers bzw. Schuldners
- aa) Eintritt in die Vermieterpflichten nach § 566 (ggf. i.V.m. § 578)
- (1) Hintergrund der Regelung
- (2) Wirkungen des Eintritts
- (3) Konsequenzen für die Primärleistungspflicht gem. § 535 Abs. 1
- bb) Vertragsübernahme
- cc) Eintritt von Todes wegen
- c) Eintritt eines vereinbarten Anfangstermins
- d) Besondere Anspruchsvoraussetzung: Mangel
- aa) Sachmangel, § 536 Abs. 1
- bb) Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft, § 536 Abs. 2
- cc) Rechtsmangel, § 536 Abs. 3
- e) (Keine) Anfängliche Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1)
- f) Weitere rechtshindernde Einwendungen (nur in Bezug auf Gewährleistungspflicht)
- aa) Vom Mieter zu vertretender Mangel
- bb) Vertraglicher Ausschluss
- (1) Umfang
- (2) Wirksamkeit
- 2. Rechtsvernichtende Einwendungen
- a) Erfüllung und Erfüllungssurrogate
- b) Nachträgliche Leistungsbefreiung nach § 275
- c) Fristablauf
- aa) Auswirkungen einer Befristung
- bb) Wirksamkeitsvoraussetzungen bei Wohnraummiete
- (1) Schriftform bei Befristung über mehr als ein Jahr, § 550
- (2) Schriftliche Angabe eines besonderen Grundes, § 575
- cc) Wirksamkeitsvoraussetzungen bei sonstigen Mietverträgen
- dd) Verlängerung trotz Fristablaufs
- (1) Einvernehmliche Verlängerung
- (2) Verlängerung durch Fortsetzung des Gebrauchs (§ 545)
- d) Eintritt einer auflösenden Bedingung
- e) Kündigung/Rücktritt/Widerruf
- aa) Kündigung
- (1) Kündigung eines wirksam befristeten Mietvertrages
- (2) Kündigung eines Mietverhältnisses mit unbestimmter Laufzeit
- (3) Verlängerung durch Fortsetzung des Gebrauchs (§ 545)
- bb) Rücktritt
- (1) Vertraglich vorbehaltenes Rücktrittsrecht
- (2) Gesetzliches Rücktrittsrecht
- cc) Widerruf (§ 355)
- 3. Durchsetzbarkeit
- a) Fälligkeit
- b) Einreden
- aa) Verjährung
- bb) Zurückbehaltungsrechte aus §§ 273, 320
II. Primäranspruch des Mieters gem. § 535 Abs. 1
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Prüfungsschema
Primäranspruch des Mieters gem. § 535 Abs. 1
I. | Anspruchsentstehung |
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| 1. | Wirksamer Mietvertrag und Anspruchsumfang |
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| 2. | Änderungen in der Person des Anspruchsinhabers bzw. Schuldners |
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| a) |
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| b) | Vertragsübernahme auf Vermieter- oder Mieterseite |
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| c) | Eintritt von Todes wegen |
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| 3. | Eintritt einer aufschiebenden Bedingung/Befristung |
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| 4. | Bei Anspruch gem. § 535 Abs. 1 S. 2: Mangel |
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| 5. | (Keine) Anfängliche Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 |
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| 6. | Sonstige rechtshindernde Einwendungen |
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| Wirksame Begrenzung der Instandhaltungspflicht | Rn. 62 ff. |
II. | Rechtsvernichtende Einwendung |
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| 1. |
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| 2. | Nachträgliche Leistungsbefreiung nach § 275 Abs. 1–3 |
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| 3. | Eintritt einer auflösenden Bedingung/Befristung |
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| Wirksamkeit der Befristung | Rn. 76 ff. |
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| Verlängerung nach § 545 | Rn. 86 ff. |
| 4. | Kündigung, Rücktritt, Widerruf |
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III. | Durchsetzbarkeit |
| ||
| 1. | Fälligkeit |
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| 2. | Einreden |
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| „Versorgungssperre“ | Rn. 103 ff. |
1. Anspruchsentstehung
a) Wirksamer Mietvertrag und Anspruchsumfang
aa) Wirksamer Mietvertrag
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Notwendige Voraussetzung für die Entstehung der mietvertraglichen Primäransprüche ist der Abschluss eines wirksamen Mietvertrages. Die Primärleistungspflichten der Vertragspartner richten sich nach deren vertraglichen Vereinbarungen. Ein Mietvertrag ist dann geschlossen, wenn die konkret vereinbarten Hauptleistungspflichten dem Typus des § 535 entsprechen.
Die Begründung des von Ihnen im Fall konkret geprüften mietvertraglichen Primäranspruchs setzt also voraus, dass zwischen – rechtsfähigenVgl. dazu ausführlich im Skript „BGB AT I“ Rn. 27 ff. – Personen durch Angebot und Annahme ein Vertrag geschlossen wurde, der den einen Vertragspartner (= Vermieter) zu Leistungen gem. § 535 Abs. 1 und den anderen Teil (= Mieter) gem. § 535 Abs. 2 zur Zahlung einer Miete verpflichtet. Dieser muss außerdem wirksam sein.
bb) Anspruchsumfang
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Den Vermieter treffen gem. § 535 Abs. 1 zwei Hauptleistungspflichten, der konkrete Ausgestaltung der Vereinbarung zu entnehmen bzw. durch Auslegung gem. § 133, 157 zu ermitteln istLooschelders Schuldrecht BT Rn. 402.:
(1) Gebrauchsgewährung, § 535 Abs. 1 S. 1
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Der Vermieter muss dem Mieter während der Mietzeit den Gebrauch der vermieteten Sache gewähren (§ 535 Abs. 1 S. 1). Die „Gebrauchsgewährung“ ist nicht dasselbe wie „Besitzverschaffung“.BGH Urteil vom 17.7.2002 (Az.: XII ZR 86/01) unter Ziff. 2b bb = NJW 2002, 3322 f. Art und Umfang der Gebrauchsüberlassung richten sich nach den vertraglichen Vereinbarungen, insbesondere dem nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzungszweck. Nur wenn der vertragsgemäße Gebrauch auch den Besitz der Mietsache erfordert, gehört zur Gebrauchsgewährung die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes.BGH Urteil vom 15.11.2006 (Az.: XII ZR 120/04) unter Tz. 19 m.w.N. = NJW 2007, 2394 f. und vom 17.7.2002 (Az.: XII ZR 86/01) unter Ziff. 2b bb = NJW 2002, 3322 f. Außerdem ist der Vermieter verpflichtet, den vertragsgemäßen Gebrauch durch den Mieter zu dulden, insbesondere eigene Besitzstörungen zu unterlassen und fremde Besitzstörungen zu unterbinden.Palandt-Weidenkaff § 535 Rn. 14. Die Pflicht zur Gebrauchsgewährung umfasst also aktives Tun und Unterlassen.
Beispiel
V vermietet dem M eine Wohnung. Gem. § 535 Abs. 1 S. 1 ist V verpflichtet, dem M den unmittelbaren Besitz an den Wohnräumen zu verschaffen und ihm diesen Besitz während der Mietzeit zu belassen. V darf die Räume also nicht wieder selbst in Besitz nehmen oder Dritten überlassen. Weiterhin muss der V die Mitbenutzung solcher Gebäudeteile und -flächen durch den Mieter dulden, sofern der Mieter darauf angewiesen ist (z.B. Treppenhaus) und soweit von der Mitbenutzung keine Gefahren ausgehen (z.B. Ablegen lassen von kleineren Paketsendungen im Hausflur oder Abstellen eines Kinderwagens ohne Behinderungsgefahr).BGH Urteil vom 10.11.2006 (Az.: V ZR 46/06) unter Tz. 9 = NJW 2007, 146.
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Ist die Besitzverschaffung für den vertragsgemäßen Gebrauch hingegen nicht erforderlich, genügt es für die Gebrauchsgewährung, wenn dem Mieter der Zugang zur Mietsache verschafft und während des Mietverhältnisses aufrechterhalten wird.BGH Urteil vom 15.11.2006 (Az.: XII ZR 120/04) unter Tz. 19 m.w.N. = NJW 2007, 2394 f.
Beispiel
Bei der Überlassung von Software auf einem Server im Rahmen eines „ASP“-Vertrages (siehe oben unter Rn. 9) genügt es, wenn dem Mieter der Zugriff auf die Software mittels eines Online-Zugangs (etwa „Login“-Schnittstelle via Internet) ermöglicht wird.
Beispiel
Bei der Vermietung von Werbeflächen auf einer Hauswand, einem Taxi, Straßenbahn, etc. erhält der Mieter allenfalls nur vorübergehend den Besitz, um seine Werbemittel anzubringen. Auch dies kann entfallen, wenn sich der Vermieter selbst zur Einrichtung der Werbematerialien verpflichtet hat.
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Soweit der Vermieter zur Duldung des vertragsgemäßen Gebrauchs verpflichtet ist, kann dies auch die Duldung der Nutzung der Sache durch bestimmte andere Personen umfassen. Bei Mietverhältnissen über Räume gehört je nach Nutzungszweck auch die Nutzung der Sache durch Besucher zum vertragsgemäßen Gebrauch.Palandt-Weidenkaff § 540 Rn. 4 f.
Beispiel
Werden Räume zum Betrieb einer Arztpraxis vermietet, gehört die Nutzung der Praxisräume durch Patienten zum vertragsgemäßen Gebrauch. Gleiches gilt bei der Wohnraummiete für den Besuch von Gästen des Mieters.
Nimmt der Mieter einer Wohnung andere Personen hingegen dauerhaft in seine Wohnung auf, bezieht sich die primäre Duldungspflicht im Hinblick auf Art. 6 GG auch auf Ehegatten und Familienangehörige oder den Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft i.S.d. LPartG.Palandt-Weidenkaff § 540 Rn. 4 f. Alle anderen Personen können nur mit gesonderter Zustimmung des Vermieters gem. §§ 540, 553 aufgenommen werden, so zum Beispiel der Lebensgefährte der Mieterin.BGH Urteil vom 5.11.2003 (Az.: VIII ZR 371/02) = BGHZ 175, 1 ff. = NJW 2004, 56 ff.
(2) Gewährleistung eines vertragsgemäßen Zustands, § 535 Abs. 1 S. 2
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Den Vermieter trifft außerdem die Pflicht, einen zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand der Mietsache bei Überlassung und während der gesamten Mietzeit zu gewährleisten.
Dies erfasst alle dazu erforderlichen Leistungen, ohne deren Erfüllung ein vertragsgemäßer Gebrauch nicht denkbar ist.
Beispiel
Versorgung von Wohnräumen mit Energie, Wasser und Heizung sowie die Entsorgung etwa von Müll; Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durch Vornahme erforderlicher Reparaturen oder Abwehr schädlicher Einflüsse wie Lärm- oder Geruchsimmissionen.
Ferner muss der Vermieter von Wohnraum den Fernsehempfang – auch privater Sender – durch entsprechende Anschlussvoraussetzungen ermöglichen.Palandt-Weidenkaff § 535 Rn. 23 mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung, auch zur Frage des Empfangs ausländischer Sender bei ausländischen Mietern.
Die Pflicht zur Vornahme sog. „Schönheitsreparaturen“ trifft nach der Konzeption des Gesetzes demnach den Vermieter. Diese Pflicht kann aber vertraglich vom Mieter übernommen werden – sie ist dann Leistungspflicht des Mieters.Palandt-Weidenkaff § 535 Rn. 32; siehe dazu auch nachfolgend unter Rn. 62 f.
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b) Änderungen in der Person des Anspruchsinhabers bzw. Schuldners
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Gläubiger und Schuldner des Primäranspruches müssen nicht dauerhaft die Personen sein, die den Mietvertrag geschlossen haben. Vielmehr kann es sich auch um Dritte handeln, die am Vertragsschluss nicht beteiligt waren und erst nachträglich in die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag eingerückt sind.
Der vom Personenwechsel betroffene Anspruch erlischt und entsteht zwischen den neuen Partnern.
Expertentipp
Prüfen Sie den Anspruch für oder gegen eine solche neu eingetretene Person, muss die Frage des wirksamen Eintritts bei der Anspruchsentstehung als weitere Anspruchsvoraussetzung erörtert werden. Ist der Eintritt unwirksam, kann der Anspruch für oder gegen diese neue Person nicht entstanden sein.
aa) Eintritt in die Vermieterpflichten nach § 566 (ggf. i.V.m. § 578)
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Nach § 566 Abs. 1 tritt der Erwerber eines Grundstücks, auf dem sich vermietete Wohnräume (als wesentliche Bestandteile des Grundstücks, §§ 93, 94!) befinden, anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein, wenn der Wohnraum nach Überlassung an den Mieter vom Vermieter veräußert wird. Entscheidend ist der Zeitpunkt des Eigentumserwerbs (§§ 873, 925).Palandt-Weidenkaff § 566 Rn. 12.
(1) Hintergrund der Regelung
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Will der Vermieter einer beweglichen Sache diese während des Mietverhältnisses veräußern, muss das Eigentum mangels Möglichkeit der tatsächlichen Übergabe i.S.d. § 929 S. 1 nach §§ 929, 931 durch Einigung und Abtretung des künftigen Herausgabeanspruchs aus § 546 Abs. 1 übertragen werden. Der Mieter kann einem Eigentumsherausgabeanspruch des neuen Eigentümers sein Recht zum Besitz aus dem unbeendeten Mietvertrag mit dem Voreigentümer entgegenhalten, § 986 Abs. 2.
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Anders verhält es sich bei der Vermietung von Räumen und Grundstücken. § 986 Abs. 2 gilt nicht, da Grundstücke (einschließlich der auf ihnen errichteten Gebäude und Räume, §§ 93, 94) nicht gem. § 931, sondern nur nach §§ 873, 925 veräußert werden können. Hier hat das Mietrecht in den §§ 566 ff. einen eigenständigen Schutz für den Mieter geschaffen, der sonst mit § 985 und § 1004 sofort „verscheucht“ werden könnte.BGH Urteil vom 2.7.2003 (Az.: XII ZR 34/02) unter Ziff. 3a = NJW 2003, 2987. Die Vorschriften gelten für Wohnraummietverträge sowie für Mietverträge über Grundstücke und andere Räume (§ 578 Abs. 1, 2).
(2) Wirkungen des Eintritts
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§ 566 bestimmt, dass der Erwerber eines Grundstücks mit dem vollendeten Eigentumserwerb an Stelle des Vermieters in die sich aus einem in Bezug auf das Grundstück bzw. sich darauf befindliche Räume bestehenden Mietvertrag während der Dauer seines Eigentums ergebenden Rechte und Pflichten „eintritt“. § 566 Abs. 1 ordnet einen unmittelbaren Rechts- und Pflichtenerwerb kraft Gesetzes als Folge und ab dem Zeitpunkt des Eigentumserwerbs an.BGH Urteil vom 9.2.2005 (Az.: VIII ZR 22/04) unter Ziff. II 2a = NJW 2005, 1187. Der Grundstückserwerber ist hinsichtlich der mietvertraglichen Rechte und Pflichten nicht Rechtsnachfolger des veräußernden Vermieters und deshalb auch nicht Vertragspartner.
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Durch den Eigentumsübergang tritt hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche eine zeitliche Zäsur ein: Alle schon vorher entstandenen und fällig gewordenen Ansprüche und Pflichten bleiben bei dem bisherigen Vermieter, und nur die nach dem Zeitpunkt des Eigentumswechsels fällig werdenden Forderungen stehen dem Grundstückserwerber zu. Ebenso richten sich vertragliche Ansprüche des Mieters gegen den Erwerber, falls sie erst nach dem Eigentumswechsel entstehen oder fällig werden.BGH a.a.O. Unter den Voraussetzungen des § 566 Abs. 2 haftet der Vermieter nur noch bei Pflichtverletzungen des Erwerbers wie ein Bürge auf Schadensersatz.
(3) Konsequenzen für die Primärleistungspflicht gem. § 535 Abs. 1
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Die Verpflichtung des Vermieters, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache zu gewähren und die Mietsache während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten, ist eine in die Zukunft gerichtete Dauerverpflichtung. Für die Vergangenheit tritt regelmäßig Unmöglichkeit durch Zeitablauf ein (siehe oben unter Rn. 73).
Da der Anspruch für die Vergangenheit unmöglich wird, besteht bei Eintritt des Erwerbers kein „alter“ Primäranspruch mehr. Entsprechend trifft bei einer Veräußerung der Mietsache die Primärleistungspflicht fortan und ausschließlich den Erwerber. Dies gilt auch für die Verpflichtung zur Beseitigung von Mängeln, die schon vor dem Eigentumsübergang vorhanden waren und bei Eintritt des Erwerbers noch nicht beseitigt worden waren. Denn an der durch Zeitablauf eingetretenen Unmöglichkeit für die Vergangenheit und der laufenden Verpflichtung für die Zukunft ändert sich insoweit nichts.BGH Urteil vom 19.6.2006 (Az.: VIII 284/05) unter Tz. 11 = NZM 2006, 696.
Hinweis
Entsprechendes gilt unter den Voraussetzungen der §§ 567 S. 1, 567a, 567b, wenn ein Dritter zwar nicht das Eigentum, aber ein dingliches Nutzungsrecht an der Mietsache erhält (z.B. Grunddienstbarkeit nach §§ 1018 ff.) und er deshalb dem Mieter den Gebrauch vollständig entziehen könnte.
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Dem Vermieter und dem Erwerber steht es natürlich frei, zusammen mit dem Mieter nach §§ 414, 415 eine abweichende Vereinbarung zu treffen, nach welcher der Vermieter weiter verpflichtet bleibt, z.B. noch unerledigte „Altmängel“ zu beseitigen.Palandt-Weidenkaff § 566 Rn. 5.
bb) Vertragsübernahme
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Die Person des bisherigen Vermieters oder Mieters können auch dadurch geändert werden, indem ein Dritter anstelle des Vermieters oder Mieters den Mietvertrag und damit die Position des bisherigen Vertragspartners durch eine entsprechende Vereinbarung übernimmt. Die Übernahme eines Vertrages mit seinen Rechten und Pflichten ist gesetzlich nicht geregelt. Anders als bei der Abtretung oder der bloßen Schuldübernahme i.S.d. §§ 414, 415 geht es bei der Vertragsübernahme darum, das vertragliche Schuldverhältnis mit seinen gesamten Rechten und Pflichten auf eine andere Person zu übertragen. Es handelt sich dabei um ein einheitliches Rechtsgeschäft eigener Art, das in zwei Varianten denkbar istSiehe dazu im Skript „Schuldrecht AT I“ Rn. 101.:
Der Vertrag kann unter Beteiligung aller betroffenen Personen, also der bisherigen Vertragspartner und des „Übernehmers“, geschlossen werden. Der Vertrag kann aber auch zwischen den bisherigen Vertragspartnern geschlossen werden und von der Zustimmung des Dritten abhängig gemacht werden. Für die Zustimmung des Übernehmers gelten dann die §§ 182 ff.Wie vor.
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Die Vertragsübernahme wird häufig zur Auswechslung der Person des Mieters vereinbart, wenn dieser vorzeitig aus dem Mietverhältnis austreten möchte und einen „Nachmieter“ gefunden hat. Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde, ist dann von denselben Prinzipien wie beim Eintritt nach § 566 auszugehen: Wird die Person des Vermieters ausgewechselt, schuldet fortan nur noch der neu als Vermieter eingetretene Dritte die Erfüllung der sich gem. § 535 Abs. 1 ergebenden Rechte und Pflichten. Wird die Person des Mieters ausgetauscht, ist nur noch dieser Gläubiger des in die Zukunft gerichteten Primäranspruchs.
Hinweis
Ein Gläubigerwechsel durch Abtretung kommt beim Primäranspruch gem. § 535 Abs. 1 nicht in Betracht, da das Abtretungsverbot des § 399 Var. 1 wegen „Inhaltsänderung“ entgegensteht. Eine solche Inhaltsänderung wird auch dann angenommen, wenn ein Gläubigerwechsel zwar rechtlich vorstellbar, das Interesse des Schuldners an der Beibehaltung einer bestimmten Gläubigerperson aber besonders schutzwürdig ist. Für den Vermieter ist es von besonderer Bedeutung, wem er den Gebrauch der Mietsache überlassen muss, so dass sein schutzwürdiges Interesse einer Abtretung entgegensteht.BGH Urteil vom 2.7.2003 (Az.: XII ZR 34/02) unter Ziff. 3a = NJW 2003, 2987.
cc) Eintritt von Todes wegen
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Stirbt der Vermieter, gehen die Rechte und Pflichten nach §§ 1922, 1967 auf den Erben über. Entsprechendes gilt grundsätzlich auch für den Mieter. Allerdings sehen die §§ 563 ff. für Wohnraummietverhältnisse eine Sonderregelung für die Mieterseite vor, nach denen bestimmte Personen, die nicht die Erben des Mieters sein müssen, in das Mietverhältnis eintreten können.
c) Eintritt eines vereinbarten Anfangstermins
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d) Besondere Anspruchsvoraussetzung: Mangel
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Wie wir oben unter Rn. 34 f. gesehen haben, gehört die Mängelbeseitigungspflicht des Vermieters zu seinen primären Hauptleistungspflichten. Insoweit setzt der Primäranspruch des Mieters gem. § 535 Abs. 1 S. 2 naturgemäß einen Mangel voraus.
aa) Sachmangel, § 536 Abs. 1
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§ 536 Abs. 1 spricht von einem Mangel, ohne diesen näher zu definieren. Anders als im Kauf- und Werkvertragsrecht fehlt im Mietrecht eine Norm, die den Mangelbegriff näher ausfüllt. Aus § 536 Abs. 1 können wir immerhin entnehmen, dass ein Mangel erst dann Ansprüche des Mieters auslöst, wenn er die Tauglichkeit der Mietsache für den vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder zumindest mindert. Eine reine Wertminderung der Sache genügt also nicht, da dem Mieter ja nicht das Eigentum an der Sache übertragen werden soll.
Es geht nun darum, den zum vertragsgemäßen Gebrauch erforderlichen Zustand festzustellen, den der Vermieter gem. § 535 Abs. 1 S. 2 gewährleisten muss. Dieser Zustand hängt von der vertraglichen Vereinbarung ab. Im Mietrecht geht man deshalb von einem subjektiven Mangelbegriff aus.Looschelders Schuldrecht BT Rn. 410. Fehlt es – wie häufig – an einer konkreten vertraglichen Abrede hinsichtlich des Gebrauchs der Mietsache, ist auf die „übliche Gebrauchstauglichkeit“ abzustellen. Hierzu gelangt man im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung, §§ 133, 157.Palandt-Weidenkaff § 536 Rn. 16.
Definition
Definition: Sachmangel
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Wie Sie der vorstehenden Definition entnehmen können, spricht man in Anlehnung an § 535 Abs. 1 S. 2 nicht von der tatsächlichen (Ist-)Beschaffenheit, sondern vom (Ist-)„Zustand“. Damit wird auch deutlich, dass sich ein Sachmangel nicht nur aus der Beschaffenheit der Sache selbst, sondern auch aus unmittelbaren äußeren Einflüssen auf die Sache („Umweltmangel“) ergeben kann.Wie vor. Rechtliche Gebrauchshindernisse oder -beschränkungen begründen nur dann einen Sachmangel, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen.BGH Urteil vom 13.7.2011 (Az.: XII ZR 189/09) unter Tz. 8 = NJW 2011, 3151: gesetzliches Rauchverbot durch Nichtrauchergesetz hat mit Zustand der Räume einer Kneipe nichts zu tun und begründet keinen Mangel der gepachteten Gaststätte (§§ 581 Abs. 2, 536 Abs. 1 S. 1).
Beispiel
Abweichungen der Wohnungsgröße von als Beschaffenheit vereinbarten FlächenangabenAchtung: Die Parteien müssen die Wohnungsfläche als Beschaffenheit vereinbart haben; steht hinter der Wohnflächenangabe im Vertrag: „Diese Angabe dient wegen möglicher Messfehler nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes. Der räumliche Umfang der gemieteten Sache ergibt sich vielmehr aus der Anzahl der vermieteten Räume.“ meint der BGH, die Wohnfläche sei ausdrücklich nicht als Beschaffenheit vereinbart worden, vgl. Urteil vom 10.11.2010 (Az.: VIII ZR 306/09) = NJW 2011, 220., Feuchtigkeit in Wohnräumen, Heizungsausfall im Winter, Genehmigungsfähigkeit von Räumen für den Betrieb als Gaststätte, Lärm- oder Geruchsimmissionen.
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Die Zerstörung der Mietsache fällt hingegen nicht unter den Mangelbegriff, da dieser die Existenz der Sache voraussetzt.
bb) Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft, § 536 Abs. 2
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Wie sich aus § 536 Abs. 2 ergibt, kennt das Mietrecht mit dem Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft eine weitere Mangelkategorie. Auf die Auswirkungen des Fehlens auf die Gebrauchstauglichkeit kommt es im Unterschied zum Sachmangel nach Abs. 1 nicht an.MüKo-Häublein § 536 Rn. 22.
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Als „Eigenschaften“ kommen neben der physischen Beschaffenheit die tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen des Mietgegenstands zu seiner Umwelt in Betracht, die für die Brauchbarkeit und den Wert des Mietobjekts von Bedeutung sind. Diese Beziehungen müssen jedoch ihren Grund in der Beschaffenheit des Mietobjekts selbst haben, von ihm ausgehen, ihm auch für eine gewisse Dauer anhaften und nicht lediglich durch Heranziehung von Umständen in Erscheinung treten, die außerhalb der Mietsache liegen.
Definition
Definition: Eigenschaft
Eigenschaft ist jede Beschaffenheit der Sache selbst sowie alle rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse, die für die Brauchbarkeit der Mietsache von Bedeutung sind und ihr zumindest für gewisse Dauer anhaften.Palandt-Weidenkaff § 536 Rn. 26.
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Eine Eigenschaft wird durch ihre vertragliche Vereinbarung noch nicht automatisch zugesichert. Andernfalls bestünde kein nennenswerter Unterschied mehr zum Sachmangel nach § 536 Abs. 1. Vielmehr muss der Vermieter im Vertrag seine unbedingte Einstandspflicht für das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften zum Ausdruck bringen.Palandt-Weidenkaff § 536 Rn. 25; Looschelders Schuldrecht BT Rn. 416.
Definition
Definition: Zusicherung
Eine Zusicherung liegt vor, wenn der Vermieter durch eine zum Vertragsinhalt gehörende ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung zu erkennen gegeben hat, die Gewähr für das Vorhandensein einer bestimmten Eigenschaft zu übernehmen und deshalb für alle Folgen ihres Fehlens uneingeschränkt eintreten zu wollen.BGH Urteil vom 29.11.2006 (Az.: VIII ZR 92/06) unter Ziff. II 1d = BGHZ 170, 86 ff. = NJW 2007, 1346 f. und vom 21.9.2005 (Az.: XII ZR 66/03) unter Tz. 26 = NJW 2006, 899, 901.
Die Zusicherung ist gleichbedeutend mit der Garantie im Sinne von § 276 Abs. 1 S. 1 mit den entsprechenden Folgen für den anzuwendenden Haftungsmaßstab.Siehe dazu im Skript „Schuldrecht AT II“ unter Rn. 33 f.
cc) Rechtsmangel, § 536 Abs. 3
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Gem. § 536 Abs. 3 liegt ein Rechtsmangel vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch „durch das Recht“ eines Dritten ganz oder zum Teil entzogen wird.
Als Rechte kommen nur private Rechte in Betracht.Palandt-Weidenkaff § 536 Rn. 2. Öffentlich-rechtliche Beschränkungen sind, wenn sie sich aus dem Zustand der Mietsache ergeben und unmittelbar auf ihre Tauglichkeit für den vertragsgemäßen Gebrauch auswirken, Sachmängel im Sinne von § 536 Abs. 1 (siehe oben unter Rn. 49 f.).
Entscheidend ist, dass der Dritte sein Recht tatsächlich geltend gemacht hat und er dem Mieter aufgrund dieses Rechts den vertragsgemäßen Gebrauch ganz oder teilweise entziehen wird.MüKo-Häublein § 536 Rn. 26.
Dem Entzug wird die Vorenthaltung gleichgestellt, da es wertungsmäßig keinen Unterschied macht, ob der Dritte sein Recht vor oder nach Überlassung der Mietsache ausübt.BGH NJW 1991, 3277 f. unter Ziff. II 3b. Häufig hängt dies vom Zufall ab, je nachdem, wann der Dritte von der Verletzung seines Rechts durch die Vermietung Kenntnis erlangt.
Beispiel
V vermietet dem M eine Wohnung, die der M später an den U untervermietet. Wird nun das (Haupt-)Mietverhältnis zwischen V und M beendet, kann V von U nach § 546 Abs. 2 und ggf. § 985 die Herausgabe verlangen. Macht V diese Ansprüche geltend, liegt im Untermietverhältnis ein Rechtsmangel vor.
Beispiel
V vermietet ein Objekt zweimal für denselben Zeitraum. Erfüllt der Vermieter den Anspruch eines Mieters, überlässt er ihm also die Mietsache, so hat dieser dem anderen Mieter gegenüber ein Recht zum Besitz – der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ist also für den zweiten Mieter durch das bereits ausgeübte Recht des ersten (glücklichen) Mieters ausgeschlossen.
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Da es auf die Ausübung des Rechts ankommt, genügt die bloße Möglichkeit, dass ein Dritter sein Recht an der Sache ausübt, also nicht. Schließlich ist das Recht des Mieters auf Gewährung einer gebrauchstauglichen Sache vor Ausübung des Rechts noch gar nicht beeinträchtigt.
Ebenso wenig genügt der faktische, rechtsgrundlose Entzug des Gebrauchs durch einen Dritten. Allerdings liegt dann vollständige Nichtleistung vor, so dass sich die Pflicht zur Wiederherstellung der Gebrauchsmöglichkeit nun aus § 535 Abs. 1 S. 1 ergibt.
e) (Keine) Anfängliche Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1)
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Nach der allgemeinen Regel des § 275 Abs. 1 ist die Leistungspflicht des Vermieters von Anfang an ganz oder teilweise ausgeschlossen, soweit die Erfüllung ihm bereits bei Vertragsschluss unmöglich ist. Die Wirksamkeit des Mietvertrages berührt dies nach § 311a Abs. 1 nicht!
Beispiel
V vermietet Büroräume zunächst dem A für zwei Jahre, wobei dem A eine Verlängerungsoption für weitere zwei Jahre eingeräumt wird. Ohne Verlängerung endet das Mietverhältnis mit A am 31.5. Kurz vor Ablauf des zweiten Vertragsjahres vermietet V die Büroräume an den B, wobei das Mietverhältnis zum 1.6. beginnen soll. A macht nun von seiner Verlängerungsoption Gebrauch. Als er von der (Doppel-)Vermietung „seines“ Büros an den B erfährt, macht er dem V deutlich, auf seine Rechte aus dem Mietvertrag unter keinen Umständen verzichten und seinen Besitz nicht aufgeben zu wollen. Hier ist dem V eine Erfüllung seiner Pflichten aus dem mit B geschlossenen Mietvertrag von Anfang an unmöglich. Der Anspruch des B gem. § 535 Abs. 1 ist damit nach § 275 Abs. 1 ausgeschlossen. Dem B bleiben wegen des Rechtsmangels aber Schadensersatzansprüche aus § 536a Abs. 1 gegen V.
Hinweis
Während § 536a Abs. 1 wegen des Verweises auf § 536 bei Sachmängeln grundsätzlich erst ab Überlassung anwendbar istBGH 136, 102; Palandt-Weidenkaff § 536a Rn. 3., ist § 536a Abs. 1 bei Rechtsmängeln lex specialis gegenüber den allgemeinen Vorschriften und daher auch schon vor Überlassung der Mietsache an den Mieter anwendbar. Grund: Der Rechtsmangel i.S.v. § 536 Abs. 3 ist ein besonderer Fall des UnvermögensBGH NJW 1996, 714..
Beispiel
V vermietet dem M eine Wohnung, deren Fläche mit 100 qm vereinbart wird. Tatsächlich ist die Wohnung aber nur 85 qm groß und damit sachmangelhaft. In diesem Fall ist dem V zwar nicht die Erfüllung seiner Pflicht zur Gebrauchsgewährung gem. § 535 Abs. 1 S. 1, wohl aber die Gewährung der Mängelfreiheit gem. § 535 Abs. 1 S. 2 von Anfang an unmöglich.
f) Weitere rechtshindernde Einwendungen (nur in Bezug auf Gewährleistungspflicht)
aa) Vom Mieter zu vertretender Mangel
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Wie sich im Umkehrschluss aus § 538 ergibt, hat der Mieter solche Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache zu vertreten, die auf einem vertragswidrigen Gebrauch beruhen. Dies führt nicht nur zu einer Schadensersatzhaftung des Mieters, sondern in Bezug auf die durch einen vertragswidrigen Gebrauch hervorgerufenen Mängel auch zu einem Wegfall der primären Gewährleistungspflicht des Vermieters. Der Vermieter schuldet keine Beseitigung solcher Mängel, deren Entstehung der Mieter zu vertreten hat.BGH Urteil vom 28.5.2008 (Az.: VIII ZR 271/07) unter Tz. 9 = NJW 2008, 2432.
Beispiel
V vermietet dem M eine Wohnung mit Garten. An einem regnerischen Sonntag spielt M mit seinem Sohn S im Wohnzimmer Fußball. Eine Flanke des M köpft S im Eifer des Gefechts auf das geschlossene Fenster, wodurch die Fensterscheibe zu Bruch geht. V muss diese nicht gem. § 535 Abs. 1 S. 2 reparieren, da M mit seinem Sohn im Garten, aber nicht im Wohnzimmer Fußball spielen darf.Auf ein Verschulden des S kommt es dabei gar nicht mehr an!
bb) Vertraglicher Ausschluss
59
Die Pflicht des Vermieters zur Schaffung und Gewährleistung eines vertragsgemäßen Zustands gem. § 535 Abs. 1 S. 2 kann in gewissen Grenzen durch eine vertragliche Vereinbarung auf den Mieter „abgewälzt“ werden.
(1) Umfang
60
Wird die Pflicht gem. § 535 Abs. 1 S. 2 pauschal ausgeschlossen und werden dem Nutzer dafür Gewährleistungsansprüche gegen Dritte abgetreten, haben die Parteien einen Leasingvertrag geschlossen (siehe oben unter Rn. 14).
61
Im Rahmen eines Mietvertrages werden die Pflichten des Vermieters typischerweise wegen solcher Mängel ausgeschlossen, die sich aus seinem vertragsgemäßen Gebrauch ergeben.
Solche Reparaturen, die durch eine vertragsgemäße Abnutzung erforderlich werden und die dazu dienen, das äußere Erscheinungsbild der Innenräume ansprechend zu erhalten, nennt man „Schönheitsreparaturen“.Palandt-Weidenkaff § 535 Rn. 41.
Beispiel
Streichen der inneren Wände, Decken, Heizkörper, Türen im Innenbereich etc.
Daneben können sich aus dem vertragsgemäßen Gebrauch aber auch sonstige Reparaturen ergeben, die wir im Folgenden als „Instandhaltungsreparaturen“ bezeichnen.
Beispiel
Verschleißerscheinungen oder Defekte an Badezimmereinrichtungen, Durchlauferhitzern.
(2) Wirksamkeit
62
Einer individuellen Vereinbarung zur Übertragung von Reparaturen auf den Mieter könnte in Wohnraummietverhältnissen § 536 Abs. 4 entgegenstehen. Danach kann die kraft Gesetzes eintretendeDies ist im Kauf- und Werkrecht anders; dort ist die Minderung ein Gestaltungsrecht, vgl. §§ 441 Abs. 1 S. 1, 638 Abs. 1 S. 1, d.h. hier muss die Minderung erst noch erklärt werden. Beachte aber: Im Reiserecht ist die Rechtslage wiederum wie im Mietrecht, d.h. der Reisepreis mindert sich bei Vorliegen eines Mangels automatisch, vgl. § 651m Abs. 1 S. 1. Minderung bei Wohnraummietverhältnissen nicht vertraglich abbedungen werden. Soweit der Vermieter seine Instandhaltungspflicht wirksam auf den Mieter übertragen hat, kämen auch Gewährleistungsrechte wegen Mängeln nach §§ 536 f. nicht mehr in Betracht, da der Vermieter seine Leistungspflicht dann nicht verletzt.BGH in BGHZ 118, 194 ff. unter Ziff. II 3a bb = NJW 1992, 1759 f.
Bei der Verpflichtung des Mieters zur Vornahme von Schönheitsreparaturen droht eine solche Kollision mit § 536 Abs. 4 allerdings nicht, da rein äußerliche Mängel die Gebrauchstauglichkeit nicht beeinträchtigen. Die Abwälzung auf den Mieter scheitert daher nicht an § 536 Abs. 4.BGH a.a.O.
Anders liegt es hingegen bei sonstigen Instandhaltungsreparaturen, die der Behebung von Defekten an der Mietsache dienen. Der Mieter von Wohnräumen kann daher wegen § 536 Abs. 4 nicht zur Vornahme solcher Reparaturen verpflichtet werden.BGH a.a.O.; Palandt-Weidenkaff § 535 Rn. 44.
Hier ist nur eine Beteiligung an den Kosten für Reparaturleistungen des Vermieters zulässig.Wie vor. Dadurch droht kein Ausschluss des Minderungsrechts: Führt der Vermieter die Reparaturen nicht rechtzeitig aus und entsteht dadurch ein Mangel, verletzt der Vermieter seine Hauptleistungspflicht. Die Miete wird dann nach Maßgabe des § 536 (kraft Gesetzes, also ohne dass hierfür, anders als im Kauf- oder Werkrecht eine rechtsgestaltende Erklärung erforderlich wäre) gemindert.
63
Im Ergebnis übernimmt der Mieter durch die Verpflichtung zur Vornahme von Schönheitsreparaturen und der (Kosten-)Beteiligung an Instandhaltungsreparaturen eine zusätzliche Entgeltleistung, die im Gegenseitigkeitsverhältnis steht.BGH Urteil vom 27.5.2009 (Az.: VIII ZR 302/07) unter Tz. 20 = NJW 2009, 2590, 2591 f. Diese Mieterpflichten treten also neben die laufende Zahlung des vereinbarten Mietzinses.
Vereinbarung durch AGB
64
Soweit nach dem eben Gesagten eine Modifikation der Vermieterleistung wirksam vereinbart werden kann, stellt sich noch die Frage, ob sich bei Verwendung von AGB weitere Beschränkungen über § 536 Abs. 4 hinaus ergeben.
65
Instandhaltungsreparaturen
Bei Klauseln zur Kostenbeteiligung des Mieters von Wohnraum an Instandhaltungsreparaturen ist zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung i.S.d. §§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 eine Bagatellgrenze (etwa 75–100 €) pro Reparatur sowie eine Jahreshöchstgrenze (etwa 6–8 % der Jahresbruttokaltmiete) festzulegen.Vgl. Nachweise bei Bamberger/Roth-Ehlert § 538 Rn. 13.
Die Verpflichtung zur Vornahme von Instandhaltungsreparaturen bei anderen Mietverhältnissen als der WohnraummieteDort verstößt die Vornahmeverpflichtung ja – unabhängig vom AGB-Charakter der Regelung – bereits gegen § 536 Abs. 4. durch AGB ist dann nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 unwirksam, wenn dem Mieter die Erhaltungslast von gemeinsam mit anderen Mietern genutzten Flächen und Anlagen ohne Beschränkung der Höhe nach auferlegt wird. Denn damit werden dem Mieter unüberschaubare Kosten aufgebürdet, die nicht durch seinen Mietgebrauch veranlasst sind und die nicht in seinen Risikobereich fallen.BGH Urteil vom 6.4.2005 (Az.: XII ZR 158/01) unter Ziff. II 3a = NJW-RR 2006, 84 f.
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Schönheitsreparaturen
Eine Übertragung der Pflicht zur Vornahme von fachgerechten Schönheitsreparaturen kann grundsätzlich auch durch AGB erfolgen, ohne dass darin automatisch eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 zu sehen ist. Schließlich wird diese Abwälzung bei der Kalkulation der Miete berücksichtigt und kommt über einen entsprechend günstigen Mietzins dem Mieter zugute.BGHZ 92, 363 ff. unter Ziff. 2c bb = NJW 1985, 480 f.
Allerdings darf die Klausel nicht dazu führen, dass der Mieter auch dann zu Schönheitsreparaturen verpflichtet wird, wenn tatsächlich kein Renovierungsbedarf bestehtBGH Urteil vom 28.6.2006 (Az.: VIII ZR 124/05) unter Tz. 16 = NJW 2006, 2915 f. oder wenn der Mieter durch die Klausel im Ergebnis ohne angemessenen Ausgleich zu Schönheitsreparaturen verpflichtet wird, die nicht der Beseitigung seiner Abnutzung, sondern der des Vormieters dienen.So die neue Rspr., siehe BGH Urteil vom 18.3.2015 (Az.: VIII ZR 185/14) unter Tz. 15 ff. = NJW 2015, 1595 ff.
Beispiel
Klausel mit „starrem Fristenplan“ für Schönheitsreparaturen wie: „Küche, Bad, Dusche, WC: alle drei Jahre und alle sonstigen Räume: alle 5 Jahre“ ohne Rücksicht auf Abnutzungsgrad und angemessenen Ausgleich;
„Endrenovierungsklausel“, die den Mieter unabhängig vom Renovierungsbedarf bei Mietende zu Schönheitsreparaturen verpflichtet.
Verstößt die Fassung der Klausel gegen diese Grundsätze, ist sie nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 unwirksam, so dass es nach § 306 Abs. 2 wieder bei der vollen Hauptleistungspflicht des Vermieters verbleibt.
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In Wohnraummietverträgen muss die Klausel dem Mieter die Möglichkeit einräumen, eine fachgerechte Schönheitsreparatur auch in Eigenleistung vorzunehmen.BGH Urteil vom 9.6.2010 (Az.: VIII ZR 294/09) unter Tz. 17 ff. = NJW 2010, 2877 f. Andernfalls würde der Mieter mehr schulden als der Vermieter, der ohne die Klausel selbst nur zu einer fachgerechten Ausführung mittlerer Art und Güte (§ 243 Abs. 1) verpflichtet wäre und diese – bei ausreichenden Kenntnissen – auch selber kostengünstig ausführen könnte. Die eigene Ausführung muss aber „fachgerecht“ seinBGH a.a.O. unter Tz. 21. – der Vorbehalt der Selbstvornahme durch den Mieter gestattet also kein dilettantisches „Herumwerkeln unterer Art und Güte“ eines handwerklich unbegabten Mieters.
Beispiel
Eine Klausel in einem Wohnraummietvertrag, wonach der Mieter Schönheitsreparaturen „durch einen Fachmann ausführen lassen muss“, ist daher unwirksam. Streicht man bei einer solchen Klausel diese Begriffe, bleibt insbesondere durch den Wegfall des Teils „ausführen lassen“ kein sinnvoller Klauselrest übrig – dann ist die ganze Reparaturklausel unwirksam.BGH a.a.O. unter Tz. 22.
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Schließlich sind solche Klauseln gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 unwirksam, die dem Mieter keine Wahl der Farbgestaltung bei Vornahme der Schönheitsreparaturen einräumen. Dadurch würde die Freiheit des Mieters, sich in den Mieträumen nach seinem Geschmack einzurichten, ohne ausreichendes Interesse des Vermieters eingeschränkt. Selbst für den Rückgabezeitpunkt darf der Vermieter durch AGB keine bestimmte Farbe vorgeben (z.B. „Weiß“).BGH Beschluss vom 14.12.2010 (Az.: VIII ZR 198/10) = NJW 2011, 514. Zwar hat der Vermieter ein berechtigtes Interesse, die Wohnung in einem Dekorationszustand zurückzuerhalten, der „dem Geschmack eines größeren Interessentenkreises entspricht und eine rasche Weitervermietung ermöglicht“.BGH a.a.O. und Urteil vom 18.6.2008 (Az.: VIII ZR 224/07) unter Tz. 18 = NJW 2008, 2499. Dieses Interesse erfordert es aber nach Auffassung des BGH nicht, den Mieter für den Zeitpunkt des Auszugs zwingend auf einen bestimmten Farbanstrich (z.B. „Weiß“) festzulegen, weil auch „andere dezenten Farbtöne eine Weitervermietung nicht unbedingt erschweren“BGH a.a.O.. Für den Mieter hingegen sei ein gewisser Spielraum bei der farblichen Gestaltung auch für den Rückgabezeitpunkt von nicht unerheblichem Interesse, „weil er sich dann aus wirtschaftlichen Erwägungen dafür entscheiden kann, schon während der Mietzeit eine Dekoration innerhalb der für den Rückgabezeitpunkt vorgeschriebenen Bandbreite farblicher Gestaltung vorzunehmen, um nicht beim Auszug nur wegen der farblichen Gestaltung eine sonst noch nicht erforderliche Renovierung vornehmen zu müssen.“BGH a.a.O.
Kurzum: Wer „in Weiß“ zurückgeben muss, könnte sich wirtschaftlich gezwungen sehen, die ganze Zeit in „in Weiß“ zu wohnen. Und eben dieser faktische Farbzwang geht dem BGH zu weit.
Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung dann, wenn eine Farbwahlklausel (1) nur auf den Zeitpunkt der Rückgabe bezogen ist und (2) „den Mieter nicht auf eine spezielle Dekorationsweise festlegt, sondern ihm eine Bandbreite ("neutrale, helle, deckende Farben und Tapeten") vorgibt, die zu den unterschiedlichsten Einrichtungsstilen passt und deshalb für weite Mieterkreise annehmbar ist“.BGH Urteil vom 22.10.2008 (Az.: VIII ZR 283/07) unter Tz. 17 = NJW 2009, 62. Dies kann nach der Gesamtabwägung durch AGB wirksam vereinbart werden.
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Rechtsfolgen einer unwirksamen Reparaturklausel
Ist eine individuell vereinbarte Reparaturklausel wegen Verstoßes gegen § 536 Abs. 4 unwirksam, kommt nach allgemeinen Regeln eine Umdeutung in eine zulässige Regelung nach § 140Siehe dazu im Skript „BGB AT II“ Rn. 465 ff. oder, wenn die Parteien zugleich eine sog. „salvatorische Klausel“ mit „Ersetzungsklausel“ vereinbart hattenSiehe dazu im Skript „BGB AT II“ Rn. 456 f., auch eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht.
Beispiel
Mieter M vereinbart mit Vermieter V im individuell verhandelten Wohnraummietvertrag eine Übernahme der Pflicht zur Vornahme von Instandhaltungsreparaturen. Dafür soll die Miete deutlich günstiger sein. Wegen Verstoßes gegen § 536 Abs. 4 ist diese Vereinbarung unwirksam. Im Wege der Umdeutung ließe sich die unwirksame Vereinbarung angesichts des damit angestrebten wirtschaftlichen Erfolges (mehr Eigenleistung, weniger Miete) in eine Kostenbeteiligungsklausel (siehe oben unter Rn. 62) umgestalten. M könnte also weiterhin den niedrigeren Mietzins zahlen und müsste zu notwendigen Instandhaltungsreparaturen die der Höhe nach noch zulässigen Zuzahlungen leisten. V bliebe aber mangels wirksamer Abwälzung auf M selber gem. § 535 Abs. 1 S. 2 zur Vornahme der Reparaturen verpflichtet.
70
Ist die Klausel als AGB anzusehen und nach § 307 unwirksam, entfällt die entsprechende Verpflichtung des Mieters. Damit entfällt umgekehrt die Beschränkung für die Instandhaltungspflicht des Vermieters. Der Mieter kann vom Vermieter dann seinerseits gem. § 306 Abs. 2 i.V.m. § 535 Abs. 1 S. 2 die Reparaturleistungen verlangen.BGH Urteil vom 28.6.2006 (Az.: VIII ZR 124/05) unter Tz. 21 = NJW 2006, 2915, 2917; Looschelders Schuldrecht BT Rn. 404.
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Hat der Mieter aufgrund einer unwirksamen Klausel Reparaturleistungen oder Zahlungen an den Vermieter (für Instandhaltungsreparaturen) geleistet, können ihm ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 und ein Bereicherungsanspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1, 818 zustehen.Looschelders a.a.O.
Der Schadensersatzanspruch gründet sich auf einer vorvertraglichen Rücksichtspflichtverletzung. Die Rücksichtslosigkeit sieht die Rechtsprechung in der Verwendung einer unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung bei Vertragsschluss.BGH Urteil vom 27.5.2009 (Az.: VIII ZR 302/07) unter Tz. 10 = NJW 2009, 2590. Die Schadensersatzpflicht ist aber ausgeschlossen, wenn der Klauselsteller (= Vermieter) die Verwendung der unwirksamen Klausel nicht zu vertreten hat. In Betracht kommt dies insbesondere bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum.So tatsächlich im Fall BGH Urteil vom 27.5.2009 (Az.: VIII ZR 302/07) unter Tz. 11 ff. = NJW 2009, 2590.
Ein Anspruch aus § 539 Abs. 1Rechtsgrundverweisung, siehe unter Rn. 234. i.V.m. §§ 677, 683 S. 1, 670 scheidet hingegen aus, da der Mieter eine eigene Pflicht erfüllen und damit ein eigenes Geschäft führen will.BGH Urteil vom 27.5.2009 (Az.: VIII ZR 302/07) unter Tz. 15 ff. = NJW 2009, 2590 ff.
2. Rechtsvernichtende Einwendungen
a) Erfüllung und Erfüllungssurrogate
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Der Primäranspruch des Mieters erlischt gem. § 362 Abs. 1 im Idealfall durch permanente Erfüllung. Denkbar ist aber auch ein Erlöschen durch die Erfüllungssurrogate Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1) oder Erlass (§ 397).
b) Nachträgliche Leistungsbefreiung nach § 275
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Dem Vermieter kann die Erfüllung seiner Leistungspflicht durch einen nach Vertragsschluss eintretenden Umstand ganz oder teilweise unmöglich werden. Insoweit wird er nach § 275 Abs. 1 von seiner Leistungspflicht befreit. Da es sich um ein absolutes Fixgeschäft handelt, tritt mangels rückwirkender Nachholbarkeit der Leistung mit dem Ausfall der Leistung für den fraglichen Zeitraum Unmöglichkeit ein.BGH NJW 1991, 3277 unter Ziff. II 3b.
Beispiel
Vermieter V vermietet dem M eine Wohnung ab dem 1.6. Der Mietvertrag mit dem Vormieter X ist bereits zum 30.4. beendet. Allerdings räumt der X die Wohnung erst verspätet zum 15.6. Dem V ist seine Leistungspflicht damit für den Zeitraum 1.–15.6. unmöglich geworden.
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Der Vermieter wird ferner von seiner Leistung frei, sofern er seine Leistung nach § 275 Abs. 2, 3 berechtigterweise verweigert.
Beispiel
M mietet von V eine Wohnung nebst Kellerraum und Tiefgaragenstellplatz. Im Durchgangsbereich vom Haus zum Keller und zur Tiefgarage trat nach einiger Zeit auf einmal starke Feuchtigkeit auf. Bei hoher Regentätigkeit sammelte sich regelmäßig über einen längeren Zeitraum Wasser in diesem Bereich. Da M diesen Bereich immer durchqueren muss, um an seinen Keller und an seinen Tiefgaragenstellplatz zu kommen und dabei keine nassen Füße bekommen möchte, verlangt er von V fachgerechte Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden und Maßnahmen gegen weiteres Eindringen von Feuchtigkeit in diesen Bereich. V hält dem entgegen, dass er nur durch eine vollständige Erneuerung der Betonwanne unter dem Haus sicherstellen könne, dass überhaupt kein Wasser mehr eintritt. Denn die Feuchtigkeit trete aus dem Erdreich durch die undichte Betonwanne in den Keller ein. Die Sanierung würde mindestens 100 000 € kosten, was ihm nicht zumutbar sei.
Die aus § 275 Abs. 2 folgende Opfergrenze für die Leistungspflicht des Vermieters gem. § 535 Abs. 1 (Mängelbeseitigung) ist hier überschritten. Das Gläubigerinteresse des M besteht nur darin, bei jedem Wetter trockenen Fußes zu seinem PKW und seinem Kellerraum zu gelangen. Der zur Befriedigung dieses Erfüllungsinteresses erforderliche Aufwand steht dazu in keinem zumutbaren Verhältnis mehr.Nach BGH Urteil vom 20.7.2005 (Az.: VIII ZR 342/03) = NJW 2005, 3284.
c) Fristablauf
aa) Auswirkungen einer Befristung
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Wird ein Mietvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen, endet das Mietverhältnis durch Kündigung, vgl. § 542 Abs. 1. Die Parteien können aber auch einen fixen Endtermin vereinbaren. Das Mietverhältnis endet dann automatisch an diesem Termin, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedarf, vgl. § 542 Abs. 2 Hs. 1. Aus § 542 ergibt sich weiter, dass im Fall einer Befristung die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist.
Schließen die Parteien ein befristetes Mietverhältnis, erlöschen die Primäransprüche der Parteien mit Fristablauf für die Zukunft. Der Fristablauf ist also rechtsvernichtende Einwendung gegen die wechselseitigen Primäransprüche.
76
Diese Wirkung tritt aber nur ein, wenn die Befristung wirksam vereinbart wurde. Das Mietrecht kennt Regelungen, die nur zur Unwirksamkeit der Befristungsabrede, aber nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages führen. Solche Regelungen sehen wir uns nun an:
bb) Wirksamkeitsvoraussetzungen bei Wohnraummiete
77
Bei der Vermietung von Wohnräumen sieht das Gesetz für die Befristung zwei verschiedene Wirksamkeitsvoraussetzungen vor, die je nach Ausgestaltung kumulativ oder alternativ zur Anwendung kommen.
(1) Schriftform bei Befristung über mehr als ein Jahr, § 550
78
Wollen die Parteien das Mietverhältnis für längere Zeit als ein Jahr befristen,Maßgeblich ist die Dauer ab dem vereinbarten Beginn des Mietverhältnisses und nicht der Zeitraum zwischen Vertragsschluss und vereinbartem Endtermin, Palandt-Weidenkaff § 550 Rn. 6. ordnet das Gesetz bei allen WohnraummietverhältnissenDie § 549 Abs. 2 und 3 setzen die Anwendung des § 550 nicht aus. in § 550 für den gesamten Vertrag die Schriftform (§ 126) als Wirksamkeitsvoraussetzung neben § 575 an, wobei (theoretisch) die Schriftform auch durch die elektronische Form nach § 126a ersetzt werden könnte. Wird die gesetzliche Form nicht eingehalten, hat dies nicht die Nichtigkeit des Vertrages nach § 125 S. 1 zur Folge. Vielmehr ordnet § 550 S. 1 abweichend vom Grundsatz der Gesamtnichtigkeit nur die Unwirksamkeit der vereinbarten Befristung an, so dass der Mietvertrag für unbestimmte Zeit geschlossen gilt.
Der Sinn dieser Regelung besteht darin, den Parteien zwar den Mietvertrag zu erhalten, aber gleichzeitig das ordentliche Kündigungsrecht zu eröffnen. Dieses ist im Falle einer wirksamen Befristung ja ausgeschlossen. Erweist sich die Befristung jedoch als unwirksam, können die Parteien durch ordentliche Kündigung vorzeitig wieder „aussteigen“. Nach § 550 S. 2 ist die Kündigung allerdings frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig. Die Fristberechnung richtet sich nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2.
Beispiel
V schließt mit M am 15.1.2019 einen Mietvertrag über Wohnräume. Das Mietverhältnis soll am 1.2.2019 beginnen und am 31.1.2022 enden. Die Räume werden dem M am 1.2.2019 übergeben. Erfüllt der Vertrag die Formerfordernisse des § 126 nicht, können die Parteien den Vertrag nach den für die Kündigung maßgeblichen Regelungen (§§ 573 ff.) ordentlich kündigen, frühestens jedoch zum 1.2.2020.
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Die Formvorschrift des § 550 hat verschiedene Schutzwirkungen: Zum einen zielt sie auf den Schutz des Grundstückserwerbers, der wegen §§ 93, 94 neben dem Eigentum am Grundstück zugleich auch das Eigentum am vermieteten Wohnraum auf diesem Grundstück erhält und nach § 566 Abs. 1 in die Rechte und Pflichten aus bestehenden Mietverhältnissen eintritt. Wegen dieser Eintrittswirkung soll sich der Erwerber über seine Rechte und Pflichten aus solchen Verträgen zuverlässig informieren können, an die er längerfristig gebunden ist.St. Rspr. des BGH, zuletzt im Urteil vom 7.5.2008 (Az.: XII ZR 69/06) unter Tz. 13 ff. = BGHZ 176, 301 ff. = NJW 2008, 2178 f. Zum anderen verfolgt die Anordnung der Schriftform – wie immer – auch den Zweck, die Beweisbarkeit der vertraglichen Abreden zwischen den Vertragspartnern sicherzustellen und die Parteien vor einer unbedachten Übernahme der sich aus einem langfristigen Mietvertrag ergebenden Pflichten zu schützen (Beweis- und Warnfunktion).BGH Urteil vom 7.5.2008 (Az.: XII ZR 69/06) unter Tz. 17. = BGHZ 176, 301 ff. = NJW 2008, 2178 f. Die Warnfunktion ist deshalb notwendig, weil eine langfristige Bindung eine erhebliche Belastung der Parteien mit sich bringen kann. Möglicherweise ist eine Partei im Laufe der Mietzeit wirtschaftlich kaum noch in der Lage, die geschuldeten Leistungen zu erbringen, oder sie will das Objekt aus Gründen beruflicher oder privater Veränderungen nicht mehr in der vereinbarten Form nutzen. Die Schriftform will dazu beitragen, dass die Parteien sich auch dieser Risiken bewusst werden.
80
§ 550 gilt angesichts dieser Schutzfunktionen deshalb auch bei auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietverträgen, bei denen die Parteien die Bindungswirkung über mehr als ein Jahr „indirekt“ begründen: Das kann einmal dadurch geschehen, dass die Parteien das Recht zur ordentlichen Kündigung für mehr als ein Jahr ausschließenBGH Urteil vom 9.7.2008 (Az.: XII ZR 117/06) = NJW-RR 2008, 1329. oder wenn die vereinbarte Kündigungsfrist länger als ein Jahr beträgt.Palandt-Weidenkaff § 550 Rn. 7; wegen § 573c Abs. 4 ist eine solche Konstellation allerdings nur bei Mietverhältnissen denkbar, die sich nicht auf Wohnräume beziehen, auf die § 550 aber nach § 578 anwendbar ist.
Anhand der vorstehend beschriebenen Schutzfunktionen und Folgen bei Formverstößen wird auch verständlich, warum die Parteien nach einhelliger Auffassung die Beurkundung eines zunächst formlos geschlossenen Mietvertrags jederzeit nachholen können und der Vertrag dann von Anfang an als in der gesetzlich vorgeschriebenen Form abgeschlossen gilt.BGH Urteil vom 14.7.2004 (Az.: XII ZR 68/02) unter Ziff. II 1 = BGHZ 160, 97 ff. = NJW 2004, 2962 f. Denn bis zu diesem Zeitpunkt ist die Befristung unwirksam, wodurch den Parteien die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung eröffnet und ihr Schutz dadurch ausreichend sichergestellt ist. Auf diesen Schutz können sie jederzeit durch Nachholung der für die langfristige Bindung notwendigen Form verzichten.
(2) Schriftliche Angabe eines besonderen Grundes, § 575
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Expertentipp
Lesen Sie bitte die wichtigen Ausnahmetatbestände in § 549 Abs. 2 und 3 durch – diese betreffen insbesondere die Vermietung von Wohnraum an Studierende!
Nach § 575 Abs. 1 können bestimmte Mietverhältnisse über Wohnraum überhaupt nur dann befristet abgeschlossen werden, wenn der Vermieter für die Befristung einen der in § 575 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–3 – abschließend – genannten Gründe für sich in Anspruch nehmen kann und er dem Mieter einen solchen Grund bei Vertragsschluss schriftlich (§ 126) mitteilt.Wird der gesamte Vertrag schriftlich geschlossen, kann die Mitteilung auch im Vertrag selbst erfolgen. Eine Ausnahme gilt nur für die in § 549 Abs. 2 und 3 genannten Mietverträge, die vom Anwendungsbereich des § 575 ausgenommen sind.
Besteht einer der in § 575 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–3 genannten Gründe tatsächlich nicht oder wurde er dem Mieter nicht in Schriftform mitgeteilt, gilt das Mietverhältnis ohne Befristung, also auf unbestimmte Zeit i.S.d. § 542 Abs. 1 geschlossen, § 575 Abs. 1 S. 2. Diese Vorschriften sind zugunsten des Mieters zwingend, § 575 Abs. 4. Der Sinn dieser Regelungen liegt darin, dass der Wohnraummieter bei unbefristeten Mietverträgen einen besonderen Kündigungsschutz nach §§ 573 ff. genießt. Im Fall einer wirksamen Befristung wird dieser Kündigungsschutz „ausgehebelt“, da das Mietverhältnis dann ja allein durch Zeitablauf, also ohne Kündigung endet. Mit § 575 will der Gesetzgeber dem Mieter von Wohnräumen deshalb einen besonderen Schutz vor solchen „gefährlichen“ Befristungen gewähren. Der Mieter soll seinen Kündigungsschutz nach §§ 573 ff. also nur in besonderen Ausnahmefällen verlieren.
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Unter den Voraussetzungen des § 575 Abs. 2 und 3 kann der Mieter vom Vermieter trotz wirksamer Befristung eine Verlängerung des Mietverhältnisses über das Fristende hinaus verlangen.
cc) Wirksamkeitsvoraussetzungen bei sonstigen Mietverträgen
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Während § 575 nur bei Wohnraummietverträgen zur Anwendung kommen kann, erstreckt § 578 die Anwendung des § 550 auch auf andere Mietverträge, und zwar auf Mietverträge über Grundstücke sowie nach auf Mietverhältnisse über Räume, die keine Wohnräume sind. Auch in diesen Fällen tritt ein Erwerber nach § 566 i.V.m. § 578 Abs. 1 bzw. § 578 Abs. 2 S. 1 in die bestehenden Mietverhältnisse ein und ist auf die Informationen über die bestehenden Mietkonditionen langfristig angelegter Verträge angewiesen.
Beispiel
Wenn V dem M Büroräume befristet auf 5 Jahre vermieten will, muss der Mietvertrag nach § 578 Abs. 2 S. 1 i.V.m. §§ 578 Abs. 1, 550 S. 1 schriftlich abgeschlossen werden. Andernfalls ist die Befristung unwirksam und der Mietvertrag läuft auf unbestimmte Zeit. Auf die zusätzlichen Voraussetzungen des § 575 kommt es hingegen nicht an. Beide Parteien bzw. der nach § 578 Abs. 2 S. 1 i.V.m. §§ 578 Abs. 1, 566 eintretende Erwerber des Grundstücks, können bei unwirksamer Befristung ordentlich kündigen und sich vom Vertrag vorzeitig lösen, frühestens jedoch zum Ablauf des ersten Vertragsjahres, § 550 S. 2.
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Bei allen anderen Verträgen, also etwa Mietverträge über bewegliche Sachen, werden an die Wirksamkeit der Befristung keine zusätzlichen Voraussetzungen gestellt.
dd) Verlängerung trotz Fristablaufs
(1) Einvernehmliche Verlängerung
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Abgesehen von den Sonderfällen des § 575 Abs. 2, 3 kann sich ein wirksam befristetes Mietverhältnis über den vereinbarten Zeitpunkt hinaus auch dann verlängern, wenn die Parteien die Befristung nachträglich durch Vertrag wieder aufheben und einvernehmlich – auf bestimmte oder unbestimmte Zeit – verlängern (§ 542 Abs. 2 Nr. 2).
(2) Verlängerung durch Fortsetzung des Gebrauchs (§ 545)
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Nach § 545 S. 1 verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, wenn der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fortsetzt, sofern eine Partei dem nicht innerhalb von zwei Wochen widersprochen hat. Fortsetzung des Gebrauchs bedeutet tatsächliche Nutzung und nicht bloßes „Vorenthalten“, wie sich nicht nur aus dem allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch aus der systematischen Zusammenschau mit § 546a Abs. 1 ergibt, der ausdrücklich die Formulierung „Vorenthaltung“ verwendet.Palandt-Weidenkaff § 545 Rn. 7.
Die Widerspruchsfrist beginnt nach § 545 S. 2 für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs, für den Vermieter dann, wenn er von dem fortgesetzten Gebrauch KenntnisFahrlässige Unkenntnis (Kennenmüssen) genügt nicht! erhält. Bei mehreren Vermietern beginnt die Frist, wenn alle Vermieter Kenntnis erlangen.Bamberger/Roth-Herrmann § 545 Rn. 6 m.w.N.
Der Widerspruch ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die durch Zugang bei der anderen Partei wirksam wird. Der Widerspruch bedarf keiner besonderen Form und kann auch schon vor Fristbeginn erklärt werden, sofern ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Zugang des Widerspruchs und Vertragsablauf besteht.BGH Urteil vom 12.7.2006 (Az.: XII ZR 178/03) unter Tz. 25 = NJW-RR 2006, 1385 f. Haben auf Mieterseite mehrere Personen den Vertrag geschlossen, muss die Erklärung sämtlichen Personen bzw. bei deren berechtigten Empfangsvertretern (§ 164 Abs. 3) zugehen.Bamberger/Roth-Herrmann § 545 Rn. 6 m.w.N. Besteht Personenmehrheit auf Vermieterseite genügt der Widerspruch durch eine Person.Palandt-Weidenkaff § 545 Rn. 8.
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Bei fehlendem Widerspruch ordnet § 545 die Weitergeltung des Mietvertrages auf unbestimmte Zeit an, und zwar ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Willen der Parteien. Eine Anfechtung des Schweigens wegen Irrtums über dessen Bedeutung scheidet aus.Palandt-Weidenkaff § 545 Rn. 10.
§ 545 ist keine zwingende Vorschrift und kann deshalb – auch durch AGB – im Mietvertrag ausgeschlossen werden.BGH NJW 1991, 1750, 1751 unter Ziff. II 1a zu § 568 a.F.; Palandt-Weidenkaff § 545 Rn. 4. Eine unangemessene Benachteiligung des Mieters i.S.d. § 307 Abs. 1 entsteht dadurch nicht, da § 545 weder einem wesentlichen Grundgedanken des Mietrechts entspricht (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 1) noch der Ausschluss dieser Vorschrift zu einer unangemessenen Beschränkung von Mieterrechten führen kann (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 2).
d) Eintritt einer auflösenden Bedingung
88
Vereinbaren die Parteien im Mietvertrag eine auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2), knüpfen sie das Ende des Mietvertrages nicht wie bei der Befristung an den Eintritt eines bestimmten Termins, sondern an den ungewissen Eintritt eines bestimmten Ereignisses.
Beispiel
V hat dem M Büroräume vermietet, die der M nach den mit V getroffenen Vereinbarungen auch untervermieten darf. Eine Teilfläche will der M nun an den U untervermieten. Er vereinbart mit diesem unter anderem, dass der Untermietvertrag „in jedem Fall dann beendet ist, wenn der zwischen V und M geschlossene Hauptmietvertrag endet“.
Da der Eintritt der auflösenden Bedingung ungewiss ist, ist das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann vor Bedingungseintritt nach den allgemeinen Regeln durch Kündigung vorzeitig beendet werden.Palandt-Weidenkaff § 572 Rn. 5. Das Mietverhältnis endet jedoch spätestens mit Bedingungseintritt, § 158 Abs. 2.
89
Bei WohnraummietverhältnissenAnders als § 575 wird § 572 von § 549 Abs. 2, 3 für die dort genannten Wohnraummietverhältnisse nicht ausgenommen! droht durch eine solche Regelung eine Umgehung des besonderen Kündigungsschutzes des Mieters (§§ 573 ff). Daher ordnet § 572 Abs. 2 an, dass sich der Vermieter „nicht auf eine Vereinbarung berufen kann, nach der das Mietverhältnis zum Nachteil des Mieters auflösend bedingt ist.“
Die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung ist auch in Wohnraummietverhältnissen wirksam, da § 572 Abs. 2 gerade keine Nichtigkeitsfolge ausspricht. Der Mietvertrag wird durch den Eintritt der auflösenden Bedingung also wirksam beendet.A.A. Palandt-Weidenkaff § 572 Rn. 6: Mietverhältnis läuft auf unbestimmte Zeit, was sich dem Wortlaut der Vorschrift aber nicht entnehmen lässt. Jedoch kann sich der Vermieter (wohl aber der Mieter) auf den Bedingungseintritt und damit auf die Auflösung des Vertrages nicht berufen, wenn der Bedingungseintritt – wie in der Regel – auch im Interesse des Vermieters und damit zum Nachteil des Mieters ist. Damit hat es allein der Mieter in der Hand, die Beendigung des Vertrages geltend zu machen. Macht der Mieter davon keinen Gebrauch, sondern setzt er den Gebrauch der Sache fort, gelten die Rechtsfolgen des § 545: Nach Ablauf der zweiwöchigen Frist verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit.So im Ergebnis auch MüKo-Häublein § 572 Rn. 5. Der Vermieter kann dem fortgesetzten Gebrauch wegen § 572 Abs. 2 nicht widersprechen.
In den seltenen Fällen, in denen die vereinbarte Bedingung allein im Interesse des Mieters liegt, können sich beide Parteien auf den Bedingungseintritt berufen. Der drohenden Wirkung des § 545 bei fortgesetztem Gebrauch können dann ebenfalls beide Parteien widersprechen.
Beispiel
V vermietet dem Schauspieler M eine Wohnung, der gerade beim örtlichen Theater eine feste Anstellung als Ensemblemitglied angenommen hat. Da M bei einem Wechsel zu einem anderen Theater unverzüglich wieder aus dem Mietverhältnis entlassen sein will, hat er mit V vereinbart, dass der Mietvertrag endet, wenn M nicht mehr angestelltes Ensemblemitglied beim örtlichen Theater ist.
e) Kündigung/Rücktritt/Widerruf
aa) Kündigung
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Das Mietverhältnis kann ferner durch Kündigung beendet werden. Die Beendigung des Mietverhältnisses durch Kündigung ist aus Gründen der Übersichtlichkeit Gegenstand eines gesonderten Kapitels (ab Rn. 345 ff.). Hier sollen jedoch schon einmal zur „Einstimmung“ die Grundlinien aufgezeigt werden. Bei der Beendigung eines Mietverhältnisses durch Kündigung ist zu unterscheiden, ob es sich um einen wirksam befristeten Mietvertrag handelt oder ob das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit läuft.
(1) Kündigung eines wirksam befristeten Mietvertrages
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Wie wir oben unter Rn. 75 bereits gesehen haben, führt eine wirksame Befristung dazu, dass das ordentliche Kündigungsrecht der Parteien ausgeschlossen ist. Jedoch bleibt es den Parteien nach § 542 Abs. 2 Nr. 1 unbenommen, das Mietverhältnis in den gesetzlich zugelassenen Fällen außerordentlich zu kündigen, etwa aus wichtigem Grund nach § 543.
(2) Kündigung eines Mietverhältnisses mit unbestimmter Laufzeit
92
Das Mietverhältnis mit unbestimmter Laufzeit kann von den Parteien nicht nur außerordentlich, sondern auch ordentlich gekündigt werden, § 542 Abs. 1.
93
In Wohnraummietverhältnissen gelten für die ordentliche Kündigung besondere Schutzvorschriften zugunsten des Mieters: Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, § 573. Außerdem steht dem Mieter in besonderen Härtefällen ein Widerspruchsrecht zu, §§ 574 ff. Schließlich verlängert sich die Kündigungsfrist je nach Vertragsdauer einseitig zum Nachteil des Vermieters, § 573c.
94
Für alle anderen Mietverhältnisse gelten keine besonderen Einschränkungen. Die Kündigungsfrist bestimmt sich nach § 580a.
(3) Verlängerung durch Fortsetzung des Gebrauchs (§ 545)
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Wird das Mietverhältnis durch Kündigung beendet, ist wie bei den sonstigen, oben genannten Beendigungsgründen an eine Verlängerung durch fortgesetzten Gebrauch des Mieters nach § 545 zu denken. Der Widerspruch des Vermieters gegen die Verlängerung des Mietverhältnisses kann bereits in der Kündigung erklärt werden.BGH Urteil vom 12.7.2006 (Az.: XII ZR 178/03) unter Tz. 25 = NJW-RR 2006, 1385 f.
bb) Rücktritt
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Im Fall eines wirksamen Rücktritts enden die Primärleistungspflichten, die durch Rückgewährpflichten nach §§ 346 ff. ersetzt werden.Vgl. zu den Rückgewährpflichten im Einzelnen die Darstellung im Skript „Schuldrecht AT II“ unter Rn. 258 ff. Wie die Kündigung beendet also auch der Rücktritt die Primärleistungspflichten für die Zukunft. Anders als die Kündigung lässt der Rücktritt den früheren, bis zum Rücktritt vollzogenen Leistungsaustausch (Gebrauchsgewährung gegen Mietzahlung) aber nicht unberührt, sondern führt Rückgewährpflichten gem. §§ 346 ff. herbei. Das Bestehen des Rücktrittsrechts hängt davon ab, ob ein vertragliches oder ein gesetzliches Rücktrittsrecht vorliegt.
(1) Vertraglich vorbehaltenes Rücktrittsrecht
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Expertentipp
Überlegen Sie noch einmal, warum es in § 572 Abs. 1 heißt, der Vermieter könne sich auf sein Rücktrittsrecht „nicht berufen“.
Die Parteien können im Mietvertrag vereinbaren, dass einer Partei oder beiden Parteien unter bestimmten Voraussetzungen vor oder nach Überlassung des Mietobjekts ein Rücktrittsrecht zusteht.
In Wohnraummietverhältnissen könnte der Vermieter jedoch den besonderen Kündigungsschutz nach den §§ 573 ff. umgehen, indem er mit dem Mieter ein freies, nicht an die strengen Voraussetzungen des § 573 gebundenes Rücktrittsrecht vereinbart. Der Vermieter könnte sich dadurch jederzeit vom Vertrag lösen, ohne zur Kündigung berechtigt zu sein. Deshalb ordnet § 572 Abs. 1 an, dass sich der Vermieter nicht auf eine Vereinbarung berufen kann, kraft derer er berechtigt sein soll, nach Überlassung des Wohnraums an den Mieter vom Vertrag zurückzutreten.
(2) Gesetzliches Rücktrittsrecht
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Vor Überlassung des Mietobjekts stehen den Parteien die gesetzlichen Rücktrittsrechte wegen Pflichtverletzung (§§ 323, 324, 326 Abs. 5) oder wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 3) offen. Sie konkurrieren dann mit dem außerordentlichen Kündigungsrecht wegen Pflichtverletzung aus § 543 (ggf. i.V.m. § 569).MüKo-Ernst § 323 Rn. 38.
Beispiel
V vermietet M Gewerberäume auf unbestimmte Zeit, die am 1.3 übergeben werden sollen. Kommt es am 1.3. nicht zur Übergabe, ließe sich die seit dem 1.3. verstrichene Zeit nicht mehr nachholen. In diesem Fall tritt durch die Verzögerung automatisch auch Unmöglichkeit der Vermieterleistung für die verstrichene Zeit ein. Daraus ergibt sich für den Mieter bei Wegfall seines Interesses ein Rücktrittsrecht aus § 326 Abs. 5 (i.V.m. § 323 Abs. 5, 6).BGH NJW 1992, 3226, 3227 f. unter Ziff. 2c; MüKo-Ernst § 323 Rn. 38.
Nach Überlassung der Mietsache werden die gesetzlichen Rücktrittsrechte durch das Kündigungsrecht nach § 543 (ggf. i.V.m. § 569) vollständig verdrängt.BGH in BGHZ 50, 312, 315 unter Ziff. II 2 = NJW 1969, 37.
Beispiel
Während der Wintermonate fällt in der von V an den M vermieteten Wohnung die Heizung aus. Trotz Fristsetzung des M kommt V seiner Reparaturpflicht gem. § 535 Abs. 1 S. 2 nicht nach. M kann hier zwar nicht nach § 323 zurücktreten, aber nach § 543 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 fristlos kündigen.
cc) Widerruf (§ 355)
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Ein Verbraucherwiderruf kommt bei Mietverträgen nur selten in Betracht. Zu denken wäre an den Fall, dass der Vermieter als (gewerblich handelnder) Unternehmer i.S.d. § 14 dem Mieter als Verbraucher i.S.d. § 13 Wohnraum vermietet hat und nun – zum Beispiel wegen Auslaufens des Mietvertrages – den Mieter unaufgefordert in dessen Wohnung aufsucht, um einen neuen Vertrag zu schließen (vgl. §§ 312b Abs. 1 Nr. 1, 312g Abs. 1).Vgl. OLG Braunschweig NJW-RR 2000, 63 ff.
3. Durchsetzbarkeit
100
Jeder Anspruch ist durchsetzbar, wenn er fällig ist und keine Einreden entgegenstehen.
Hinweis
Hat der Schuldner nach dem Ihnen vorliegenden Sachverhalt eine einschlägige Einrede noch nicht erhoben, prüfen Sie den Einredetatbestand trotzdem durch und weisen ggf. darauf hin, dass die Einrede noch geltend gemacht werden könnte.Petersen JURA 2008, 422 unter Ziff. I. Dies kann nämlich auch noch im späteren Prozess geschehen.
a) Fälligkeit
101
Die Fälligkeit richtet sich in der Regel nach den Parteivereinbarungen, da die Parteien den Beginn des Mietverhältnisses zum Gegenstand ihrer Vereinbarung machen. Im Zweifel ist von einem sofortigen Beginn des Mietverhältnisses und damit nach § 271 Abs. 1 von einer sofortigen Fälligkeit auszugehen.
b) Einreden
aa) Verjährung
102
Die Einrede der Verjährung spielt in Bezug auf den Primäranspruch des Mieters keine nennenswerte Rolle. Dies liegt daran, dass der Anspruch als in die Zukunft gerichtete Dauerverpflichtung ständig neu entsteht und deswegen nach h.M. während des Mietverhältnisses unverjährbar ist.BGH Urteil vom 17.2.2010 (Az.: VIII ZR 104/09) unter Tz. 16 f. = NJW 2010, 1292 m.w.N. Für die Fristenregelung gem. §§ 195, 199 fehlt es am maßgeblichen „Stichtag“, an den angeknüpft werden könnte – oder, anders ausgedrückt: Die Verjährungsfrist würde permanent neu beginnen und dadurch niemals enden.
bb) Zurückbehaltungsrechte aus §§ 273, 320
103
Klausurrelevant ist im Mietrecht die Einrede des Zurückbehaltungsrechts aus §§ 273, 320. Macht der Vermieter etwa wegen Verzugs des Mieters mit seinen Mietzahlungen von seinem Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 Gebrauch und stellt vertragliche geschuldete Nebenleistungen ein, stellt sich die Frage, ob damit nicht bereits die Grenzen zur Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht überschritten sind und dem Mieter deshalb sog. „possessorische“ Schutzansprüche aus §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 zustehen. Deren Vorzug besteht darin, dass die Leistungsverweigerungsrechte des Vermieters aus dem Mietvertrag eine verbotene Eigenmacht i.S.d. § 858 Abs. 1 tatbestandlich nicht „heilen“ können und deshalb bei diesen Ansprüchen gem. § 863 auch nicht berücksichtigt werden.Näher zum „possessorischen Besitzschutz“ siehe im Skript „Sachenrecht I“ unter Rn. 311 ff. Die berechtigte Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Mieter könnte daher durch die konkurrierenden Ansprüche aus §§ 862 Abs. 1, 858 unterlaufen werden und bliebe im Ergebnis ohne Bedeutung. Dieses Problem stellt sich regelmäßig bei der Überlassung von Räumen als Wohnung oder zu gewerblichen bzw. freiberuflichen Zwecken, wenn der Vermieter die Versorgung der Räume mit Wärme (Heizung), Strom etc. wegen Zahlungsverzuges des Mieters einstellt.
Beispiel
V vermietet dem M Büroräume zum Betrieb einer Arztpraxis, für die der M eine monatliche Miete einschließlich Nebenkostenvorauszahlungen zu entrichten hat. M gerät mit den letzten drei Mieten in Verzug. Daraufhin droht der V dem M an, während des Verzuges die von ihm nach dem Vertrag geschuldete Versorgung der Räume mit Strom, Wärme und Wasser durch Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts (§ 320) einzustellen (sog. „Versorgungssperre“) und setzt dem M eine Frist von 2 Wochen zum Ausgleich des Zahlungsrückstandes und zur Vermeidung der Sperre. M sagt, die Androhung sei ihm egal und verlangt von V nach §§ 862 Abs. 1, 858 auch über das Fristende hinaus die weitere vollständige Versorgung seiner Räume, da er durch die Vorenthaltung von Strom, Wärme und Wasser in seinem Besitzrecht gestört werde. V stellt nach Fristablauf die Zufuhr von Strom, Wärme und Wasser ab.
104
In einer solchen Situation ist streng zwischen dem Anspruch des Mieters aus dem Mietvertrag und ergänzenden possessorischen Ansprüchen zu unterscheiden.
105
Die Pflicht des Vermieters aus dem Mietvertrag gem. § 535 Abs. 1 umfasst alle Leistungen, die erforderlich sind, um dem Mieter den Gebrauch am Mietobjekt zu gewähren und dabei den vertraglichen geschuldeten Zustand aufrechtzuerhalten (siehe bereits oben unter Rn. 30 ff.). Aus dem Mietvertrag ist der Vermieter daher bei der Überlassung von Räumen zu Wohnzwecken oder zur Ausübung eines freien Berufes bzw. Gewerbes unter anderem verpflichtet, die Versorgung des Mieters mit Wasser, Strom und Wärme sicherzustellen.
Hinweis
Allerdings kann auch vereinbart werden, dass der Mieter derartige Versorgungsdienstleistungen direkt vom Versorgungsunternehmen bezieht und dazu eigene Verträge mit dem jeweiligen Unternehmen schließen muss.BGH in BGHZ 115, 99 ff. unter Ziff. II 1 = NJW 1991, 2645 f.
Gerät der Mieter mit der Zahlung der Miete in Verzug, steht dem Vermieter grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320 als „Druckmittel“ zur Verfügung.Siehe zu den Zurückbehaltungsrechten im Skript „Schuldrecht AT I“ unter Rn. 473 ff. Er kann deshalb gegen den Primäranspruch gem. § 535 Abs. 1 ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht geltend machen und damit zum Beispiel seine Versorgungsleistungen, die mit der Miete ja auch bezahlt werden, vorübergehend einstellen. Dem steht nicht entgegen, dass das Aussetzen der Versorgung in Bezug auf den Zeitraum der „Sperre“ zu einer Unmöglichkeit der Vermieterleistung führt. Andernfalls würde dem Gläubiger in Dauerschuldverhältnissen die Einrede aus § 320 stets versagt, was sich weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn des Zurückbehaltungsrechts als „Druckmittel“ vereinbaren lässt.KG NJW-RR 2004, 1665 f. unter Ziff. II 2b m.w.N. = NZM 2005, 65 f.
Expertentipp
Hier müssen Sie zunächst sorgfältig prüfen, ob der Mieter überhaupt in Verzug geraten ist. Möglicherweise schuldet er wegen Mängeln nach § 536 Abs. 1 nur eine verminderte Miete. Außerdem mag es sein, dass dem Mieter seinerseits Zurückbehaltungsrechte zur Seite stehen, die einen Verzug mangels Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruches ausschließen.
Allerdings steht die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts auch unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben, § 320 Abs. 2. Wann die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts in Form einer sog. „Versorgungssperre“ treuwidrig ist, wird sehr unterschiedlich beurteilt.
Einigkeit besteht zunächst darin, dass der Vermieter den Mieter die Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts durch Einstellen bestimmter Versorgungsleistungen angemessen im Voraus androhen und Gelegenheit zur Abwendung dieser Sanktion durch Ausgleich des Zahlungsrückstandes geben muss.BGH Urteil vom 6.5.2009 (Az.: XII ZR 137/07) unter Tz. 18 = NJW 2009, 1947, 1948; KG NJW-RR 2004, 1665 f. unter Ziff. II 2c a.E. = NZM 2005, 65 f; Herrlein NZW 2006, 527, 529 unter Ziff. III 1 a.E. Andernfalls droht eine Überrumpelung des Mieters, der mit dieser Sanktion nicht unbedingt rechnen muss.
Einigkeit besteht außerdem darin, dass die Ausübung von Zurückbehaltungsrechten des Vermieters unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Einzelfall gegen die Interessen des Mieters und die Auswirkungen auf sonst betroffene Personen abgewogen werden muss.
Dabei kommt dem Ausmaß der Pflichtverletzung des Mieters erhebliche Bedeutung zu. Zu fragen ist also, ab welchem Zahlungsrückstand eine Einstellung der Versorgung des Mieters mit Nebenleistungen wie Strom, Wasser, Wärme, etc. in Betracht kommt. Aus Wertungsgründen erscheint es angemessen, auf eine Verzugslage abzustellen, die den Vermieter auch zur fristlosen Kündigung berechtigen würde.KG NJW-RR 2004, 1665 f. unter Ziff. II 2c a.E. = NZM 2005, 65 f; Herrlein NZW 2006, 527, 529 unter Ziff. III 1 m.w.N. Wenn das Gesetz dem Vermieter erlaubt, seine Leistungspflichten aus dem Mietverhältnis insgesamt fristlos zu beenden, muss es erst recht möglich sein, zu der weniger einschneidenden Maßnahme der vorübergehenden Sperre einzelner Leistungen zu greifen. Entscheidend sind also die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, wobei in Wohnraummietverhältnissen noch die Klarstellung in § 569 Abs. 3 Nr. 1 (bitte lesen!) zu berücksichtigen ist.
Sodann sind die Folgen der Versorgungssperre für den Mieter und andere Personen einerseits und die Zumutbarkeit einer weiteren Versorgung auf Kosten des Vermieters andererseits in den Blick zu nehmen.
Bei Mietverhältnissen über andere Sachen als Wohnraum wird der entscheidende Abwägungsgesichtspunkt darin gesehen, ob dem Vermieter durch die weitere Versorgung eine Ausweitung seines Schadens droht.BGH Urteil vom 6.5.2009 (Az.: XII ZR 137/07) unter Tz. 16, 17 m.w.N. = NJW 2009, 1947, 1948. Dies ist dann der Fall, wenn er die Versorgungsleistungen auf eigene Kosten erbringen muss und der Mieter auch die diesbezüglichen Nebenkostenvorauszahlungen nicht mehr erbracht hat.BGH a.a.O. Anders liegt es, wenn der Mieter die Nebenkostenvorschüsse weiter entrichtet und nur mit der Grundmiete in Verzug ist, oder wenn der Mieter die Entgelte für den Energiebezug direkt mit dem Versorgungsunternehmen abrechnet. In diesen Fällen darf der Vermieter die von ihm geschuldete „Durchleitung“ der Energie nicht unterbrechen.BGH a.a.O.
Im Beispiel hatte der M sowohl die Zahlung der Grundmiete als auch die Zahlung der Nebenkostenanteile eingestellt. V hatte dem M zuvor die Ausübung einer Versorgungssperre angedroht und ausreichend Gelegenheit zur Zahlung gegeben. Der Zahlungsrückstand hätte den V sowohl nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 lit. a als auch lit. b zur fristlosen Kündigung berechtigt, so dass V von seinem nach § 320 Abs. 1 eröffneten Zurückbehaltungsrecht durch Ausübung der Versorgungssperre auch ohne fristlose Kündigung Gebrauch machen konnte.
Bei Wohnraummietverhältnissen müssen an die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts schärfere Anforderungen gestellt werden.So die Andeutungen des BGH in seinem Urteil vom 6.5.2009 (Az.: XII ZR 137/07) unter Tz. 17, 18 = NJW 2009, 1947, 1948 – da der Fall ein Mietverhältnis über Geschäftsräume betraf, musste der BGH dies nicht endgültig entscheiden. Die Wohnung genießt als Lebensmittelpunkt des Mieters und Raum zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit einen besonderen Schutz, dem der Gesetzgeber durch besondere Schutzregelungen im Mietrecht Rechnung trägt.BVerfG in BVerfGE 89, 1, 6 unter Ziff. C I 2b = NJW 1993, 2035, 2036. Den besonderen Interessen des Mieters am Erhalt seines Nutzungsrechts an der Wohnung stehen andererseits die Interessen des Vermieters gegenüber. Im Falle des Zahlungsverzuges des Mieters gestattet der Gesetzgeber dem Vermieter zwar nach Maßgabe der §§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 1 die fristlose Kündigung. Auch nach fristloser Kündigung kann der säumige Wohnungsmieter aber sein Nutzungsrecht „retten“, indem er den Vermieter innerhalb der in § 569 Abs. 3 Nr. 2 gesetzten Fristen befriedigt oder sich eine öffentliche Stelle (z.B. Sozialamt) zur Befriedigung verpflichtet. Außerdem besteht noch die Möglichkeit eines Schutzes durch Räumungsfristen in der Zwangsvollstreckung nach Maßgabe der §§ 721, 765a, 794a ZPO. Dem in diesen Regeln zum Ausdruck gebrachten besonderen Schutz des Wohnraummieters muss auch bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch den Vermieter Rechnung getragen werden. Das Zurückbehaltungsrecht muss zunächst nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 dann entfallen, wenn der Rückstand unterhalb der nach §§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 1 maßgeblichen Grenze zurückgeführt wurde, sondern auch dann, wenn sich eine öffentliche Stelle zum Ausgleich des Rückstands verpflichtet. Dann ist dem Vermieter eine weitere Versorgung des Mieters ohne weiteres zumutbar. Selbst wenn eine solche Absicherung fehlt, kann eine Zumutbarkeit dann anzunehmen sein, wenn die Unterbrechung der Versorgung mit Energie erhebliche Gesundheitsgefährdungen des Mieters oder seiner Angehörigen zur Folge hätte.Auf diesen Aspekt verweist der BGH in seinem Urteil vom 6.5.2009 (Az.: XII ZR 137/07) unter Tz. 16 = NJW 2009, 1947, 1948; a.A. Herrlein NZW 2006, 527, 529 unter Ziff. III 3 m.w.N. (sehr lesenswert!), der für eine Berücksichtigung solcher Aspekte eine Gesetzesänderung für notwendig erachtet. Bei dem Interessenausgleich müssen die Interessen des Vermieters allerdings nicht vollständig zurückstehen. Auch im Wohnraummietrecht ist zu berücksichtigen, ob sich der Mieter vertragstreu verhält oder nicht.BVerfG in BVerfGE 89, 1, 6 unter Ziff. C I 2b = NJW 1993, 2035, 2036. Deshalb wird man ein Zurückbehaltungsrecht dann für zulässig halten müssen, wenn dem Vermieter im Hinblick auf den erreichten Zahlungsrückstand durch die weitere Versorgung des Mieters mit Energie ein nicht mehr zumutbarer wirtschaftlicher Schaden entsteht.
Expertentipp
Entscheidend ist hier – wie immer – die Erfassung des Problems und Ihre Argumentation anhand der einschlägigen Normen und den im Sachverhalt aufgezeigten Auswirkungen einer Versorgungssperre.
106
Im Gutachten ist in derartigen Fällen außerdem zu prüfen, ob der säumige Mieter aus §§ 862 Abs. 1 S. 1, 858 wegen Besitzstörung die weitere Versorgung fordern kann.Dafür z.B. OLG Celle NJW-RR 2005, 1383; OLG Köln NJW-RR 2005, 99. Auf bestehende Zurückbehaltungsrechte kann sich der Vermieter gegen diesen Anspruch nach § 863 nicht berufen. Entscheidend ist daher, ob in dem Unterbrechen der Zufuhr überhaupt eine Störung des unmittelbaren Besitzes des Mieters zu sehen ist.
Der Besitz ist von dem (sog. „petitorischen“) Recht auf Gewährung des Gebrauchs gem. § 535 Abs. 1 streng zu unterscheiden. Der Besitz selbst ist kein Recht, sondern bezeichnet gem. § 854 Abs. 1 die „tatsächliche Gewalt über die Sache“, also einen realen Zustand tatsächlicher Zugriffsmöglichkeit einer Person auf eine bestimmte Sache. Der Besitzschutz nach §§ 861, 862 dient dazu, eben diese reale Zugriffsmöglichkeit zu verteidigen. Daran ändert eine Unterbrechung der Versorgung der Räume durch Wasser, Wärme, Strom oder Gas nichts. Die Vorenthaltung der Zufuhr von Sachen oder Energie stellt deshalb nach überwiegender Ansicht keine abwehrfähige Besitzstörung dar.BGH Urteil vom 6.5.2009 (Az.: XII ZR 137/07) unter Tz. 24 ff. = NJW 2009, 1947, 1949 f.; KG NZM 2007, 923 f. und NJW-RR 2004, 1665 f. = NZM 2005, 65 f; Herrlein NZW 2006, 527, 529 f. unter Ziff. III 2 m.w.N. Die possessorischen Ansprüche aus §§ 861, 862 schützen nur den tatsächlichen Besitzstand. Eine besondere Qualität oder Verbesserung der benutzten Sache kann nur über die vertraglichen Ansprüche verlangt werden.
Im Beispiel ist ein Anspruch des M auf fortgesetzte Zufuhr der aufgrund der „Sperre“ vorenthaltenen Energie aus §§ 862 Abs. 1 S. 1, 858 ausgeschlossen. M kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch V im Ergebnis also nicht verhindern.