Inhaltsverzeichnis
- III. Primäranspruch des Vermieters gem. § 535 Abs. 2
- 1. Anspruchsentstehung
- a) Wirksamer Mietvertrag
- b) Änderungen in der Person des Anspruchsinhabers bzw. Schuldners
- aa) Gläubigerwechsel durch Abtretung der Mietforderung
- bb) Sonstige Fälle des Gläubigerwechsels
- cc) Sonstige Fälle des Schuldnerwechsels
- c) Sonstige Voraussetzungen/rechtshindernde Einwendungen
- aa) Aufschiebende Bedingung/Anfangstermin
- bb) Wegfall wegen anfänglicher Unmöglichkeit (§ 326 Abs. 1 S. 1)/anfängliche Minderung nach § 536
- 2. Rechtsvernichtende Einwendungen
- a) Erfüllung und Erfüllungssurrogate
- b) Nachträglicher Wegfall gem. § 326 Abs. 1 S. 1 und § 537 Abs. 2
- c) Nachträglich begründete Minderung (§ 536)
- d) Beendigung des Mietverhältnisses
- e) Auswirkungen der Crona-Krise auf den Mietanspruch
- aa) Lösungsvorschlag Nr. 1: Mietminderung nach § 536 Abs. 1
- bb) Lösungsvorschlag Nr. 2: Erlöschen des Mietanspruchs nach § 326 Abs. 1
- cc) Lösungsvorschlag Nr. 3: Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313
- 3. Durchsetzbarkeit
- a) Fälligkeit
- b) Einreden
III. Primäranspruch des Vermieters gem. § 535 Abs. 2
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Prüfungsschema
Wie prüft man: Primäranspruch des Vermieters gem. § 535 Abs. 2
| (Kennzeichnung nur der Probleme, die nicht bereits im Prüfungsschema zu § 535 Abs. 1 enthalten sind) |
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I. | Anspruchsentstehung |
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| 1. | Wirksamer Mietvertrag |
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| 2. | Änderungen in der Person des Anspruchsinhabers bzw. Schuldners |
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| a) | Abtretung |
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| b) |
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| c) | Vertragsübernahme |
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| d) | Schuldübernahme |
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| e) | Tod eines Vertragspartners |
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| 3. | Sonstige Voraussetzungen/rechtshindernde Einwendungen |
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| a) | Eintritt einer aufschiebenden Bedingung/Befristung |
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| b) | Wegfall wegen anfänglicher Unmöglichkeit nach § 326 Abs. 1 S. 1 |
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| Abgrenzung zur Minderung | Rn. 121 ff. |
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| c) | Minderung wegen anfänglichen Mangels, § 536 Abs. 1 |
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II. | Rechtsvernichtende Einwendung |
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| 1. | Erfüllung und Erfüllungssurrogate (z.B. §§ 362, 364, 389, 397) |
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| Tilgungswirkung bei Eintritt eines Grundstückserwerbers | Rn. 126 | |
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| Vertragliche Aufrechnungsverbote | Rn. 127 | |
| 2. | Nachträglicher Wegfall wegen Leistungsbefreiung nach § 326 Abs. 1 oder § 537 Abs. 2 |
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| Rechtsmissbräuchliche Berufung auf § 537 Abs. 2 | Rn. 128 | |
| 3. | Minderung wegen nachträglichen Mangels, § 536 Abs. 1 |
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| 4. | Eintritt einer auflösenden Bedingung/Befristung |
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| 5. | Kündigung, Rücktritt, Widerruf |
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III. | Durchsetzbarkeit |
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| 1. | Fälligkeit |
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| 2. | Einreden |
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| „Vorleistungspflicht des Mieters“ | Rn. 134 |
1. Anspruchsentstehung
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Die Hauptleistungspflicht des Mieters besteht in der Entrichtung der vereinbarten Miete, § 535 Abs. 2. Die Voraussetzungen für den Anspruch des Vermieters auf die Entrichtung der Miete entsprechen den Prüfungspunkten, die wir uns bereits im Rahmen des Primäranspruches des Mieters gem. § 535 Abs. 1 angesehen haben. Wir können uns daher insoweit kurz fassen und auf die Punkte konzentrieren, die erst hier eine Rolle spielen und dadurch zu einer Abweichung führen.
a) Wirksamer Mietvertrag
111
Die Entstehung des Anspruchs erfordert selbstverständlich einen wirksamen Mietvertrag. Dessen Zustandekommen und Wirksamkeit wird exakt nach den gleichen Schritten geprüft, die wir uns oben ab Rn. 4 ff. angesehen haben. Die Probleme stellen sich hier wie dort.
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Im Rahmen der Einigung legen die Parteien Art und Umfang der Miete fest. Als „Miete“ kommt nicht nur die Zahlung eines Geldbetrages, sondern auch eine andere geldwerte Leistung in Betracht.BGH Urteil vom 17.7.2002 (Az.: XII ZR 86/01) unter Ziff. 2b cc = NJW 2002, 3322, 3323.
Beispiel
V und M vereinbaren, sich wechselseitig bestimmte Grundstücke für eine bestimmte Zeit zur Nutzung zu überlassen (da kein Eigentum verschafft werden soll, kein Tausch, sondern Miete!).BGH NJW-RR 1994, 971.
Beispiel
V verpflichtet sich, dem M in einem Haus eine Wohnung zur Nutzung zu überlassen. M soll als „Hausmeister“ bestimmte Wartungsarbeiten in dem gesamten Haus übernehmen.
Beachten Sie, dass es für eine Vereinbarung über die Miete genügt, dass die Art und Höhe der Miete nach der Vereinbarung zumindest eindeutig bestimmbar ist.Skript „BGB AT I“ Rn. 259.
Beispiel
Für einen Mietvertrag würde es also ausreichen, dass nach der Vereinbarung „die für ein Mietobjekt vergleichbarer Art und Größe übliche Miete“ geschuldet ist.
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Zur Miete gehört – bei entsprechender Vereinbarung – auch die Zahlung von Betriebskosten. Der Gesetzgeber hat in § 556 klargestellt, dass die Übernahme von Betriebskosten durch den Mieter vereinbart werden kann. Da § 556 zum Unterkapitel „Vereinbarungen über die Miete“ gehört, sind Betriebskosten nach der Systematik des Gesetzes als Bestandteil der Miete anzusehen.BGH Urteil vom 6.4.2005 (Az.: XII ZR 225/03) unter Ziff. II 2 = NJW 2005, 1713 ff. Die vom Mieter zu erbringenden Leistungsentgelte („Grundmiete“ oder auch „Nettomiete“ sowie Nebenkosten) sind die Gegenleistung für die vom Vermieter gem. § 535 Abs. 1 geschuldete Gesamtleistung. Dementsprechend besteht auch die Gegenleistung des Mieters in einer einheitlichen Leistung, unabhängig davon, wie die Nebenkosten im Einzelnen gemäß der vertraglichen Vereinbarung zu bezahlen sind: als abzurechnende Vorauszahlungen oder Pauschalbeträge.BGH a.a.O.
b) Änderungen in der Person des Anspruchsinhabers bzw. Schuldners
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Wie beim gegenläufigen Primäranspruch des Mieters (siehe oben unter Rn. 36 ff.) können sich auch hier weitere Voraussetzungen ergeben, wenn der Anspruchsinhaber oder Schuldner erst später in diese Position eingetreten ist.
Tritt eine Person, für oder gegen die Sie den Anspruch prüfen, später umgekehrt aus dem Schuldverhältnis aus, werden die nachfolgenden Punkte als rechtsvernichtende Einwendungen unter „Anspruch erloschen“ untersucht.
aa) Gläubigerwechsel durch Abtretung der Mietforderung
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Anders als der Mieter (siehe oben im Hinweis unter Rn. 45) kann der Vermieter seinen Primäranspruch auf Entrichtung der Miete, ohne Verstoß gegen § 399 Var. 1 an Dritte abtreten.BGH Urteil vom 2.7.2003 (Az.: XII ZR 34/02) = NJW 2003, 2987. Der Mieter erleidet durch die Abtretung der Mietforderung keine besonderen Nachteile. Ihm verbleiben gem. § 404 sämtliche Gegenrechte auch gegenüber dem neuen Gläubiger.
bb) Sonstige Fälle des Gläubigerwechsels
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Als sonstige Fälle des Gläubigerwechsels kommen in Betracht: der Eintritt eines Grundstückserwerbers nach § 566 (ggf. i.V.m. § 578), die Vertragsübernahme durch einen neuen Vermieter (siehe dazu oben unter Rn. 44 f.) und der Tod des Vermieters (§ 1922).
cc) Sonstige Fälle des Schuldnerwechsels
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Auf der Schuldnerseite des Mieters kann sich eine Personenänderung durch Vertrags- oder (bloße) Schuldübernahme oder Tod des Mieters (vgl. § 1967 und §§ 563 ff.) ergeben.
c) Sonstige Voraussetzungen/rechtshindernde Einwendungen
aa) Aufschiebende Bedingung/Anfangstermin
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Die Pflicht zur Entrichtung der Miete entsteht erst in dem Moment, an dem die Parteien den Beginn des Mietverhältnisses vereinbart haben. Vorher entfaltet der Vertrag gem. §§ 158 Abs. 1, 163 noch keine Wirkung.
bb) Wegfall wegen anfänglicher Unmöglichkeit (§ 326 Abs. 1 S. 1)/anfängliche Minderung nach § 536
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Da die Pflicht zur Entrichtung der Miete in der Regel durch Zahlung einer bestimmten Geldsumme zu erfüllen ist, scheidet eine Leistungsbefreiung wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 aus. Eine Ausnahme ist nur in dem Sonderfall des § 300 Abs. 2 denkbar, wenn der Vermieter bei vereinbarter Barzahlung den als Miete angebotenen Geldbetrag nicht entgegennimmt und dadurch nach §§ 293, 294 in Annahmeverzug gerät. Dann beschränkt sich die Leistungspflicht des Mieters auf diesen Geldbetrag. Im Falle des nicht zu vertretenden (§ 300 Abs. 1!) Verlustes wird der Mieter nach § 275 Abs. 1 von seiner Zahlungspflicht frei.
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Ist nun aber umgekehrt dem Vermieter seine Primärleistung von Anfang an unmöglich, wird dieser nach § 275 Abs. 1 von seiner Leistungspflicht frei. Dadurch wird das Austauschverhältnis gestört: Der Mieter hat sich ja nur deshalb zur Zahlung der Miete verpflichtet, um seinerseits das Mietobjekt nach Maßgabe der getroffenen Vereinbarungen nutzen zu können. Deswegen muss der Wegfall der Primärleistungspflicht des Vermieters Auswirkungen auf die Pflicht zur Entrichtung der Miete haben.
Beispiel
V vermietet dem M eine Werbefläche auf einer Hauswand, die bereits an ein anderes Unternehmen vermietet und von diesem bereits belegt worden ist.
Beispiel
V vermietet dem M einen bestimmten Strandkorb, der jedoch in der Nacht zuvor bereits infolge Vandalismus vollständig zerstört worden war.
Beispiel
V vermietet dem M einen PKW. M kann den Wagen jedoch nicht nutzen, da ihm bereits bei Vertragsschluss die Fahrerlaubnis entzogen worden war und der V ihm deshalb den Wagen nicht aushändigen darf.
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Im Allgemeinen Schuldrecht wird der Konflikt zwischen Unmöglichkeit der Sachleistung und der Pflicht zur Vergütung eben dieser Leistung durch § 326 Abs. 1 S. 1 und 2 gelöst. Soweit die zu vergütende Leistung unmöglich ist, entfällt grundsätzlich auch die Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung. Allerdings lassen sich die Leistungsstörungen in den Beispielen auch als Fälle eines unbehebbaren Sachmangels i.S.d. § 536 Abs. 1 (Beispiel 3) bzw. als unbehebbarer Rechtsmangel (Beispiel 1) begreifen. In den Fällen einer mit einem unbehebbaren Mangel versehenen Leistung suspendiert § 326 Abs. 1 S. 2 den in Abs. 1 S. 1 vorgesehenen Automatismus, weil das Schicksal der Gegenleistung nach dem jeweiligen besonderen Gewährleistungsrecht bestimmt werden soll. Im Mietrecht befassen sich § 536 und §§ 536b ff. mit dem Wegfall bzw. der Minderung der Miete wegen Mängeln der Mietsache. Wie verhalten sich also § 326 und §§ 536ff. zueinander?
Hinweis
Ebenso wie § 326 Abs. 1 S. 1 sorgt § 536 für eine automatische Herabsetzung der Miete. Anders als im Kauf- oder Werkvertragsrecht ist die Minderung hier also kein Gestaltungsrecht.
Die Antwort auf das Verhältnis der §§ 536 ff. zu den allgemeinen Unmöglichkeitsregeln ist in § 536 selbst zu suchen. Soweit sein Anwendungsbereich reicht, verdrängt er die allgemeinen Regeln zur Preisgefahr in § 326. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:
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Die Minderung wegen Sachmangels setzt in § 536 Abs. 1 voraus, dass die Mietsache „zur Zeit der Überlassung“ oder später einen Fehler aufweist. Kommt es infolge eines Leistungshindernisses i.S.d. § 275 Abs. 1 nicht zur Überlassung, richtet sich das Schicksal der Vergütung nach § 326 Abs. 1.Palandt-Weidenkaff § 536 Rn. 7.
Im Beispiel 2 ist dem V die Überlassung des vermieteten Strandkorbes von Anfang an unmöglich. Bleibt eine Überlassung deshalb aus, entfällt die Pflicht zur Entrichtung der Miete von Anfang an nach § 326 Abs. 1 S. 1, sofern nicht der Ausnahmetatbestand des § 326 Abs. 2 S. 1 Var. 1 eingreift (M hat den Strandkorb selbst zerstört).
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Der Rechtsmangel wird in § 536 Abs. 3 in der Weise beschrieben, dass dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten „ganz oder teilweise entzogen“ wird. Allerdings geht die überwiegende Ansicht davon aus, dass zwischen Vorenthaltung und Entzug kein wesentlicher Unterschied liegt und erstreckt deshalb den Anwendungsbereich des § 536 Abs. 3 auch schon auf den Zeitpunkt vor Überlassung des Mietobjekts. Unterbleibt die Überlassung des Mietobjekts wegen eines anfänglichen Rechtsmangels, richtet sich das Schicksal der Miete daher von Anfang an nach § 536 Abs. 1, 3.Palandt-Weidenkaff § 536 Rn. 11; BGH NJW 1996, 714.
Im Beispiel 1 wird dem M die gemietete Werbefläche aufgrund einer „Doppelvermietung“ durch den ebenfalls berechtigten Zweitmieter vorenthalten. Aus diesem Grund ist der M für die Dauer der Vorenthaltung von der Entrichtung seiner Miete von Beginn an nach § 536 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 befreit.
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Liegt der Unmöglichkeitsgrund in der Person oder Sphäre des Mieters, liegt gar kein Mangel vor. Hier sieht das Mietrecht jedoch in § 537 Abs. 1 S. 1 eine besondere Regel vor, nach der ein Wegfall der Zahlungspflicht ausgeschlossen ist. Es findet lediglich eine Anrechnung ersparter Aufwendungen oder der Vorteile aus einer anderweitigen Verwertung des Vermieters statt, § 537 Abs. 1 S. 2.
Im Beispiel 3 bleibt der M deshalb zur Zahlung verpflichtet. Diese Zahlungspflicht reduziert sich, wenn es dem V gelingt, den PKW in demselben Zeitraum anderweitig zu vermieten.
2. Rechtsvernichtende Einwendungen
a) Erfüllung und Erfüllungssurrogate
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Die Leistungspflicht des Mieters erlischt durch Erfüllung oder Erfüllungssurrogate (Leistung an Erfüllung statt, Aufrechnung, Hinterlegung oder Erlass).Siehe dazu im Skript „Schuldrecht AT I“ Rn. 132 ff.
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Expertentipp
Lesen Sie hierzu bitte die §§ 406, 407 und die §§ 566c und 566d mit!
Steht die Mietforderung aus einem Mietvertrag über Grundstücke oder Räume nach § 566 (ggf. i.V.m. § 578) ab dem Zeitpunkt des Eigentumserwerbs dem GrundstückserwerberVgl. Rn. 37 ff. zu, muss der Mieter, wenn er vom Eigentumsübergang keine Kenntnis hat und deshalb gutgläubig an den bisherigen Vermieter leistet, vor Rechtsnachteilen geschützt werden. §§ 406, 407 sind hier nicht anwendbar, weil kein Fall der Abtretung vorliegt. Deshalb sehen die §§ 566c, 566d (ggf. i.V.m. § 578) ein den §§ 406, 407 nachgebildetes Schutzsystem zugunsten des gutgläubigen Mieters vor.
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Bei der Aufrechnung des Mieters ist außerdem noch folgendes zu beachten: Die Aufrechnung kann durch Vertrag ausgeschlossen sein. Geschieht das durch AGB, etwa im Rahmen eines Formularvertrages, muss die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 309 Nr. 3 standhalten. Unwirksam ist danach eine Klausel, durch die dem Vertragspartner des Verwenders auch verboten wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Enthält die Klausel diesen Vorbehalt nicht, ist das Verbot insgesamt unwirksam.
In Wohnraummietverträgen kann selbst ein wirksam vereinbartes Aufrechnungsverbot eine Aufrechnung des Mieters nicht ganz ausschließen. § 556b Abs. 2 gestattet dem Mieter zwingend (§ 556b Abs. 2 S. 2), mit bestimmten Forderungen gegen die Mietforderungen des Vermieters trotz des wirksamen Verbotes aufzurechnen, wenn er seine Absicht dem Vermieter mindestens einen Monat vor der Fälligkeit der Miete in Textform angezeigt hat.
b) Nachträglicher Wegfall gem. § 326 Abs. 1 S. 1 und § 537 Abs. 2
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Hinweis
Dem Wegfall des Mietzinsanspruches wegen nachträglicher Leistungsbefreiung nach § 326 Abs. 1 S. 1 kommt im Mietrecht keine nennenswerte Bedeutung zu. Liegt der Grund für die nachträgliche Leistungsbefreiung in der Person oder Sphäre des Mieters sorgt § 537 Abs. 1 für eine Aufrechterhaltung der Leistungspflicht des Mieters, die sich nur durch die Anrechnung etwaiger Vorteile nach § 537 Abs. 1 S. 2 reduziert.
Der Anspruch des Vermieters entfällt allerdings nach § 537 Abs. 2 vollständig, wenn der Vermieter infolge der Verhinderung des Mieters den Gebrauch der Sache einem Dritten überlässt und deshalb zu der aufgrund des Mietvertrages geschuldeten Gebrauchsüberlassung an seinen bisherigen Mieter außerstande ist. Etwas anderes gilt nur, wenn die Überlassung der Mietsache an einen Dritten durch einen groben Vertragsbruch des Mieters veranlasst wurde, insbesondere grundloser Auszug aus den Mieträumen und Einstellung der Zahlungen. Dann ist dem Mieter die Berufung auf § 537 Abs. 2 wegen Rechtsmissbrauchs verwehrt.
Beispiel
V vermietet dem M eine Wohnung. M zieht aus, ohne zu kündigen und ohne die Miete weiter zu bezahlen. V vermietet die Wohnung übergangsweise für die Hälfte des Mietzinses an den D. Er verlangt nun die Mietdifferenz von M.
Der Wortlaut des § 537 Abs. 2 ist erfüllt, so dass M eigentlich gar keine Miete mehr zahlen muss, solange die Wohnung an D überlassen ist. Möglicherweise wäre eine Berufung des M auf die Rechtsfolge des § 537 Abs. 2 aber als Rechtsmissbrauch anzusehen und die Anwendung dieser Norm deshalb nach § 242 ausgeschlossen.
Schließlich hat M eine grobe Vertragsverletzung begangen, indem er ohne Rücksicht auf den weiter bestehenden Mietvertrag endgültig ausgezogen ist und keine Miete mehr gezahlt hat. Im Ergebnis würde M aus einem Verhalten des V, das er selbst durch seinen eigenen Vertragsbruch erst veranlasst hat, Rechte herleiten.
Allerdings kann man nicht in allen Fällen, in denen der Mieter endgültig ausgezogen ist, obwohl das Mietverhältnis noch nicht beendet war, einen groben Vertragsbruch des Mieters annehmen, der den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens rechtfertigen würde. Im Einzelfall kann es schwierig zu beurteilen sein, ob eine zuvor ausgesprochene Kündigung tatsächlich zur Beendigung des Mietvertrages geführt hat. Ob der Mietvertrag beendet war oder nicht, steht unter Umständen erst nach gerichtlicher Klärung endgültig fest. Ist der Mieter in einem solchen Falle bei seinem Auszug aus nachvollziehbaren Gründen davon ausgegangen, das Mietverhältnis sei beendet, so kann man ihm keinen groben Vertragsbruch anlasten, auch wenn sich später herausstellt, dass er sich geirrt hat. Je weniger Anlass der Mieter hingegen zu der Annahme hatte, das Mietverhältnis sei beendet, umso eher handelt er rechtsmissbräuchlich, wenn er sich wegen der Weitervermietung auf mangelnde Erfüllungsbereitschaft des Vermieters beruft.Grundlegend BGHZ 122, 163, 167 f. unter Ziff. 3 = NJW 1993, 1645 ff.; bestätigt von BGH NJW 2000, 1105 f. unter Ziff. 6.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Mieter sich trotz groben Vertragsbruchs nur dann nicht auf § 537 Abs. 2 berufen darf, wenn sich der Vermieter redlich bemüht hat, durch die Weitervermietung aus der von dem Mieter vertragswidrig geschaffenen Situation im beiderseitigen Interesse das Beste zu machen.BGHZ 122, 163, 167 f. = NJW 1993, 1645 ff. Das ist z.B. nicht der Fall, wenn der Vermieter im Vertrauen darauf, dass der Mieter die Mietdifferenz zahlen müsse, die Mietsache ohne hinreichenden Grund unter dem erzielbaren Marktpreis weitervermietet hat.BGH a.a.O.
Die Annahme eines solchen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Mieters führt dazu, dass der Mieter trotz der Weitervermietung entgegen § 537 Abs. 2 zur Zahlung des Mietzinses verpflichtet bleibt und der Vermieter sich lediglich den Mietzins anrechnen lassen muss, den er aus der Weitervermietung erzielt hat (§ 537 Abs. 1 S. 2).
Im Beispiel hängt es also davon ab, ob M von einer Beendigung des Vertrages ausgehen durfte und ob V bei der Weitervermietung der Wohnung redlich handelte, etwa weil der Markt nur eine Vermietung zum halben Mietzins zuließ.
c) Nachträglich begründete Minderung (§ 536)
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Entsteht ein Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 erst nach Vertragsschluss, reduziert sich die Miete automatisch unter den Voraussetzungen der §§ 536 ff. Auf die Einzelheiten der Minderung werden wir noch gesondert unter Rn. 172 ff. eingehen.
d) Beendigung des Mietverhältnisses
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Expertentipp
Wiederholen Sie an dieser Stelle noch einmal die Punkte oben unter Rn. 75 ff.
Die Pflicht zur Entrichtung der Miete entfällt für die Zukunft ferner mit Beendigung des Mietverhältnisses. Die Beendigungsgründe haben wir oben unter Rn. 75 ff. bereits behandelt.
e) Auswirkungen der Crona-Krise auf den Mietanspruch
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Corona-Krise
Die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Anspruch des Vermieters auf Zahlung der Miete werden nicht einheitlich beurteilt. Das Problem stellt sich v.a. bei Mietverhältnissen über gewerblich genutzte Räume, wenn der Gewerbetreibende wegen des staatlich verordneten Lockdowns sein Geschäft vorübergehend mit entsprechendem Umsatzausfall schließen muss und die Mieträume infolgedessen nicht nutzen kann. Muss er dann trotzdem die volle Miete zahlen oder mindert sich die Miete, bzw. entfällt sie vollständig? Eine höchstrichterliche Rechtsprechung fehlt bisher.
Folgende Lösungsmöglichkeiten werden diskutiert:
- Minderung der Miete nach § 536 Abs. 1 wegen eines Sachmangels der Mietsache.
- Erlöschen des Mietanspruchs nach § 326 Abs. 1.
- Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313.
aa) Lösungsvorschlag Nr. 1: Mietminderung nach § 536 Abs. 1
132
Corona-Krise
bb) Lösungsvorschlag Nr. 2: Erlöschen des Mietanspruchs nach § 326 Abs. 1
133
Corona-Krise
cc) Lösungsvorschlag Nr. 3: Anspruch auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313
133
Störung der Geschäftsgrundlage
Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, kann gemäß § 313 Abs. 1 eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Der Deutsche Bundestag hat am 17.12.2020 ein Gesetz zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Miet- und Pachtrecht beschlossen. Danach können staatlich angeordnete Schließungen von Geschäften, Gastronomiebetrieben, Dienstleistungsbetrieben im Bereich der Körperpflege usw. zu einer Anpassung eines Mietvertrages oder Pachtvertrages wegen „Störung der Geschäftsgrundlage“ führen.
Der Gesetzgeber hat beschlossen, dem Art. 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch einen § 7 anzufügen, der folgenden Inhalt hat:
„Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen
(1)Sind vermietete Grundstücke oder Vermieter der Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insbesondere ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrages geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
(2)Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.“
Danach hat der Gesetzgeber jedenfalls die bis dahin problematische Frage, ob eine coronabedingte Unbenutzbarkeit oder eingeschränkte Benutzbarkeit der Mietsache zu dem vorgesehenen gewerblichen Zweck zu einer Störung der Geschäftsgrundlage führtGrundsätzlich verneinend LG Heidelberg vom 30.7 2020 Az: 5 O 66/20, dort Rn. 46 wegen Vorrangs der mietrechtlichen Mängelrechte, aber offen gelassen wegen Nichtvorliegens der weiteren Voraussetzungen im konkreten Fall (dort Rn. 55–60)., geklärt. Offen ist aber, ob im Einzelfall auch die weiteren Voraussetzungen des § 313 vorliegen.
§ 313 verlangt nämlich zusätzlich, dass eine Anpassung des Vertrags nur insoweit verlangt werden kann, als einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Dies wird nur unter engen Voraussetzungen bejaht, da der Mieter nach § 536 Abs. 1 grundsätzlich das Verwendungsrisiko trägt. Eine Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze wird im Allgemeinen dann bejaht, wenn die Nutzungsbeschränkung längerfristig andauert und eine Existenzgefährdung zur Folge hatBGH Urt. v. 16.2.2000 – XII ZR 279/97, NJW 2000, 1714; Daßbach/Bayrak, Corona-Krise und vertragliche Risikoverteilung, NJW 2020, 185.. Außerdem besteht eine vorrangige Obliegenheit des Mieters zur anderweitigen Umsatzgenerierung und zur Inanspruchnahme staatlicher HilfenLG Heidelberg, a.a.O..
3. Durchsetzbarkeit
a) Fälligkeit
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Die Fälligkeit der Miete wird entweder von den Parteien vertraglich festgelegt oder durch dispositive Normen bestimmt. Bei Mietverträgen über Wohnraum legt § 556b Abs. 1 die Fälligkeit auf den Beginn des dritten WerktagsBGH Urteil vom 21.4.2010 (Az.: VIII ZR 6/09) unter Tz. 16 = NJW 2010, 2208. der einzelnen Zeitabschnitte, nach denen die Miete bemessen ist. Die Miete ist danach also im Voraus zu entrichten. Bei der Berechnung der Frist von drei Werktagen wird der Samstag („Sonnabend“) nach h.M. nicht mitgezählt.BGH Urteil vom 13.7.2010 (Az.: VIII ZR 129/09) unter Tz. 37 ff. = NJW 2010, 2879 ff. Der Hintergrund besteht darin, dass die bezweckte dreitägige „Schonfrist“ dem Mieter nur dann zur Verfügung steht, wenn er in dieser Zeit die Zahlung der Miete auch bewirken kann. Dazu benötigt er typischerweise seine Bank, weil die Miete regelmäßig per Überweisung geleistet wird. Aus diesem Grund sollen Werktage nur Bankarbeitstage sein.BGH a.a.O. unter Tz. 45 ff.
Beispiel
Haben die Parteien eine monatliche Miete festgelegt, ist die Miete spätestens am dritten Werktag eines jeden Monats zu leisten.
Entsprechendes gilt nach § 579 Abs. 2 für Mietverhältnisse über andere Räume als Wohnräume.
136
Auf andere Mietverhältnisse ist die Fälligkeitsregel des § 579 Abs. 1 anzuwenden, der im Zweifel eine nachträgliche Fälligkeit bestimmt.
b) Einreden
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Neben der VerjährungsEinrede aus § 214 Abs. 1 i.V.m. §§ 195, 199 ist bei den Einredetatbeständen vor allem an die Zurückbehaltungsrechte des Mieters aus §§ 273, 320 zu denken.
138
Der Mieter kann bei behebbaren Mängel der Mietsache vom Vermieter gem. § 535 Abs. 1 S. 2 grundsätzlich die Instandhaltung verlangen. Kommt der Vermieter dem nicht nach, steht dem Mieter ungeachtet der Minderungswirkung des § 536 Abs. 1 zusätzlich die Einrede aus § 320 zur Seite.BGH in BGHZ 84, 42 ff. = NJW 1982, 2242 f.
Beispiel
V vermietet dem M eine Wohnung. Die Miete ist entsprechend § 556b Abs. 1 monatlich im Voraus zu entrichten. Nachdem der M für den Monat Januar die Miete am Monatsanfang gezahlt hat, fällt am 20. Januar die Heizung aus. Hat V die Heizung Ende Januar noch nicht repariert, kann M die Miete für den Monat Februar nach § 320 zurückbehalten.
Das Zurückbehaltungsrecht bezieht sich in diesen Fällen auf die durch § 536 Abs. 1 geminderte Restmiete.BGH Urteil vom 26.3.2003 (Az.: XII ZR 167/01) unter Ziff. 4 = NJW-RR 2003, 873. Allerdings ist § 320 Abs. 2 zu beachten, wonach die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts nicht gegen Treu und Glauben verstoßen darf. In der Praxis wird die Grenze beim Drei- bis Fünffachen des Minderungsbetrages oder der Reparaturkosten gesetzt.Vgl. Nachweise bei MüKo-Emmerich § 320 Rn. 10.
139
Das Zurückbehaltungsrecht entfällt, wenn der Mieter den Mietvertrag kündigt. Das Gleiche gilt, wenn ein Dritter nach § 566 in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis eintritt. Die Reparatur schuldet nun der Erwerber; erfüllt dieser seine Pflicht nicht, steht dem Mieter die Einrede aus § 320 nun gegenüber dem Erwerber zu.BGH Urteil vom 19.6.2006 (Az.: VIII ZR 284/05) unter Tz. 10 ff. = NZM 2006, 696 f.
140
Das Zurückbehaltungsrecht kann vertraglich ausgeschlossen werden. Geschieht dies durch AGB, scheitert die Wirksamkeit der Klausel bei Verwendung gegenüber einem Verbraucher an § 309 Nr. 2a. Bei Verwendung gegenüber einem Unternehmer ist der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts nach überwiegender Auffassung wirksam und scheitert nicht an §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 310 Abs. 1 S. 1. Allerdings kann sich der Unternehmer nicht auf die Klausel berufen, wenn die Gegenforderung unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif ist.Palandt-Grüneberg § 309 Rn. 16 m.w.N.
In Wohnraummietverhältnissen kann der Mieter trotz eines wirksam – also nicht durch AGB!Der Wohnraummieter schließt den Vertrag ja als Verbraucher, so dass § 309 Nr. 2a einem wirksamen Ausschluss durch AGB entgegensteht. – vereinbarten Ausschlusses dennoch das Zurückbehaltungsrecht nach § 556b Abs. 2 wegen bestimmter Gegenforderungen ausüben, wenn er dies dem Vermieter mindestens einen Monat vor Fälligkeit Miete in Textform angezeigt hat.