Baurecht Bayern

Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung

A. Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung

397

Prüfungsschema

Wie prüft man: Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung

A.

Entscheidungskompetenz des Gerichts

 

 

I.

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO

 

 

II.

Sachliche und örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nach §§ 45, 52 Nr. 1 VwGO i.V.m. Art. 1 Abs. 2 AGVwGO

 

B.

Zulässigkeit der Klage

 

 

I.

Statthaftigkeit

 

 

 

 

Nebenbestimmungen, vgl.

Rn. 402

 

II.

Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO

 

 

 

 

Bauherr ist nicht Grundstückseigentümer, vgl.

Rn. 403

 

III.

Erforderlichkeit der erfolglosen Durchführung eines Vorverfahrens nach § 68 VwGO

 

 

IV.

Klagefrist

 

 

V.

Partei- und Prozessfähigkeit nach §§ 61 f. VwGO

 

 

VI.

Rechtsschutzbedürfnis

 

 

VII.

Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen

 

C.

Begründetheit der Klage

 

 

I.

Passivlegitimation, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO

 

 

II.

Bestehen eines Anspruchs auf Erteilung einer Baugenehmigung

 

 

 

1.

Formelle Anspruchsvoraussetzungen

 

 

 

 

 

= Ordnungsgemäßer Bauantrag bei der Gemeinde eingereicht

 

 

 

2.

Materielle Anspruchsvoraussetzungen

 

 

 

 

a)

Genehmigungspflichtiges Vorhaben

 

 

 

 

 

aa)

Anwendungsbereich der BayBO

 

 

 

 

 

bb)

Anwendungsfall des Art. 55 BayBO

 

 

 

 

 

cc)

Keine Genehmigungsfreiheit bzw. -freistellung

 

 

 

 

b)

Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens

 

 

 

 

 

aa)

Festlegung des Prüfungsmaßstabs

 

 

 

 

 

bb)

Bauplanungsrechtliche Voraussetzungen

 

 

 

 

 

cc)

Bauordnungsrechtliche Voraussetzungen

 

 

 

 

 

dd)

Sonstige Voraussetzungen

 

Soweit der Bauherr die Erteilung einer Baugenehmigung beantragt hat und dieser Antrag von der Bauaufsichtsbehörde abgelehnt worden ist, kann dieser im Wege der Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) auf Erteilung der Baugenehmigung klagen. Denkbar ist daneben auch die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 3 VwGO), sofern die Bauaufsichtsbehörde über den Bauantrag nicht entschieden hat. Diese hat jedoch mittlerweile durch die Rechtsänderungen in der BayBO 2020 und der Einführung der Fiktivgenehmigung in Art. 68 Abs. 2 BayBO ihre Bedeutung verloren.

398

Die Klage hat Erfolg, wenn das angerufene Gericht entscheidungskompetent ist und die Klage zulässig und begründet ist.

I. Entscheidungskompetenz des Gerichts

399

Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO bei jeder öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art eröffnet. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt nach der modifizierten Subjektstheorie vor, weil es sich bei den streitentscheidenden Normen des BauGB und der BayBO ausschließlich um öffentliche Rechtsnormen i.S.d. Sonderrechtstheorie handelt. Zudem liegt mangels einer doppelten Verfassungsunmittelbarkeit eine Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art vor.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts ergibt sich nach §§ 45, 52 Nr. 1 VwGO i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1–6 AGVwGO.

II. Zulässigkeit der Klage

400

Die Klage ist zulässig, wenn alle Sachentscheidungsvoraussetzungen gegeben sind.

1. Statthaftigkeit

401

Im Hinblick auf den statthaften Rechtsbehelf ist das Klagebegehren des Klägers gemäß §§ 86, 88 VwGO maßgeblich. Mit der Erteilung einer Baugenehmigung begehrt dieser die Erteilung eines Verwaltungsaktes i.S.d. Art. 35 S. 1 BayVwVfG; einschlägig ist damit die Verpflichtungsklage (in Form der Versagungsgegenklage oder Untätigkeitsklage) nach § 42 Abs. 1 VwGO.

402

Nebenbestimmungen.

vgl. zum Ganzen Brenner Öffentliches Baurecht S. 229 Rn. 754 ff. Soweit dem Bauantrag des Bauherrn nicht die Ablehnung oder die Untätigkeit der Bauaufsichtsbehörde folgt, sondern die Erteilung einer Baugenehmigung mit ungewünschtem Inhalt oder zusätzlichen Bestimmungen, stellt sich das Problem der statthaften Klageart bei Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung und die Abgrenzung zwischen echter Nebenbestimmung, Genehmigungsinhaltsbestimmung sowie modifizierender Gewährung bzw. modifizierender Auflage.Bei der modifizierenden Auflage handelt es sich nur um einen Fall der modifizierenden Gewährung, der mittels einer Auflage ausgestaltet wird.

Dabei ist nur bei einer echten Nebenbestimmung i.S.d. Art. 36 BayVwVfG nach allgemeiner Meinung die Möglichkeit der isolierten Anfechtung der Nebenbestimmung (mittels der Anfechtungsklage) möglich. Dies gilt bei allen echten Nebenbestimmungen,

Argument hierfür ist der Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO („soweit“) und die Rechtsnatur der echten Nebenbestimmung, die zusätzlich zum Verwaltungsakt eine weitere eigenständige Belastung des Adressaten darstellt. soweit die Baugenehmigung als Verwaltungsakt objektiv teilbar ist und der Rest-Verwaltungsakt (also die Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmung) rechtmäßig weiterbestehen kann. Dabei handelt es sich aber um eine Frage der Begründetheit, so dass auf der Ebene der Zulässigkeit die Möglichkeit der Teilbarkeit und der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmung ausreichend ist. Auf der Ebene der Begründetheit prüfen Sie dann die Rechtmäßigkeit der Nebenbestimmung,Nach den Anforderungen des Art. 36 BayVwVfG (Abs. 1 bei gebundenen Entscheidungen wie der Baugenehmigung); Art. 68 Abs. 4 BayBO kann dabei niemals als Rechtsgrundlage für Nebenbestimmungen herangezogen werden, denn dieser setzt bereits erlassene Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung voraus. Maßgeblich ist damit nach Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG die Erforderlichkeit der Herstellung der Genehmigungsfähigkeit; Sie müssen in der Klausur also prüfen, ob ohne die Nebenbestimmung ein Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung bestünde. die Rechtsverletzung des Klägers durch diese bei deren Rechtswidrigkeit und die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmung.

Definition

Definition: echte Nebenbestimmung

Eine echte Nebenbestimmung liegt nur dann vor, wenn der Bauherr sein Bauvorhaben entsprechend seinem Bauantrag genehmigt erhält, die Baugenehmigung aber eine zusätzliche, weitere Regelung enthält.

Beispiel

B beantragt die Errichtung einer Industrieanlage in einem Gebäude mit zahlreichen Detailanforderungen. Die Baugenehmigungsbehörde erteilt B eine Baugenehmigung für die Errichtung der Industrieanlage mit allen Detailanforderungen, die B beantragt hatte; zusätzlich enthält die Baugenehmigung aber die Regelung, dass der B eine Kühlanlage für abfließendes Wasser errichten soll.

Hinsichtlich der Art sind dabei alle Nebenbestimmungen i.S.d. Art. 36 Abs. 1 und 2 BayVwVfG denkbar. Schwierig abzugrenzen sind oftmals die Nebenbestimmungen der Bedingung und der Auflage; maßgeblich ist insoweit der Wille der Behörde: Bei einer Bedingung soll die Baugenehmigung erst dann Wirkung entfalten, wenn die Bedingung eingetreten ist. Bei einer Auflage soll die Baugenehmigung dagegen sofort voll wirksam sein, die Anforderungen nach der Auflage können auch nachfolgend eigenständig durchgesetzt werden. Im Zweifel ist aufgrund der geringeren Belastung für den Bauherrn, weil er seine Baugenehmigung sofort verwenden kann, von einer Auflage auszugehen.

Soweit dagegen keine echte Nebenbestimmung, sondern lediglich eine Genehmigungsinhaltsbestimmung oder eine modifizierende Gewährung bzw. Auflage vorliegt, ist keine isolierte Anfechtung möglich; vielmehr ist eine Verpflichtungsklage auf Erlass einer Baugenehmigung mit dem ursprünglich gewünschten und beantragten Inhalt (ohne die „Belastung“ durch Genehmigungsinhaltsbestimmung oder modifizierende Gewährung bzw. Auflage) zu erheben.


Definition

Definition: Genehmigungsinhaltsbestimmung

Eine Genehmigungsinhaltsbestimmung liegt vor, wenn in der Baugenehmigung lediglich bereits kraft Gesetz bestehende Anforderungen aufgeführt werden.

Beispiel

A beantragt die Baugenehmigung für die Errichtung eines Hauses mit fünf Wohnungen. Er erhält die Baugenehmigung, unter Nr. 5 heißt es: „Die Wohnungen eines Geschosses müssen barrierefrei erreichbar sein!“; insoweit handelt es sich um eine bloße Genehmigungsinhaltsbestimmung, weil lediglich die bereits nach Art. 48 Abs. 1 S. 1 BayBO kraft Gesetzes bestehende Anforderung aufgeführt wird.
B beantragt die Errichtung eines viergeschossigen Hauses mit Aufzug. Er erhält die Baugenehmigung, nach deren Nr. 3 der Aufzug einen eigenen Fahrschacht haben muss; wiederum Genehmigungsinhaltsbestimmung, weil nur Ausführung der gesetzlichen Anforderung des Art. 37 Abs. 1 S. 1 BayBO.

Insoweit handelt es sich nicht um eine neben der Baugenehmigung stehende zusätzliche selbstständige Regelung, sondern lediglich um die Wiedergabe von gesetzlichen Anforderungen. Man bezeichnet die Genehmigungsinhaltsbestimmungen deshalb auch als integralen Bestandteil der Baugenehmigung.

Definition

Definition: modifizierenden Gewährung

Ein Fall der modifizierenden Gewährung liegt vor, wenn der Bauherr ein inhaltlich unterschiedliches Bauvorhaben genehmigt bekommt, als er mit seinem Bauantrag begehrt hat.

Beispiel

B beantragt die Errichtung eines dreigeschossigen Hauses mit Flachdach. Die Baugenehmigungsbehörde genehmigt ihm die Errichtung eines zweigeschossigen Hauses mit Satteldach; hier erhält der B etwas anderes; denn er hatte weder ein zweigeschossiges Haus beantragt noch wollte er ein Satteldach errichten.

Vereinfacht spricht man davon, dass dem Bauherrn im Vergleich zu seinem Bauantrag ein „aliud“ gewährt wird. Entscheidend ist insoweit der Inhalt des ursprünglichen Bauantrags; darin liegt der Unterschied zur echten Nebenbestimmung, bei welcher der Bauherr exakt sein beantragtes Vorhaben genehmigt erhält, aber neben diese Genehmigung noch eine zusätzliche Regelung tritt.

2. Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO

403

Im Rahmen der Verpflichtungsklage besteht eine Klagebefugnis i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO, wenn der Kläger durch die Ablehnung des Bauantrags in seinen Rechten verletzt ist. Das ist dann der Fall, wenn ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung zumindest möglich ist. Diese Möglichkeit ergibt sich aus Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBO.

Bauherr ist nicht Grundstückseigentümer. Klassisches Klausurproblem ist insoweit, dass die Klagebefugnis des Klägers mit dem Argument bestritten wird, dass dieser nicht dinglich am Grundstück berechtigt sei, auf dem das bauliche Vorhaben verwirklicht werden soll. Dies ist nach den obigen Ausführungen unerheblich,

vgl. die Ausführungen unter Rn. 335. weil die Bauherrneigenschaft nicht von einer dinglichen Berechtigung am betroffenen Grundstück abhängig ist. Auch ergeht die Baugenehmigung gem. Art. 68 Abs. 5 BayBO unbeschadet der privaten Rechte Dritter.

3. Erfordernis der erfolglosen Durchführung eines Vorverfahrens

404

Die Durchführung eines Vorverfahrens ist nach § 68 Abs. 2, 1 S. 2 Hs. 1 VwGO i.V.m. Art. 12 Abs. 2, 1 AGVwGO gesetzlich ausgeschlossen.

4. Klagefrist

405

Soweit der Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung abgelehnt wurde (Fall der Versagungsgegenklage), ist nach § 74 Abs. 2, 1 S. 2 VwGO die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Ablehnung zu erheben.

Soweit über den Bauantrag von der Baugenehmigungsbehörde nicht entschieden wurde, greift in den in Art. 68 Abs. 2 BayBO (Wohngebäude oder Nutzungsänderung zur Schaffung von Wohnraum) geregelten Fällen nach Ablauf der Frist in Art. 42a BayVwVfG die Fiktionsgenehmigung zugunsten des Bauherrn. Liegt kein Fall des Art. 68 Abs. 2 BayBO vor, so ist § 75 VwGO einschlägig. Bei den dort angesprochenen drei Monaten handelt es sich nicht um eine Klagefrist, sondern eine Mindest-Zuwarte-Frist; eine zuvor erhobene Klage ist unzulässig.


Hinweis

Bei der Mindest-Zuwarte-Frist des § 75 VwGO handelt es sich allerdings um eine echte Sachentscheidungsvoraussetzung, für deren Beurteilung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist (arg. e. Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG). Deshalb kann eine erhobene Klage also zunächst unzulässig sein, aufgrund des zeitlichen Verlaufs bis zur letzten mündlichen Verhandlung aber zulässig werden. In diesem Fall spricht man davon, dass die Klage in die Zulässigkeit hineinwächst.

5. Partei- und Prozessfähigkeit nach §§ 61 f. VwGO

406

Der Kläger als natürliche Person ist nach § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO parteifähig und nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. §§ 2, 104 ff. BGB prozessfähig.

Hinweis

Denkbar ist hier natürlich auch eine juristische Person oder eine Gesellschaft; dann müssten Sie auf § 61 Nr. 1 Alt. 2 bzw. Nr. 2 VwGO und § 62 Abs. 3 VwGO abstellen!

Soweit ein Landratsamt zur Erteilung der Baugenehmigung zuständig ist, ist der Freistaat Bayern als juristische Person des öffentlichen Rechts nach § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO parteifähig. Er ist selbst nicht prozessfähig und wird daher gemäß § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 3 Abs. 1 und 2 LABV durch die Baugenehmigungsbehörde als Ausgangsbehörde vertreten.

Soweit eine Gemeinde zur Erteilung der Baugenehmigung zuständig ist, ergibt sich deren Parteifähigkeit als juristische Person des öffentlichen Rechts ebenfalls aus § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO. Auch die Gemeinden sind selbst nicht prozessfähig und müssen daher im Prozess nach § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. Art. 38 Abs. 1 GO durch den ersten Bürgermeister vertreten werden.

6. Rechtsschutzbedürfnis

407

Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage fehlt dem Bauherren dann, wenn er die Erteilung einer Baugenehmigung nicht zuvor bei der Baugenehmigungsbehörde beantragt hat.

Hinweis

Insoweit handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz, dass bei einem Leistungsantrag zunächst ein Vorantrag bei der jeweiligen Behörde erforderlich ist. Dies ist nur logisch, denn andernfalls wüsste die Behörde schließlich gar nichts von dem klägerischen Begehren, weshalb ihr eine Nichterteilung auch nicht vorgeworfen werden könnte. Ausführungen dazu dürfen Sie in der Klausur aber nur in dem extrem seltenen Fall eines fehlenden Vorantrages machen!

7. Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen

408

Letztlich müssen die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sein; insbesondere muss die Klage formgemäß i.S.d. §§ 81, 82 VwGO erhoben werden.

III. Begründetheit der Klage

409

Die Klage ist begründet, wenn sie gegen den gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO richtigen Beklagten gerichtet ist und dem Kläger ein Anspruch auf Erlass der beantragten Baugenehmigung zusteht (§ 113 Abs. 5 VwGO).

1. Passivlegitimation, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO

410

Passivlegitimiert ist, soweit ein Landratsamt zuständige Baugenehmigungsbehörde ist, der Freistaat Bayern als Rechtsträger des Landratsamtes. Sofern dagegen eine Gemeinde Baugenehmigungsbehörde ist, ist diese als ihr eigener Rechtsträger zu verklagen.

vgl. dazu bereits die obigen Ausführungen unter Rn. 338.

2. Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung

411

Weiterhin muss dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung zustehen. Dies ist der Fall, wenn alle erforderlichen formellen und materiellen Voraussetzungen erfüllt sind.

Hinweis

Maßgeblich zur Beurteilung der Frage, ob alle formellen und materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung erfüllt sind, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.

vgl. W.-R. Schenke/R.P. Schenke in Kopp/Schenke Verwaltungsgerichtsordnung § 113 Rn. 217.

a) Formelle Anspruchsvoraussetzungen

412

In formeller Hinsicht muss der Kläger einen ordnungsgemäßen Bauantrag i.S.d. Art. 64 Abs. 1 BayBO samt unterschriebenen Bauvorlagen nach Art. 64 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 BayBO bei der Gemeinde eingereicht haben.

vgl. dazu bereits die obigen Ausführungen unter Rn. 334 ff. Weitere formelle Voraussetzungen sollten Sie insofern nur erwähnen, wenn sie offensichtlich nicht gewahrt sind, aber auf die Entscheidung keinen Einfluss haben (beispielsweise unterlassene Nachbarbeteiligungvgl. dazu die Ausführungen unter Rn. 340 ff.) oder aber von den Parteien entsprechender Vortrag im Sachverhalt vorhanden ist.

b) Materielle Anspruchsvoraussetzungen

413

Die materiellen Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt, wenn ein genehmigungspflichtiges und genehmigungsfähiges Vorhaben vorliegt. Insoweit prüfen Sie entsprechend den obigen Ausführungen.

vgl. dazu die Ausführungen unter Rn. 344 ff. Achten Sie dabei besonders auf die Beschränkung des Prüfungsmaßstabes im Rahmen des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO.

Hinweis

Hinweis für Referendare: Da es sich bei dem Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO um einen rechtlich gebundenen Anspruch handelt, ergeht grundsätzlich ein so genanntes Vornahmeurteil i.S.d. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO, weil bei einer gebundenen Entscheidung Spruchreife gegeben ist. Ein so genanntes Verbescheidungsurteil i.S.d. § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO ergeht dann, wenn ein Antrag auf Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB oder ein Antrag auf Abweichung nach Art. 63 BayBO gestellt wurde und insoweit keine Ermessensreduktion auf Null (Regelfall!) einschlägig ist. Achten Sie in beiden Fällen auf das Erfordernis der doppelten Entscheidung; soweit eine ablehnende Entscheidung der Behörde vorangegangen ist, müssen Sie diese im Tenor des Urteils aufheben.

3. Übungsfall Nr. 3

414

„Volle Windkraft voraus“

A, ein ehemaliger Landwirt, ist ein Freund alternativer Energien. Angesichts der täglichen Lektüre über künftige Versorgungsengpässe macht er sich folgende Überlegungen: Anfang des Jahres 2022 hat er von seinem Vater ein unbebautes Grundstück geerbt, das sich ca. 500 Meter außerhalb der nächsten Bebauung befindet. Das Grundstück befindet sich auf dem Gemeindegebiet der kreisangehörigen Gemeinde Frasdorf (Landkreis Rosenheim, Regierungsbezirk Oberbayern). Auf diesem Grundstück möchte A eine 25 Meter hohe Windkraftanlage errichten, deren erzeugten Strom er ins öffentliche Netz einspeisen will.

Von Seiten der Gemeinde erfährt A, dass das betreffende Grundstück im Flächennutzungsplan der Gemeinde Frasdorf (F) als „Allgemeine Grünfläche“ dargestellt ist. Ein Bebauungsplan besteht für das Grundstück nicht.

Aufgabe: Nachdem A am 3.3.2022 einen Bauantrag bei der Gemeinde Frasdorf eingereicht hat, wird dieser mit Bescheid des Landratsamtes Rosenheim vom 12.4.2022 abgelehnt. Die Gemeinde Frasdorf hatte diesbezüglich ihr Einvernehmen zum Bauvorhaben verweigert. Wie und unter welchen Voraussetzungen erlangt A Rechtsschutz gegen die Verweigerung der Erteilung einer Baugenehmigung?

Hinweis: Eine Verpflichtungserklärung, das Vorhaben nach Nutzungsaufgabe vollständig zurückzubauen, hat A abgegeben.

 

415

Lösung

Erfolgsaussichten einer verwaltungsgerichtlichen Klage

Eine verwaltungsgerichtliche Klage des A hätte Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet wäre und das Verwaltungsgericht entscheidungszuständig ist.

A. Entscheidungskompetenz des Gerichts

I. Eröffnung Verwaltungsrechtsweg, § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO

Zunächst müsste für das streitgegenständliche Verfahren der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Dies ist nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO der Fall, wenn eine öffentlich-rechtlich zu beurteilende Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art vorliegt. Dies beurteilt sich nach den maßgeblichen Normen des Rechtsstreits (Sonderrechtstheorie). Streit entscheidende Normen sind hier die Bestimmungen aus BauGB und BayBO (Sonderrechtstheorie), die dem öffentlichen Recht zugehörig sind. Diese Normen berechtigen und verpflichten einseitig einen Hoheitsträger. Die Streitigkeit ist darüber hinaus nicht-verfassungsrechtlicher Art, da keine Verfassungsorgane unmittelbar über die Auslegung von Verfassungsrecht streiten (doppelte Verfassungsunmittelbarkeit).

II. Zuständiges Gericht

Das zuständige Gericht bestimmt sich nach den §§ 45, 52 Nr. 1 VwGO. Mit der begehrten Erteilung einer Baugenehmigung liegt ein ortsgebundenes Rechtsverhältnis vor. Da der Fall im Landkreis Rosenheim im Regierungsbezirk Oberbayern angesiedelt ist, ist gemäß Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 AGVwGO das Bayerische Verwaltungsgericht München zur Entscheidung über die Streitsache aufgerufen.

B. Zulässigkeit der Klage

Weiter müsste die Klage des A zum Bayerischen Verwaltungsgericht München zulässig sein.

I. Statthaftigkeit

Die von A erhobene Klage müsste statthaft sein. Dies beurteilt sich nach dem jeweiligen Klägerbegehren, § 88 VwGO. Hier kommt die Erhebung einer Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO in Betracht. Sowohl die begehrte Baugenehmigung als auch deren Ablehnung (actus contrarius) im streitgegenständlichen Bescheid des Landratsamtes Rosenheim stellen einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 S. 1 BayVwVfG dar Die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage, § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO, ist damit die statthafte Klageart. Keine Klagemöglichkeit für A besteht hingegen in Bezug auf das von der Gemeinde verweigerte Einvernehmen nach § 36 BauGB. Das Einvernehmen stellt nämlich lediglich ein Verwaltungsinternum ohne rechtliche Außenwirkung dar. Ein Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 S. 1 BayVwVfG ist hierin nicht zu erblicken. Mithin kann es auch nicht im Wege der Verpflichtungsklage isoliert eingeklagt werden. A verbleibt insoweit nur die Möglichkeit der Verpflichtungsklage, gerichtet auf Erteilung der Baugenehmigung.

II. Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO

A müsste weiterhin klagebefugt sein, d.h. er müsste geltend machen können, durch die ablehnende Entscheidung des Landratsamtes Rosenheim möglicherweise in eigenen Rechten verletzt zu sein. Bei der Verpflichtungsklage genügt es für A insoweit nicht, geltend zu machen, dass er Adressat einer ihn belastenden behördlichen Maßnahme (Ablehnung der Baugenehmigung) ist, Art. 2 Abs. 1 GG. Es ist insoweit stets auf den möglichen Anspruch des A abzustellen. Hier hat A möglicherweise einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung aus Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBO. Die Möglichkeit des Bestehens eines solchen Anspruchs genügt für die Annahme einer Klagebefugnis aus § 42 Abs. 2 VwGO (Möglichkeitstheorie).

III. Vorverfahren, § 68 VwGO

Grundsätzlich bedarf es nach § 68 Abs. 2 VwGO vor Erhebung der Verpflichtungsklage einer erfolglosen Durchführung eines Vorverfahrens. Ein solches Vorverfahren entfällt hier jedoch nach § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO in Verbindung mit Art. 12 Abs. 2 AGVwGO, da die ablehnende Entscheidung einer staatlichen Behörde in Streit steht. Das Landratsamt Rosenheim hat die ablehnende Entscheidung gegenüber A als Bauaufsichtsbehörde nach Art. 53 Abs. 1 S. 1 BayBO getroffen. Insoweit entscheidet das Landratsamt in seiner Funktion als Kreisverwaltungsbehörde nach Art. 37 Abs. 1 S. 2 LKrO und folglich als Staatsbehörde. Bei einem staatlichen Verwaltungsakt, der nicht der Regelung des Art. 12 Abs. 1 AGVwGO (fakultatives Vorverfahren) unterliegt, ist ein Vorverfahren unstatthaft.

IV. Klagefrist, § 74 VwGO

Weiterhin muss A die Klagefrist aus § 74 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 VwGO wahren. Da vorliegend ein Vorverfahren ausgeschlossen ist, gilt über die Verweisung in § 74 Abs. 2 VwGO die Bestimmung des § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO. Die Klage ist demnach bei unterstellter ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Versagung der Baugenehmigung von Seiten des A zu erheben.

V. Zwischenergebnis

Unter der Voraussetzung, dass A die Klagefrist in § 74 Abs. 2, Abs. 1 S. 2 VwGO wahrt, ist eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, gerichtet auf Erteilung einer Baugenehmigung zulässig.

C. Beiladung, § 65 VwGO

Da die Gemeinde F ihr nach § 36 BauGB erforderlich werdendes Einvernehmen zur Erteilung der Baugenehmigung verweigert hat, ist die Gemeinde F im verwaltungsgerichtlichen Verfahren notwendig beizuladen, § 65 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die dem A eventuell zustehende Baugenehmigung kann nämlich nur einheitlich getroffen werden. Ergeht ein der Klage stattgebendes Urteil – Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der begehrten Baugenehmigung – ersetzt das Urteil das verweigerte Einvernehmen unmittelbar. Dies ist Folge der Rechtskrafterstreckung, § 121 VwGO als Folge der Beiladung in § 65 VwGO.

D. Begründetheit der Klage

Die Klage des A wäre begründet, wenn die Ablehnung der Baugenehmigung rechtswidrig erfolgt ist und der Kläger A dadurch in seinen Rechten verletzt ist, d.h. abweichend vom Wortlaut der Vorschrift in § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO ist die Klage begründet, wenn A ein Anspruch auf Baugenehmigung zusteht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Darüber hinaus muss die Klage gegen den richtigen Beklagten gerichtet sein.

I. Passivlegitimation, § 78 VwGO

Die Klage muss gegen den richtigen Beklagten gerichtet werden. Das Landratsamt Rosenheim wurde vorliegend nach Art. 53 Abs. 1 S. 1 BayBO als Kreisverwaltungsbehörde und folglich als Staatsbehörde tätig. Dem folgend ist daher der Freistaat Bayern als Rechtsträger der Behörde Landratsamt von A zu verklagen, § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.

II. Anspruch auf Baugenehmigung

Die Klage des A ist nur dann begründet, wenn ihm ein Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung zur Seite steht. Dann nämlich war die Versagung der Genehmigung im Bescheid des Landratsamtes Rosenheim vom 8.4.2015 rechtswidrig (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO) Ein Anspruch auf Baugenehmigung besteht dann, wenn das beabsichtigte bauliche Vorhaben genehmigungspflichtig und genehmigungsfähig ist und mit dem Landratsamt Rosenheim die richtige Behörde entschieden hat.

Hinweis

Da für den Erfolg der Klage letztlich nur entscheidend ist, ob A ein Anspruch auf Baugenehmigung zusteht, ist im Weiteren nicht die ablehnende Entscheidung des Landratsamtes Rosenheim auf deren Rechtmäßigkeit zu untersuchen. Ob A beispielsweise vor Erlass des ablehnenden Bescheides von Seiten der Behörde angehört wurde, ist unerheblich, solange er keinen Anspruch auf Baugenehmigung geltend machen kann.

1. Zuständige Genehmigungsbehörde

Zunächst muss das Landratsamt Rosenheim die zuständige Behörde zur Erteilung der Baugenehmigung sein. Dies ist hier sachlich wie örtlich der Fall. Für die sachliche Zuständigkeit gilt Art. 53 Abs. 1 S. 1 BayBO. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG, § 206 BauGB.

2. Genehmigungspflicht

Weiter müsste die von A beabsichtigte Windkraftanlage genehmigungspflichtig sein. Dies bestimmt sich maßgeblich nach den Bestimmungen in den Art. 55 ff. BayBO.

  • Zunächst müsste die BayBO überhaupt auf die Errichtung der Windkraftanlage Anwendung finden. Nach Art. 1 BayBO ist dies der Fall, zumal immissionsschutzrechtliche Bestimmungen bei der Bearbeitung außer Betracht zu lassen sind (siehe Bearbeitervermerk).
  • Weiter müsste eine bauliche Anlage im Sinne von Art. 2 Abs. 1 BayBO gegeben sein. Da die beabsichtigte Windkraftanlage ortsfest, dauerhaft und aus künstlichen Baustoffen errichtet wird, ist dies unproblematisch der Fall. Eine bauliche Anlage im Sinne der BayBO liegt vor.
  • Diese müsste weiterhin einer Genehmigungspflicht nach Art. 55 Abs. 1 BayBO unterliegen. Mit der erstmaligen Errichtung liegt ein die Baugenehmigungsplicht auslösender Vorgang vor.
  • Von dieser grundsätzlich bestehenden Genehmigungspflicht darf keine Ausnahme bestehen. Ein vorrangiges Genehmigungsverfahren nach Art. 56 BayBO ist nicht ersichtlich, zumal auch immissionsschutzrechtliche Bestimmungen nicht zur Anwendung gelangen. Ebenfalls ist keine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 BayBO gegeben. Art. 58 BayBO – Genehmigungsfreistellung – scheitert bereits daran, dass für das in Aussicht genommene Grundstück kein Bebauungsplan besteht (vgl. Art. 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayBO).
3. Genehmigungsfähigkeit

Daneben müsste das bauliche Vorhaben des A genehmigungsfähig sein. Dies ist der Fall, wenn es sämtliche formellen und materiellen Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt.

a) Formelle Genehmigungsvoraussetzungen

Die formellen Genehmigungsvoraussetzungen finden sich in den Art. 64 ff. BayBO.

Zunächst bedarf es eines Antrags nach Art. 64 Abs. 1 BayBO, der in Bayern bei der jeweiligen Belegenheitsgemeinde einzureichen ist, Art. 64 Abs. 1 S. 1 BayBO. Ein derartiger Antrag wurde von Seiten des A gestellt.

Zur erforderlich werdenden Nachbarbeteiligung nach Art. 66 BayBO lassen sich hier keine konkreten Aussagen treffen. Falls A es aber versäumt haben sollte, die an sein Grundstück angrenzenden bzw. von seiner Nutzung potentiell betroffenen Grundstückseigentümer am Verfahren zu beteiligen, kann ein derartiger Verfahrensmangel nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 durch Nachholung geheilt bzw. nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich sein. Nach Art. 66 Abs. 2 S. 2 BayBO findet nämlich nur Art. 28 BayVwVfG keine Anwendung. Die Art. 45, 46 BayVwVfG bleiben hingegen uneingeschränkt anwendbar. Eine eventuell fehlende Nachbarbeteiligung kann demnach den Anspruch des Eigentümers aus Art. 14 GG nicht beseitigen. Insofern bestimmt auch Art. 66 Abs. 1 S. 4 BayBO lapidar, dass dem Nachbarn, der nicht zugestimmt hat, eine Ausfertigung der Baugenehmigung zuzustellen ist.

b) Materielle Genehmigungsvoraussetzungen

Im Rahmen der materiellen Genehmigungsvoraussetzungen ist zunächst festzustellen, was Prüfmaßstab im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren ist. Hierbei ist zwischen Art. 59 oder Art. 60 BayBO zu differenzieren. Es ist daher zunächst zu prüfen ob ein der Regelung des Art. 60 BayBO unterfallender Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 BayBO gegeben ist. Da hier kein Gebäude im Sinne von Art. 2 Abs. 2 BayBO errichtet wird, ist Art. 2 Abs. 4 Nr. 2 BayBO maßgeblich. Bei einer Höhe der baulichen Anlage von 25 Meter liegt kein Sonderbau vor. Der Prüfungsmaßstab beurteilt sich demnach anhand von Art. 59 BayBO. Nach S. 1 prüft die Bauaufsichtsbehörde insoweit insbesondere die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach §§ 29 bis 38 BauGB (Art. 59 S. 1 Nr. 1 BayBO). Im Folgenden ist daher die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung der Windkraftanlage zu untersuchen.

Zunächst müsste es sich um die Errichtung einer baulichen Anlage im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB handeln. Der Begriff der baulichen Anlage in § 29 Abs. 1 BauGB ist dabei nicht mit der landesrechtlichen Bestimmung in Art. 2 Abs. 1 BayBO deckungsgleich. § 29 Abs. 1 BauGB schafft einen eigenständigen bundesrechtlichen Begriff der baulichen Anlage und verlangt hierfür insbesondere das Vorliegen einer bodenrechtlichen Relevanz. Diese liegt vor, wenn das Vorhaben die Belange in § 1 Abs. 6 BauGB in einer Weise berühren kann, dass ein Bedürfnis für eine regelnde Bauleitplanung hervorgerufen werden kann. Da das Vorhaben des A der Energieversorgung dient, wird in jedem Fall der in § 1 Abs. 6 Nr. 8e BauGB angesprochene Belang durch die Errichtung des Vorhabens berührt.

Danach ist zu bestimmen, in welchem baurechtlichen Bereich die bauliche Anlage des A vorgesehen ist. Das BauGB schafft hierzu drei Bereiche (Planbereich, Innenbereich, Außenbereich). Da weder ein Bebauungsplan vorliegt und sich der Standort für die Errichtung der Anlage fünfhundert Meter außerhalb der Bebauung befindet, liegt der Standort im Außenbereich. Die weitere planungsrechtliche Beurteilung hat demnach am Maßstab des § 35 BauGB zu erfolgen.

Fraglich ist, ob ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB gegeben ist. Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB scheidet aus, da A als ehemaliger Landwirt seine landwirtschaftliche Nutzung aufgegeben hat. Überdies wäre bei der Einspeisung des erzeugten Stroms in das öffentliche Verbundnetz fraglich, ob die Stromerzeugung landwirtschaftlichen Zwecken dient. Es liegt aber ein Privilegierungstatbestand nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB vor, da die Anlage der Nutzung der Windenergie dient. Sofern der Standort generell für die Erzeugung von Windenergie geeignet ist, dürfen auch an das Tatbestandsmerkmal des „Dienens“ keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Die Privilegierung wird auch nicht durch die landesrechtliche Regelung in Art. 82 Abs. 1 BayBO beseitigt, da der dort vorgesehene Mindestabstand der 10-fachen Höhe der Windkraftanlage (vgl. zur Berechnung der Höhe und zum erforderlichen Abstand Art. 82 Abs. 2 BayBO) (250m) zur nächstgelegenen Wohnbebauung hier deutlich überschritten ist (Entfernung von 500m).

Ungeachtet dessen, dass der Wortlaut von § 35 Abs. 3 BauGB von einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange spricht und damit den Terminus in § 35 Abs. 2 BauGB aufgreift, ist auch das Entgegenstehen öffentlicher Belange am Maßstab von § 35 Abs. 3 BauGB zu beurteilen. Allerdings ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägungsentscheidung zwischen den für das Vorhaben streitenden Aspekten und den im Außenbereich berührten Belangen das besondere Gewicht der gesetzgeberischen Entscheidung der Privilegierung in § 35 Abs. 1 BauGB zu berücksichtigen. Da der Gesetzgeber diese Vorhaben planartig auf einen Standort im Außenbereich verwiesen hat, setzen diese sich regelmäßig gegen berührte öffentliche Belange in § 35 Abs. 3 BauGB durch.

Hier könnte dem Vorhaben des A die Aussage im Flächennutzungsplan „Allgemeine Grünfläche“ entgegenstehen. Im Rahmen von § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB (Darstellungen des Flächennutzungsplans) ist zwischen privilegierten und sonstigen Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB zu differenzieren. Während ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB jede mit dem Vorhaben nicht zu vereinbarende Aussage/Darstellung im Flächennutzungsplan zu einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange führt, überwindet das privilegierte Vorhaben hingegen allgemeine Aussagen im Flächennutzungsplan, die lediglich ohne konkrete Nutzungsaussage darlegen, dass die Funktion des Außenbereichs in einer Produktionsstätte für die Land- bzw. Forstwirtschaft bzw. in einer Erholungslandschaft für die Allgemeinheit besteht. Einem privilegierten Vorhaben stehen nur dann öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB entgegen, wenn der Flächennutzungsplan eine konkrete, dem privilegierten Vorhaben zuwiderlaufende Nutzung vorsieht. Dies ist hier mit der Aussage einer „Allgemeinen Grünfläche“ offensichtlich nicht der Fall.

Dass von dem Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen, § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB, ist nicht ersichtlich. Auch ein Verstoß gegen die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 Alt. 2 BauGB) ist nicht offensichtlich. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Anlage im Außenbereich wesensfremd ist, ist im Rahmen der dann anzustellenden Abwägung zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung von § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB Anlagen der Windenergieerzeugung auf Standorte im Außenbereich verwiesen hat. Der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB setzt sich insoweit durch. Die erforderliche Verpflichtungserklärung nach § 35 Abs. 5 S. 2 BauGB liegt gleichfalls vor.

Auch sonstige Verstöße gegen das Pflichtprüfprogramm aus Art. 59 S. 1 BayBO sind nicht ersichtlich.

Fraglich ist, wie sich das fehlende Einvernehmen der Gemeinde nach § 36 BauGB auswirkt. Das die Planungshoheit der Gemeinde sichernde Einvernehmen war hier nach § 36 Abs. 1 BauGB erforderlich, da ein Außenbereichsvorhaben nach § 35 BauGB zur Genehmigung ansteht. Die Verweigerung des Einvernehmens war allerdings rechtswidrig, da die Gemeinde ausweislich von § 36 Abs. 2 BauGB das Einvernehmen nur aus den planungsrechtlichen Gründen der §§ 31, 33, 34, 35 BauGB verweigern darf. Da das Bauvorhaben des A jedoch am vorgesehenen Außenbereichsstandort genehmigungsfähig ist, durfte die Gemeinde ihr Einvernehmen aus planungsrechtlichen Gründen nicht verweigern. Insoweit wäre eine Ersetzung des Einvernehmens durch die Bauaufsichtsbehörde nach § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB bzw. Art. 67 Abs. 1 BayBO in Betracht gekommen.

 

III. Ergebnis

Da das Vorhaben des A genehmigungspflichtig und genehmigungsfähig ist, ist seine Klage begründet. Die damit in rechtswidriger Weise erfolgte Ablehnung der Baugenehmigung verletzt den Kläger A in seinen Rechten aus Art. 14 GG, Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBO.

Hinweis

Mit der Beiladung der Gemeinde nach § 65 Abs. 2 VwGO erreicht das Gericht hier eine Rechtskrafterstreckung des der Klage des A stattgebenden Urteils auf die Gemeinde F, § 121 VwGO. Damit bedarf es im Urteil auch nicht der Verpflichtung zur Ersetzung des rechtswidrig verweigerten Einvernehmens der Gemeinde.

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