Inhaltsverzeichnis
g) Die Haftung
aa) Haftung der Gesellschaft
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Prüfungsschema
Wie prüft man: Voraussetzungen der Gesellschaftshaftung aus Verpflichtung i.V.m. § 105 Abs. 2 HGB
I. | Bestehen der oHG | |
II. | Bestehen einer wirksamen oHG-Verbindlichkeit | |
| 1. | Anspruch entstanden (insb. Stellvertretung; Zurechnung) |
| 2. | Kein Erlöschen |
| 3. | Durchsetzbarkeit |
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Gemäß § 105 Abs. 2 HGB kann die oHG als solche Trägerin eigener Rechte und Pflichten sein. Sie ist damit auch nach § 50 Abs. 1 ZPO prozessfähig, kann also selbst im eigenen Namen klagen und verklagt werden. Damit ist die oHG weitgehend rechtlich verselbstständigt und als eigenes Haftungssubjekt einer juristischen Person angenähert.
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Zur Zwangsvollstreckung gegen die oHG ist daher , insoweit gleichlaufend zur GbR (§ 736 ZPO),Die Anwendbarkeit von § 736 ZPO auf Personenhandelsgesellschaften ist im Einzelnen strittig, ablehnend BeckOK ZPO/Ulrici, 51. Ed. 1.1.2024, ZPO § 736 Rn. 7, befürwortend Neigum/Disch DGVZ 2023, 139, 141; Neumayer/Zeyher NZG 2022, 1707, 1714. ein Titel gegen die Gesellschaft erforderlich. Zwar haften neben der oHG auch alle Gesellschafter persönlich, jedoch sind dies nach der heute herrschenden Ansicht separate Ansprüche, die neben dem Anspruch gegen die oHG bestehen.
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Jedoch kann die oHG nicht selbst nach außen handeln; daher handeln für sie im rechtsgeschäftlichen Bereich ihre vertretungsberechtigten Gesellschafter. Hierbei wird der oHG nach § 166 BGB das Wissen der jeweils handelnden Vertreter zugerechnet.
Daneben haftet auch die oHG für das Handeln ihrer Organe analog § 31 BGB.
bb) Haftung der Gesellschafter
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Prüfungsschema
Wie prüft man: Voraussetzungen der Gesellschafterhaftung aus Verpflichtung i.V.m. § 126 S. 1 HGB
I. | Bestehen einer nach außen wirksamen oHG | |
II. | Bestehen einer wirksamen oHG-Verbindlichkeit | |
III. | Haftung des Gesellschafters nach § 126 S. 1 HGB | |
| 1. | Gesellschafterstellung bei Begründung der Verbindlichkeit |
| 2. | |
| 3. | Keine Sozialverbindlichkeit |
| 4. | Kein Haftungsausschluss |
| 5. | Keine Einreden nach § 128 HGB |
| 6. | Bei Nachhaftung des Gesellschafters kein Erlöschen des Anspruches nach § 137 Abs. 1 HGB |
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Nach §§ 126, 128 HGB haften alle oHG-Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft selbst, unmittelbar und akzessorisch. In der Praxis wird der Gläubiger seine Forderung sowohl gegen die oHG, als auch gegen die Gesellschafter gerichtlich durchsetzen.
Diese persönliche Haftung der Gesellschafter ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:
• | Bestehen einer nach außen wirksamen oHG |
• | Gegenwärtige Mitgliedschaft, Nachhaftung des ausgeschiedenen oder rückwirkende Haftung des eingetretenen Gesellschafters |
• | Bestehen einer Verbindlichkeit der oHG |
• | Keine Sozialverbindlichkeit |
• | Keine Einwendungen des Gesellschafters (§ 128 HGB) |
• | Bei Nachhaftung des Gesellschafters: Kein Erlöschen des Anspruches nach § 137 Abs. 1 HGB |
Rechtsfolge der Haftung ist die Verpflichtung des Gesellschafters zur vollen Erfüllung der Verbindlichkeit ebenso wie die oHG. In den Grenzen des § 126 S. 2 HGB können die Gesellschafter abweichende Vereinbarungen treffen. Erfüllt ein Gesellschafter die Forderung eines Gläubigers, kann er Ersatz von der Gesellschaft in voller Höhe fordern (§ 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 716 Abs. 1 BGB). Die Gläubigerforderung geht allerdings nicht auf ihn über.
(1) Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters
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Nach § 126 S. 1 HGB haften die oHG-Gesellschafter persönlich für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die während ihrer Mitgliedschaft oder davor (§ 127 HGB) begründet wurden. Ob sie zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme noch Gesellschafter sind, ist grundsätzlich unerheblich.
Eine Forderung ist begründet gem. § 126 S. 1 HGB, wenn das zugrundeliegende Rechtsverhältnis bereits während der Mitgliedschaft des Gesellschafters entstanden ist. Auf die Fälligkeit während dieses Zeitraumes kommt es nicht an. Er haftet damit wie jeder verbliebene Gesellschafter für diejenigen Altverbindlichkeiten, die
• | bis zu seinem Ausscheiden begründet wurden, |
• | vor Ablauf von fünf Jahren nach seinem Ausscheiden fällig werden und |
• | tituliert sind bzw. die der Ausgeschiedene schriftlich anerkannt hat (§ 137 Abs. 1 S. 1 HGB i.V.m. § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB). |
Expertentipp
Lesen Sie § 137 HGB als zentrale Norm des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft.
Die Nachhaftung des ausscheidenden Gesellschafters ist durch § 137 Abs. 1 HGB auf fünf Jahre nach der Eintragung des Ausscheidens im Handelsregister begrenzt. Die Frist beginnt, sobald der Gläubiger von dem Ausscheiden des Gesellschafters Kenntnis erlangt hat oder das Ausscheiden des Gesellschafters im Handelsregister eingetragen worden ist (§ 137 Abs. 1 S. 3 HGB).
(2) Haftung bei Erlöschung der Gesellschaft
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Fällige Ansprüche gegen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft verjähren bei Erlöschung der Gesellschaft spätestens fünf Jahre nach der Eintragung des Erlöschens in das Handelsregister bzw. Kenntniserlangung des Gläubigers von dem Erlöschen (§ 151 Abs. 1 u. 2 HGB).
(3) Haftung des Eintretenden für Altschulden
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Der neu aufgenommene Gesellschafter einer oHG und nach § 173 HGB auch ein Kommanditist haftet nach § 127 Satz 1 HGB auch für die Altschulden der Gesellschaft, die vor seinem Beitritt begründet wurden. Diese Haftung kann Dritten gegenüber nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden (§ 127 Satz 2 HGB). Allerdings wird über den Wortlaut des § 127 Satz 1 HGB hinaus verlangt, dass der Beitritt des neuen Gesellschafters analog § 123 HGB nach außen wirksam geworden ist.
(4) Einwendungen des Gesellschafters, § 128 HGB
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§ 128 HGB realisiert die Akzessorietät der Haftung der oHG-Gesellschafter für Gesellschaftsforderungen nach § 126 Satz 1 HGB. Hiernach kann der Gesellschafter folgende Einwendungen geltend machen:
Eigene Einwendungen aus einem Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Gläubiger der Gesellschaftsforderung, etwa einen ihm gegenüber erfolgten Erlass oder eine Stundung. Diese Einwendungen kann er stets unbeschränkt geltend machen, wie ein Gegenschluss aus § 129 Abs. 1 HGB ergibt.
Einwendungen der Gesellschaft gegen die Forderung kann er geltend machen, soweit sie der Gesellschaft noch zustehen (§ 128 Abs. 1 HGB).
Schließlich hat der Gesellschafter eigene Einwendungen aus § 128 Abs. 2 HGB: Diese Vorschriften kompensieren die Unfähigkeit des Gesellschafters, derartige Gestaltungsrechte im Namen der Gesellschaft geltend zu machen, etwa wenn ihm die Vertretungsmacht fehlt.