Inhaltsverzeichnis
h) Die Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der GbR
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Prüfungsschema
Wie prüft man: Voraussetzungen der Gesellschafterhaftung analog § 128 S. 1 HGB
I. | Bestehen einer nach außen wirksamen GbR | |
II. | Bestehen einer wirksamen GbR-Verbindlichkeit | |
III. | Haftung des Gesellschafters analog § 128 S. 1 HGB | |
| 1. | Gesellschafterstellung bei Begründung der Verbindlichkeit |
| 2. | |
| 3. | Keine Sozialverbindlichkeit |
| 4. | Kein Haftungsausschluss |
| 5. | Keine Einreden analog § 129 HGB |
| 6. | bei Nachhaftung des Gesellschafters kein Erlöschen des Anspruches analog § 160 Abs. 1 HGB |
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Im Außenverhältnis haftet neben der GbR der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden selbst, unmittelbar und mit seinem Privatvermögen. Lange Zeit ungeklärt war der Rechtsgrund dieser Haftung.
aa) Die Haftungstheorien
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Inwieweit und warum die BGB-Gesellschafter für Schulden der Gesellschaft persönlich haften, ist lange umstritten gewesen. Es stehen sich im wesentlichen zwei Auffassungen gegenüber, die Doppelverpflichtungstheorie und die Akzessorietätstheorie. Die Unterscheidung hängt mit der Frage der Rechtsfähigkeit der Außen-GbR zusammen.
(1) Die Doppelverpflichtungstheorie
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In Anlehnung an die individualistische Theorie betrachtet die Doppelverpflichtungstheorie die GbR als nicht fähig, Trägerin von Rechten oder Pflichten zu sein. Die Rechte der Gesellschaft sind vielmehr den Gesellschaftern zur gesamten Hand zugeordnet. Die Pflichten sind der Gesamthandsgemeinschaft nach §§ 718, 719 BGB in der Weise zugeordnet, dass Schuldner zwar die Gesellschafter persönlich sind, diese aber zunächst nicht mit ihrem Privatvermögen haften, sondern mit dem davon getrennten Gesellschaftsvermögen, das ihnen zur gesamten Hand zusteht. Es besteht also eine gesonderte Haftungsmasse für die Gesellschaftsschulden.
Die Gesellschafter haften jedoch daneben persönlich als Gesamtschuldner nach §§ 427, 705 BGB, soweit es sich um Schulden aus Rechtsgeschäften handelt. Hierbei wird angenommen, dass die Gesellschafter einander durch den Gesellschaftsvertrag bzw. durch die Erteilung von Vertretungsmacht für die Gesellschaft nach § 714 BGB die Befugnis erteilt haben, neben der Gesamthand auch jeden einzelnen Gesellschafter persönlich zu vertreten. So kommen Verträge nicht nur mit der Gesamthandsgemeinschaft als solcher zustande, sondern zugleich mit allen Gesellschaftern. Es handelt sich demnach um eine doppelte Verpflichtung.
Die Vertretungsmacht kann nur durch individualvertragliche Abrede mit dem Vertragspartner eingeschränkt werden, eine bloße Firmierung als „GbRmbH“ in Anlehnung an die GmbH genügt nicht und ist firmenrechtlich unzulässig und wettbewerbswidrig.
(2) Die Akzessorietätstheorie
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Nach der moderneren Akzessorietätstheorie ist die GbR als solche teilrechtsfähig, d.h. die Gesamthandsgemeinschaft selbst ist als solche Subjekt der Rechte und Pflichten. Danach verpflichtet der jeweils rechtsgeschäftlich handelnde vertretungsbefugte Gesellschafter unmittelbar das Gesamthandsvermögen als solches.
Problematisch ist nach dieser Ansicht, warum die Gesellschafter persönlich auch für die Schuld der Gesellschaft haften. Nach dem Akzessorietätsgedanken soll § 128 HGB analog herangezogen werden, um jeden Gesellschafter automatisch für alle Schulden der Gesellschaft haften zu lassen.
bb) Umfang der Haftung
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Die persönliche Haftung erstreckt sich nicht nur auf rechtsgeschäftlich begründete, sondern auch auf gesetzliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft.BGH Urteil vom 24.2.2003 (Az: II ZR 385/99), unter Tz. 16 = BGHZ 154, 88.
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Ausgeschiedene Gesellschafter haften entsprechend den Bestimmungen zu den Personenhandelsgesellschaften (§ 736 Abs. 2 BGB i.V.m. § 160 HGB). Für den Beginn der fünfjährigen Enthaftungsfrist kann mangels Eintragung des Ausscheidens eines GbR-Gesellschafters in ein Register nur auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in dem ein Gläubiger von dem Ausscheiden des Gesellschafters Kenntnis erlangt.KG Urteil vom 24.5.2004 (Az: 8 U 96/03), unter Tz. 21 = KGR Berlin 2004, 490.
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Für Sozialverbindlichkeiten, also Ansprüche eines Gesellschafters gegen die GbR aus dem Gesellschaftsverhältnis, gilt die persönliche Haftung der Mitgesellschafter nicht, hier haftet nur das Gesellschaftsvermögen.
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Im Rahmen des Schadensersatzes gilt folgendes: Zunächst haftet die Gesellschaft für einen Schaden, den ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ der Gesellschaft durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt, analog § 31 BGB.BGH Urteil vom 24.2.2003 (Az: II ZR 385/99), unter Tz. 20 = BB 2003, 862. Der Gesellschafter haftet auch im Bereich des § 31 BGB den Gläubigern der Gesellschaft persönlich, mehrere Gesellschafter haften als Gesamtschuldner analog § 128 HGB.BGH Urteil vom 3.5.2007 (Az: IX ZR 218/05), unter Tz. 23 = BGHZ 172, 169.
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Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften grundsätzlich alle Gesellschafter persönlich als Gesamtschuldner analog § 128 HGB.BGH Urteil vom 15.10.2007 (Az: II ZR 136/06), unter Tz. 14 = DB 2007, 2701. Der Gläubiger kann deshalb seine gesamte Forderung wahlweise gegen einen, mehrere oder alle Gesellschafter geltend machen (§ 421 BGB) und in deren gesamtes Privatvermögen vollstrecken. Da die Haftung akzessorisch ist, haftet der Gesellschafter bei Inanspruchnahme durch Gläubiger der Gesellschaft nach dem jeweiligen Bestand der Gesellschaftsschuld.BGH Urteil vom 29.1.2001 (Az: II ZR 331/00), unter Tz. 39 = BGHZ 146, 341. Gleichwohl haften die Gesellschafter nicht persönlich für eine Unterlassungsverpflichtung der GbR, sondern regelmäßig allein auf das Interesse des Gläubigers, falls die Gesellschaft das Unterlassungsgebot verletzt.BGH Urteil vom 20.6.2013 (Az: I ZR 201/11), unter Tz. 11 = ZIP 2013, 1856.
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Ansprüche gegen einen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft verjähren in maximal fünf Jahren nach Auflösung der Gesellschaft (§ 736 Abs. 2 BGB, § 159 HGB). Der Verjährungslauf beginnt mit Kenntnis des Gläubigers von der Auflösung der GbR.BGH Urteil vom 10.2.1992 (Az: II ZR 54/91), unter Tz. 26 = BGHZ 117, 168.
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In Anlehnung an § 128 HGB regelt die persönliche Haftung des Gesellschafters nach MoPeG folgender § 721 BGB n.F.:
„Persönliche Haftung der Gesellschafter
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.“
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Der Regelungsgehalt des § 129 HGB wird in § 721b BGB n.F. übernommen und um Gestaltungsrechte wie Rücktritts- und Kündigungsrechte erweitert:
„Einwendungen und Einreden des Gesellschafters
(1) Wird ein Gesellschafter wegen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft in Anspruch genommen, kann er Einwendungen und Einreden, die nicht in seiner Person begründet sind, insoweit geltend machen, als sie von der Gesellschaft erhoben werden können.
(2) Der Gesellschafter kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange der Gesellschaft in Ansehung der Verbindlichkeit das Recht zur Anfechtung oder Aufrechnung oder ein anderes Gestaltungsrecht, dessen Ausübung die Gesellschaft ihrerseits zur Leistungsverweigerung berechtigen würde, zusteht.“
cc) Haftung für Vorverbindlichkeiten
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Prüfungsschema
Wie prüft man: Voraussetzungen der Gesellschafterhaftung analog § 130 HGB
I. | Bestehen einer Verbindlichkeit der Gesellschaft | |
II. | Späterer Eintritt des Gesellschafters in die Gesellschaft | |
III. | Keine Einwendungen und Einreden des Gesellschafters | |
| 1. | Keine Einwendungen und Einreden aus der Person des Gesellschafters |
| 2. | Keine Einwendungen und Einreden der Gesellschaft analog § 129 HGB |
| 3. | Keine vorherige Inanspruchnahme der Gesellschaft erforderlich |
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Der neu eintretende Gesellschafter haftet auch für die vor seinem Beitritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich gemeinsam mit den Altgesellschaftern als Gesamtschuldner analog § 130 BGB.BGH Versäumnisurteil vom 7.4.2003 (Az: II ZR 56/02), unter Tz. 7 = BGHZ 154, 370. Bis zur Verkündung dieses Urteils am 7.4.2003 erfolgte Beitritte genießen aber Vertrauensschutz, wenn der Neugesellschafter die Altverbindlichkeit, für die er in Anspruch genommen wird, bei seinem Eintritt nicht kannte und nicht kennen konnte.BGH Urteil vom 12.12.2005 (Az: II ZR 283/03), unter Tz. 15 = ZIP 2006, 82.
Der neu eintretende Gesellschafter kann eine Haftungsbeschränkung hinsichtlich der Altverbindlichkeiten erreichen, indem er entweder im Außenverhältnis eine vertragliche Vereinbarung zur Haftungsbeschränkung mit dem Gläubiger der GbR schließt, oder im Innenverhältnis durch Ausschluss der Haftung im Verhältnis zu den Mitgesellschaftern wenigstens eine Freistellung erreicht. Seit der BGH-Grundsatzentscheidung vom 27.9.1999BGH Urteil vom 27.9.1999 (Az: II ZR 371/98), unter Tz. 14 = BGHZ 142, 315. ist eine Beschränkung der Haftung der GbR-Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen nur noch durch individuelle Vereinbarung mit dem jeweiligen Vertragspartner möglich. Vorher übliche Mittel der Haftungsbeschränkung wie eine Beschränkung der Gesellschafterhaftung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers auf das Gesellschaftsvermögen im Gesellschaftsvertrag sind seitdem nicht mehr wirksam.
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Wie § 130 HGB nach geltendem Recht regelt das MoPeG die Haftung des eintretenden BGB-Gesellschafters in § 721a BGB n.F. wie folgt:
„Haftung des eintretenden Gesellschafters
Wer in eine bestehende Gesellschaft eintritt, haftet gleich den anderen Gesellschaftern nach Maßgabe der §§ 721 und 721b für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.“
dd) Der Binnenregress
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Prüfungsschema
Wie prüft man: Voraussetzungen für Anspruch aus § 110 HGB
I. | Aufwendung des Gesellschafters |
II. | In Gesellschaftsangelegenheiten |
III. | Anschein der Erforderlichkeit den Umständen nach |
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Ein Aufwendungsersatzanspruch besteht zunächst analog § 110 HGB gegen die Gesellschaft. Ist die Gesellschaft nicht in der Lage, den gegen sie bestehenden Aufwendungsersatzanspruch zu erfüllen, so besteht ein subsidiärer Ausgleichsanspruch gegen die Mitgesellschafter; diese sind insoweit Gesamtschuldner (§§ 421, 426 BGB).
Expertentipp
Lesen Sie § 426 BGB: Der regressierende Gesellschafter hat sich den auf seinen Anteil entfallenden Haftungsanteil anrechnen zu lassen. Dies ist Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes „dolo agit qui petit quod statim redditurus est“.
Greift ein Gläubiger nur auf einen der persönlich haftenden Gesellschafter in voller Höhe zu, gilt bereits allgemein, dass dieser nach § 426 Abs. 1 BGB von den übrigen Gesamtschuldnern einen Ausgleich verlangen kann (Binnenregress). Zunächst ist also § 426 Abs. 1 BGB gesetzliche Anspruchsgrundlage für Ausgleichsansprüche. Besteht zwischen den einzelnen Gesamtschuldnern ein eigenes Rechtsverhältnis, so ergibt sich ein Regressanspruch in der Regel daneben auch aus diesem Rechtsverhältnis. Zusätzlich bestimmt § 426 Abs. 2 BGB, dass die ursprünglichen Ansprüche gegen die anderen Gesamtschuldner kraft Gesetzes auf den zunächst zahlenden Schuldner übergehen.
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Der Freistellungsanspruch entsteht mit dem Gesamtschuldverhältnis, so dass der in Anspruch genommene Gesellschafter von seinen Mitgesellschaftern verlangen kann, dass diese an der Befriedigung des Gläubigers ihren Anteilen entsprechend mitwirken und ihn von einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger insoweit freistellen. Die übrigen Gesamtschuldner haften dem zahlenden Gesellschafter jedoch nicht mehr als Gesamt-, sondern als Teilschuldner, d.h. er kann grundsätzlich von jedem Gesamtschuldner nur den Anteil verlangen, den dieser im Innenverhältnis zu tragen hat. Die Teilschuldanordnung wird durch § 426 Abs. 1 S. 2 BGB insoweit modifiziert, als der Ausfall eines Gesamtschuldners von allen Schuldnern zu tragen ist und nicht wie bei der normalen Teilschuld vom Gläubiger allein.
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Hat einer von mehreren Gesellschaftern der GbR schuldhaft einen Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft veranlasst, kann dies im Rahmen des Gesamtschuldner-Innenausgleichs zu einer Alleinhaftung des schuldhaft handelnden Gesellschafters im Verhältnis zu seinen Mitgesellschaftern führen. Letztlich handelt es sich um die Wertung des § 254 BGB.BGH Beschluss vom 9.6.2008 (Az: II ZR 268/07), unter Tz. 2 = ZIP 2008, 1915.