Strafrecht Allgemeiner Teil 1 - Rechtswidrigkeit - Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe

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Strafrecht Allgemeiner Teil 1

Rechtswidrigkeit - Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe

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C. Zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe

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Da die zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe in den Klausuren keine besonders große Rolle spielen, werden wir uns nachfolgend auf die Darstellung der Prüfungsvoraussetzungen und einiger wichtiger Aspekte beschränken.

 

I. Besitzwehr/-kehr, § 859 BGB

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§ 859 BGB unterscheidet zwischen der Besitzwehr in Abs. 1 und der Besitzkehr in Abs. 2.

Definition

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Definition: Besitzwehr

Besitzwehr bedeutet die Verteidigung des bestehenden Besitzes durch Verhinderung der Entziehung gem. § 861 BGB oder der Störung gem. § 862 BGB. Besitzkehr bedeutet, dass die Entziehung des Besitzes bereits erfolgt ist, der Besitzer allerdings berechtigt ist, sich den Besitz zurück zu verschaffen, wenn er den Täter entweder auf frischer Tat betrifft oder nach frischer Tat verfolgt.Palandt-Bassenge § 859 Rn. 4 ff.

Der Besitzentziehung gem. Abs. 1 darf sich der Besitzer mittels Gewalt entgegenstellen. Auch bei der Besitzwiedererlangung darf Gewalt angewendet werden. Voraussetzung ist, dass die Gewalt nicht über das zur Abwehr der verbotenen Eigenmacht bzw. zur Wiedererlangung des Besitzes gebotene Maß hinausgeht, d.h. es darf nur die maßvolle Gewalt angewendet werden, die erforderlich ist, um den Besitz zu erhalten bzw. wiederzuerlangen. Unerheblich ist die Höhe des drohenden Schadens, woraus folgt, dass auch bei geringwertigen Sachen Gewalt angewendet werden darf.Palandt-Bassenge § 859 Rn. 4 ff.

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Die Voraussetzungen des § 859 BGB sind mithin die folgenden:

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Voraussetzungen des § 859 BGB

I.

Objektive Voraussetzungen

 

1.

Verhinderung der Entziehung gem. § 861 BGB bzw. Störung gem. § 862 BGB (Besitzwehr nach Abs. 1) oder

 

2.

Wiederabnehmen des bereits entzogenen Besitzes bei Betreffen auf frischer Tat, d.h. unmittelbar bei oder alsbald nach der Entziehung bzw. nach Verfolgung auf frischer Tat, d.h. unmittelbar oder alsbald nach Entdeckung der Verübung und Aufnehmung der Verfolgung (Besitzkehr gem. Abs. 2)

 

3.

Verbotene Eigenmacht gem. § 858 BGB, d.h. Besitzentziehung oder Besitzstörung gegen den Willen des Besitzers, sofern das Gesetz nicht die Entziehung oder Störung gestattet

 

4.

Gewaltsame Beseitigung der Störung, sofern zur Wiedererlangung des Besitzes angemessen

II.

Subjektive Voraussetzungen

 

 

Handeln in Kenntnis und aufgrund der Beseitigung der Besitzstörung

Beispiel

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A steht am Bahnhof und wartet auf seinen Zug, als B ihm den Koffer entreißen will. A schlägt daraufhin mit seinem Regenschirm auf B ein, bis dieser das Weite sucht und wehrt so erfolgreich den Angriff auf seinen Besitz ab. Hier liegt eine Rechtfertigung gem. § 859 Abs. 1 BGB vor, da A mittels der erforderlichen Gewalt die Besitzentziehung verhindern durfte. Hätte B den Koffer bereits an sich genommen, wäre A ihm dann nachgeeilt und hätte mittels Einsatzes seines Regenschirms den Koffer zurückbekommen, läge eine Besitzkehr gem. § 859 Abs. 2 BGB vor.

 

II. Selbsthilfe, § 229 BGB

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Die Durchsetzung oder Sicherung eines Anspruchs gegenüber einem Dritten muss in einem Rechtsstaat grundsätzlich in den dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden. Unter engen Voraussetzungen, nämlich denen des § 229 BGB, ist ausnahmsweise eine eigenmächtige vorläufige Sicherung bzw. Durchsetzung dieses Anspruchs erlaubt. Die Voraussetzungen des § 229 BGB sind folgende:

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Voraussetzungen des § 229 BGB

I.

Objektive Voraussetzungen

 

1.

Einredefreier zivilrechtlicher Anspruch des sich auf Selbsthilfe Berufenden

 

2.

Obrigkeitliche Hilfe darf nicht rechtzeitig zu erlangen sein (beispielsweise Arrest, einstweilige Verfügung oder polizeiliche Maßnahmen)

 

3.

Es muss die Gefahr der Vereitlung oder Erschwerung der Durchsetzung bestehen

 

4.

Unter den obigen Voraussetzungen erlaubt ist die Wegnahme, Zerstörung oder Beschädigung von Sachen; die Festnahme des Verpflichteten oder die Beseitigung des Widerstandes, den der Verpflichtete leistet, wobei

 

5.

gem. § 230 die Anwendung der Gewalt nicht weitergehen darf, als zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist. Eine Verhältnismäßigkeit zwischen der drohenden Gefahr und den Nachteilen für den Schuldner braucht nicht zu bestehen, allerdings darf die Ausübung der Gewalt nicht rechtsmissbräuchlich sein.

Palandt-Heinrichs § 230 Rn. 1.

II.

Subjektive Voraussetzungen

 

 

Der Täter muss in Kenntnis und aufgrund der Voraussetzungen der Selbsthilfe handeln.

Beispiel

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A sitzt im Café und trinkt genüsslich einen Milchkaffee, als er beobachtet, dass B sein Fahrradschloss knackt und dabei ist, mit seinem Fahrrad zu verschwinden. A rennt hinter B her, kann B jedoch nicht mehr erwischen, da B zu schnell ist. Gegenüber der Polizei kann er eine genaue Täterbeschreibung abgeben, die jedoch nicht zur Ergreifung des B führt. Drei Wochen später sitzt A in demselben Café, als B plötzlich draußen vorbeimarschiert. A rennt hinter B her, stürzt sich auf ihn und hält ihn bis zum Eintreffen der Polizei fest.

Hier liegt keine Rechtfertigung gem. § 859 Abs. 2 BGB vor, da die Tat bereits drei Wochen zurückliegt und die Unmittelbarkeit zwischen der Besitzentziehung und der Gewaltanwendung nicht mehr gegeben ist. Es sind jedoch die Voraussetzungen des § 229 BGB verwirklicht. A hat gegen B einen einredefreien zivilrechtlichen Anspruch auf Herausgabe des Eigentums, ggf. auf Schadensersatz. Ohne Festhalten des B wäre dieser Anspruch nicht durchsetzbar, da die Personalien des B nicht bekannt sind und die staatsanwaltschaftliche Ermittlung nicht zur Ergreifung des B geführt hat. Da obrigkeitliche Hilfe in Form von anwesenden Polizeibeamten nicht zu erlangen ist, durfte A den B bis zum Eintreffen der Polizei gem. § 229 BGB festhalten.

Beispiel

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A, die früh morgens nach ihrer Spätschicht auf dem Nachhauseweg ist, wird von dem alkoholisierten B bedrängt, der mit ihr anbandeln möchte. Nachdem sie B von sich weist, kommt es zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf der teure mp3-Kopfhörer der A zu Boden geht und schwer beschädigt wird. A nimmt daraufhin das ebenfalls herunter gefallene Handy des B an sich und erklärt ihm, dass sie es ihm erst zurückgeben werde, wenn er ihr Schadenersatz für den Kopfhörer leiste oder aber zur nächsten Polizei mitkomme. B greift A nunmehr körperlich an, um das Handy zurückzuerlangen. Diesen Angriff wehrt A mit einem Stich in den Brustkorb des B ab. Dazu benutzt sie ein Messer, welches sie zur Verteidigung immer mit sich führt und welches sie dem B bereits zuvor angedroht hatte.

Der BGHBGH Beschluss vom 5.4.2011, AZ 3 StR 66/11 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de. hat hier eine Rechtfertigung der A nach § 32 angenommen. Problematisch ist der gegenwärtige rechtswidrige Angriff des B, da B seinerseits gem. § 859 Abs. 2 BGB gerechtfertigt sein könnte. Voraussetzung der Rechtfertigung des B gem. § 859 Abs. 2 BGB ist zunächst eine Beeinträchtigung des Besitzes, die vorliegend in dem an sich Nehmen des Handys durch A zu sehen ist. Diese Beeinträchtigung müsste zudem eine verbotene Eigenmacht darstellen, was nicht der Fall ist, wenn sich nun wiederum A auf einen Rechtfertigungsgrund berufen könnte. In Betracht kommt § 229 BGB, dessen Voraussetzungen der BGH angenommen hat, da A einen Anspruch auf Schadenersatz gegenüber B habe und obrigkeitliche Hilfe nicht zu erwarten war.

Für Sie ist dieser kleine Fall eine gute Gelegenheit, sich mit einer ineinander verschachtelten Prüfung der Rechtswidrigkeit vertraut zu machen, die in der Klausur keine Seltenheit ist. 

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