Inhaltsverzeichnis
- 1. Sachmangel, § 434
- a) Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
- b) Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
- d) Sachmangel nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1-4
- aa) Eignung zur gewöhnlichen Verwendung gem. § 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
- bb) Übliche und erwartbare Beschaffenheit gemäß § 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
- cc) Einfluss öffentlicher Angaben gem. § 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 b)
- dd) Übereinstimmung mit Probe oder Muster nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
- ee) Zubehör, Verpackung, Montage- und Installationsanleitung nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 4
- e) Montageanforderungen nach § 434 Abs.1, 4
- f) Aliud-Lieferung nach § 434 Abs. 5
- aa) Anwendbarkeit bei Stückschulden (sog. „Identitätsaliud)
- bb) Lieferung einer wertvolleren Sache
1. Sachmangel, § 434
Prüfungsschema
Wie prüft man: Sachmangel i.S.d. § 434
I. | Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 |
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| 1. | Enger, weiter und sehr weiter Beschaffenheitsbegriff |
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| 2. | Verdacht einer nachteiligen Beschaffenheit |
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| 3. | Formanforderungen |
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II. | Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 |
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| 1. | Vertraglich vorausgesetzte Verwendung |
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| 2. | Anforderungen an die „Einigung“ |
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III. | Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 | ||
Vereinbartes Zubehör, vereinbarte Anleitungen einschließlich Montage und Installationsanleitungen übergeben? | |||
III. | Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 - 4 |
| |
| 1. | Keine (wirksame) Vereinbarung über konkrete Ist-Beschaffenheit (Abs. 3 S. 1) |
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| 2. | Objektive Verkehrserwartung bzgl. Beschaffenheit/Verwendung (Nr. 1 und 2a) |
|
3. | Bedeutung öffentlicher Äußerungen, insbesondere Werbung (Nr. 2 b) | ||
4. | Übereinstimmung mit Muster, welches vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt wurde (Nr. 3) | ||
| 5. | Zu erwartbares Zubehör, Verpackung, Montage und Installationsanleitungen insb. (Nr. 4) |
|
IV. | Montagefehler, § 434 Abs. 4 |
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| 1. | Fehlerhafte Montage durch Verkäufer |
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2. | Fehlerhafte Montage durch den Käufer wegen fehlerhafter Montageanleitung | ||
V. | „Aliudlieferung, § 434 Abs. 5 |
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| 1. | Sog. Identitätsaliud |
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2. | Wertvolleres aliud |
a) Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
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Die möglichen Anknüpfungspunkte für eine Beschaffenheitsvereinbarung sind sehr vielfältig und werden in § 434 Abs. 2 S. 2 (bitte lesen) nicht abschließend wiedergegeben.Die Vorschrift setzt Art. 6 lit. a der Warenkaufrichtlinie um. Was Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung sein kann, ist umstritten. Unproblematisch erfasst sind (sog. enger Beschaffenheitsbegriff) physische Eigenschaften, die der Sache unmittelbar anhaften (z.B. Farbe, Urheber). Die herrschende Meinung folgt dem weiten Beschaffenheitsbegriff. Danach können Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung auch solche Umstände sein, welche die Beziehung der Sache zu ihrer Umwelt prägen und nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Hierbei ist jedoch streitig, ob die Umweltbeziehung einen Bezug zur physischen Beschaffenheit der Kaufsache aufweisen muss. Die Rechtsprechung hat sich bisher nicht abschließend festgelegt, verlangt jedoch zumindest eine tatsächliche, rechtliche, soziale oder wirtschaftliche Beziehung der Sache zur Umwelt mit Ursprung in der Kaufsache, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache hat.BGH NJW 2016, 2874 Andere stimmen in der Literatur lehnen eine solche Verengung des Begriffs mit Blick auf die Maßgeblichkeit der (freien) Parteivereinbarung abReinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Aufl., Rn. 303 ff., während viele andere Stimmen in der LiteraturMüKo-Maultzsch § 434 Rn. 16; Ostendorf JZ 2024, 280 (282); Wilke NJW 2023, 633 (635). ein etwas engeres Verständnis des Begriffs bevorzugen und den Begriff der Beschaffenheit parallel zum Begriff der Eigenschaft i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB definieren.
Vorzugswürdig sind diejenigen Ansichten, die einen Bezug der Beschaffenheit mit der Kaufsache voraussetzen. Dies zeigt sich u.a. an § 434 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 der auf „Merkmale“ der Kaufsache abstellt und insoweit einen irgendwie gearteten Sachbezug zur Kaufsache nahelegt.Stamm NZBau 2022, 15 (16); Wilke NJW 2023, 633 (635).
Nach letztgenannter Ansicht ist der Käufer auf die allgemeinen Vorschriften zu verweisen, insoweit der betreffende Umstand keinen Bezug zu einer physischen Eigenschaft der Kaufsache aufweist. Dies auch dann, wenn der Umstand der Sache nicht für einen Zeitraum von einer „gewissen Dauer“ anhaftet, wobei hier ein eher großzügiger Maßstab anzulegen ist.MüKo-Maultzsch § 434 Rn. 16 nach a.A. ist auf dieses Kriterium zu verzichten. Seit dem 1.1.2022 stellt die (verdeckte) Minderlieferung einen echten Sachmangel gem. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 Var. 2 dar. Die offene Teillieferung stellt einen Fall der Teilleistung dar.
Für die Entscheidung, ob die (tatsächliche) Beschaffenheit der Kaufsache als Sachmangel zu qualifizieren ist, kommt es auf die vertragliche Vereinbarung an.
Beispiel
Orientiert an BGH NJW 2021, 3397.Verkäufer V verkauft Käufer K ein bebautes Grundstück. Nach Eigentumsübertragung stellt sich heraus, dass bei der Gewerksvergabe und Errichtung des Gebäudes, entgegen den Angaben des V, gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen worden ist. Hier stellt sich die Frage, ob ein tauglicher Bezugspunkt für eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt. Die Schwarzgeldabrede hat keinen physischen Bezug zur Kaufsache und haftet dieser, auch nicht i.S.d. weiteren Beschaffenheitsbegriffs der Rechtsprechung an, wonach tatsächliche, rechtliche, soziale oder wirtschaftliche Beziehung der Sache zur Umwelt mit Ursprung in der Kaufsache, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben, für eine Beschaffenheitsvereinbarung ausreichen. Die Abrede betrifft nicht die Werkleistung (Haus), sondern (nur) die Vergütungsabrede. Damit betrifft die Schwarzarbeit nach wohl h.M. keine Beschaffenheit der Kaufsache.
Im soeben dargestellten Beispiel könnte man zudem die Frage aufwerfen, ob der Verdacht einer nachteiligen Beschaffenheitsabweichung als Anknüpfungspunkt für einen (subjektiven) Mangel in Betracht kommt. Dies ist streitig. In der Vereinzelt wird vorgetragen, dass der bloße Verdacht keinen ausreichenden Bezug zu den physischen Eigenschaften der Kaufsache aufweist. Andere Stimmen in der Literatur und insb. der BGH lassen einen Verdacht grds. ausreichen. Allerdings muss ein auf konkreten Tatsachen beruhender, nicht (mit wirtschaftlich zumutbaren Mitteln) auszuräumender Verdacht einer Abweichung vorliegen. Im Beispiel 1 sind keine Tatsachen ersichtlich, welche auf eine mangelhafte Ausführung schließen lassen.
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147
Ein Sachmangel liegt gem. § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 vor, wenn die Kaufsache nicht die (vertraglich) vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Die Vereinbarung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen, unklare Angaben müssen nach §§ 133, 157 ausgelegt werden. Insb. der BGH stellt an die Annahme einer Vereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 2 (S. 1 Nr.1) strenge Anforderungen und nimmt eine Vereinbarung nur in eindeutigen Fällen an.BGHZ 232, 1. Dies liegt nicht zuletzt an der Wirkung einer solchen Vereinbarung im Zusammenhang mit einem pauschalen Gewährleistungsausschluss sowie § 323 Abs. 5 S. 2 oder § 281 Abs. 1 S. 3 (siehe Rn. 201 und 288).
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Beispiel
Autohändler V verkauft dem K ein als „neu“ bezeichnetes Auto.
Nach Auffassung der Rechtsprechung liegt bei Abschluss eines Kaufvertrages mit einem Kfz-Händler in der Beschreibung als „neu“ die Vereinbarung der Lieferung eines, abgesehen von der Überführungsfahrt, unbenutzten und „fabrikneuen“ Wagens.St. Rspr. BGH NJW 2003, 2824 m.w.N.; „Fabrikneu II“ BGH NJW 2004, 160. „Fabrikneu“ ist ein PKW, wenn und solange das betreffende Modell im Zeitpunkt des Verkaufs vom Hersteller noch unverändert hergestellt wird, wenn es keine durch längere Standzeiten bedingte Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als 12 Monate liegen.BGH a.a.O. Entscheidend ist bzgl. der unveränderten Herstellung, ob der Hersteller zum Verkaufszeitpunkt intern die Produktion eingestellt hatte, nicht dagegen, ob der Hersteller zu diesem Zeitpunkt bereits die neue Modellserie an die Händler ausgeliefert hatte.BGH NJW 2003, 2824 – „Fabrikneu I“.
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Beispiel
Die Angabe „Unfallschäden laut Vorbesitzer: Nein“ im Kaufvertrag stellt keine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 dar. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine reine Wissensmitteilung, mit der der Verkäufer die Angaben des Vorbesitzers wiedergibt.BGH NJW 2008, 1517 ff. Durch die Bezugnahme auf die Auskunft des Vorbesitzers gibt der Verkäufer hier gerade zu erkennen, selber nicht verbindlich dafür einstehen und die Gewähr für die Richtigkeit übernehmen zu wollen, sondern vielmehr bloß Angaben des Vorbesitzers zu wiederholen (Wissensmitteilung).
Beispiel
Der Verkauf eines PKW als „fahrbereit“ bedeutet, dass das Fahrzeug nach seiner Beschaffenheit betriebsbereit und nicht mit verkehrsgefährdenden Mängeln behaftet ist, aufgrund derer es bei einer Hauptuntersuchung als verkehrsunsicher eingestuft werden müsste.BGH BGHZ 170, 67 ff.
Unterliegt der Vertrag einem Formerfordernis, so ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung das Formerfordernis – klausurrelevant ist hier insb. § 311b Abs. 1 S. 1 – auch auf die Beschaffenheitsvereinbarung zu erstrecken. Findet die Abrede keinen Eingang in den notariellen Vertrag ist sie unwirksam.
Hinweis
Denken Sie in diesem Zusammenhang an die Andeutungstheorie und die Möglichkeit der Heilung von Formmängeln (z.B. § 311b Abs. 1 S. 2).MüKo-Maultzsch § 434 Rn. 33
Vorgreiflich sei schon hier klargestellt, dass dieser Grundsatz, spätestens seit der Umsetzung der Warenkauf-RL, für alle Fehlerkategorien des § 434 Abs. 2 gelten muss, da alle eine (echte) vertragliche Abrede erfordern (str.).BGHZ 207, 349 (Beschaffenheitsvereinbarung); Wilke NJW 2023, 633 (637); Lorenz NJW 2021, 2065 (2066).
b) Sachmangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
150
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Abweichend von § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 kann es auch so sein, dass sich die Parteien nicht auf bestimmte Beschaffenheiten verständigt haben, sondern sich nur über die Eignung der Sache für eine bestimmte Verwendung ausdrücklich oder konkludent einig geworden sind. Hier muss die Kaufsache also solche Beschaffenheiten aufweisen, die im Ergebnis zu der vertraglich vorausgesetzten Eignung führen.
Beispiel
V verkauft dem K eine Druckerpatrone für einen Laserdrucker. Die Patrone ist kein vom Hersteller des Laserdruckers hergestelltes Ersatzteil. V teilt dem K aber mit, dass die Patrone gerade auch für seinen Laserdruck geeignet sei. Nun stellt sich heraus, dass die verkaufte Druckerpatrone nicht die besonderen Haken aufweist, um sie in die Haltevorrichtung des Laserdruckers von K einrasten zu lassen. Sie kann daher in diesem Laserdrucker nicht verwendet werden.
Über die besonderen Haken haben V und K keine Vereinbarung getroffen und sich wohl noch nicht einmal Gedanken gemacht. Entscheidend kam es ihnen aber darauf an, dass die Patrone im Laserdrucker des K eingesetzt werden kann. Da dafür wiederum diese Haken notwendig sind, liegt aufgrund der abweichenden Ausgestaltung der verkauften Patrone ein Sachmangel vor.
Noch nicht abschließend geklärt ist, welche Anforderungen an das Merkmal der „im Vertrag vorausgesetzten Verwendung“ zu stellen sind. Unstreitig ist zunächst, dass die Parteien mindestens eine gemeinsame Vorstellung der Verwendung aufweisen müssen. Streitig ist, ob eine echte vertragliche Vereinbarung (Rechtsbindungswillen!) notwendig ist oder die bloß tatsächliche übereinstimmende Unterstellung einer Verwendungseignung i.S.e. Geschäftsgrundlage ausreichend ist. Für den erstgenannten Ansatz spricht seit dem 1.1.2022 der klare Wortlaut von Art. 6 Lit. b Warenkauf-RL, wonach der Käufer dem Verkäufer die Verwendungsabsicht spätestens bei Abschluss des Vertrags zur Kenntnis gebracht haben muss und dieser dem Zweck zustimmen muss.Lesen Sie zu dieser Fragestellung gerne ergänzend die sehr gute Kommentierung in MüKo-Maultzsch § 434 Rn. 34; Wilke NJW 2023, 633 (638). Die Richtlinie ist im Gegensatz zur wortgleichen Vorgängerregelung nicht mindest- sondern vollharmonisierend umzusetzen. Damit ist eine überschießende Umsetzung schwerlich vereinbar. Folgt man der hier favorisierten Ansicht in der Klausur, so sind auch bei § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Formanforderungen zu wahren, die genaue Abgrenzung zwischen Nr. 1 und Nr. 2 verliert i.E. an Bedeutung und kann im Zweifel dahinstehen.
d) Sachmangel nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1-4
150b
§ 434 Abs. 3 regelt die objektiven Anforderungen an die Kaufsache und setzt damit Art. 7 WKRL um. Dabei stellt S. 1 klar, dass der objektive Mangelbegriff nur dann zur Anwendung zu bringen ist, soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde.
Besteht keine anderweitige wirksame Vereinbarung, so entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet (Nr. 1), bzw. eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann (Nr. 2). Sodann stellen lit. a und b klar, dass die Erwartung des (Durchschnitts-)Käufers insbesondere durch die Art der Sache geprägt wird und durch öffentliche Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett abgegeben wurden. Ausnahmsweise muss der Verkäufer sich die öffentlichen Äußerungen nicht zurechnen lassen, wenn ein Fall von § 434 Abs. 3 S. 3 vorliegt. Die übliche Beschaffenheit wird sodann noch durch § 434 Abs. 3 S. 2 konkretisiert.
Zu den objektiven Anforderungen gemäß Nr. 3 gehört, dass die Sache der Probe oder dem Muster entsprechen muss, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 stellt klar, dass die Sache mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- und Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann. Diese Kriterien müssen, soweit einschlägig, kumulativ eingehalten werden, nur dann ist die Sache objektiv mangelfrei.
aa) Eignung zur gewöhnlichen Verwendung gem. § 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
152
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Die Sache entspricht den objektiven Anforderungen nur, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet. Die gewöhnliche Verwendung ist unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu bestimmen, d.h., dass eine objektive Bestimmung unter Berücksichtigung der Art der Kaufsache und des jeweils betroffenen Verkehrskreises der avisierten Käufer zu bestimmen ist. Der Käufer darf erwarten, dass die Verwendung der Sache entsprechend dem durchschnittlichen Marktstandard, unter Berücksichtigung des Preisniveaus oder der Herstellerzugehörigkeit sowie technischer Normen, möglich ist.
Expertentipp
In der Klausur kann folgende Kontrollfrage gestellt werden: wurden die durchschnittlichen berechtigten Erwartungen der angesprochenen Käufer nicht erfüllt?
Die Nutzung darf auch nicht mit besonderen Gefahren verbunden sein.BGH NJW 2019, 1133. Ferner muss die Nutzung rechtlich zulässig sein. So reicht die bloße Gefahr der Nutzungsuntersagung für die Annahme eines Mangels aus.BGH NJW 2013, 2182; BGHZ 225, 316; BGH NJW 2022, 1238 m.w.N.
Ist die so bestimmte gewöhnliche Verwendung nur vermindert gegeben oder gar nicht möglich, liegt ein Mangel nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 vor.
bb) Übliche und erwartbare Beschaffenheit gemäß § 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
152a
Als weitere objektive (Mindest-)Anforderung an die Sache nennt § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 die übliche Beschaffenheit der Sache. Eine darüber hinausgehende zu erwartende Beschaffenheit ist unter Berücksichtigung von Nr. 2 lit. a und b zu bestimmen. Beide Kriterien sind unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und aus Sicht eines vernünftigen Durchschnittskäufers zu bestimmen.
Beispiel
V verkauft K einen vier Jahre alten Gebrauchtwagen. Nach Gefahrübergang stellt sich heraus, dass das Fahrzeug zwischen Produktion und Erstzulassung eine Standzeit von 16 Monaten aufweist und die Bremsen verschlissen sind.
Der übliche Verschleiß eines Fahrzeugs stellt im Gegensatz zum übermäßigen Verschleiß, keinen Mangel dar. Fraglich ist, ob die lange Standzeit eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit darstellt. Dies wird vom BGH im Hinblick auf Jahreswagen noch bejaht, nicht jedoch für ältere Fahrzeuge. Auf dem Gebrauchtwagenmarkt werden nicht nur Fahrzeuge mit Standzeiten angeboten die bei Jahres- und Neuwagen eine besondere Hinweispflicht begründen würden.
Eine Untergrenze für die gewöhnliche Beschaffenheit stellen gesetzliche Anforderungen an die Sache dar. Dabei ist unerheblich, ob es sich um Vorschriften der Produktsicherheit, des Umweltrechts oder des Datenschutzes handelt. Die Übereinstimmung des Produkts mit geltendem – nationalem und europäischen – Recht ist eine Selbstverständlichkeit, die der Käufer erwarten darf.Brönneke/Föhlisch/Tonner, Das neue Schuldrecht, § 4 Rn. 20. § 434 Abs. 3 S. 2 stellt klar, dass zur üblichen Beschaffenheit die Menge, Qualität und sonstige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit gehören.
Beispiel
Verkauft V Kinderspielzeug bei dem Schadstoffgrenzwerte nur geringfügig überschritten werden, liegt eine Abweichung von der üblichen Beschaffenheit vor.
Zur Bestimmung der objektiven Anforderungen an die Kaufsache sind auch technische Normen und in Ermangelung solcher Normen anwendbare sektorspezifische Verhaltenskodizes zu berücksichtigen. Dies folgt unmittelbar aus Art. 7 Abs. 1 lit. a) WKRL.
Die Sache muss damit dem „Stand der Technik“ entsprechen. Der Stand der Technik ist dabei nach gültigen Industrienormen zu bestimmen (DIN/ISO usw.). Wird der vorzeitige Verschleiß (bzw. die vorzeitige Obsoleszenz) der Sache durch eine Konstruktion bedingt, die mit geringen Kosten vermeidbar gewesen wäre, so entspricht die Sache nicht der berechtigterweise zu erwartenden gewöhnlichen Beschaffenheit.
Insoweit § 434 Abs. 3 S. 2 das Kriterium der Haltbarkeit enthält, ist damit die Einhaltung einer verkehrstypischen (konstruktionsbedingten) potenziellen Haltbarkeit gemeint und nicht, dass die Sache im Sinne einer Haltbarkeitsgarantie für einen bestimmten Zeitraum mangelfrei bleibt.Wilke VuR 2021, 284; MüKo-Maultzsch § 434 Rn. 53. Ein Mangel liegt insb. dann nicht vor, wenn der Funktionsausfall oder die Funktionsminderung auf einer übermäßigen Nutzung beruht oder die erforderliche Wartung des Geräts (Filter/Inspektion) nicht durchgeführt wurde.
Die Nennung der Sicherheit in § 434 Abs. 3 S. 2 zielt zunächst auf den Schutz der Gesundheit von Menschen ab und den Schutz vor Schäden an anderen Sachgütern und der Kaufsache selbst. Daneben ist ein Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung angelegt. In diesem Zusammenhang geht es um die Integrität informationstechnischer Systeme. Damit sind Fragen zur Sicherung von Geräten vor Datenmanipulation oder Ausspähung gemeint. Im Einzelfall kann auch hier der bloße Verdacht einer Gefahr ausreichen.
Beispiel
V verkaufte und lieferte am 12 und 15.11 Tierfutter an Schweinemäster S. Nach Gefahrübergang stellte sich heraus, dass die Charge vom 12.11. eine unzulässige Dioxinbelastung aufwies. K befürchtet selbiges bzgl. der weiteren Charge. Beide Lieferungen wurden schon miteinander vermischt. Die Lieferung vom 12.11. ist unproblematisch gem. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 mangelhaft. Fraglich ist, ob der Verdacht, dass die am 15.11. gelieferte Charge auch unzulässig belastet ist ausreicht, um einen Mangel zu begründen. Lt. BGH ist dies dann der Fall, wenn Lebensmittel oder Futterwaren betroffen sind, die mittelbar oder unmittelbar der menschlichen Nahrungskette zugeführt werden sollen und ein auf konkrete Tatsachen gestützter, naheliegender Verdacht einer gesundheitsschädlichen Beschaffenheit besteht und dieser Verdacht durch zumutbare Maßnahmen nicht beseitigt werden kann. Das gilt auch dann, wenn der Verdacht – wie hier – zwar erst nach Gefahrübergang entsteht, aber auf Tatsachen beruht, die vor Gefahrübergang gegeben waren, jedoch nicht erkannt worden sind.BGH NJW 2015, 544 m.w.N. Vorliegend spricht der enge zeitliche Zusammenhang der Lieferungen für einen entsprechenden Verdacht. Auch ist wegen der Vermischung nicht ersichtlich, wie der Verdacht ausgeräumt werden könnte.
cc) Einfluss öffentlicher Angaben gem. § 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 b)
153
Nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 b) ist die zu erwartende Beschaffenheit unter Berücksichtigung der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden zu bestimmen. Der Käufer darf demnach solche Eigenschaften erwarten, die zwar an sich nicht zur gewöhnlichen Beschaffenheit der Sache gehören, die der Verkäufer, seine Gehilfen oder der Hersteller jedoch durch entsprechende öffentliche Äußerungen der Sache selbst zugeordnet haben.
Das Merkmal der Öffentlichkeit ist dann erfüllt, wenn sich die Äußerungen an einen unbestimmten Personenkreis richten.Girogeleit/Herresthal JZ 2003, 227. Notwendig ist ferner die Äußerung zu einer bestimmten Eigenschaft, demnach zu einer nachprüfbaren Tatsache (Abgrenzung zu bloß reißerischen Anpreisungen). Erfasst sind insbesondere Aussagen des Verkäufers, des Herstellers und von Gehilfen, unabhängig davon, ob diese eigenständig, „im Auftrag“ oder als Erfüllungsgehilfen tätig werden.
154
In drei Fällen sind die öffentlichen Äußerungen ohne Relevanz:
Expertentipp
Wo ist das Tatbestandsmerkmal „Kennenmüssen“ gesetzlich definiert?
Fall 1: Der Verkäufer haftet nicht auf eine zu erwartende Beschaffenheit gemäß den öffentlichen Äußerungen, wenn er die betreffende Äußerung nicht kannte und sie auch nicht kennen konnte. „Kennen konnte“, ist dabei wie „Kennenmüssen“ (fahrlässige Unkenntnis i.S.d. § 122 Abs. 2) zu verstehen. Im allgemeinen Rechtsverkehr kann vom Verkäufer grundsätzlich erwartet werden, dass er sich über Angaben des Herstellers zum Produkt informiert.
Beispiel
Fall angelehnt an OLG München NJW-RR 2005, 494.K erwirbt bei V einen neuen Pkw Golf. Dieser war in den Wochen zuvor in einer großangelegten Pressekampagne des Herstellers als besonders sparsam beworben worden – das Fahrzeug verbrauche durchschnittlich lediglich 5 Liter Benzin pro 100 km. K und V hatten bei Abschluss des Kaufvertrages über den Benzinverbrauch nicht gesprochen. K stellt fest, dass das Fahrzeug entgegen den Ankündigungen in der Werbung durchschnittlich 6 Liter Benzin pro 100 km verbraucht.
Da K und V über den Benzinverbrauch nicht gesprochen hatten, kommt lediglich eine Mangelhaftigkeit gem. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 in Betracht. An der Tauglichkeit zur üblichen Verwendung des Fahrzeuges als Fortbewegungsmittel ändert der höhere Benzinverbrauch nichts. Es ist auch nicht unüblich, dass der Benzinverbrauch eines Neuwagens über 5 Litern pro 100 km liegt. Der Benzinverbrauch von nur 5 Litern könnte hier aber gem. § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 b) zur erwartenden Beschaffenheit gehören. Eine Pressekampagne des Herstellers ist als „öffentliche Äußerung“ im Sinne von § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 b) zu bewerten. Der Benzinverbrauch betrifft auch eine bestimmte, nachprüfbare Eigenschaft des Fahrzeugs. Fraglich bleibt, ob V sich mit Erfolg darauf berufen kann, dass er von der Werbekampagne keine Kenntnis hatte. Gem. § 434 Abs. 3 S. 3 kommt es darauf an, ob der Verkäufer die Äußerung kannte oder kennen musste. „Kennenmüssen“ meint nach der Definition in § 122 Abs. 2 Fahrlässigkeit im Sinne von § 276. Es kommt also darauf an, welche Sorgfalt im Verkehr als erforderlich anzusehen ist. Dazu wird man zumindest eine begrenzte Beobachtungspflicht dergestalt rechnen müssen, dass der Verkäufer eine Darstellung der von ihm verkauften Produkte in den Massenmedien kennen muss. Demzufolge kann V sich im Beispielsfall nicht darauf berufen, die Werbekampagne sei ihm unbekannt gewesen. Ein Mangel liegt also vor.
155
Fall 2: Öffentliche Äußerungen sind außerdem unbeachtlich, wenn die Äußerung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt worden war.
Entscheidend kommt es hier darauf an, dass die Berichtigung der Äußerung auf einem Weg erfolgt, der denselben Wirkungsgrad hat.
Beispiel
Die Aussagen in einem TV-Werbespot werden nicht in „gleichwertiger Weise“ berichtigt, wenn beim Händler ein Flyer mit Hinweisen auf den Fehler im TV-Spot ausliegt.
156
Fall 3: Schließlich sind solche Äußerungen unbeachtlich, wenn die Äußerung keinen Einfluss auf die Entscheidung des Käufers haben konnte. Entscheidend ist hier, ob eine Beeinflussung der Käuferentscheidung (objektiv) ausgeschlossen war. Die Beweislast hierfür trägt derjenige, der die Äußerung getätigt hat bzw. derjenige, dem sie zurechenbar ist.
Beispiel
Die falsche Werbeaussage findet sich in der japanischen Übersetzung einer Werbebroschüre, die dem deutschsprachigen Käuferkreis nicht zugänglich war.
Hinweis
Bitte beachten Sie, dass § 434 seit dem 1.1.2022 neu gefasst ist. Inhaltlich ergeben sich bezüglich des Videos keine Änderungen. Das Video wird in Kürze neu gedreht.
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dd) Übereinstimmung mit Probe oder Muster nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
156a
In dieser Vorschrift wurden die Anforderungen aus Art. 7 Abs. 1 Ziff. b) WKRL umgesetzt. Danach gehört zu den objektiven Anforderungen, dass die zu erwartende Beschaffenheit der Sache einer Probe oder einem Muster entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat.
ee) Zubehör, Verpackung, Montage- und Installationsanleitung nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 4
156b
Nach den objektiven Anforderungen an die Sache ist auch das Zubehör, dessen Erhalt der Käufer erwarten kann, zu übergeben. Bei der Bestimmung des Begriffs „Zubehör“ kann nicht auf § 97 zurückgegriffen werden. Der Begriff ist unionsrechtlich auszulegen und erfasst beispielsweise auch Betriebsanleitungen, welche im Einzelfall auch nur als digitale, zum Download bereitgestellte Datei, zur Verfügung gestellt werden.Brönneke/Föhlisch/Tonner, Das neue Schuldrecht, § 4 Rn. 31.
Der Gesetzestext verlangt sodann die Aushändigung der zu erwartenden Montage- und Installationsanleitungen sowie anderer Anleitungen. Andere Anleitungen können beispielsweise Betriebsanleitungen sein. Aber auch weitergehende Anleitungen, welche die Wartung oder die Entsorgung der Sache betreffen, gehören dazu.
Der hier anzulegende Verständnishorizont ist an solchen Kundenkreisen zu orientieren, die erkennbar derartige Produkte kaufen.
Mit der ausdrücklichen Regelung im Gesetz haben sich Streitigkeiten zur Frage, ob Bedienungsanleitungen von § 434 Abs. 2 S. 2 a.F. erfasst werden und wie das gänzliche Fehlen einer Montageanleitung zu behandeln ist, erledigt.Kirchfelder/Laubner JuS 2021, 919.
e) Montageanforderungen nach § 434 Abs.1, 4
157
Nach § 434 Abs. 4, welcher die Vorgaben von Art. 8 WKRL umsetzt, entspricht die Sache den Montageanforderungen, wenn die Montage gem. Nr. 1 sachgemäß durchgeführt worden ist. Nach Nr. 2 unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.
Ein Montagemangel im Sinne von § 434 Abs. 4 setzt voraus, dass der Verkäufer die Montage vertraglich übernommen hat. Die Montagepflicht ist dann (synallagmatische) Hauptleistungspflicht.
Unter Montage ist insbesondere der Zusammenbau einzelner vorgefertigter Teile zu einer funktionsfähigen Einheit zu verstehen. Der Begriff erfasst jedoch auch das Anbringen, Anschließen und Verbinden der Kaufsache mit anderen Gegenständen des Käufers. Zur Montage ist ferner auch die Installation von digitalen Inhalten (insbesondere Programmen/Treibern) zu rechnen, damit die Sache ihrem Zweck entsprechend genutzt werden kann. Der Gesetzgeber hat die in Art. 8 WKRL gleichwertig neben dem Begriff der Montage verwendete Begrifflichkeit der Installation nicht übernommen. Daher ist der Begriff der Montage richtlinienkonform weit auszulegen.Brönneke/Föhlisch/Tonner, Das neue Schuldrecht, § 4 Rn. 38 Macht die Montageverpflichtung des Verkäufers den Schwerpunkt des Vertrags aus, liegt ein Werkvertrag nahe.
158
Die Montage wurde unsachgemäß ausgeführt, wenn die montierte Sache bei Gefahrübergang und Abschluss der Montageleistung nicht der vertraglichen Vereinbarung entspricht, also wenn die Kaufsache nicht ordnungsgemäß und zweckentsprechend funktioniert.
Beispiel
K erwarb Hängeschränke bei V. Nach dem Anbringen an der Wand hängen die Schränke schief. 1. Hat V die Montageverpflichtung (vertraglich) übernommen und die Schränke selbst oder durch Dritte montieren lassen, liegt ein Mangel nach § 434 Abs. 4 vor, da eine unsachgemäße Montage i.S.d. Nr. 2 vorliegt. 2. Hat K die Schränke selbst installiert, hängt die Bewertung davon ab, ob die mangelhafte Installation auf einem Mangel der Anleitung beruht (sog. IKEA-Klausel).
Fehlt die Montageanleitung ganz, liegt bereits ein Mangel nach § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 vor.
Die Montageanleitung ist mangelhaft, wenn sie den ganz überwiegenden Teil der potenziellen Käufer nicht in die Lage versetzt, die Montage fehlerfrei durchzuführen. Ein Sachmangel liegt nach § 434 Abs. 4 Nr. 1 allerdings trotz mangelhafter Montageanleitung nicht vor, wenn die Montage dennoch fehlerfrei gelingt. Für die sachgemäße Durchführung der Montage trägt der Verkäufer die Beweislast.
Beispiel
K erwarb Hängeschränke bei V und montierte diese selbst entsprechend der Montageanleitung. Die Schränke hängen schief und ein Schrank wurde durch die Montage beschädigt. Ein Mangel nach § 434 Abs. 1, 4 liegt vor (s.o.). K kann im Rahmen der Nacherfüllung gem. § 439 Abs. 1 mindestens eine ordentliche Montageanleitung verlangen. Nach h.M. auch die Lieferung einer neuen Sache, hier Hängeschränken. Eine Neumontage durch den Verkäufer kann nur bei entsprechender ursprünglicher Montageverpflichtung angenommen werden.
Fällt der Schrank von der Wand und beschädigt den Boden, ist der Schaden (verschuldensabhängig) über §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 sowie die §§ 823 ff. dem Grunde nach ersatzfähig.
f) Aliud-Lieferung nach § 434 Abs. 5
164
Schließlich wird in § 434 Abs. 5 die Falschlieferung (aliud) dem Sachmangel (peius) gleichgestellt. Mit der Entscheidung, die Falschlieferung dem Sachmangel gleichzustellen, wollte der Gesetzgeber die nach altem Recht (insb. vor 2002) oft problematische Unterscheidung zwischen Nichterfüllung wegen Falschlieferung und Schlechtleistung beseitigen. Im Fall der Gattungsschuld führt die Lieferung einer anderen Sache (sog. Qualifikationsaliud) i.d.R. schon zu einem (echten) Mangel nach § 434 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 aufgrund der abweichenden „Art“ der Sache. § 434 Abs. 5 ist beim Gattungskauf praktisch nicht relevant. Aus der Gleichstellung folgt u.a., dass eine Falschlieferung der Rügeobliegenheit aus § 377 HGB unterfällt.
Hinweis
Im Ergebnis streitet man bei diesem Themenkreis um die Frage, ob die Lieferung einer anderen Sache von vornherein eine Nichtleistung (dann Primäranspruch) oder eine mangelhafte Leistung (dann Sekundärrechte) darstellt. Das ist u.a. für die Verjährung relevant (§ 438). Bei Betrachtung dieser Fragen gilt es auch zu berücksichtigen, dass dem Käufer ein Zurückweisungsrecht zusteht, er muss die andere Sache nicht annehmen und bewahrt sich so – sofern er will – seinen Primäranspruch. Relevanz hat der Streit demnach insb. im Fall der unbewussten (irrtümlichen) Annahme einer anderen Sache als Erfüllung. Hier muss man die Frage beantworten, ob dem Käufer zugemutet werden kann auf Gewährleistungsrechte beschränkt zu sein.
Gerade im Rahmen des Stückkaufs ist umstritten, ob § 434 Abs. 5 überhaupt Anwendung finden kann. Dies wurde vor 2002 generell verneint.
aa) Anwendbarkeit bei Stückschulden (sog. „Identitätsaliud)
166
Nach einer Auffassung soll bei Vereinbarung eines Stückkaufs die Lieferung einer damit nicht identischen Sache (sog. „Identitätsaliud“ oder „Identitätsabweichung“), im Wege der teleologischen Reduktion, vom Anwendungsbereich des § 434 Abs. 5 ausgenommen werden. Zur Begründung wird ausgeführt, die Lieferung eines Identitätsaliuds sei offensichtlich gar keine taugliche Erfüllung. Die Abgrenzungsschwierigkeiten, die § 434 Abs. 5 lösen wolle, bestünden hier nicht.
Dies ist nicht überzeugend. Dem Gesetzgeber war im Rahmen der Reform sowohl die Unterscheidung zwischen Gattungs- und Stückschuld als auch die soeben angedeutete Problematik bekannt. Die neu gefasste Vorschrift differenziert insoweit nicht. Auch bedarf der Käufer keines zusätzlichen Schutzes. Die §§ 434 ff. greifen nur, wenn das aliud vom Verkäufer in Erfüllung des Kaufvertrags (damit mit Tilgungswillen) geliefert und vom Käufer als Erfüllungsgegenstand i.S.d. § 363 angenommen wurde. So ist die Billigung (statt möglicher Zurückweisung, s.o.) der Leistung durch den Käufer ausreichend um die Geltung der Sekundärrechte zu rechtfertigen, auch dann, wenn die Annahme irrtumsbedingt war.MüKo-Maultzsch § 434 Rn. 89 – 90; Looschelders Schuldrecht BT § 3 Rn. 53; Brox/Walker Besonderes Schuldrecht § 4 Rn. 27a. Ob der Verkäufer mit Tilgungsbestimmung gehandelt hat ist aus Perspektive des Käufers gem. §§ 133, 157 zu beurteilen.Grüneberg-Weidenkaff § 434 Rn. 52; Lorenz JuS 2003, 36, 37.
So verstanden lassen sich auch krasse Abweichungen zwanglos unter § 434 Abs. 5 subsumieren. Die bloß erhebliche Abweichung vom Soll-Programm ist auch bei anderen Mangelkategorien kein Ausschlussgrund für die Annahme eines Mangels. Der Wortlaut der Norm sieht auch keine Ausnahme vor. Der Käufer ist gerade bei dieser Fallgruppe ausreichend durch sein Zurückweisungsrecht geschützt und kann die Abweichung eindeutig erkennen.
Beispiel
Liefert V dem K zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit aus dem Kaufvertrag ein Pferd anstatt einer Waschmaschine kann K die Leistung zurückweisen. Nimmt er diese an, so kann er sich auf die Gewährleistungsrechte berufen. Freilich wird in Fällen wie diesen stets kritisch zu prüfen sein, ob die andere Sache, aus Perspektive des Käufers, überhaupt eine Tilgungsbestimmung des V erkennen lässt.Siehe dazu im Skript „Schuldrecht AT I“ Rn. 167 ff.; Grüneberg-Weidenkaff § 434 Rn. 52 ff.
bb) Lieferung einer wertvolleren Sache
168
Hat der Verkäufer eine wertvollere Sache geliefert kann er – vorbehaltlich einer (stillschweigenden) Vertragsänderung – keinen höheren Kaufpreis verlangen. Für den Rückforderungsanspruch werden jedoch verschiedene Ansätze vertreten.
Beispiel
Statt des vergoldeten Rings gibt der Verkäufer (V) dem Käufer (K) den goldenen Ring.
Der goldene Ring wurde aus Perspektive des K zur Tilgung der Schuld aus dem Kaufvertrag geleistet und stellt damit ein aliud i.S.d. § 434 Abs. 5 dar, welches einem Mangel gleichgestellt wird. Macht K keine Mängelrechte geltend, kann V den Ring nach einer Ansicht aus § 439 Abs. 6 analog verlangen. Macht der Käufer seine Mängelrechte treuwidrig (§ 242) nicht geltend, ist nach dem Rechtsgedanken des § 162 die Anwendung von § 439 Abs. 6 analog gerechtfertigt.Brox/Walker Besonderes Schuldrecht § 4 Rn. 27b. Andere lösen die Konstellation über § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 indem der Kaufvertrag von vornherein nicht als Rechtsgrund für den goldenen Ring angesehen wird. Sieht man hierin einen Widerspruch zur Wertung aus § 434 Abs. 5, welcher den Inhalt des Schuldverhältnisses kraft Gesetzes modifiziertLooschelders Schuldrecht BT § 3 Rn. 52, indem er den goldenen Ring einem mangelhaften vergoldeten Ring rechtlich gleichstellt, muss die Anfechtung (hier: § 119 Abs. 2) der Tilgungsbestimmung bemüht werden. Sie schafft die Verbindung zwischen der Sachleistung und dem Kaufvertrag als Rechtsgrund.