Schuldrecht Besonderer Teil 1

Sachkauf gem. § 433

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2. Sachkauf gem. § 433

a) Hauptleistungspflichten

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Beim sog. „Sachkauf“ verpflichtet sich der Verkäufer, gegen Zahlung des Kaufpreises Besitz und Eigentum (oder nur Miteigentum) an einer Sache (§ 90) frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen (§ 433 Abs. 1). Die Primärleistungspflicht des Verkäufers umfasst also zwei Komponenten: die Verschaffung von Besitz und Eigentum (§ 433 Abs. 1 S. 1) einerseits und die Gewährleistung der Mangelfreiheit der Sache (§ 433 Abs. 1 S. 2) andererseits. Dabei soll die Gewährleistungspflicht des Verkäufers nicht ewig andauern. Der Verkäufer möchte sich – vorbehaltlich einer Garantie – nicht zu einer dauernden Instandhaltung verpflichten, sondern die Mängelfreiheit nur zu einem bestimmten Zeitpunkt gewährleisten. Der Kaufvertrag begründet kein DauerschuldverhältnisKaufverträge, die § 475a oder § 475b unterfallen, können dagegen Elemente von Dauerschuldverhältnissen aufweisen (Rn. 358s ff.). wie etwa die Miete (vgl. § 535 Abs. 1 S. 2). Maßgeblicher Zeitpunkt ist nach der Formulierung des § 433 Abs. 1 S. 2 spätestens der Moment, in dem der Verkäufer dem Käufer Eigentum und Besitz „verschafft“ hat. Hiervon werden gelegentlich Ausnahmen gemacht, welche wir uns später ansehen werden.

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Zur Herstellung der verkauften Sache ist der Verkäufer nicht verpflichtet. Soll er nach der Vereinbarung auch die Herstellung der Sache schulden, liegt kein Kauf-, sondern ein Werklieferungsvertrag i.S.d. § 650 vor (s.u. Rn. 366 ff.).

Hinweis

Daraus folgt, dass der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist. Ein Herstellerverschulden kann dem Verkäufer nicht über § 278 zugerechnet werden (Klausurklassiker!).

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Werden Tiere verkauft, finden die Vorschriften über den Sachkauf Anwendung. Denn nach § 90a S. 3 werden Tiere grundsätzlich wie Sachen behandelt. Bis auf § 477 Abs. 1 S. 2 sehen die §§ 433 ff. keine Sondervorschriften für Tiere vor.

b) Besondere Auslegungsfragen

aa) Bestimmung der verkauften Sache(n)/Stück- und Gattungsschuld

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Bei Vereinbarung eines Sachkaufes i.S.d. § 433 muss sich die verkaufte und damit vom Verkäufer geschuldete Sache als eines der „essentialia negotii“ des Kaufvertrages anhand der Vereinbarung eindeutig bestimmen lassen (Bestimmbarkeit).Siehe dazu im Skript „BGB AT I“ Rn. 251 ff.

Hinweis

Die nachfolgend dargestellte Problematik ist in der Klausur häufig (auch) im Zusammenhang mit der Nacherfüllung zu prüfen. Dort bei der Frage, ob Unmöglichkeit der Nacherfüllung vorliegt, dann gilt es regelmäßig auch zu klären, ob eine Neulieferung im Rahmen der Stückschuld überhaupt möglich ist.

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Die Parteien können als „verkaufte Sache“ ein ganz bestimmtes, individuelles Stück als Kaufobjekt festlegen. Man spricht dann von einer „Stückschuld“ oder einem „Stückkauf“.

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Die Kaufvertragspartner können alternativ auch abstraktere Merkmale festlegen, die als solche noch keine Individualisierung einer ganz bestimmten Sache erlauben. Dann soll dem Verkäufer die Auswahl überlassen bleiben, mit welchen Exemplaren er seine Pflicht aus dem Kaufvertrag erfüllen möchte. Entscheidend ist dann nur, dass die ausgewählte Sache den vereinbarten Merkmalen gerecht wird und auch im Übrigen mangelfrei (vgl. § 243 Abs. 1) ist. Wegen der Festlegung der Auswahlmerkmale liegt eine hinreichende Bestimmbarkeit des Kaufobjekts vor. Es handelt sich dann um eine Gattungsschuld“ oder einen „Gattungskauf“. Wird die Leistungsverpflichtung des Verkäufers auf seinen Vorrat – z.B. Lagerbestand – beschränkt, liegt eine sog. „beschränkte Gattungsschuld“ in Form einer „Vorratsschuld“ vor.

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Die Vereinbarungen der Parteien sind nicht immer eindeutig. Manchmal lassen sich die Äußerungen sowohl als Vereinbarung einer Stück- wie einer Gattungsschuld auffassen. Das ist immer dann der Fall, wenn die Auswahl eines konkreten Stücks bei Vertragsschluss auch als exemplarische Beschreibung einer Gattung verstanden werden könnte und dem konkreten Stück lediglich die Funktion eines Musters zur Beschreibung der geschuldeten Gattung zukommen soll.

Entscheidend ist – wie immer – das redliche Verständnis der Äußerungen der am Vertragsschluss beteiligten Personen, §§ 133, 157. Fraglich ist, welche Auslegung im Zweifel den Vorzug verdient und mit welchen Kriterien sich eine Vermutung für eine Stück- bzw. Gattungsschuld begründen lässt.

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Geht es dem Verkäufer ersichtlich nur um die Abgabe des konkret ausgewählten Stücks, etwa weil er erkennbar kein sonstiges Stück besitzt oder die restlichen Stücke ausdrücklich zurückbehalten möchte, liegt eine Stückschuld vor.

So z.B. Gsell JuS 2007, 97, 98 Fn. 17; Tiedtke/Schmitt JuS 2005, 583, 585 unter Ziff. III 1. Der Verkäufer macht hier deutlich, nur das bei Vertragsschluss ausgewählte und kein anderes Stück beschaffen zu wollen.

Beispiel

Der Verbraucher V verkauft dem K seinen einzigen, gebrauchten Pkw.

Beispiel

Weinhändler V verkauft dem K wegen Räumung seines Ladenlokals seine gesamten Lagerbestände der Weinsorte X.

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Entsprechendes gilt für den Fall, dass der Käufer deutlich macht, sich aus bestimmten Gründen bewusst für das konkrete Exemplar entschieden zu haben. Dann sind die „Zweifel“, welchem Auslegungsergebnis der Vorzug zu geben ist, zugunsten der Stückschuld ausgeräumt.

Beispiel

Computerhändler V präsentiert von jedem seiner vorrätigen Laptops jeweils ein Modell im Laden. Kunde K möchte ein präsentes Exemplar kaufen und sofort mitnehmen. Er teilt mit, er habe keine Zeit und wolle nicht warten, bis V ein anderes Exemplar desselben Typs aus dem Lager beschafft hat.

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Eine bewusste Auswahlentscheidung des Käufers wird man redlicherweise auch bei unvertretbaren Sachen annehmen müssen. Das sind neben Grundstücken solche beweglichen Sachen, die vom Verkehr im Gegensatz zu den vertretbaren Sachen i.S.d. § 91 auch durch individuelle Merkmale unterschieden werden. Hier liegt wegen der Individualität des Stücks die Annahme fern, das Stück diene bloß als Muster für die Beschreibung einer Gattung.

Beispiel

BGH NJW 2006, 2839
K entscheidet sich beim Gebrauchtwagenhändler V nach Beratung und Probefahrt für einen von mehreren gebrauchten Jahreswagen desselben Modells mit vergleichbarer Laufleistung und Ausstattung. Hier unterscheidet sich jeder Wagen durch seinen individuellen Abnutzungsgrad, der von der Nutzungs- und Pflegeintensität der früheren Nutzer abhängt.BGH NJW 2006, 2839, 2841; Bitter ZIP 2007, 1881, 1882.

Beispiel

K entscheidet sich beim Galeristen V nach eingehender Besichtigung für das Gemälde mit dem Titel „ICH“ aus der Trilogie „ICH – DU – WIR“ des Malers M. K will hier erkennbar das Bild „ICH“ und nicht „eines der drei Bilder“ aus dieser Trilogie erwerben.

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Beim Kauf einer „vertretbaren Sache“ wird vertreten, es sei im Zweifel eine (ggf. auf den Vorrat des Verkäufers beschränkte) Gattungsschuld vereinbart.Tiedtke/Schmitt JuS 2005, 583, 585; Grüneberg-Grüneberg § 243 Rn. 2 („in der Regel“); a.A. bspw. Bitter/Meidt ZIP 2001, 2114, 2119. „Vertretbar“ ist eine bewegliche„Vertretbare“ Grundstücke gibt es nicht! Sache nach § 91, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht und nicht durch individuelle Merkmale bestimmt wird.

Beispiel

K geht zum Lebensmitteldiscounter V und entnimmt einem Karton mit 40 Mehlpackungen eine Packung. Diese Mehlpackung legt er an der Kasse vor. Die Kassiererin zieht die Packung über den Scanner und verlangt den Kaufpreis. Haben die Parteien jetzt einen Kaufvertrag nur über diese, an der Kasse vorgelegte Mehlpackung geschlossen (Stückschuld) oder sollte die vorgelegte Packung lediglich exemplarisch die geschuldete Gattung beschreiben (Gattungskauf)?

 

Der Schluss auf die Vereinbarung eines Gattungskaufes – meist in der Form einer Vorratsschuld – rechtfertigt sich daraus, dass vertretbare Sachen ohne weiteres untereinander austauschbar sind und der Verkäufer deshalb redlicherweise nicht davon ausgehen kann, es komme dem Käufer ausgerechnet auf das zufällig ausgesonderte Stück an. Im Beispiel ist aufgrund Vertretbarkeit der vorgelegten Mehlpackung und der Gesamtumstände davon auszugehen, dass die Auswahlentscheidung des K letztlich vom Zufall geprägt war und er dem Vorrat des Verkäufers ebenso gut eine andere Verpackung hätte entnehmen können. Allerdings musste K davon ausgehen, dass dem V nur an einer Leistung aus seinem Vorrat gelegen ist, um keine zusätzlichen Beschaffungskosten zu haben. Damit haben die Parteien eine auf den Vorrat des V beschränkte Gattungsschuld vereinbart.

Diese Ansicht bedeutet keineswegs, dass es keine Stückschuld über vertretbare Sachen geben kann. Kann etwa der Käufer erkennen, dass der Verkäufer nur dieses eine (vertretbare) Stück vorrätig hat und ihm deshalb bei Vertragsschluss nur dieses Stück verschaffen kann und will, liegt eine Stückschuld vor. Eine Stückschuld liegt außerdem trotz Vertretbarkeit der Sache vor, wenn der Käufer – wie im Laptopfall oben – seine Auswahl erkennbar bewusst aus besonderen Gründen getroffen hat.

Fazit:

Die hier vorgestellte Ansicht unternimmt methodisch nichts anderes, als den Parteiwillen vom Standpunkt eines redlichen Empfängers unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und Treu und Glauben nach §§ 133, 157, 242 zu ermitteln. Verborgen gebliebene Auswahlkriterien einer Partei können – wie immer – bei der Auslegung vom jeweiligen normativen Empfängerhorizont mangels Erkennbarkeit keine Berücksichtigung finden.

bb) Erstreckung auf wesentliche Bestandteile/Zubehör

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Expertentipp

Lesen Sie im Gesetz die §§ 93 ff., 311c, 926 parallel mit!

Da an einem wesentlichen Bestandteil gem. § 93 keine besonderen dinglichen Rechte bestehen können (sog. Sonderrechtsfähigkeit), wäre der Kaufvertrag auf eine unmögliche Leistung gerichtet, wenn er gem. § 433 Abs. 1 S. 1 nur zur Übereignung der verkauften Sache ohne ihre wesentlichen Bestandteile verpflichtete.BGHZ 104, 298 ff.; Grüneberg-Ellenberger § 93 Rn. 4. Da die Vereinbarung einer unmöglichen Leistung dem Parteiwillen im Zweifel nicht entspricht, ist regelmäßig von einer Verpflichtung zur Übereignung auch der wesentlichen Bestandteile auszugehen.

Beispiel

Wird ein Grundstück verkauft, auf dem sich ein Haus befindet, sind auch das Haus und die zu seiner Herstellung eingefügten Sachen Gegenstand des Kaufvertrages (vgl. § 94).

Hinweis

Schließen die Parteien ausdrücklich einen Kaufvertrag, wonach bestimmte wesentliche Bestandteile beim Verkäufer verbleiben sollen, kann die Abrede im Wege der Auslegung als Einräumung von Wegnahme- und Aneignungsrechten an den wesentlichen Bestandteilen verstanden werden.Grüneberg-Ellenberger § 93 Rn. 4.

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Eine Auslegungshilfe bietet die – nicht nur auf Kaufverträge anwendbare! – Vermutungsregel des § 311c, wonach sich die Verpflichtung zur Veräußerung einer Sache „im Zweifel“ auch auf dessen Zubehör (vgl. §§ 97, 98) erstrecken soll.

Beispiel

BGH NJW 2006, 993
Wer ein Grundstück mit einem Gartenlokal verkauft, ist im Zweifel auch verpflichtet, das dem dauernden Betrieb des Gartenlokals dienende Inventar (Küche, Schankanlage, Einrichtung etc.) zu übereignen.

cc) Verkauf noch nicht existierender Sachen

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Es ist denkbar, dass der verkaufte Gegenstand bei Abschluss des Kaufvertrages noch gar nicht existiert.

Beispiel

Züchter V „verkauft“ dem K sämtliche Welpen des nächsten Wurfes seiner Hündin Zora.

Beispiel

Händler V „verkauft“ dem K einen Pkw, der erst noch vom Hersteller H hergestellt und von V beschafft werden muss.

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Im Beispiel 1 und 2 schließen die Parteien einen Kaufvertrag über eine künftige Sache (bzw. Tier, vgl. § 90a S. 3). Hier kommen mehrere Varianten in Betracht:

Soll der Vertragspartner eine Sache selber erzeugen oder durch Erfüllungsgehilfen erzeugen lassen, liegt ein Werklieferungsvertrag i.S.d. § 650 vor. Im Beispiel 1 ist daher ein Werklieferungsvertrag i.S.d. § 650 anzunehmen.Grüneberg-Sprau § 650 Rn. 2.

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Verspricht der Vertragspartner keine persönliche Herstellung, schuldet er nur die Übereignung und Übergabe der zukünftig hergestellten Sache. Im Beispiel 2 liegt daher ein Kaufvertrag vor. Dem Umstand, dass der Verkäufer bei Vertragsschluss noch nicht liefern kann, tragen die Vertragspartner (ausdrücklich oder konkludent) durch Vereinbarung einer aufschiebenden (mögliche und erfolgreiche Herstellung) oder auflösenden (gescheiterte Herstellung) Bedingung bzw. einem Rücktrittsvorbehalt Rechnung.Grüneberg-Weidenkaff § 433 Rn. 6. Welche Variante einschlägig ist, ist eine Sache der Auslegung im Einzelfall (§§ 133, 157).

Expertentipp

Deswegen müssen Sie gedanklich erst die aufschiebende Bedingung prüfen und dürfen erst dann die anfängliche Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 bearbeiten – siehe Rn. 56 ff.

c) Wichtige Varianten des Sachkaufes

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Die folgenden Varianten des Sachkaufs spielen in der Praxis eine herausragende Rolle. Diese Typen werden in Klausuren oft miteinander kombiniert. Nachfolgend wollen wir uns den Kauf mit Montageverpflichtung und den (Ver-)kauf unter Eigentumsvorbehalt genauer ansehen. Den Verbrauchsgüterkauf, dem im Examen eine herausragende Bedeutung zukommt, werden wir uns nach der Darstellung des allgemeinen Teils des Kaufrechts umfassend ansehen.

 

aa) Kauf mit Montageverpflichtung

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Der Verkäufer verpflichtet sich häufig zur Montage der verkauften Sache. Hier werden die Verkäuferpflichten um eine Werkleistung i.S.d. § 631 Abs. 2 erweitert. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, nun einen Werkvertrag, Werklieferungsvertrag oder typengemischten Vertrag annehmen zu müssen. Wie sich aus § 434 Abs. 4 und § 474 Abs. 1 S. 2 ergibt, führt eine Montageverpflichtung nicht automatisch dazu, dass der Vertrag deswegen nun ganz oder teilweise dem Werkvertragsrecht zu unterstellen ist. Solange es sich bei der Montage um eine untergeordnete Nebenleistungspflicht handelt, unterliegt der Vertrag einheitlich den kaufrechtlichen Regelungen. Entscheidend für die rechtliche Einordnung als Kaufvertrag, Werk(lieferungs)vertrag oder typengemischter Vertrag ist, auf welcher der beiden Leistungsteile (Lieferung, Montage) der Schwerpunkt liegt (sog. Schwerpunkttheorie).BGH NJW-RR 2019, 1069 (1070) (m.w.Nachw.). Dabei ist vor allem auf die Art des zu liefernden Gegenstandes, das Wertverhältnis von Lieferung und Montage sowie auf die Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses abzustellen. Je mehr die Übertragung von Eigentum und Besitz auf den Kunden im Vordergrund steht und je weniger die individuellen Anforderungen des Kunden und die geschuldete Montageleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrages (mit Montageverpflichtung) geboten.BGH NJW-RR 2004, 850; BGH NJW 1998, 3197, 3198. Aber: Die Zuordnung bleibt eine Frage des Einzelfalls! Das Wertverhältnis stellt (nur) ein gewichtiges Indiz dar. Folgt aus anderen Gründen, dass die bestellte Sache nach den Wünschen des Bestellers eine individuell gestaltete und maßgefertigte Sache sein soll, ist ein Werkvertrag anzunehmen.

Beispiel

BGH NJW RR 2004, 850

A verpflichtet sich gegenüber B zur Lieferung und Montage einer Solaranlage zur Warmwasserversorgung des Wohnhauses von B. Der Gesamtpreis betrug 5.000 €. B zahlt nur 4.500 € und verweigert wegen behaupteter Mängel die Abnahme der Montage und die Restzahlung. A klagt auf Zahlung des von B noch nicht gezahlten Restbetrages. B meint, die Klage scheitere an fehlender Abnahme und Abnahmereife (§§ 640, 641).

Auf die Abnahme kommt es nur an, wenn auf den Vertrag Werkvertragsrecht Anwendung findet. Der BGH bejahte einen Kaufvertrag (und lehnte damit Werkvertragsrecht ab), indem er auf folgende Falldetails abstellte: Die Solaranlage bestand aus serienmäßig hergestellten und typmäßig bezeichneten Teilen nebst Zubehör, welche A seinerseits von einem Zulieferer einkauft. Die Einzelteile konnten ohne weiteres wieder demontiert und anderweitig verwendet werden. Laut Angebot des A entfielen nur ca. 25 % des Gesamtpreises auf die Montage einschl. Inbetriebnahme und Nachkontrolle. So auch BGH NJW – RR 2019, 1069 für einen Kachelofenbausatz oder OLG Saarbrücken RÜ 2024, 670 für den Einbau eines serienmäßig produzierten und typisierten Batterieschpeichers.

Beispiel

BGH IBR 2013, 593

Einen Werkvertrag bejahte der BGH hingegen bei der Verpflichtung zur Verlegung eines Parkettfußbodens.BGH IBR 2013, 593. Im Vordergrund steht hier nach Ansicht des BGH nicht die Übertragung von Eigentum und Besitz an dem zu verlegenden Holz, sondern die mangelfreie Handwerkerleistung zur Herstellung des Parkettbodens insgesamt, insbesondere die fachgerechte Vorbereitung des Untergrundes, Zuschnitt der Holzbauteile und deren Befestigung.Ebenso bei Lieferung und Verlegung eines Teppichfußbodens, BGH a.a.O. mit Verweis auf BGH NJW 1991, 2486. So auch beim Einbau eines, an die individuellen Wohnverhältnisse des Kunden angepassten, Treppenlifts.BGH JuS 2022, 359.

Beispiel

OLG München NJW – Spezial 2023, 589

A vereinbarte mit Unternehmer B die Lieferung und Montage einer Einbauküche. Der Anteil der Vergütung für die Montageleistung betrug 7,2 % des vereinbarten Gesamtpreises. Entsprechend der Rechtsprechung des BGHBGH, IBR 2018, 512. stellte das OLG auf die untergeordnete Bedeutung der Montageleistung ab und nahm einen Kaufvertrag an. Anders dann, wenn die individuelle Planung und Erstellung sowie der Einbau im Vordergrund stehen.Hier ordnete das OLG Zweibrücken den Einbau einer individuell geplanten Küche durch Mitarbeiter eines Küchenstudios, im Rahmen der Neuerrichtung eines Einfamilienhauses, als gemischten Vertrag mit bauvertraglichem Schwerpunkt ein; vgl. NJW-RR 2024, 1477 (1478).

Hinweis

Die Abgrenzung ist in mehrfacher Hinsicht relevant. Nur beim Werkvertrag kommt es auf die Abnahme an. Damit ist die Abgrenzung für die Frage der Fälligkeit der Gegenleistung und die Verjährung relevant. Auch kommt eine fiktive Abrechnung der Mängelbeseitigungskosten beim Werkvertrag nicht in Betracht. § 366 HGB findet nur für die kaufrechtlichen Regelungen Anwendung.

 

bb) Kauf unter Eigentumsvorbehalt (§ 449)

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Hat sich der Verkäufer einer beweglichen SacheBeim Immobilienkauf kann es wegen § 925 Abs. 2 keinen Eigentumsvorbehalt geben! Hier kann der Verkäufer seinen Kaufpreisanspruch durch die Hypothek (§§ 1113 ff.) oder Grundschuld (§§ 1191 ff.) absichern. das Eigentum bis zur Zahlung des Kaufpreises vorbehalten, ist nach der Auslegungsregel des § 449 Abs. 1 im Zweifel anzunehmen, dass das Eigentum unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung übertragen wird. Die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts ist im Zweifel also nicht so zu verstehen, dass der Kaufvertrag als schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft, sondern nur das Verfügungsgeschäft nach §§ 929 ff. unter einer aufschiebenden Bedingung erfolgt. Der – unbedingte – Kaufvertrag verpflichtet den Verkäufer zunächst zur Verschaffung eines (mangelfreien) Anwartschaftsrechts durch aufschiebend bedingte Einigung und Übergabe bzw. Übergabesurrogat nach §§ 929 ff. mit § 158 Abs. 1.Grüneberg-Weidenkaff § 449 Rn. 8. Nach herrschender Meinung bleibt es aber auch beim Verkauf unter Eigentumsvorbehalt dabei, dass vollständige Erfüllung erst eintritt, wenn der Käufer durch Bedingungseintritt mangelfreies Eigentum erlangt hat.Grüneberg-Weidenkaff § 449 Rn. 8 f. Die Leistungspflicht des Verkäufers ist also durch die Verschaffung eines mangelfreien Anwartschaftsrechts noch nicht vollständig erfüllt, sondern dauert bis zum Vollrechtserwerb fort. Die Verschaffungspflicht des Verkäufers reduziert sich nach Übertragung eines Anwartschaftsrechts jedoch auf ein Unterlassen solcher Maßnahmen, die den Erwerb mangelfreien Eigentums gefährden können.Grüneberg-Weidenkaff § 449 Rn. 8 f. Hinsichtlich der zu gewährenden Mängelfreiheit kann noch aktives Tun erforderlich sein: Bei Gefahrübergang bestehende Sachmängel (s. dazu Rn. 146 ff.) und bis zum Bedingungseintritt auftretende Rechtsmängel (s. dazu Rn. 172 ff.) sind noch zu beseitigen.

Expertentipp

In der Klausurbearbeitung müssen Sie bei der Erörterung von § 449 stets ganz sauber auf Ihre Formulierungen achten. Hier droht Gefahr, die Verpflichtungs- von der Verfügungsebene nicht sauber zu trennen. Machen Sie sich daher klar: Die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts auf schuldrechtlicher Ebene hat zwei Funktionen:

1. Sie konkretisiert die Pflichten des Verkäufers.

2. Sie erlaubt – im Rahmen der Auslegung – einen Rückschluss auf die, i.d.R. nicht ausdrücklich ausgetauschten Willenserklärungen auf dinglicher Ebene. Im Zweifel ist die Übereignung aufschiebend bedingt, gem. §§ 929 ff., 158 Abs. 1 BGB, erfolgt.    

Unsaubere Formulierungen können in der Klausur bittere Punktabzüge nach sich ziehen!

Hinweis

Der Eigentumsvorbehalt dient dem Schutz des Verkäufers. Ohne einen solchen läuft er Gefahr, dass andere Gläubiger des Käufers im Rahmen eines Insolvenzverfahrens oder im Rahmen einer (Einzel)Zwangsvollstreckung auf die Kaufsache zugreifen. Zudem kann der Käufer das Eigentum nicht als Berechtigter weiterveräußern.  

Expertentipp

 Wiederholen Sie an dieser Stelle die wichtigsten Varianten zum Eigentumsvorbehalt.

Neben dem einfachen Eigentumsvorbehalt kommen zur Sicherung des Kaufpreisanspruchs auch der erweiterte und der verlängerte Eigentumsvorbehalt in Betracht. Diese Varianten werden im Skript Sachenrecht III ab Rn. 210 vorgestellt

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