Die Arbeitnehmerin N ist seit 18 Jahren bei dem Einzelhandelsunternehmen G beschäftigt; zuletzt als stellvertretende Filialleiterin. Die G ließ mit Zustimmung des Betriebsrates Ende des Jahres 2008 für eine Dauer von 22 Tagen verdeckte Videokameras in den Verkaufsräumen der Filiale, in der die N tätig war, installieren. Dabei wurde in zwei Fällen dokumentiert, wie die N Zigaretten entwendete. Nach Anhörung des Betriebsrates kündigte G der N ordentlich zum nächsten zulässigen Termin. Das Kündigungsschreiben ging N am 23.01.2009 zu. Hiergegen erhob die N fristgerecht Kündigungsschutzklage.
Ist das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wirksam beendet worden?
Das Arbeitsverhältnis wird gemäß § 620 Abs.2 BGB durch Kündigung beendet. Ein entsprechendes Kündigungsschreiben in Schriftform, §§ 623 BGB, 126 Abs.1 BGB, liegt vor. Die Wirksamkeit der Kündigung ist nicht schon gemäß §§ 7, 4 Abs.1 S.1 KSchG zu vermuten, da N fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben hat. Der Betriebsrat wurde gemäß § 102 BetrVG vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört. Auch wurde die Kündigungsfrist eingehalten.
Die N könnte hier jedoch dem Kündigungsschutz nach dem KSchG unterfallen. Dazu müsste das KSchG in persönlicher und und sachlicher Hinsicht anwendbar sein. N ist seit 18 Jahren bei G beschäftigt und unterfällt somit nach § 1 Abs.1 KSchG dem persönlichen Anwendungsbereich des KSchG. Von der sachlichen Anwendbarkeit gemäß § 23 Abs.1 S.1 KSchG ist auszugehen.
Damit wäre gemäß § 1 Abs.1 KSchG die Kündigung nur wirksam, sofern sie sozial gerechtfertigt ist. Dies setzt gemäß § 1 Abs.2 KSchG das Bestehen eines die Kündigung rechtfertigenden Grundes voraus. In Betracht kommt hier eine verhaltensbedingte Kündigung. Eine solche erfordert eine schuldhafte Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten, durch die es zu konkreten Störungen im Arbeitsverhältnis kommt, sodass eine störungsfreie Vertragserfüllung zukünftig auf Dauer nicht mehr zu erwarten ist. Weiterhin muss die Kündigung das „ultima ratio“ sein, das heißt es darf kein milderes Mittel als die ordentliche Kündigung in Betracht kommen.
Die Klägerin müsste hier also vorsätzlich gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen haben. Nach § 241 Abs.2 BGB resultiert aus dem Arbeitsverhältnis die Nebenpflicht, auf die Rechte und Rechtsgüter des anderen Teils Rücksicht zu nehmen. Dazu gehören auch die Vermögensinteressen der Beklagten. Indem die Klägerin Zigaretten entwendete, die im Eigentum der Beklagten standen, hat sie diese Pflicht verletzt. Im Einklang mit § 1 Abs.2 S.4 KSchG hat jedoch stets der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung rechtfertigen. Der Beweis könnte hier durch die Videoaufnahmen erfolgt sein, die die Pflichtenverstöße der Arbeitnehmerin dokumentieren. Dies setzt allerdings voraus, dass die Videoaufnahmen im Prozess verwendet werden dürfen. Dem könnte ein Beweisverwertungsverbot entgegenstehen.
Ein solches könnte sich aus einer Verletzung des Rechts am eigenen Bilds der Arbeitnehmerin ergeben. Das Recht am eigenen Bild ist eine besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs.1 iVm Art. 1 Abs.1 GG. Es gibt dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden, ob und in welchem Zusammenhang Bilder von ihm veröffentlicht oder verbreitet werden. Durch das Anfertigen der heimlichen Videoaufnahmen wurde in dieses Recht eingegriffen. Der Eingriff könnte jedoch durch schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Dabei muss im Rahmen einer Güterabwägung ermittelt werden, inwieweit den Arbeitgeberinteressen hier Vorrang einzuräumen ist. Dem Interesse des Arbeitgebers kommt nur dann ein höheres Gewicht zu, sofern die heimliche Videoüberwachung insgesamt zulässig war.
Die Videoaufnahmen könnten bereits wegen einer Verletzung des § 6 b Abs.2 BDSG unzulässig sein. § 6 b Abs.2 BDSG verlangt für Videoaufnahmen in öffentlich zugänglichen Räumen – unter die auch öffentliche Verkaufsräume zu fassen sind – eine Kenntlichmachung der Beobachtung sowie der hierfür verantwortlichen Stelle. Das BAG führt insofern jedoch aus, dass weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung zu § 6 b Abs. 2 BGSG zu schlussfolgern wäre, dass die Kennzeichnung eine Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Videoaüberwachung darstellt. Ganz im Gegenteil: ein absolutes Verbot der verdeckten Videoüberwachung würde im Hinblick auf die durch Art. 12 Abs.1, 14 Abs.1 GG geschützten Interessen des Arbeitnehmers schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen. Vielmehr müsse durch eine Interessenabwägung der betroffenen Grundrechtspositionen im Einzelfall bestimmt werden, inwieweit eine verdeckte Überwachungsmaßnahme noch zulässig sei.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BAG ist von einer Zulässigkeit einer verdeckten Videoüberwachung nur auszugehen, „wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.“ Der Verdacht müsse sich gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richten. Er dürfe sich nicht auf auf die bloß allgemeine Mutmaßung beschränken, es könnten Straftaten begangen werden; andererseits müsse er sich nicht notwendig nur gegen einen einzelnen Arbeitnehmer richten. Die Videoüberwachung werde hingegen nicht schon allein deshalb zulässig, da der Betriebsrat der Maßnahme zugestimmt habe. Im zu entscheidenden Fall genügten die Ausführungen der Vorinstanz, insbesondere hinsichtlich des konkreten Verdachts eines strafbaren Handlung, diesen Anforderungen nicht. Daher verwies das BAG die Sache an das LG zurück.
Mehr über Wirksamkeit ordentlicher Kündigungen ist in unserem GuKO ZR VII Arbeitsrecht zu finden; und natürlich auch dem entsprechenden ExO. Einen Einblick in das Probeskript gibt es hier.