Am Montag, 22. Juni 2020, hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Prof. Stephan Harbarth, bisher Vizepräsident und Vorsitzender des Ersten Senats, zum neuen Präsidenten des BVerfG ernannt. Gleichzeitig entließ er den alten Präsidenten Prof. Andreas Voßkuhle. Dieser war seit 2008 in Karlsruhe beim BVerfG als Richter tätig, die letzten zehn Jahre fungierte er als dessen Präsident. Prof. Harbarth war am 19. Juni vom Bundesrat zum Präsidenten des BVerfG gewählt worden.
Die Aufgaben und Zuständigkeiten des BVerfG sind in Art. 93 Abs. 1 GG aufgezählt, unter dessen Nr. 5 fallen z.B. die Überprüfung einer Wahlprüfung nach Art. 41 Abs. 2 GG oder Parteiverbotsverfahren gem. Art. 21 GG. Das BVerfG hat nach Art. 94 Abs. 2 GG eine eigene Verfassung, das Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG). Hierin finden sich insbesondere Konkretisierungen der Vorgaben in Art. 93 GG zu den Verfahren vor dem BVerfG (vgl. § 13 BVerfGG).
Das BVerfG ist das höchste innerstaatliche Gericht. Es ist Teil der Rechtsprechung, geregelt in Kapitel IX des GG, und ein oberstes Bundesorgan. Der Präsident dieses Verfassungsorgans ist gemäß der protokollarischen Rangordnung „fünfter Mann im Staate“. Es besteht aus zwei Senaten mit je acht Richter/innen (§ 2 Abs. 1 und 2 BVerfGG). Die Voraussetzungen sind in § 3 BVerfGG geregelt: Wählbarkeit zum Bundestag, Befähigung zum Richteramt, mindestens 40 Jahre alt. Andere Posten oder Berufe, außer der Lehrtätigkeit, sind nach Abs. 3 und 4 ausgeschlossen. Die einmalige Amtszeit ist auf zwölf Jahre begrenzt, es gilt eine Altersgrenze von 68 Jahren (§ 4 BVerfGG). Drei Richter jedes Senats werden aus den Angehörigen der obersten Gerichtshöfe des Bundes rekrutiert (§ 3 Abs. 3 BVerfGG). Dadurch sind immer Personen mit richterlicher Erfahrung vorhanden.
Nach Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG, § 5 BVerfGG werden die Mitglieder des BVerfG je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt, in beiden Fällen ist eine 2/3 Mehrheit notwendig (§ 6 Abs. 1 S. 2 und § 7 BVerfGG). Die Präsidentenwahl erfolgt gemäß § 9 BVerfGG im Wechsel zwischen Bundestag und Bundesrat, so war jetzt der Bundesrat an der Reihe und bestimmte Harbarth einstimmig zum neuen Präsidenten. Neue Vizepräsidentin und Vorsitzende des Zweiten Senats wird Prof.in König, bislang Richterin des Zweiten Senats. Präsident und Vizepräsident müssen verschiedenen Senaten angehören. Ebenfalls einstimmig wählte der Bundesrat Prof.in Astrid Wallrabenstein zur Nachfolgerin Voßkuhles als Richterin im Zweiten Senat. Wallrabenstein ist 51 Jahre alt und hat derzeit eine Professur für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität Frankfurt am Main inne. Im zweiten Senat gibt es somit erstmals mehr Richterinnen als Richter.
Die Ernennung erfolgte durch den Bundespräsidenten gem. § 10 BVerfGG, dieser entließ gleichzeitig Voßkuhle und verlieh ihm das Bundesverdienstkreuz. Harbarth ist nicht unumstritten: Der 48-jährige gilt als herausragender Jurist, machte seine Abschlüsse in Heidelberg und Yale, ist Honorarprofessor an der Juristischen Fakultät der Uni Heidelberg. Aber: Als er vom Bundestag ans Bundesverfassungsgericht gewählt wurde war er CDU-Politiker und saß für diese im Bundestag, seit 2016 als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU. So befindet er nun als Richter über Gesetze, die er als Politiker mit auf den Weg gebracht hat. Zudem war er lange als Wirtschaftsanwalt tätig, vertrat z.B. VW im Prozeß um Dieselgrenzwerte.
Auch auf eine weitere Neubesetzung konnten sich die SPD-geführten Bundesländer einigen: Prof.in Ines Härtel von der Viadrina-Uni tritt am Bundesverfassungsgericht die Nachfolge des ausscheidenden Richters Johannes Masing an. Der Bundesrat wählte sie am 3. Juli 2020 einstimmig, sie wird zuständig für Meinungsfreiheit, Persönlichkeitsrechte und Datenschutz. Die am 10. Juli 2020 ernannte Prof.in Härtel ist die erste ostdeutsche Richterin am höchsten deutschen Gericht.