Handels- und Gesellschaftsrecht

Haftung bei Firmenfortführung durch den Erben, § 27 HGB

b) Haftung bei Firmenfortführung durch den Erben, § 27 HGB

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aa) Voraussetzungen

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Prüfungsschema

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Wie prüft man: Haftungsvoraussetzungen nach § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB

I.

Kaufmännisches Handelsgewerbe

 

II.

Erwerb von Todes wegen

 

III.

Fortführung des Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma

 

 

 

Firmenaufgabe innerhalb Dreimonatsfrist

Rn. 83

IV.

Durch den oder die Erben

 

V.

Betriebszugehörigkeit der Verbindlichkeit

 

VI.

Keine abweichende Vereinbarung

 

 

 

Bezugnahme auf § 25 Abs. 2 HGB

Rn. 82

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Der Übergang des Handelsgeschäfts im Erbfall richtet sich zunächst nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen: Es geht im Erbfall als Teil des Gesamtvermögens des Erblassers nach dem Grundsatz der Universalsukzession gemäß § 1922 BGB auf den oder die Erben über. Der Erbe erwirbt daher sämtliche unternehmensbezogenen Forderungen und Schulden bereits nach allgemeinen BGB-Grundsätzen.

§ 27 HGB ergänzt die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften zum Erbrecht für handelsrechtliche Bedürfnisse. Der Erbe haftet gemäß § 1967 BGB für alle Schulden des Erblassers unbeschränkt mit seinem Vermögen, so dass § 27 HGB keine eigene Anspruchsgrundlage darstellt, sondern weitere erbrechtliche Möglichkeiten der Haftungsbegrenzung begründet.

Erbrechtlich kann die Haftung dadurch beschränkt werden, dass Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz beantragt werden, §§ 1975 ff. BGB. Darüber hinaus kann der Erbe nach § 1990 BGB die Dürftigkeitseinrede erheben.

Handelsrechtlich eröffnet ihm § 27 Abs. 2 S. 1 HGB darüber hinaus die Möglichkeit, die Fortführung des Geschäfts vor dem Ablauf von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in welchem er von dem Anfall der Erbschaft Kenntnis erlangt hat, einzustellen, d.h. die werbende Tätigkeit völlig aufzugeben, ohne dass ein Fall der Firmenfortführung angenommen wird. Gleiches gilt, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erblassers eröffnet wird oder das Unternehmen veräußert oder verpachtet wird. Für die Firmenänderung gelten die gleichen Grundsätze wie für die Geschäftseinstellung.

§ 27 HGB gilt nicht für den Vermächtnisnehmer, da das Vermächtnis lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses gewährt, jedoch keinen unmittelbaren Rechtserwerb zur Folge hat. Für den Vermächtnisnehmer gilt daher § 25 HGB. § 27 HGB gilt jeweils unabhängig voneinander aber für den Vor- und Nacherben.

Nach § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB haftet der Erbe den Geschäftsgläubigern unbeschränkt und ohne die nach dem BGB gegebenen Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen, für die im Einzelnen die zu § 25 Abs. 1 S. 1 HGB dargestellten Grundsätze gelten:

Fortführung des Handelsgeschäfts,

durch den oder die Erben

unter Fortführung der Firma mit oder ohne Nachfolgezusatz,

Betriebszugehörigkeit der Verbindlichkeit.

Grund für diese unbeschränkbare Haftung ist die Firmenfortführung, in der eine Mitteilung über die Schuldübernahme liegen soll. Die unbeschränkte Haftung trifft den Erben im Übrigen auch dann, wenn er die Firma zwar nicht fortführt, aber die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise bekannt gemacht hat oder sonst ein Verpflichtungsgrund vorliegt, § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 3 HGB.

bb) Dreimonatsfrist des § 27 Abs. 2 HGB

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Expertentipp

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Vergleichen Sie § 27 Abs. 2 HGB und die Regelung des Beginns der Dreimonatsfrist mit § 1944 BGB.

Zweck der Dreimonatsfrist des § 27 Abs. 2 HGB ist es, dem Erben eine Überlegungsfrist einzuräumen, ob der Vorteil der Firmenfortführung den Nachteil der unbeschränkten Haftung aufwiegt. In diesem Fall bleibt die Haftung durch eine Nachlassverwaltung auf den Nachlass beschränkbar.

cc) Sonderfälle

(1) § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 HGB

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Fraglich ist zunächst, ob § 27 Abs. 1 HGB auch auf § 25 Abs. 2 HGB verweist mit der Folge, dass der Erbe die Firma zwar fortführen kann, ohne aber seine Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten gegenüber den Geschäftsgläubigern zu verlieren.

Dies ist zulässig, da § 27 Abs. 1 HGB seinem Wortlaut nach keine Verweisungsbeschränkung, die § 25 Abs. 2 HGB ausnehmen könnte, enthält. § 27 Abs. 1 HGB hat auch nicht den Zweck, Geschäftsgläubiger besser zu stellen als Privatgläubiger des bisherigen Inhabers. § 27 Abs. 1 HGB soll vielmehr wie § 25 Abs. 2 HGB die Haftungsfrage klären. Der Erwerber kann daher durch einseitige Erklärung die unbeschränkte Haftung vermeiden. Über § 25 Abs. 2 HGB tritt an die Stelle der Vereinbarung mit dem bisherigen Inhaber, dessen Ableben eine Vereinbarung ausschließt, die Erklärung des Erwerbers.

(2) § 27 Abs. 2 HGB

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Die Fortführung der Firma und die Fortführung des Unternehmens dürfen nicht verwechselt werden. Unklar ist hier, ob es für die Anwendung des § 27 Abs. 2 HGB genügt, wenn der fortführende Erbe binnen drei Monaten nur die Firma, nicht aber das Unternehmen aufgibt.

Die überwiegende Meinung lehnt dies ab, da § 27 Abs. 2 HGB nur von einem „Geschäft“, also nicht nur von der Firma spreche. Die Aufgabe der Firma sei der Einstellung der Geschäftsfortführung nicht gleichzustellen. § 27 Abs. 2 HGB verlange die vollständige Beseitigung jedes Scheins einer Fortführung.Hopt-Merkt § 27 Rn. 5.

Nach anderer Ansicht soll § 27 Abs. 2 HGB dem Erben eine Überlegungsfrist einräumen, in der der Erbe prüfen solle, ob der Vorteil der Firma den Nachteil der Haftung aufwiege. Er sei daher benachteiligt, wenn er die Haftungsbeschränkung nur durch eine Zerschlagung des ganzen Geschäfts erreichen könne. Eine solche Zerschlagung liege gerade nicht im Gläubigerinteresse. Für die Gläubiger sei es auch unerheblich, ob der Erbe die Firma sofort aufgebe, so dass § 27 Abs. 1 HGB von vornherein nicht anwendbar ist, oder erst im Rahmen der Dreimonatsfrist.Hueck ZHR 108 (1941), 16.

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