Inhaltsverzeichnis
- B. Brandstiftung, § 306
- I. Überblick
- II. Objektiver Tatbestand
- 1. Tatobjekt
- a) § 306 Abs. 1 Nr. 1–6
- b) Teleologische Restriktion
- c) Fremd
- 2. Tathandlung/Taterfolg
- a) Inbrandsetzen
- b) Durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstören
- 3. Kausalität und objektive Zurechnung
- III. Subjektiver Tatbestand
- IV. Rechtswidrigkeit
- V. Konkurrenzen
B. Brandstiftung, § 306
I. Überblick
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Wie bereits ausgeführt, ist § 306 nach überwiegender Auffassung ein Spezialfall der SachbeschädigungJäger Strafrecht BT Rn. 744; Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 945; BGH NStZ 2001, 196., welchem aber jedenfalls bei § 306 Abs. 1 Nr. 1 ein Element der Gemeingefährlichkeit anhaftet.BGH NStZ 2001, 196. Das geschützte Rechtsgut ist mithin nach überwiegender Auffassung das Eigentum. Dies ergibt sich vor allem auch aus einem Vergleich der § 306 mit § 306a Abs. 1 und 2. Nur bei § 306 sind die Eigentumsverhältnisse des in Brand gesetzten Objekts relevant. Damit rückt das Delikt in die Nähe der Eigentumsdelikte, auch wenn die Höhe des Strafrahmens nur mit der Gemeingefährlichkeit begründet werden kann.
Zu beachten ist der hohe Strafrahmen des § 306, der eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorsieht, wodurch § 306 ein Verbrechen ist. § 306 Abs. 2 enthält eine Strafzumessungsregel für minder schwere Fälle.
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§ 306 ist ein Erfolgsdelikt, so dass in der Klausur geprüft werden muss, ob die Handlung des Inbrandsetzens kausal und objektiv zurechenbar zu einer Beeinträchtigung der geschützten Objekte geführt hat.
Der Aufbau des § 306 sieht wie folgt aus:
Prüfungsschema
Wie prüft man: Brandstiftung, § 306
I. | Objektiver Tatbestand |
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| 1. | Tatobjekt |
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| a) | fremdes |
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| b) | in Nr. 1–6 genanntes Objekt |
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| teleologische Restriktion | Rn. 168 |
| 2. | Tathandlung/Taterfolg |
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| a) | Inbrandsetzen oder |
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| b) | durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstören. |
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| 3. | Kausalität |
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| 4. | Objektive Zurechnung |
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II. | Subjektiver Tatbestand |
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| Vorsatz, dolus eventualis reicht |
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III. | Rechtswidrigkeit |
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| rechtfertigende Einwilligung | Rn. 180 | ||
IV. | Schuld |
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V. | Tätige Reue gem. § 306e |
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II. Objektiver Tatbestand
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Nach § 306 Abs. 1 wird bestraft, wer eines der in Nr. 1–6 genannten Tatobjekte, die für den Täter fremd sein müssen, in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.
1. Tatobjekt
a) § 306 Abs. 1 Nr. 1–6
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Die Tatobjekte des § 306 sind in den Nr. 1–6 näher bezeichnet.
In § 306 Abs. 1 Nr. 1 sind Gebäude und Hütten aufgeführt.
Definition
Gebäude
Ein Gebäude ist ein durch Wände und Dach begrenztes Bauwerk, welches mit dem Erdboden fest verbunden ist und dazu bestimmt und geeignet ist, dem Schutze von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen.Joecks/Jäger § 306 Rn. 5; Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 947.
Nach überwiegender Auffassung kommt es nicht darauf an, dass das Gebäude so gestaltet ist, dass es Unbefugte vom Betreten abhält, so dass auch ein Rohbau, bei welchem Fenster und Türen noch fehlen, ein geeignetes Tatobjekt sein kann.Joecks/Jäger § 306 Rn. 5; Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 947; Jäger Strafrecht BT Rn. 744.
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Definition
Hütte
Eine Hütte ist ein unbewegliches Bauwerk, das mangels Größe, Festigkeit oder Dauerhaftigkeit nicht als Gebäude angesehen werden kann.Joecks/Jäger § 306 Rn. 5.
Zu den Hütten zählen z.B. Jahrmarktsbuden, ein zum Aufenthaltsraum umfunktionierter Bauwagen, nicht jedoch Buswartehäuschen. Wesentlich ist, dass auch die Hütten mit dem Boden fest verbunden sind.Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 947 m.w.N.; Joecks/Jäger § 306 Rn. 6.
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In § 306 Abs. 1 Nr. 2 sind Betriebsstätten und technische Einrichtungen, namentlich Maschinen genannt.
Definition
Betriebsstätten
Betriebsstätten sind Sachgesamtheiten von baulichen Anlagen und Inventar, die einem gewerblichen Betrieb dienen.Fischer § 306 Rn. 4.
Technische Einrichtungen sind bewegliche oder unbewegliche Sachen oder Sachgesamtheiten, die im Rahmen einer Betriebsstätte, z.B. zur Fertigung eingesetzt werden.Fischer § 306 Rn. 5; Joecks/Jäger § 306 Rn. 14.
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§ 306 Abs. 1 Nr. 3 stellt das Inbrandsetzen von Warenlagern oder Warenvorräten unter Strafe.
Definition
Warenlager/Warenvorrat
Ein Warenlager ist jede mobile oder stationäre Lagerstätte, die zur Lagerung nicht ganz unerheblicher Warenmengen geeignet und bestimmt ist; auf ihre konkrete Beschaffenheit kommt es nicht an. Neben Räumlichkeiten können daher auch größere Behältnisse, Container oder Lkw-Wechselbrücken als „Warenlager“ angesehen werden, wenn sie zur Aufnahme größerer Warenvorräte geeignet und bestimmt sind.BGH BeckRS 2018, 37399; BGH NStZ 2023, 414.
Ein Warenvorrat ist eine größere Menge von körperlichen Gegenständen, die nicht zum Eigenverbrauch, sondern typischerweise zum gewerblichen Umsatz bestimmt ist. Dabei kommt es weder auf den Ort der Lagerung an, noch ist der Begriff der Warenvorräte einengend dahin auszulegen, dass er nur Warenbestände erfasst, die für einen noch unbestimmten Kundenkreis für ungewisse Zeit vorrätig gehalten werden.BGH BeckRS 2018, 37399; BGH NStZ 2023, 414.
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§ 306 Abs. 1 Nr. 4 erfasst Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge. Hinsichtlich der Kraftfahrzeuge kann auf die Legaldefinition des § 248b Abs. 4 zurückgegriffen werden, so dass darunter Landfahrzeuge zu verstehen sind, die durch Maschinenkraft angetrieben werden. Luftfahrzeuge werden in § 1 Abs. 2 LuftVG definiert; Schienen- und Wasserfahrzeuge erklären sich aus sich selbst heraus.
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§ 306 Abs. 1 Nr. 5 nennt als Tatobjekt Wälder, Heiden oder Moore. Diese Variante wird Ihnen in der Klausur eher selten begegnen. Gleichwohl möchten wir Ihnen nachfolgende Definition nicht vorenthalten.
Definition
Wälder/Heide/Moor
Wälder sind erhebliche, zusammenhängende mit Bäumen bestandene Bodenflächen einschließlich des Unterholzes und des Pflanzenwuchses.
Heide ist eine Landschaft mit typischer Vegetation aus Zwergsträuchern.
Moor ist ein dauernd feuchtes, schwammiges Gelände mit charakteristischem Pflanzenwuchs auf einer mindestens 30 cm dicken Torfdecke.Joecks/Jäger § 306 Rn. 12.
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§ 306 Abs. 1 Nr. 6 schließlich nennt Land-, Ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse.
Definition
Anlagen
Anlagen sind feste und auf Dauer installierte Einrichtungen, die der Landwirtschaft dienen.Joecks/Jäger § 306 Rn. 20.
Zu den landwirtschaftlichen Anlagen zählen namentlich bestellte Felder sowie andere Produktionsstätten wie z.B. Gewächshäuser und Lagerstätten von Zwischenerzeugnissen, wie Stroh und Heu. Beachten Sie, dass bei landwirtschaftlichen Anlagen auch die Nr. 2 und 3 einschlägig sein können. Ernährungswirtschaftliche Anlagen sind u.a. solche, die der Tierproduktion dienen, wie Stallungen, Futtermittellager und Koppeln, aber auch solche, die der unmittelbaren Weiterverarbeitung dienen. Forstwirtschaftliche Anlagen sind Schonungen und Aufforstungsflächen, soweit sie nicht der Nr. 5 unterfallen, so wie Holzlagerstätten.Fischer § 306 Rn. 9.
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Definition
Erzeugnisse
Erzeugnisse sind Sachen, deren unmittelbarer Produktionsprozess beendet ist.Fischer § 306 Rn. 10.
Zu den landwirtschaftlichen Erzeugnissen gehören das Stroh sowie die Feldfrüchte nach der Ernte. Bei der Weiterverarbeitung kommt es darauf an, ob noch von einem originären Erzeugnis gesprochen werden kann. Dies dürfte jedenfalls bei dem Brot in der Bäckerei zu verneinen sein.Fischer § 306 Rn. 10.
b) Teleologische Restriktion
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In Anbetracht der Weite der Formulierungen, insbesondere in den 3, 4 und 6 wird vor dem Hintergrund des hohen Strafrahmens des § 306 in der Literatur eine Teleologische Restriktion für solche Fälle diskutiert, die vom Unwertgehalt her erheblich von dem „Normalfall“ einer Brandstiftung, so z.B. dem Inbrandsetzen eines Gebäudes abweichen.
Beispiel
Um seinen neuen Mitkonkurrenten zu ärgern, entfernt A eines Nachts vom Ufer eines Ausflugssees ein Tretboot, welches er in der Mitte des Sees anzündet.
Da das Tretboot ein Wasserfahrzeug ist, könnte sich A gem. § 306 Abs. 1 Nr. 4 wegen Brandstiftung strafbar gemacht haben, mit der Folge, dass eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr zu verhängen wäre. Auch wenn man einen minderschweren Fall gem. § 306 Abs. 2 annehmen wollte, so wäre die Strafe doch mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe. Hätte A hingegen das Boot mit der Axt zerschmettert, so läge lediglich eine einfache Sachbeschädigung vor, für die gem. § 303 Abs. 1 eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder Geldstrafe vorgesehen ist. Da A das Boot in der Mitte des Sees anzündete, bestand keine gemeine Gefahr, die evtl. den hohen Strafrahmen rechtfertigen könnte.
Gleiches würde gelten, hätte A nicht das Tretboot, sondern einen Strohballen auf offener Straße angezündet, der im Eigentum des Bauern B stand.
Expertentipp
Die weite Formulierung des Straftatbestandes hat den Vorteil, dass die Rechtsprechung bei der Konkretisierung und Definition nicht so schnell an die Grenzen des Analogieverbotes stößt. Der Nachteil besteht darin, dass die Norm nicht mehr mit dem Schuldprinzip vereinbar sein kann, welches eine Verhältnismäßigkeit zwischen dem Handlungsunwert und der Strafe fordert. Außerdem ist stets das Bestimmtheitsgebot gem. Art. 103 Abs. 2 GG zu beachten.
Ihre Argumentation in der Klausur sollte diese Aspekte aufzeigen und vor diesem Hintergrund die Notwendigkeit einer eventuellen teleologischen Restriktion deutlich machen. Dabei können Sie mit den nachfolgend genannten, in der Literatur vertretenen Ansätzen argumentieren.
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Dass eine teleologische Restriktion erforderlich ist, ist in der Literatur unumstrittenWessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 947.. Wie diese Restriktion erfolgen soll, ist jedoch nicht abschließend geklärt. Teilweise wird auf den Gesichtspunkt der Gemeingefährlichkeit abgestellt. Es wird verlangt, dass vom Anzünden des jeweiligen Tatobjekts eine derartige Gemeingefahr ausgehen muss, damit eine Bestrafung gem. § 306 in Frage kommt.Geppert Jura 1998, 597; Schönke/Schröder-Heine/Bosch § 306 Rn. 3. Alternativ oder gar ausschließlich wird verlangt, dass das Tatobjekt einen gewissen, wirtschaftlichen Wert haben muss. Bezug genommen wird in diesem Zusammenhang auf § 315c, so dass ein Schaden von ca. 750 € bis 1200 € verlangt wird.Joecks/Jäger § 306 Rn. 24; Schönke/Schröder-Heine/Bosch, § 306 Rn. 3.
c) Fremd
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Die Tatobjekte der Nr. 1–6 müssen für den Täter fremd sein. Das Merkmal der Fremdheit dürfte Ihnen aus §§ 303, 242, 246, 249 bekannt sein.
Definition
Fremd
Fremd sind die Tatobjekte, wenn sie weder im Allein- oder Miteigentum des Täters stehen noch herrenlos sind.Joecks/Jäger Vor § 242 Rn. 12 f.
Die Fremdheit bestimmt sich mithin ausschließlich nach dem Zivilrecht. Sie ist ausgeschlossen, wenn das Tatobjekt dem Täter zuvor übereignet wurde oder er dieses geerbt hat, auch wenn er beim Inbrandsetzen von dieser Erbschaft keine Kenntnis hat. Hat der vorherige Eigentümer das Eigentum an der Sache aufgegeben, so scheidet ebenfalls eine Brandstiftung gem. § 306 aus. Zu denken ist dann in der Klausur jedoch an § 306a Abs. 1 oder 2 oder an versuchte Brandstiftung gem. §§ 306, 22, 23.
2. Tathandlung/Taterfolg
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Bei § 306 wie bei § 306a Abs. 1 und Abs. 2 muss der Täter das geschützte Objekt in Brand gesetzt oder durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört haben.
Hinweis
Wie bei den Sachbeschädigungsdelikten auch, verknüpfen die nachfolgenden Definitionen bereits die Tathandlung mit dem Taterfolg. Im Kopf behalten sollten Sie dabei, dass die Tathandlung kausal und objektiv zurechenbar dazu führen muss, dass die Sache vom Feuer erfasst bzw. ganz oder teilweise in der Substanz oder Brauchbarkeit beeinträchtigt ist.
a) Inbrandsetzen
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Definition
InBrandsetzen
Ein Inbrandsetzen liegt vor, wenn ein wesentlicher Bestandteil der Sache derart vom Feuer erfasst ist, dass er aus eigener Kraft, d.h. ohne Fortwirken des Zündstoffs, weiter brennen kann.BGHSt 36, 221.
Damit die Tat vollendet ist, reicht es nicht aus, wenn irgendeine Sache in der soeben beschriebenen Weise in Brand gesetzt wurde. Wichtig ist, dass es sich bei der in Brand gesetzten Sache um einen wesentlichen Bestandteil des geschützten Objekts handelt. Der wesentliche Bestandteil wird dabei nicht nach dem Zivilrecht (§ 94 Abs. 2 BGB) bestimmt. Die Wesentlichkeit bestimmt sich vielmehr nach dem bestimmungsgemäßen Gebrauch der in Brand gesetzten Sache.
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Definition
Wesentlich
Wesentlich ist der Bestandteil dann, wenn er nicht jederzeit entfernt werden kann, ohne dass das geschützte Objekt in seiner bestimmungsgemäßen Funktion beeinträchtigt würde.BGH StV 2002, 145; Fischer § 306 Rn. 14.
Beispiel
Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören die Wände, die Fensterrahmen, die Treppen und Fußböden, nicht jedoch Einrichtungsgegenstände sowie Gardinen und Regale.BGH StV 2004, 208; BGHSt 48, 14; Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 948.
Nach der Rechtsprechung soll ein Inbrandsetzen schon dann angenommen werden, wenn zwar wesentliche Gebäudeteile noch nicht in Brand gesetzt sind, der Brand aber jederzeit auf diese Teile übergreifen kann.BGH NStZ 2003, 266; NStZ 2006, 331. Die Literatur lehnt eine solche Vorverlagerung der Vollendung und damit auch ein entsprechendes Ausdehnen der Versuchsstrafbarkeit überwiegend ab.Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 948; Rengier Strafrecht BT II 9. Kapitel § 40 Rn. 8.
Auch ein bereits brennendes Tatobjekt kann nach h.M. an anderer Stelle nochmals in Brand gesetzt werden.Fischer § 306 Rn. 14. Allerdings genügt ein bloßes Verstärken des Brandes nicht. Zu denken ist dann aber an Beihilfe.OLG Hamm JZ 1961, 94; Schönke/Schröder-Heine/Bosch § 306 Rn. 14.
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Ein Inbrandsetzen durch Unterlassen ist unter den Voraussetzungen des § 13 möglich. Beachten Sie aber, dass eine solche Strafbarkeit ausscheidet, wenn das Tatobjekt bereits (vollendet) in Brand gesetzt ist und es der Garant lediglich unterlässt, die bereits eingetretene Vollendung durch Löschen abzumildern.Schönke/Schröder-Heine/Bosch § 306 Rn. 18.
Beispiel
A hat bei einem Waldspaziergang eine brennende Zigarette auf den Waldboden geworfen und nicht richtig ausgetreten. Nach kurzer Zeit bemerkt er, wie sich im Unterholz zaghaft ein Feuer zu entwickeln beginnt. Anstatt dieses Feuer mit einer mitgebrachten Wasserflasche schnell zu löschen, sucht er jedoch das Weite und überlässt den Wald den sich später entwickelnden Flammen.
Das unsachgemäße Austreten der Zigarette stellt ein pflichtwidriges Vorverhalten dar, das zu einer Garantenstellung führt, so dass A sich anschließend gem. §§ 306 Abs. 1 Nr. 5, 13 strafbar gemacht hat, indem er es unterließ, das Feuer zu löschen. Wäre das Tatobjekt Wald bereits vollendet in Brand gesetzt worden, dann wäre A bereits gem. § 306d Abs. 1 strafbar. A hätte dann indem er den Brand nicht löschte, lediglich die tätige Reue gem. § 306e Abs. 1 unterlassen.
b) Durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstören
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Da heutige Gebäude häufig unter Verwendung feuerfester Materialien errichtet werden, ist ein InBrandsetzen nach der oben genannten Definition immer häufiger nicht mehr möglich. Gleichwohl kann es zu erheblichen Schäden und Gefahren durch Rauch-, Gas- und Hitzeentwicklung sowie Verrußung kommen. Erst recht können diese Gefahren eintreten, wenn der Zündstoff statt zu brennen explodiert. In Anbetracht dessen wurde mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz der Begriff des „ganz oder teilweise Zerstörens durch eine Brandlegung“ mit in die §§ 306, 306a Abs. 1 und 2 aufgenommen.
Definition
zerstört
Das Tatobjekt ist zerstört, wenn es vernichtet ist oder seine bestimmungsgemäße Brauchbarkeit vollständig aufgehoben ist.
Es ist teilweise zerstört, wenn die Möglichkeit der Nutzung von Gebäudeteilen wenigstens für einzelne Zweckbestimmungen über eine nicht unbeträchtliche Zeit aufgehoben ist, ein für die ganze Sache zwecknötiger Teil unbrauchbar wird oder einzelne Bestandteile gänzlich vernichtet werden, die für einen selbstständigen Gebrauch des Gebäudes bestimmt oder eingerichtet sind.BGH NJW 2021, 2373.
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In Anbetracht der hohen Strafandrohung hat der BGH deutlich gemacht, dass bei einem teilweisen Zerstören tatbestandsmäßig nur das Zerstören „von Gewicht“ sei. Diese Zerstörung muss, wie die Inbrandsetzung auch, entsprechend der Zweckbestimmung des Objekts wesentliche Bestandteile betreffen.
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Beispiel
Um die Aufmerksamkeit ihres Verlobten, der Feuerwehrmann ist, zu erregen, setzt A in der in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Zweizimmerwohnung ihres Verlobten eine im Wohnzimmer auf einem Stapel Altpapier liegende Zeitung in Brand. Sie begibt sich alsdann ins Nebenzimmer. Nach „Entdecken des Brandes“ verständigt sie die Feuerwehr und die Nachbarn und verlässt das Haus. Beim Eintreffen der Feuerwehr haben die Flammen einen Sessel und das Sofa erfasst. Die Wand sowie die Deckenvertäfelung sind stark verrußt. Wegen dieser Verrußung sowie infolge der Löscharbeiten muss das Wohnzimmer komplett renoviert werden. Die Renovierung nimmt zwei Wochen in Anspruch.Vgl. BGH Entscheidung vom 12.9.2002, 4 StR 165/02, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de; verneint wurde das Tatbestandsmerkmal hingegen beim Inbrandsetzen lediglich des Kinderzimmers einer Wohnung, BGH Beschuss vom 14.7.2009, 3 StR 276/09, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.
Der BGH hat die Tathandlung des „teilweise Zerstörens“ bejaht. Er hat ausgeführt, dass „… ein teilweises Zerstören in einem Mehrfamilienhaus bedeute, dass zumindest ein zum selbstständigen Gebrauch bestimmter Teil des Wohngebäudes – d.h. eine zum Wohnen bestimmte, abgeschlossene Untereinheit – durch die Brandlegung für Wohnzwecke unbrauchbar geworden ist. Das ist dann der Fall, wenn für den verständigen Wohnungsinhaber die Wohnung wegen der Brandlegungsfolgen für eine beträchtliche Zeit … nicht mehr benutzbar ist.“
Hinweis
Beachten Sie bei der Bestimmung der Wesentlichkeit das jeweilige Tatobjekt. So kann das „Zerstören durch Brandlegung“ eines Kellers nicht ausreichend sein für § 306a Abs. 1 Nr. 1, da es dort um eine Wohnung geht, zu der der Kellerraum nicht gehört. Es kann aber ausreichen für § 306a Abs. 2 i.V.m. § 306 Abs. 1 Nr. 1, da dort nur auf das Gebäude abgestellt wird und der Kellerraum insoweit ein funktionaler Gebäudeteil ist.BGH NJW 2021, 2373.
Diese Zerstörung muss durch eine Brandlegung hervorgerufen worden sein. Für eine Brandlegung reicht jede Handlung aus, die auf das Verursachen eines Brandes gerichtet ist. Ein „Brennen mit heller Flamme“ ist hierfür nicht erforderlich. Wie bereits ausgeführt, reicht auch die Explosion des Zündstoffes aus.Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 950; Jäger Strafrecht BT Rn. 743.
3. Kausalität und objektive Zurechnung
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Die Kausalität wird nach der conditio-sine-qua-non-Formel bestimmt, d.h. die Handlung des Täters darf nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Beeinträchtigung des geschützten Gebäudes oder eines anderen Tatobjektes entfällt.
Bei der objektiven Zurechnung, insbesondere bei der 2. Tathandlungsvariante, ist zu beachten, dass der Täter mit der Brandlegung auch die Gefahr schafft, dass die Zerstörung des geschützten Objektes durch die Löscharbeiten eintritt, da es sich insoweit um eine typische Folge handelt.
III. Subjektiver Tatbestand
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Der Täter muss mit Wissen und Wollen der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes handeln, wobei dolus eventualis ausreicht.
IV. Rechtswidrigkeit
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Ob eine rechtfertigende Einwilligung des Eigentümers möglich ist, ist streitig.
Voraussetzung einer rechtfertigenden Einwilligung ist, dass das geschützte Rechtsgut disponibel ist. Sofern man mit der h.M. § 306 als Spezialfall der Sachbeschädigung begreift, ist das geschützte Rechtsgut das fremde Eigentum, welches disponibel ist.Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 945, 954. Stellt man hingegen auf den hohen Strafrahmen und den Umstand, dass die Brandstiftungsdelikte bei den „gemeingefährlichen Straftaten“ geregelt sind, ab, dann ist das entsprechend geschützte Universalrechtsgut der Sicherheit der Allgemeinheit für den Eigentümer nicht disponibel, so dass eine rechtfertigende Einwilligung nicht in Betracht kommt.Duttge Jura 06, 15, 18.
Zu beachten ist allerdings, dass der seine eigene Sache in Brand setzende Eigentümer - trotz der auch in diesen Fällen anzunehmenden Gemeingefährlichkeit - sich nicht nach § 306 strafbar machen kann, da das Tatobjekt für ihn nicht fremd ist. Daraus kann man ersehen, dass es dem Gesetzgeber in erster Linie wohl um den Eigentumsschutz ging.So auch Joecks/Jäger § 306 Rn. 38.
V. Konkurrenzen
181
§ 306 verdrängt im Wege der Gesetzeskonkurrenz § 303 Abs. 1 und, sofern es sich um ein Gebäude handelt, auch § 305.
Das Verhältnis zu § 306a Abs. 1 und 2 ist komplizierter (s. dazu die Rn. 201 und 212).
Tateinheit ist möglich mit dem Versicherungsbetrug gem. § 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 5 und dem Versicherungsmissbrauch gem. § 265, sowie mit den Körperverletzungsdelikten gem. §§ 223 ff.
Sofern der Täter zunächst fahrlässig einen Brand verursacht hat, den er alsdann vorsätzlich durch Unterlassen vollendet hat, wird, wie bereits ausgeführt, die fahrlässige Tat als mitbestrafte Vortat verdrängt.