Inhaltsverzeichnis
B. Pfandkehr, § 289
I. Überblick
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An § 289 muss in der Klausur gedacht werden, wenn der Täter seine eigene Sache oder ein Dritter die Sache des Eigentümers mit dessen Einverständnis wegnimmt. § 242 scheidet in diesen Fällen aus, da die Sache nicht mehr fremd ist bzw. der Dritte ohne Zueignungsabsicht handelt.
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§ 289 schützt die Möglichkeit eines Gläubigers, bestimmte Pfand- und Besitzrechte auszuüben. Um in der Klausur feststellen zu können, ob diese Rechte bestehen, bedarf es erneut fundierter Kenntnisse aus dem Zivilrecht. Damit eignet sich diese Norm, neben Eigentums- und sonstigen Vermögensdelikten, fachübergreifendes Wissen in der Klausur abzufragen.
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Der Aufbau des § 289 sieht wie folgt aus:
Prüfungsschema
Wie prüft man: Pfandkehr, § 289
I. | Objektiver Tatbestand |
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| 1. | Täter: Eigentümer oder ein Dritter, der im Eigentümerinteresse handelt |
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| 2. | Tatobjekt: |
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| a) | Bewegliche Sache |
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| b) | mit geschütztem Pfand- oder Besitzrecht versehen |
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| Pfändungspfandrecht | Rn. 466 |
| 3. | Tathandlung: Wegnahme |
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| Definition | Rn. 470 | |
II. | Subjektiver Tatbestand |
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| 1. | Vorsatz |
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| 2. | Rechtswidrige Absicht |
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III. | Rechtswidrigkeit |
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IV. | Schuld |
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V. | Strafantrag gem. § 289 Abs. 3 |
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II. Objektiver Tatbestand
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Der objektive Tatbestand besteht in der Wegnahme einer beweglichen Sache, die mit einem Recht eines Dritten belastet ist.
1. Täter
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Täter des § 289 kann zunächst der Eigentümer der weggenommenen Sache sein. Man spricht dann von der eigennützigen Pfandkehr. Darüber hinaus ist es aber auch möglich, dass ein Dritter die Wegnahmehandlung vornimmt. Voraussetzung ist dann jedoch, dass der Dritte „zu Gunsten des Eigentümers“ handelt. In diesen Fällen spricht man von einer fremdnützigen Pfandkehr.
Hinweis
Beachten Sie, dass bei der Wegnahme eigener Sachen aber auch durchaus eine räuberische Erpressung gem. §§ 253, 255 in Betracht kommen kann, sofern der Täter ein Nötigungsmittel einsetzt.
2. Tatobjekt
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Tatobjekt des § 289 ist eine bewegliche Sache. Insoweit wird auf die Ausführungen bei § 242 verwiesen.
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Expertentipp
Wiederholen Sie also hinsichtlich der nachfolgend aufgeführten Besitz- und Pfandrechte die Voraussetzungen der rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Begründung dieser Rechte.
Voraussetzung ist des Weiteren, dass das weggenommene Tatobjekt mit dem Pfand- oder Besitzrecht eines Dritten belastet ist. Dieses Recht gestattet es dem Gläubiger, dem Täter die Wegnahme zu untersagen. Voraussetzung der Pfandkehr ist mithin, dass die nachfolgend aufgelisteten Rechte gegenüber dem Eigentümer wirksam begründet wurden.
a) Nutznießungsrechte
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Nutznießungsrechte sind vor allem der Nießbrauch, gem. §§ 1030 ff. BGB, aber auch gem. § 1649 Abs. 2 BGB das am Vermögen der Kinder bestehende Recht der Eltern.
b) Pfandrechte
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Zu den geschützten Pfandrechten gehören zum einen die rechtsgeschäftlich erworbenen Pfandrechte gem. §§ 1204 ff. BGB, zum anderen aber vor allem die gesetzlich erworbenen Pfandrechte. In der Klausur bedeutsam werden häufig das Vermieterpfandrecht nach § 562 BGB, das Pfandrecht des Gastwirts nach § 704 BGB und das Werkunternehmerpfandrecht nach § 647 BGB.
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Bei den gesetzlichen Pfandrechten müssen Sie darauf achten, dass sich diese nur auf pfändbare Sachen erstrecken. Dies gilt vor allem beim Vermieterpfandrecht. Schafft der mit den Mietzahlungen im Rückstand liegende Mieter mithin Sachen aus der Wohnung, die dem persönlichen Gebrauch dienen (§ 811 Nr. 1 ZPO), macht er sich nicht nach § 289 strafbar.Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT/2 Rn. 493.
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Umstritten ist, ob auch Pfändungspfandrechte gem. § 804 ZPO zu den von § 289 erfassten Pfandrechten gehören. Ein solches Pfändungspfandrecht entsteht bei einer Zwangsvollstreckung durch Pfändung des betreffenden Gegenstandes. Da mit der Pfändung auch eine Verstrickung entsteht, ist neben § 289 zugleich § 136 Abs. 1 verwirklicht.
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Teilweise wird in Anbetracht des § 136 Abs. 1 vertreten, dass dieser lex specialis hinsichtlich des Pfändungspfandrechts gegenüber § 289 sei, das Pfändungspfandrecht mithin also von § 289 nicht erfasst werde.Lackner/Kühl/Heger § 289 Rn. 1. Überwiegend wird jedoch argumentiert, dass beide Normen unterschiedliche Schutzrichtungen haben. § 136 Abs. 1 schützt die öffentlich-rechtliche Verstrickung und die staatliche Verfügungsgewalt. § 289 hingegen schützt die Rechtsausübung des Einzelnen. In Anbetracht dieser unterschiedlichen Schutzrichtungen wird das Pfändungspfandrecht in den Schutzbereich des § 289 miteinbezogen und gegebenenfalls Tateinheit zwischen beiden Normen angenommen.Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT/2 Rn. 492 m.w.N.
c) Gebrauchsrechte
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Zu den Gebrauchsrechten zählen die Rechte des Mieters, Pächters und Entleihers gemäß §§ 535, 581, 598 BGB, aber auch das Anwartschaftsrecht des Eigentumsvorbehaltskäufers sowie das Gebrauchsrecht des Sicherungsgebers bei einer Sicherungsübereignung.
d) Zurückbehaltungsrechte
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Zu den Zurückbehaltungsrechten zählen die §§ 273, 972, 1000 BGB, aber auch die §§ 369 ff. HGB.
3. Tathandlung: Wegnehmen
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Als Tathandlung nennt § 298 die Wegnahme der Sache. Umstritten ist, wie dieser Begriff vor dem Hintergrund der geschützten Rechte in § 298 zu definieren ist.
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Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist die Wegnahme identisch mit der Wegnahme in § 242. Voraussetzung ist mithin, dass der Täter fremden Gewahrsam bricht und neuen Gewahrsam begründet.Joecks/Jäger § 289 Rn. 4. Diese Auffassung hat jedoch zur Folge, dass besitzlose Pfandrechte für gewöhnlich nicht mit einer Wegnahmehandlung nach § 289 verletzt werden können.
Beispiel
A hat seit Monaten keine Miete mehr bezahlt und schafft nun bei einer nächtlichen Aktion Teile seiner Einrichtung, so z.B. sein Küchengeschirr sowie ein recht wertvolles, ererbtes Gemälde aus der Wohnung.
Bei den Gegenständen handelt es sich um bewegliche Sachen, die im Eigentum des A stehen. Gem. § 562 BGB hat der Vermieter an dem Gemälde ein Vermieterpfandrecht erworben. Etwas anderes gilt für das Küchengeschirr. Gem. § 562 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 811 ZPO unterliegt dieses als Hausrat nicht der Pfändung.
In Anwendung des oben genannten Wegnahmebegriffs jedoch hat A das mit dem Pfandrecht des V belastete Bild nicht weggenommen, da der Vermieter keine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf die Gegenstände hat, die sich in der Wohnung seines Mieters befinden, mithin auch keine tatsächliche Sachherrschaft, die A durch seine Handlung hätte brechen können.
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Um die besitzlosen Pfandrechte über § 289 schützen zu können, definiert von daher die herrschende Meinung den Wegnahmebegriff weiter. Wegnahme ist mithin die das Recht des Geschützten faktisch vereitelnde oder erheblich erschwerende räumliche Entfernung der Sache aus dem tatsächlichen Macht- und Zugriffsbereich des Rechteinhabers.Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT/2 Rn. 494; BayObLG JZ 1981, 451.
Beispiel
Im obigen Fall stellt die Wohnung des A den Machtbereich des Vermieters dar, da sie in dessen Eigentum steht. Durch das Wegbringen des Bildes aus der Wohnung hat A die Zugriffsmöglichkeit des Vermieters vereitelt, so dass nach der Definition der h.M. eine Wegnahme vorliegt.
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Bei Pfändungspfandrechten ist zu beachten, dass eine Wegnahme auch nach der weiten Definition der h.M. dann nicht möglich ist, wenn der Gerichtsvollzieher die gepfändete Sache gem. § 808 Abs. 2 ZPO im Gewahrsam des Schuldners belässt. Die Wohnung des Schuldners stellt weder den Zugriffs- noch den Machtbereich des Gläubigers dar, der die Pfändung veranlasst hat. Beachten Sie in solchen Fällen jedoch, dass sich der Täter durch Verbringung der bereits gepfändeten Sache gem. § 288 strafbar gemacht haben kann.Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT/2 Rn. 494.
III. Subjektiver Tatbestand
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Der Täter muss zunächst mit Wissen und Wollen der Verwirklichung der Merkmale des objektiven Tatbestandes handeln. dolus eventualis ist insoweit jedoch ausreichend.
Darüber hinaus muss er mit rechtswidriger Absicht handeln. Nach überwiegender Auffassung reicht das sichere Wissen (dolus directus 2. Grades), mit der Handlung ein fremdes Sicherungsrecht zu verletzen, aus. Das sichere Wissen muss die Verletzung betreffen, bezüglich des Bestehen des Sicherungsrechts reicht dolus eventualis.Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT/2 Rn. 496; Fischer § 289 Rn. 6; OLG Düsseldorf NJW 1989, 116.
Beispiel
Sofern der Mieter A im obigen Bespiel es nur für möglich hält, dass sein Vermieter ein Recht an seinen Sachen hat, gleichzeitig aber sicher weiß, dass er dieses evtl. bestehende Recht verletzt, wenn er die Sachen fortschafft, erfüllt er die Voraussetzungen des subjektiven Tatbestands.
Wird die Tat nicht vom Eigentümer, sondern von einem Dritten begangen, so muss der Wille darauf gerichtet sein, dem Sacheigentümer einen Vorteil zu verschaffen.Schönke/Schröder-Eser/Heine § 289 Rn. 9 m.w.N.
IV. Rechtswidrigkeit und Schuld
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Insoweit gibt es keine deliktsspezifischen Besonderheiten, so dass die allgemeinen Grundsätze gelten.
V. Strafantrag, § 289 Abs. 3
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Beachten Sie, dass die Tat ausschließlich auf Antrag verfolgt wird. Sollten im Sachverhalt dazu keine Hinweise enthalten sein, muss an dieser Stelle die Feststellung erfolgen, dass der Täter sich zwar strafbar gemacht hat, aber mangels Strafantrag nicht verfolgt werden kann.
VI. Konkurrenzen
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Sofern die Pfandkehr mittels Gewalt oder Drohung erfolgt, kann eine räuberische Erpressung vorliegen. Diese würde § 289 im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängen.