Inhaltsverzeichnis
4. Vermögensschaden
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Während Sie bei der Vermögensverfügung überprüft haben, ob das Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten zu einer Vermögensminderung geführt hat, überprüfen Sie nunmehr beim Vermögensschaden, ob es tatsächlich bei dieser Vermögensminderung geblieben ist. Häufig wird durch die Vermögensverfügung nicht nur ein Vermögensabfluss, sondern auf der anderen Seite auch ein Vermögenszufluss eintreten.
Definition
Definition: Schaden
Der Schaden ist demnach durch einen Vergleich des Vermögens vor der Verfügung und nach der Verfügung im Wege der Gesamtsaldierung zu ermitteln. Er liegt vor, wenn diese Saldierung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vermögensminderung nicht unmittelbar durch eine äquivalente Vermögensmehrung ausgeglichen wurde.BGHSt 16, 221; BGH NStZ 1999, 302, 353.
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Eine solche Kompensation ist grundsätzlich objektiv anhand des Marktwertes der Leistung zu ermitteln. Affektionsinteressen oder enttäuschte „Schnäppchenerwartungen“ sind grundsätzlich nicht geschützt. Auch reicht es für die Begründung eines Schadens nicht aus, dass das Opfer bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände die Vermögensverfügung nicht vorgenommen hätte, jedoch für sein Geld eine entsprechende Gegenleistung erhalten hat.BGH NJW 2006, 1679.
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Gelegentlich kann die objektive Schadensermittlung Schwierigkeiten bereiten.
Beispiel
A schließt einen Lebensversicherungsvertrag bei der L-AG ab. Begünstigter im Falle seines Todes soll B sein. Geplant ist, dass A danach seinen Todesfall fingiert und B die Ansprüche gegenüber der Versicherung anmeldet. Beide wollen auf diese Art und Weise „Al Kaida“ unterstützen.
BGH Urteil vom 14.8.2009, AZ 3 StR 552/08 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de. Zu einer Auszahlung des Betrages kommt es nicht, da es A nicht gelingt, eine fingierte Sterbebescheinigung zu bekommen und B mithin den „Versicherungsfall“ nicht anmelden kann.Der BGH hat in diesem Fall den Vermögensschaden in der zu geringen, vertraglich vereinbarten Versicherungsprämie (sog. Prämienschaden) gesehen. Diese bilde für gewöhnlich das Risiko und damit den Preis für die Lebensversicherung ab und werde anhand versicherungsmathematischer Berechnungen erstellt, in welche u.a. Sterbetafeln und ähnliche Erfahrungsmodelle einfließen. Der BGH hat jedoch die Höhe des eingetretenen Schadens nicht berechnet sondern lediglich ausgeführt, dass die Prämie aller Wahrscheinlichkeit nach wohl höher gewesen wäre.
Das BVerfG
BVerfG Beschluss vom 7.12.2011, AZ 2 BvR 2500/09 – abrufbar unter www.bundesverfassungsgericht.de. hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 deutlich gemacht, dass das Offenlassen der Bestimmung des Schadens der Höhe nach eine Verschleifung des Tatbestandsmerkmals „Vermögensschaden“ und damit einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 102 Abs. 2 GG darstelle. Der Betrug verliere dadurch seinen Charakter als Erfolgsdelikt. Der Tatrichter hat demnach die Höhe zu ermitteln, wobei eine auf nachvollziehbaren Grundlagen beruhende Schätzung ausreichen kann. Die bis dahin gängige Praxis des BGH, den Schaden zwar dem Grunde aber nicht der Höhe nach zu bejahen, musste damit von diesem aufgegeben werden. (vgl. dazu auch den Übungsfall Nr. 4 „Es lebe der Sport“, Rn. 597) Seitdem ist es unverhältnismäßig kompliziert bis unmöglich, in diesen Fällen § 263 Abs. 1 zu bejahen, wie eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2022 deutlich macht:Beispiel
Der BGHBGH NStZ 2022, 409. hat zur Schadensermittlung Folgendes ausgeführt: „Letztlich setzt die Bestimmung eines Mindestschadens voraus, dass die Verlustwahrscheinlichkeit tragfähig eingeschätzt werden kann…, sich also wirtschaftlich messbar ergibt, inwieweit die jeweiligen Ansprüche auf Leistung (Versicherungsprämie) und Gegenleistung (Risikoabdeckung im Versicherungsfall) voneinander zu Lasten der getäuschten Versicherung negativ abweichen. Die besonderen Schwierigkeiten bei der Bestimmung eines derartigen Vermögensschadens beim Eingehungsbetrug können Anlass dazu geben, die Verfolgung nach § 154a Abs. 2 StPO auf andere Gesichtspunkte zu beschränken …“
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Gesetzliche Ansprüche, die dem Getäuschten gerade aufgrund der Täuschung erwachsen, wie z.B. Anfechtungs-, Gewährleistungs-, Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche, bleiben bei der Kompensation außer Betracht, da der Geschädigte die anspruchsbegründenden Voraussetzungen im zivilrechtlichen Verfahren darlegen und beweisen muss, so dass eine tatsächliche Kompensation nicht zwingend ist.BGHSt 23, 300.
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Abweichend von den Normalfällen bei der Schadensermittlung gibt es eine Vielzahl von Sonderfällen, die aufgrund ihrer Besonderheiten erneut klausurrelevant sind. Wir werden die nachfolgende Darstellung auf die wichtigsten Sonderfälle beschränken.
a) Schaden trotz objektiver Kompensation
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Nach der Theorie vom persönlichen Schadenseinschlag kann ausnahmsweise ein Schaden auch dann zu bejahen sein, wenn der Geschädigte eine wirtschaftlich gleichwertige Gegenleistung erhalten hat. Die Schadensermittlung erfolgt dann im Wege einer individuellen Bewertung. Voraussetzung ist, dass die Gegenleistung
• | für den Geschädigten nicht oder nicht in vollem Umfang zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwendbar ist, |
• | den Geschädigten zu vermögensschädigenden Maßnahmen nötigt oder |
• | zur Folge hat, dass der Geschädigte nicht mehr über Mittel verfügen kann, die er zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten oder Lebensführung benötigt. Jäger Strafrecht BT Rn. 519; BGHSt 16, 222, 325. |
Beispiel
Provisionsvertreter V verkauft Bauer B, der drei Kühe besitzt, eine Melkmaschine, die gleichzeitig das Melken von mehr als fünfzig Kühen zulässt. Er erklärt dabei dem Bauern, dass diese Melkmaschine in ihrer Dimensionierung gerade richtig sei für die Belange des B. Um diese Melkmaschine bezahlen zu können, nimmt B einen hohen Kredit auf, der dazu führt, dass seine Kreditmöglichkeiten gegenüber der Hausbank nunmehr ausgereizt sind.
Der BGHBGHSt 16, 321; zustimmend Wessels/Hillenkamp/Schuhr Strafrecht BT 2 Rn. 551 m.w.N. hat in einem vergleichbaren Fall den Schaden mit dem persönlichen Schadenseinschlag bejaht, da sämtliche o.g. Voraussetzungen erfüllt sind. Die Besonderheit bestand darin, dass die Melkmaschine „ihr Geld wert war“, bei objektiver Betrachtung mithin dem Bauern B kein Schaden entstanden ist.
Unter Zugrundelegung der o.g. Voraussetzungen wurde ein Schaden auch bejaht, wenn einem Abonnenten unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Zeitschriften oder Unterrichtswerke verkauft werden, die ebenfalls ihren Preis wert sind, das Verständnis des Abonnenten jedoch weit übersteigen oder für seine speziellen Bedürfnisse und Zwecke nicht brauchbar sind.BGHSt 23, 300; BGH NJW 1990, 1921.
Beispiel
Problematisch ist hier die Bestimmung des Schadens, denn in einer freien Marktwirtschaft können der Wert von Leistung und Gegenleistung frei bestimmt werden. Der BGHBGH NJW 2014, 2595. hat mit dem persönlichen Schadenseinschlag gearbeitet und den Schaden bejaht. Er hat dazu Folgendes ausgeführt: „Wer durch Täuschung zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrags veranlasst wird, erleidet einen Vermögensschaden jedenfalls dann, wenn – wie hier – die vertragliche Gegenleistung unter Beachtung der persönlichen Bedürfnisse für ihn praktisch und damit auch wirtschaftlich wertlos ist … Denn für die hier betroffenen … Nutzer war diese Gegenleistung subjektiv sinnlos und daher wertlos, da im Internet jederzeit zahlreiche kostenlose Routenplaner verfügbar sind. Dies war dem Angekl. auch bewusst; ebenso der Umstand, dass der Vermögensverlust für die Nutzer nicht dadurch kompensiert wurde, dass das erworbene „Abonnement“ ohne Weiteres und in zumutbarer Weise in Geld umzusetzen gewesen wäre…. Einen Markt für die Veräußerung und den Erwerb kostenpflichtiger Routenplanerabonnements gibt es nicht.“
b) Schadensgleiche Vermögensgefährdung
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Ein Vermögensschaden setzt nicht zwingend voraus, dass sich eine Vermögensminderung wirtschaftlich bereits realisiert hat. Ein Vermögensschaden kann vielmehr auch schon bei einer schadensgleichen Vermögensgefährdung zu bejahen sein.
Definition
Definition: schadensgleiche Vermögensgefährdung
Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung liegt vor, wenn das Vermögen bereits so konkret gefährdet ist, dass nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten schon eine Vermögensverschlechterung eingetreten ist.Jäger Strafrecht BT Rn. 524.
Für die konkrete Gefährdung ist erforderlich, dass nach den Umständen des Einzelfalles die Realisierung des Schadens nahe liegt und die Gefahr des Eintritts groß ist. Die Vermögensgefährdung unterscheidet sich damit vom Vermögensschaden nur in quantitativer nicht in qualitativer Hinsicht.
Hinweis
Das BVerfG hat 2010 und 2011 in zwei grundlegenden Entscheidungen zu den §§ 263 und 266, deren Schadensbegriffe sich entsprechen, Stellung genommen und die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens als grundsätzlich verfassungskonform angesehen. Insbesondere wurde kein Verstoß gegen das sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebende Bestimmtheitsgebot festgestellt, sofern auch der Gefährdungsschaden in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise ermittelt werde, was ggfs. mit Hilfe eines Sachverständigen erfolgen müsse.BVerfG Beschluss vom 23.6.2010, Az 2 BvR 105/09, 2 BvR 491/09, 2 BvR 2559/08 sowie BVerfG Beschluss vom 7.12.2011, AZ 2 BvR 2500/09 – abrufbar unter www.bundesverfassungsgericht.de; der BGH hat die Entscheidung bereits in einem Urteil aufgegriffen BGH Beschluss vom 14.4.2011, AZ 2 StR 616/10.
Beispiel
Der vermögens- und einkommenslose A eröffnet unter Vorlage gefälschter Lohnbescheinigungen ein Konto bei der DB-AG. Mit Kontoeröffnung wird ihm ein Dispositionsrahmen von 1000 € eingeräumt und eine Maestro-Karte ausgehändigt.
Fraglich ist, ob sich A schon zu diesem Zeitpunkt wegen Betruges gem. § 263 strafbar gemacht hat. Getäuscht hat er über seine finanzielle Vermögenssituation, insbesondere über ein Anstellungsverhältnis, welches ihm regelmäßige Zahlungseingänge beschert. Dadurch hat er bei der Bank einen entsprechenden Irrtum hervorgerufen. Die Vermögensverfügung liegt in dem Abschluss des Girovertrages und der Einräumung des Dispositionsrahmens. Dies stellt ein Handeln dar, welches das Vermögen der Bank mit dem Anspruch des A auf Auszahlung des Dispositionskredites belastet.
Fraglich ist jedoch, ob schon zu diesem Zeitpunkt ein Vermögensschaden eingetreten ist, da das Vermögen der Bank tatsächlich noch nicht um 1000 € gemindert ist.
aa) Eingehungsbetrug
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Eine schadensgleiche Vermögensgefährdung kommt damit insbesondere beim sog. Eingehungsbetrug in Betracht. Ein solcher wird angenommen bei der Eingehung eines Vertrages. In diesen Fällen ist das Vermögen belastet mit dem Anspruch des Vertragspartners auf Erhalt der vertraglich vereinbarten Leistung. Der Schaden kann nunmehr darin liegen, dass dieser Leistungsverpflichtung kein gleichwertiger Anspruch gegenübersteht, entweder weil der Vertragspartner z.B. zur Leistung nicht imstande oder willens ist oder weil die vom Vertragspartner versprochene Leistung wirtschaftlich nicht äquivalent ist.BGHSt 16, 221; 23, 300. Die Schadensgleichheit der Vermögensgefährdung ergibt sich aus der grundsätzlichen zivilrechtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs, die das Vermögen des Getäuschten bereits konkret belastet, da es nur vom Zufall abhängt, ob dieser Anspruch realisiert wird oder nicht.Jäger Strafrecht BT Rn. 524.
Beispiel
Im obigen Fall hat A aufgrund des mit der Bank geschlossenen Vertrages mithin die konkrete Möglichkeit, insbesondere unter Benutzung der Giro-Karte, auf das Vermögen der DB-AG zuzugreifen. Die Realisierung der Vermögensminderung hängt damit lediglich vom Zufall ab und stellt eine schadensgleiche Vermögensgefährdung dar. Aus diesem Grund ist der Betrug bereits mit Abschluss des Vertrages vollendet. Machen Sie nicht den Fehler und prüfen Sie versuchten Betrug.BGHSt 33, 244; 47, 160.
Hinweis
Der Eingehungsbetrug ist vom Erfüllungsbetrug zu unterscheiden. Dieser liegt vor, wenn die vertraglich vereinbarten Leistungen vollständig erbracht werden. Ein Eingehungsbetrug wird mithin durch Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistungen zum Erfüllungsbetrug. In diesem Fall prüfen Sie aber nicht zweimal Betrug, sondern stellen nur auf die Leistungen ab. Der Eingehungsbetrug ist in diesem Fällen notweniges Durchgangsstadium.
Denkbar ist auch, dass die Leistungen nur teilweise erbracht wurden. Auch dieser Fall wird als Eingehungsbetrug behandelt. Dazu folgendes:
Beispiel
A sucht wie schon mehrfach zuvor die Prostituierte P auf. Zwar hat er kein Geld, da sein Gehalt erst in wenigen Tagen ausbezahlt wird, er einigt sich aber gleichwohl mit P auf die Ausübung des Geschlechtsverkehrs für 50 €. Nach Leistungserbringung fordert P den A zur Zahlung auf. A, dessen Namen und Anschrift der P bekannt ist, weist darauf hin, dass er derzeit nicht zahlen könne, verspricht aber, später zu bezahlen. P, die auf das Geld angewiesen ist, greift ihn daraufhin an, indem sie ihn jedenfalls 1-mal schlägt, woraufhin A die P so lange würgt, bis der Kehlkopf bricht. P verstirbt an den Folgen der Verletzung.
Im Hinblick auf die Strafbarkeit des A gem. § 263 Abs. 1 StGB hat der BGHBGH BeckRS 2020, 9285. einen vollendeten Eingehungsbetrug und damit auch den Schaden der P bejaht und dazu Folgendes ausgeführt: „Nach der gesetzlichen Regelung des § 1 Satz 1 ProstG, wonach eine rechtswirksame Forderung der Prostituierten auf das für die sexuelle Leistung vereinbarte Entgelt entsteht, wenn die verabredete Leistung erbracht worden ist …, stand der Geschädigten aufgrund der Vereinbarung mit dem Angeklagten und der Erbringung der Dienstleistung ein Anspruch auf das vereinbarte Entgelt zu, der nach der täuschungsbedingt getroffenen Abrede sofort in bar zu erfüllen war…. In Fällen abredegemäß sofort in bar zu begleichender Entgeltforderungen führt die Unfähigkeit des Schuldners, sofort zu bezahlen, bei wirtschaftlicher Betrachtung aber in aller Regel zu einem geminderten Wert des Anspruchs gegenüber dem täuschungsbedingt Vereinbarten. Entgegen der getroffenen Abrede kann der Gläubiger über die ihm zustehenden Geldmittel nicht sofort wirtschaftlich frei verfügen. Die spätere Erfüllung des Entgeltanspruchs hängt von der anderweitig bestehenden oder künftig erst eintretenden Zahlungsfähigkeit sowie der fortbestehenden Zahlungsbereitschaft des Schuldners ab. Das hieraus resultierende Ausfallsrisiko trifft den Gläubiger. … An einem wirtschaftlichen Minderwert des Entgeltanspruchs infolge der abredewidrig unterbleibenden Barzahlung kann es allenfalls dann fehlen, wenn aus der Perspektive des für die Gesamtsaldierung maßgeblichen Zeitpunkts der Vermögensverfügung die zeitnahe Erfüllung der Entgeltforderung mit Sicherheit zu erwarten steht“.
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Eine Besonderheit stellen die bereits dargestellten Wett- und Versicherungsverträge dar (zum Versicherungsvertrag vgl. das Beispiel unter Rn. 554). Hier liegt der Schaden nicht – wie man vorschnell annehmen könnte – in der schadensgleichen Vermögensgefährdung im Hinblick auf die später auszuzahlenden Leistungen, sondern in dem bereits realisierten Vermögensschaden, der darin zu sehen ist, dass der Geschädigte einen zu geringen „Preis“ für seine Leistung fordert und bekommt.
bb) Anstellungsbetrug
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Einen besonderen Fall des Eingehungsbetruges stellt der sog. Anstellungsbetrug dar. Hier kann schon im Abschluss des Vertrages, also in der Eingehung des Arbeitsverhältnisses, ein Schaden liegen, wenn zu erwarten ist, dass der Arbeitgeber für das vertraglich zu zahlende Gehalt keine wirtschaftlich äquivalente Leistung erhalten wird.
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Die tatsächlich erbrachte Leistung eines Arbeitnehmers ist bei der Beurteilung des Schadens nur ein Indiz für die Werthaltigkeit der Leistung. Da die Leistung in jedem Monat neu erbracht werden muss, ist auch jedes Mal eine Prognose erforderlich, ob der Arbeitnehmer auch in Zukunft sein Geld wert sein wird.
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Diese zu erwartende wirtschaftliche Gegenleistung setzt sich zum einen aus fachlichen und damit leistungsbezogenen Komponenten zusammen, zum anderen aber auch aus leistungsunabhängigen Kriterien, wie z.B.
• | einer besonderen Vertrauensstellung, aufgrund derer ein höheres Gehalt gezahlt wird, wie z.B. bei einem Prokuristen oder Kassierer, |
• | aus formalen Einstellungsvoraussetzungen, wie z.B. dem ersten und zweiten juristischen Staatsexamen für die Einstellung als Richter, |
• | sowie aus einer besonderen persönlichen Eignung. |
Beispiel
A hatte sich um die Einstellung in den Polizeidienst beworben und beim Ausfüllen eines Fragebogens darüber getäuscht, dass er früher für das Ministerium für Staatssicherheit tätig war. Obwohl er in den Monaten seiner Tätigkeit als Polizist eine erstklassige Arbeit verrichtet hat, hat der BGH die Möglichkeit eines Schadens bejaht. Er hat darauf hingewiesen, dass A aufgrund seiner Tätigkeit wegen fehlender persönlicher Eignung gar nicht erst hätte eingestellt werden dürfen. Voraussetzung dafür sei jedoch im Einzelfall, dass bei der Einstellungsbehörde eine Ermessensreduzierung auf null vorliegen müsse. Diese bestimme sich nach der Art der früheren Tätigkeit beim MfS, der inzwischen vergangenen Zeit sowie der möglichen Indoktrinierung.BGHSt 45, 1; BGH NStZ 2020, 291.
cc) Gutgläubiger Erwerb
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Eine konkrete Vermögensgefährdung kann in Ausnahmefällen auch bei dem gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten angenommen werden.
Beispiel
M bietet über ein Internetportal einen im Eigentum der A-GmbH stehenden PKW für 42 000 € an die in Polen lebende K zum Kauf an. Die Bezahlung soll bar bei Übergabe des Fahrzeugs erfolgen. Entsprechend begibt sich B, ein Kumpel des A, den er für den von ihm geplanten Deal eingespannt hatte, mit dem Fahrzeug zu K. Er stellt sich unter einem falschen Namen als Eigentümer des Fahrzeuges vor und übergibt K das Fahrzeug sowie gefälschte Kraftfahrzeugpapiere. Am nächsten Tag veranlasst A seine Tochter T, das Fahrzeug bei der Polizei als „unterschlagen“ zu melden. T legt dabei einen fiktiven Mietvertrag vor, den A zuvor im Namen der A-GmbH mit dem eingeweihten F pro forma geschlossen hatte. Aufgrund des Mietvertrages geht T davon aus, dass dieser Mieter das Fahrzeug unterschlagen habe. Mittels einer GPS-Ortung kann das Fahrzeug alsdann aufgefunden und durch die Polizei sichergestellt werden. Diese Vorgehensweise hatte A von Anfang an geplant. B war in diesen Plan eingeweiht und erhielt für seine Dienste 5000 €.
Der Schaden muss in diesen Fällen über die schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung begründet werden, wobei er auch hier zu beziffern ist. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang die Bewertung des Prozessrisikos, dem der gutgläubig Erwerbende ausgesetzt ist. In der Regel ist dieses gering, muss doch der bisherige Eigentümer als Kläger beweisen, dass der Erwerb nicht gutgläubig war, was schwerlich gelingen dürfte. In Fällen wie dem soeben genannten Beispiel hat der BGHBGH Urteil vom 15.4.2015, AZ 1 StR 337/14 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de. das Prozessrisiko jedoch als hoch angesehen und den Schaden bejaht, sollte doch das Opfer den Besitz sofort wieder durch die Sicherstellung verlieren. Im Hinblick auf die gefälschten Papiere und die falschen Verkäuferdaten bestand nun das Risiko, dass die Geschädigte mit ihrem Herausgabeanspruch nicht erfolgreich sein würde.
c) Schaden bei bewusster Selbstschädigung
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Der Normalfall des Betruges zeichnet sich dadurch aus, dass dem Opfer das Vermögensschädigende seines Verhaltens nicht bewusst ist. Selbst wenn es weiß, dass es eine Vermögensverfügung trifft, so geht es doch für gewöhnlich davon aus, dass es auf der anderen Seite ein wirtschaftlich äquivalentes Kompensat erhält. Anders ist dies jedoch in den Fällen des sog. Spenden- und Bettelbetrugs. Hier verfügt das Opfer in dem Bewusstsein, keine wirtschaftlich äquivalente Gegenleistung zu erhalten. Fraglich ist, ob auch in diesen Fällen der Vermögensschaden bejaht werden kann.
Beispiel
Die vermögenslose A ergattert in der Fußgängerpassage eine Zeitschrift eines Obdachlosenhilfevereins. Am nächsten Morgen begibt sie sich ungewaschen und ungekämmt mit der Zeitung und einem Pappbecher in der Hand zu einem Biomarkt und stellt sich dort im Eingang auf. Den Vorbeikommenden erklärt sie, dass sie für die Obdachlosen der Stadt sammele. Nachdem sie 100 € im Laufe des Tages erbettelt hat, begibt sie sich frisch gewaschen in ihre Stammkneipe und feiert ihren Erfolg.
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Nach der herrschenden Zweckverfehlungslehre liegt der Vermögensschaden beim Spenden- und Bettelbetrug in der immateriellen Zweckverfehlung. Werden mithin also die von dem Täter eingesammelten Gelder nicht zu diesem oder einem vergleichbaren Zweck verwendet, so hat der Verfügende einen Schaden erlitten, weil der Abfluss des Geldes nicht durch den sozialen Zweck kompensiert ist.Jäger Strafrecht BT Rn. 521 m.w.N.
567
Die Zweckverfehlungslehre wird jedoch in der Klausur nur dann relevant, wenn der Spendende keine wirtschaftliche Gegenleistung erlangt hat.
Beispiel
Erlangt eine Behörde Büromaterial zu einem adäquaten Preis, weil ihr vorgespiegelt wird, das Material stamme aus einem staatlich ausgewiesenen, wirtschaftlichen Förderungsgebiet der ehemaligen DDR, so kann der Schaden nicht mit der sozialen Zweckverfehlungslehre begründet werden. Ein Schaden kann auch unter Einbeziehung sämtlicher anderer Aspekte nicht begründet werden, da das Büromaterial objektiv sein Geld wert war.Jäger Strafrecht BT Rn. 521.
d) Abgrenzung Dreiecksbetrug vom Diebstahl in mittelbarer Täterschaft
568
Wie bereits ausgeführt, müssen zwar der Getäuschte und der Verfügte, nicht jedoch der Verfügende und der Geschädigte beim Betrug identisch sein. Daraus ergeben sich in der Klausur Probleme hinsichtlich der Abgrenzung zwischen einem TrickDiebstahl in mittelbarer Täterschaft und einem Dreiecksbetrug.
Beispiel
Im bereits bekannten Sammelgaragenfall hatte die Inhaberin eines Fahrzeuges dieses in einer Sammelgarage geparkt und dem Parkwächter einen Zweitschlüssel überlassen. Dieser Parkwächter P gab den Schlüssel nach jeweiliger Rücksprache mit der Inhaberin gelegentlich deren Freund F. Eines Tages spiegelte F dem P vor, seine Freundin habe ihn gebeten, den Wagen abzuholen. P brauche gar nicht erst bei I, die viel beschäftigt sei, anzurufen, die Abholung sei „schon in Ordnung“. Tatsächlich hatte seine Freundin keine Kenntnis von der Abholung des Wagens durch F, welcher sich kurz darauf auf „Nimmerwiedersehen“ mit dem Auto entfernte.Vgl. BGHSt 18, 221.
Beispiel
A, der sich in einer Liebesbeziehung mit L befand, spiegelte ihr vor, Schulden bei unangenehmen Gläubigern zu haben, die ihn unter Druck setzten und bat sie, ihm wertvolle Gegenstände zu überlassen, die er dann verpfänden könne, um seine Gläubiger zu befriedigen. Wahrheitswidrig erklärte es des Weiteren, dass er die Gegenstände später wieder auslösen und L zurückgeben werde. Tatsächlich finanzierte er seinen aufwändigen Lebensstil mit den Barmitteln, die er infolge der Verpfändung erlangte. Auf diese Weise erlangte er sukzessiv im Zeitraum von 3 Monaten Gegenstände im Wert von insgesamt 608.700,00 €. Die Gegenstände befanden sich in dem von L und ihren Eltern bewohnten Anwesen und wurden überwiegend in gemeinsam genutzten Tresoren aufbewahrt. Sie standen überwiegend im Eigentum der Eltern.BGH Beschluss vom 7.3.2017, 1 StR 41/17 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.
Hier könnte in beiden Beispielsfällen ein Betrug gem. § 263 in Betracht kommen, da beide Täter getäuscht und einen entsprechenden Irrtum beim Opfer erregt haben. Die Vermögensverfügung liegt in der Herausgabe des Schlüssels und der Duldung der Wegnahme des Fahrzeuges im ersten Beispiel sowie in der Übergabe der Gegenstände im zweiten Beispiel. In beiden Fällen ist der Vermögensschaden jedoch nicht (allein) bei dem Verfügenden eingetreten, sondern bei einem Dritten (im zweiten Bespiel jedenfalls hinsichtlich der im Eigentum der Eltern stehenden Gegenstände).
In beiden Beispielsfällen kommt aber auch ein Diebstahl in mittelbarer Täterschaft gem. §§ 242, 25 Abs. 1 Alt. 2 in Betracht.
Eine Strafbarkeit sowohl wegen Diebstahls als auch wegen Betruges kommt aufgrund des beschriebenen Exklusivitätsverhältnisses nicht in Betracht.
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Ein Betrug wird bei einem Dreipersonenverhältnis für gewöhnlich angenommen, wenn zwischen dem Verfügenden und dem Geschädigten ein besonderes Näheverhältnis besteht. Umstritten ist jedoch, wann von einem solchen Näheverhältnis ausgegangen werden kann.
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Nach der Lehre von der rechtlichen Befugnis ist entscheidend, ob der Verfügende eine vom Berechtigten tatsächlich oder stillschweigend eingeräumte, rechtliche Befugnis zur Verfügung über den jeweiligen Gegenstand hatte.SK-Hoyer § 263 Rn. 92 m.w.N.
571
Nach der herrschenden Theorie von der faktischen Befugnis (auch Lagertheorie genannt) wird demgegenüber darauf abgestellt, ob der Verfügende im Lager des Geschädigten steht und so eine tatsächliche (nicht rechtliche), vom Geschädigten eingeräumte oder jedenfalls eröffnete Verfügungsmöglichkeit über den und dementsprechend eine Nähe zu diesem Gegenstand hat. Zur Begründung führt die Lagertheorie aus, dass auch Gewahrsam und Verfügung faktisch bestimmt würden, so dass gleichsam auch die Zuordnung von Verfügungsakten tatsächlicher Natur sein sollte.Jäger Strafrecht BT Rn. 493; BGH NStZ 1997, 32.
Beispiel
Im ersten Beispiel hat der BGH dementsprechend den Dreiecksbetrug bejaht. Aufgrund der dem Parkwächter übertragenen Möglichkeit, durch Aushändigung des Zweitschlüssels über den Wagen zu verfügen, stand dieser im Lager der Geschädigten. Darüber hinaus war er auch nach der engeren, in der Literatur vertretenen Auffassung von dieser ermächtigt worden.
Im zweiten Beispiel hingegen hat der BGH die Nähe der Verfügenden zum geschädigten Vermögen der Eltern verneint. Es reiche nicht aus, dass die Tochter Zugriff auf die Gegenstände habe. Auch reiche die Annahme von Mitgewahrsam nicht aus, solange sich aus diesem keine besondere Verpflichtung ergebe, auch für diese Gegenstände eine Hüterstellung zu übernehmen.
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Einen Sonderfall des Dreieckbetruges stellt der Prozessbetrug dar. Beim Prozessbetrug ist der Richter derjenige, der aufgrund eines Irrtums verfügt, indem er entweder dem Klageanspruch stattgibt oder aber ihn abweist. Der Vermögensschaden tritt dann bei demjenigen ein, dem zu Unrecht ein Anspruch ab- oder zuerkannt wurde. Der Richter steht zwar aufgrund seiner Unabhängigkeit nicht zwingend im Lager des Geschädigten. Aufgrund seiner hoheitlichen Stellung, die es ihm ermöglicht, Anordnungen über fremdes Vermögen zu treffen, hat er aber jedenfalls eine erforderliche Nähebeziehung zum geschädigten Vermögen. Diese hoheitliche Stellung verleiht ihm auch eine entsprechende „rechtliche Befugnis“, so dass auch die abweichende Literaturauffassung zu der Bejahung eines Dreiecksbetruges gelangt.
Hinweis
Beachten Sie, dass ein Prozessbetrug nicht in Strafverfahren in Betracht kommt, da eine eventuell aufgrund einer Täuschung verhinderte Geldstrafe keinen Vermögenswert darstellt. Wichtigster Anwendungsfall des Prozessbetruges ist mithin die zivilrechtliche Auseinandersetzung zwischen zwei Parteien.