Inhaltsverzeichnis
IX. Täterschaft und Teilnahme
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Bei der Täterschaft und Teilnahme wird das oben beschriebene Verhältnis von Mord und Totschlag zueinander relevant. Erheblich ist ferner die Einordnung der Mordmerkmale als tat- und täterbezogene Mordmerkmale.
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Die objektiven tatbezogenen Mordmerkmale werden Mittätern, mittelbaren Tätern und Teilnehmern zugerechnet, wenn sich deren Vorsatz auf die Verwirklichung der Merkmale durch den unmittelbar Handelnden richtet. § 28 ist an dieser Stelle nicht anwendbar!
Expertentipp
Setzen Sie sich an dieser Stelle mit den Prüfungsschemata von Mittäterschaft, mittelbarer Täterschaft und von Anstiftung und Beihilfe auseinander, dargestellt im Skript „Strafrecht AT II“.
Beispiel
A tötet mit einem Jagdgewehr, welches ihm F besorgt hat, seine Eltern hinterrücks. F hat sich wegen Beihilfe zum Mord strafbar gemacht, wenn sie die Umstände der Tatbegehung kannte und dementsprechend wusste, dass A einen heimtückischen Mord und nicht nur einen Totschlag begehen wird. Sofern F umfangreicher an der Tat mitgewirkt hat und dabei aufgrund von Tatherrschaft Täterin ist, gilt das Gleiche: weiß sie von der Art und Weise der Tatbegehung und entspricht die Tatausführung dem gemeinsamen Tatplan, dann wird ihr die heimtückische Tötung über § 25 Abs. 2 zugerechnet.
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Die subjektiven täterbezogenen Mordmerkmale müssen bei den jeweiligen (Mit-)Tätern vorliegen. Eine Zurechnung kommt nicht in Betracht. Problematisch ist der Fall, in dem ein Mittäter ein täterbezogenes Mordmerkmal verwirklicht, der andere aber nicht.
Beispiel
A und B wollen gemeinsam C töten. A soll C festhalten, während B ihm das Messer in den Bauch rammen soll. Wie verabredet gehen sie vor. Während B die Tat aus Habgier begeht, liegt bei A kein Mordmerkmal vor.
Im Rahmen von § 25 Abs. 2 müsste dem A die Tathandlung des B zugerechnet werden, damit A wegen gemeinschaftlich begangenen Totschlages verurteilt werden kann. B hat jedoch einen Mord und keinen Totschlag begangen. Fraglich ist, ob die (Mord-) Handlung dem Totschlag zugerechnet werden kann. Die LiteraturJäger Strafrecht BT Rn. 22. hat damit kein Problem, da der Totschlag als Grunddelikt im Mord mit enthalten ist. Nach Auffassung des BGHBGHSt 36, 231. dürfte eine Zurechnung eigentlich nicht möglich sein, da beide Delikte selbstständig sind. Der BGH vermeidet diese unbefriedigende Lösung jedoch dadurch, dass er ausführt, der Unwertgehalt des Totschlages sei im Mord mit enthalten, weswegen eine Zurechnung möglich sei.
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Bei Teilnehmern richtet sich bei den subjektiven täterbezogenen Mordmerkmalen die Strafbarkeit nach § 28.
Nach Auffassung des BGH ist der Mord ein eigenständiges Delikt mit der Folge, dass die Mordmerkmale strafbegründend sind. Demnach ist auf Teilnehmer § 28 Abs. 1 anwendbar, was zur Folge hat, dass die Teilnehmer abhängig von der Haupttat des Täters wegen Anstiftung zum Mord oder Totschlag bestraft werden, im Einzelfall jedoch die Strafe gemildert werden muss, wenn das Mordmerkmal des Haupttäters beim Teilnehmer fehlt.
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Nach Auffassung der Literatur ist der Mord eine Qualifikation zum Totschlag, so dass die Mordmerkmale strafschärfend sind. § 28 Abs. 2 ist anwendbar, mit der Folge, dass eine Durchbrechung der Akzessorietät in Betracht kommt. Denkbar sind in diesem Zusammenhang folgende Konstellationen, bei denen Rechtsprechung und Literatur zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen:
1. | Der Haupttäter verwirklicht ein Mordmerkmal, z.B. Habgier, der Teilnehmer hat kein eigenes Mordmerkmal
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2. | Der Haupttäter hat kein Mordmerkmal, der Teilnehmer hingegen schon, z.B. wieder Habgier
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3. | Der Haupttäter verwirklicht ein Mordmerkmal, z.B. Habgier, der Teilnehmer verwirklicht ebenfalls ein Mordmerkmal, aber ein anderes als der Haupttäter, z.B. Verdeckungsabsicht
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Beachten Sie, dass es in den vorgenannten Konstellationen für den BGH wichtig ist, dass der Teilnehmer das Mordmerkmal des Haupttäters kennt. Weiß er schon gar nicht, dass dieser ein Mordmerkmal verwirklicht, dann weiß er auch nicht, dass dieser einen Mord begehen wird, § 28 Abs. 1 ist insoweit nicht anwendbar. Für die Literatur ist der Vorsatz bezüglich des Mordmerkmals des Haupttäters letztlich irrelevant, da gem. § 28 Abs. 2 nur entscheidend ist, ob der Teilnehmer selber ein Mordmerkmal verwirklicht. Kennt also der Teilnehmer das Mordmerkmal des Haupttäters nicht, hat er aber ein eigenes, so ist er unabhängig vom Vorsatz über § 28 Abs. 2 wegen Teilnahme am Mord zu bestrafen.
Beispiel
A will seine Eltern aus Habgier töten. B besorgt ihm wieder das Gewehr, weiß aber von der Habgier nichts.
In diesem Fall hat sich B nach allen Auffassungen nur wegen Beihilfe zum Totschlag strafbar gemacht. Der BGH würde darauf abstellen, dass der Vorsatz des B nur auf einen Totschlag als rechtswidrige Haupttat gerichtet war, die Literatur würde darauf abstellen, dass eine Tatbestandsverschiebung gem. § 28 Abs. 2 vorliegt, da B kein eigenes Mordmerkmal aufweist.
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In der Klausur beginnen Sie mit Beihilfe/Anstiftung zu der Tat, die der Haupttäter, dessen Strafbarkeit Sie zuerst geprüft haben, verwirklicht hat.
Achten Sie zunächst beim Vorsatz darauf, dass dem Teilnehmer die Mordmerkmale des Haupttäters bekannt sind, da das jedenfalls für den grundsätzlich in Frage kommenden § 28 Abs. 1 relevant ist. Bei tatbezogenen Mordmerkmalen reicht allein das aus, § 28 ist hier nach allen Auffassungen uninteressant.
Nachdem Sie den Vorsatz geprüft haben, können Sie jetzt die Frage nach einer Tatbestandsverschiebung gem. § 28 Abs. 2 stellen. Möglich ist auch, diese Problematik erst nach der Schuld zu erörtern. Im Rahmen des § 28 Abs. 2 müssen dann dessen Voraussetzungen geprüft werden:
Expertentipp
1. | Haupttäter hat oder hat kein persönliches Mordmerkmal |
2. | Teilnehmer hat oder hat kein persönliches Mordmerkmal |
3. | Mordmerkmal ist strafbegründend – an dieser Stelle erfolgt die Darstellung der unterschiedlichen Auffassungen von BGH und Literatur! |