Inhaltsverzeichnis
I. Überblick
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Gem. § 25 Abs. 2 erfordert die Mittäterschaft ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken mehrerer Täter. Die Grundlage der Mittäterschaft ist das arbeitsteilige Handeln gleichberechtigter Partner, die aufgrund eines gemeinsamen Tatplans die Tatausführung gemeinsam verwirklichen, so dass sich die jeweiligen Tatbeiträge der Einzelnen zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfügen.BGHSt 24, 286; Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 810. Dementsprechend ist es nicht erforderlich, dass ein Mittäter die eigentliche Tathandlung selbst ausführt. § 25 Abs. 2 ist eine Zurechnungsnorm, mit welcher dem Täter, dessen Strafbarkeit gerade geprüft wird, das Handeln des jeweilig anderen Mittäters unter den Voraussetzungen der Norm wie eigenes Handeln zugerechnet wird. Eine Zurechnung gem. § 25 Abs. 2 kommt aber nur zwischen tauglichen Tätern in Betracht. Taugliche Täter sind solche, die die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen in ihrer Person erfüllen (tatbestandsbezogener Täterbegriff).
Die Voraussetzungen der Mittäterschaft sind somit
• | die gemeinsame Tatausführung, |
• | der gemeinsame Tatplan sowie |
• | das Vorliegen deliktsspezifischer Merkmale bei jedem Mittäter. |
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Von der Mittäterschaft zu unterscheiden ist die bloße Nebentäterschaft, bei welcher ebenfalls mehrere Personen den tatbestandlichen Erfolg herbeiführen. Im Gegensatz zur Mittäterschaft bewirken diese Personen jedoch unabhängig voneinander, d.h. ohne bewusstes und gewolltes Zusammenwirken den tatbestandlichen Erfolg.
Beispiel
A und B wollen beide ihren sadistischen Chef C töten. Unabhängig voneinander und ohne Kenntnis des Vorgehens des jeweils anderen vergiften sie die Lieblingspralinen des C, die dieser auf seinem Schreibtisch stehen hat. Hier fehlt es an einem gemeinsamen Tatplan, so dass A und B selbstständige (Neben-)Täter sind.
Bei der Klausur können Ihnen zwei Sachverhaltstypen begegnen, die aufbautechnisch unterschiedlich angegangen werden sollten.
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Der eine Sachverhaltstyp ist dadurch gekennzeichnet, dass einer der Beteiligten im Wesentlichen alleine handelt, der andere Beteiligte entweder nur vorbereitend oder unterstützend tätig wird oder aber im Rahmen der sukzessiven Mittäterschaft zu einem Zeitpunkt hinzutritt, zu welchem die Vollendung bereits eingetreten ist. In diesem Fall sollten beide Beteiligten getrennt voneinander geprüft werden. Beginnen sollten Sie zunächst mit dem Tatnächsten, d.h. demjenigen, der in der eigenen Person den Tatbestand verwirklicht hat. Alsdann ist mit dem Beteiligten fortzufahren, in dessen Person das Ausführungsmanko vorliegt. Im Rahmen der Tathandlung ist sodann danach zu fragen, ob ihm gem. § 25 Abs. 2 die Handlungen, die der unmittelbar Handelnde vorgenommen hat, zugerechnet werden können. Das PrüfungsschemaVgl. dazu auch Jäger Strafrecht AT Rn. 306. für den getrennten Aufbau sieht mithin wie folgt aus:
Prüfungsschema
Wie prüft man: Getrennter Aufbau bei Mittäterschaft
A. | Strafbarkeit des Tatnächsten |
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B. | Strafbarkeit des weiteren Beteiligten als Mittäter gem. § 25 Abs. 2 |
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| I. | Objektiver Tatbestand |
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| 1. | deliktspezifische objektive Merkmale, insbesondere auch spezielle Anforderungen an den Täter |
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| 2. | Bei der Tathandlung: Zurechnung der Handlung des anderen |
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| a) | gemeinsamer Tatplan |
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| Exzess, insbesondere error in objecto vel persona | |
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| fahrlässige Mittäterschaft | |
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| b) | Eigener Verursachungsbeitrag |
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| c) | Wertung dieses Verursachungsbeitrags nach materiell objektiver und subjektiver Theorie |
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| sukzessive Mittäterschaft | |
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| Tätigkeit nur im Vorbereitungsstadium | |
| II. |
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| 1. | Tatbestandsvorsatz einschließlich Tatherrschaftsbewusstsein (den Täterwillen nach der subjektiven Theorie haben Sie bereits im objektiven Tatbestand bei der Bewertung geprüft |
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| 2. | Deliktsspezifische subjektive Tatbestandsmerkmale |
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| III. | Rechtswidrigkeit |
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| IV. | Schuld |
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Der zweite Sachverhaltstyp ist dadurch gekennzeichnet, dass entweder beide Beteiligten bei der Ausführung zugegen sind und arbeitsteilig die einzelnen Deliktsmerkmale verwirklichen, so dass erst durch die Zusammenschau die Tatbestandsverwirklichung eintritt (überwiegend bei mehraktigen Delikten, wie dem Raub) oder aber, dass im Sachverhalt die Beteiligten wie eine Person behandelt werden.
Beispiel
A hält C fest, damit B dem C die Armbanduhr abnimmt. Hier stellen beide Handlungen zusammen den objektiven Tatbestand des § 249 dar.
Beispiel
A, B und C schlagen mit Fäusten auf X ein. Hier haben alle zusammen aufgrund eines gemeinsamen Tatplans jeweils eine eigene Körperverletzungshandlung vorgenommen, so dass eine Zurechnung gar nicht nötig ist. § 25 Abs. 2 hat hier lediglich klarstellende Funktion und ermöglicht es Ihnen in der Klausur, die Beteiligten gemeinsam in einem Obersatz zu prüfen.
Die Zurechnungsbedeutung des § 25 Abs. 2 lebt wieder auf, wenn nicht genau feststeht, wer z.B. bei Verwendung eines Schlagrings welchen Schlag verpasst hat. Sofern alle Beteiligten als Mittäter angesehen werden können, ist eine genaue Zuordnung überflüssig, so dass alle gem. §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2. bestraft werden können.
Sofern in diesen Fällen nach der Strafbarkeit der Beteiligten gefragt ist, bietet sich an, diese Strafbarkeit zusammen zu prüfen. Das Prüfungsschema für den gemeinsamen Aufbau sieht wie folgt aus:
Prüfungsschema
Wie prüft man: Gemeinsamer Aufbau bei der Mittäterschaft
I. | Objektiver Tatbestand | |||
| 1. | deliktspezifische objektive Merkmale, insbesondere auch spezielle Anforderungen an die Täter | ||
| 2. | Bei der Tathandlung: | ||
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| a) | Feststellung, wer welche Handlung begangen hat und gutachterliche Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen | |
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| b) | wechselseitige Zurechnung der Handlung des jeweils anderen | |
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| aa) | gemeinsamer Tatplan |
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| bb) | eigener Verursachungsbeitrag |
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| cc) | Wertung dieses Verursachungsbeitrags nach materiell objektiver und subjektiver Theorie |
II. | Subjektiver Tatbestand | |||
| 1. | Tatbestandsvorsatz einschließlich Tatherrschaftsbewusstsein, für jeden Beteiligten getrennt prüfen | ||
| 2. | deliktsspezifische subjektive Tatbestandsmerkmale bei jedem Beteiligten | ||
III. | Rechtswidrigkeit | |||
IV. | Schuld |
Sofern bei arbeitsteiliger, mittäterschaftlicher Verwirklichung eines Deliktes nach der Strafbarkeit nur eines Beteiligten gefragt wird, ist das Prüfungsschema für den getrennten Aufbau der Mittäterschaft anzuwenden. Es entfällt die Prüfung nach A „Strafbarkeit des Tatnächsten“. Es wird sofort mit der Strafbarkeit des Beteiligten begonnen. Wiederum wird im Rahmen der Tathandlung danach gefragt, ob der Tatbeitrag, der von dem Beteiligten erbracht wurde, nach dessen Strafbarkeit nicht gefragt wird, dem Täter über § 25 Abs. 2 zugerechnet werden kann. In diesem Fall müssen Sie jedoch diesen Tatbeitrag zunächst gutachterlich prüfen und feststellen, ob er die Anforderungen des Delikts erfüllt.