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Strafrecht Allgemeiner Teil 2 - Mittäterschaft - Gemeinsamer Tatplan

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Strafrecht Allgemeiner Teil 2

Mittäterschaft - Gemeinsamer Tatplan

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Inhaltsverzeichnis

III. Gemeinsamer Tatplan

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In der Klausur werden Sie im objektiven Tatbestand irgendwann zu der Feststellung gelangen, dass der Täter, dessen Strafbarkeit Sie gerade prüfen, die Tathandlung nicht oder nicht vollständig (§ 249) erbracht hat. Dann stellt sich die Frage, ob ihm die Handlung eines anderen, dessen Strafbarkeit Sie zumeist bereits geprüft haben (getrennter Aufbau), gem. § 25 Abs. 2 zugerechnet werden kann. Die erste Zurechnungsvoraussetzung ist, dass zwischen den Beteiligten ein gemeinsamer Tatplan bestand.

Expertentipp

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Machen Sie sich bewusst, dass Sie nun im objektiven Tatbestand ein subjektives Element prüfen. Der Tatplan ist nämlich das, was die Beteiligten umsetzen wollen, also ihre Vorstellung von der Verwirklichung der Tat. Dies ist nicht anders möglich, da die objektive Zurechnung der Tathandlung von dieser subjektiven Voraussetzung abhängt.Siehe dazu auch Jäger Strafrecht AT Rn. 307. Wenn Sie spitze Anmerkungen eines Korrektors vermeiden möchten, können Sie den Prüfungsaufbau dahin gehend abändern, dass Sie nicht zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand unterscheiden, sondern nur den „Tatbestand“ prüfen.   

Ein gemeinsamer Tatplan bedeutet, dass der Vorsatz eines Mittäters auf die gemeinschaftliche Verwirklichung des jeweiligen Delikts gerichtet sein muss. Jeder Mittäter muss seinen eigenen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt kennen.Schönke/Schröder-Cramer/Heine § 25 Rn. 91; BGH NStZ 1984, 413.

Die erforderliche Willensübereinstimmung kann vor Ausführung der Tat aber auch, so u.a. bei der sukzessiven Mittäterschaft, während der Tatausführung hergestellt werden. Sie kann ausdrücklich oder konkludent durch schlüssiges Handeln zustande kommen. Voraussetzung jedoch ist eine minimale Verständigung der Beteiligten.BGH NJW 1995, 2998.

Beispiel

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A beabsichtigt, B auszurauben. Nachdem er ihn niedergeschlagen hat, kommt C hinzu. Ohne mit A darüber zu reden, beginnt C dem B die Wertgegenstände abzunehmen. A lässt C gewähren mit der Bemerkung „wir machen fifty-fifty“ woraufhin C bestätigend nickt. Hier ist während der Tatausführung die erforderliche Willensübereinstimmung zwischen A und C zustande gekommen.

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Kleine Abweichungen vom geplanten Geschehen sind vom Tatplan abgedeckt, sofern mit ihnen bei der Tatausführung gerechnet werden musste und sie den Schwere- bzw. Gefährlichkeitsgrad der Tat nicht nachhaltig verändern.BGH NStZ-RR 2000, 366; BGH NJW 2003, 1541.

Beispiel

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X, Y und Z beschließen beim gemütlichen Beisammensitzen, dem A einen Denkzettel zu verpassen für ein ihrer Ansicht nach ungebührliches Verhalten dem Z gegenüber. Sie beginnen, wechselseitig auf A einzuschlagen und kommen dann stillschweigend überein, diesen „Denkzettel“ zu intensivieren. X schlägt zu diesem Zweck mit einer Hundeleine auf A ein, wenig später versetzt er ihm mit einem Quarzhandschuh mehrere Faustschläge. A wird dadurch lebensbedrohlich verletzt.

Der BGHBGH NStZ 2012, 563. hat deutlich gemacht, dass für Y und Z nicht nur eine mittäterschaftlich begangene Körperverletzung gem. § 224 Nr. 4 sondern auch nach § 224 Nr. 2 und 5 in Betracht komme. Das Zuschlagen mit der Leine und dem Handschuh sei zwar zuvor nicht explizit abgesprochen gewesen. Vom Willen des Mittäters seien aber auch Handlungen, mit denen nach den Umständen des Falles gerechnet werden musste, umfasst, auch wenn er sie sich nicht im Einzelnen vorgestellt habe. Dies gelte auch, wenn die Handlungen dem Mittäter gleichgültig seien.

In Anbetracht der vereinbarten Intensivierung des „Denkzettels“ lag demnach auch der Einsatz von Verletzungswerkzeugen wie der Leine und dem Handschuh sowie eine dadurch bewirkte, abstrakte Lebensgefahr innerhalb des Vorhersehbaren.  

Sind die Abweichungen vom zuvor gefassten Tatplan aber erheblich, so stellt sich die Frage, ob der Tatplan während der Tatausführung einvernehmlich geändert wurde oder ob ein Exzess eines Mittäters vorliegt, der den anderen Mittätern nicht mehr zugerechnet werden kann.

Erkennen die anderen Mittäter die zumeist von einem Täter veranlasste Änderung und billigen sie diese, dann ist Mittäterschaft möglich, sofern alle den jeweiligen neuen Beitrag als Teil der eigenen Tätigkeit und umgekehrt den eigenen Beitrag als Ergänzung zu dem neuen Beitrag ansehen (gemeinsame Tatausführung). Beachten Sie aber, dass bloße Untätigkeit eines Mittäters nach Änderung des Tatplans nicht ausreicht für das gemeinsame Zusammenwirken.

Beispiel

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A und B vereinbarten, zu Hause bei O zu klingeln, diese nach dem Öffnen der Haustüre zu überwältigen und alsdann zu fesseln und zu knebeln. Danach sollte die Wohnung nach Wertgegenständen durchsucht werden. Eine Tötung der O war nicht abgesprochen. Nachdem A jedoch die Wohnung betreten hatte, erkannte er, dass B das Tatopfer bis zur Bewusstlosigkeit würgte. Tatsächlich hatte B den Vorsatz, O dadurch zu töten, was ihm schließlich auch gelang. Die Möglichkeit der Tötung der O erkannte A, unterließ es jedoch, B von dem Würgen abzuhalten.

Hier hat der BGHBGH Beschluss vom 14.2.2012, 3 StR 446/11 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de. ausgeführt, dass allein die Untätigkeit noch nicht ausreiche, einen (sukzessiv) mittäterschaftlich begangenen Totschlag für A zu begründen. Voraussetzung für eine Mittäterschaft sei vielmehr eine Förderung der Tat und ein Bewusstsein des Täters von der fördernden Wirkung. Außerdem erfordere die Willensübereinstimmung im Rahmen des gemeinsamen Tatplans, dass auch der andere – hier B – seine Tätigkeit durch die Unterstützung – hier des A – vervollständigen und sich diese zurechnen lassen will, was wiederum nur möglich sei, wenn die Unterstützungshandlung wahrgenommen werde.

Denkbar ist natürlich eine Tötung durch Unterlassen gem. §§ 212, 13. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass es A möglich war, B von dem Würgen abzuhalten. Des Weiteren ist problematisch, ob A eine Garantenstellung innehatte. Diese könnte darin liegen, dass A und B den Raub geplant und sich entsprechend Zutritt verschafft haben. Problemtisch dürfte aber der Zurechnungszusammenhang sein. Dieser liegt nur dann vor, wenn das tödliche Würgen noch in der von den Tätern geschaffenen Eskalationsgefahr liegt.

Ansonsten kommt wohl nur eine Strafbarkeit wegen psychischer Beihilfe durch Unterlassen gem. § 13 in Betracht.

Geht also einer der Tatbeteiligten über den zuvor festgelegten Tatplan in wesentlicher Weise hinaus und liegt keine nachträgliche, gemeinsame Erweiterung des ursprünglichen Tatplans vor, so haben Sie es mit einem Exzess eines Mittäters zu tun, der den übrigen Beteiligten nicht zugerechnet wird.Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 826. Ein solcher Exzess wird angenommen,     

wenn der Täter eine andere Tat als die ursprünglich geplante Tat begeht.

Beispiel

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Gewohnheitsdieb A schließt sich mit B zusammen, um Juwelier J auszurauben. Da J sich in der Vergangenheit auch schon einmal erfolgreich bei Überfällen zur Wehr gesetzt hat, besorgt A eine geladene Waffe, die er B aushändigt. Geplant ist, J mit dieser Waffe in Schach zu halten. Während B den Laden betritt, wartet A im Fluchtwagen vor der Türe. B hält nun J wie geplant die Waffe vor und fordert ihn auf, den Schmuck herauszugeben. Zur Überraschung des A schießt B dann aber auf J, wohl um keine Zeugen zu hinterlassen. Anschließend nimmt er Schmuck und Bargeld mit. Der Erlös wird zwischen A und B aufgeteilt.

Hier hat sich B wegen schwerem Raubes mit Todesfolge gem. §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, 251 sowie wegen Mord in Verdeckungsabsicht gem. §§ 211, 212 strafbar gemacht.

A hat sich jedenfalls gem. §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 strafbar gemacht. Die Tötung des J kann ihm hingegen nicht zugerechnet werden, da B eine andere als die zuvor geplante Tat und damit einen Mittäterexzess begangen hat. Bezüglich der Tötung des J gibt es mithin keinen gemeinsamen Tatplan, so dass eine Strafbarkeit gem. §§ 211, 212, 25 Abs. 2 ausscheidet. Durch den Exzess wird auch der gefahrspezifische Zusammenhang bei § 251 unterbrochen.BGH NStZ-RR 2020, 143. Anders wäre die Situation evtl. zu beurteilen, wenn in dem geplanten Vorhalten der Waffe bereits ein Eskalationspotential gelegen hätte, welches sich dann typischerweise im Verwenden realisiert hätte, so z.B. wenn B auf J geschossen hätte, weil dieser sich gegen B zur Wehr setzte (siehe dazu auch das Beispiel unter Rn. 111).    

wenn der Täter qualifizierende Merkmale verwirklicht, die nicht abgesprochen waren.

Beispiel

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Nehmen wir an, im obigen Beispiel wusste A schon nichts von der Waffe, mit der B den J bedroht. Dann wäre A nur gem. §§ 249 Abs. 1, 25 Abs. 2 zu bestrafen. Bezüglich des Verwendens der Waffe gem. § 250 Abs. 2 Nr. 1 läge ein Exzess des B vor.

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Expertentipp

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Sofern Sie die bisherigen Gelegenheiten zur Wiederholung des subjektiven Tatbestandes noch nicht genutzt haben, können Sie das an dieser Stelle nachholen, indem Sie das Skript „Strafrecht AT I“ zur Hand nehmen.

 

Ein error in objecto vel persona durch einen der Mittäter ist nach überwiegender Ansicht für die anderen Mittäter unbeachtlich, sofern sich die Tathandlung im Rahmen des Tatplans hält und die Verwechslung wegen tatbestandlicher Gleichwertigkeit der Objekte den Tatbestandsvorsatz des handelnden Mittäters unberührt lässt, da das Risiko der Verwechslung bereits in der gemeinsamen Abrede und dem eigenverantwortlichen freien Agieren einzelner Beteiligter liegt.BGH NStZ 2019, 511; Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 829.

Fraglich ist jedoch, ob dies auch dann gilt, wenn der Irrtum einen der Mittäter betrifft.  

Beispiel

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A und B wollen X, Geschäftsführer eines Nachtclubs, der sie um mehrere 100 000 € betrogen hat, töten. Da sie nicht wissen, ob X in der fraglichen Nacht den Club durch die Vorder- oder Hintertüre verlassen wird, positioniert sich A vorne und B hinten. Abgesprochen ist, dass derjenige, der X zuerst erblickt, einen oder mehrere Schüsse auf ihn abgeben soll. Nachdem beide mehrere Stunden im Gebüsch gelegen haben, geht A, ohne mit B darüber zu sprechen, in den Club, um nachzusehen, ob X überhaupt anwesend ist. Nachdem er sich diesbezüglich vergewissert hat, verlässt er den Club durch die Hintertüre. B, inzwischen erheblich übermüdet, glaubt, dass es sich um X handele und gibt einen Schuss auf A ab, der diesen jedoch nur am Arm verletzt. Von weiteren Schüssen nimmt B Abstand, da er erkennt, wen er tatsächlich getroffen hat.

Hier hat sich B gem. §§ 211, 22, 23 und 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 strafbar gemacht. Die Objektsverwechselung ist für den Vorsatz unbeachtlich, da er das Objekt getroffen hat, welches er anvisiert hat.

Fraglich ist, wie A sich strafbar gemacht hat. Es könnte ein versuchter Mord in Mittäterschaft gem. §§ 211, 22, 23, 25 Abs. 2 in Betracht kommen. Die Vollendung ist ausgeblieben, der Versuch ist strafbar. Ferner müsste der Tatentschluss auf die Tötung eines anderen in Mittäterschaft gerichtet gewesen sein. Nach der Vorstellung des A sollte ein anderer Mensch entweder durch seine oder die Handlung des B getötet werden. Fraglich ist jedoch, ob der Tatentschluss auch den tatsächlich eingetretenen Erfolg betraf.Vgl. hierzu auch die ausführliche Falllösung bei Jäger Strafrecht AT Rn. 310.

Nach Auffassung des BGH und der herrschenden Literatur ist auch in einem solchen Fall der error in persona des einen Mittäters für den anderen Mittäter unbeachtlich. Sofern der Tatentschluss z.B. die Tötung eines Menschen umfasse, sei er zu bejahen, wenn zu dieser Tötung unmittelbar aufgrund des Tatentschlusses angesetzt werde.BGHSt 11, 268; Schönke/Schröder-Cramer/Heine § 25 Rn. 96; Rengier Strafrecht AT § 44 Rn. 33.

Nach einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung liegt die versuchte z.B. Tötung eines Mittäters außerhalb des gemeinsamen Tatplans und stellt damit einen Exzess dar, der dem (verletzten) Mittäter nicht zugerechnet werden kann.Schreiber JuS 1985,876; Jäger Strafrecht AT Rn. 311.

Beispiel

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Nach Auffassung der h.M. hat sich A also der versuchten mittäterschaftlichen Tötung strafbar gemacht. Nach Auffassung der Literatur ist er hingegen nur wegen Verabredung zum Verbrechen gem. § 30 Abs. 2 strafbar.

Beachten Sie, dass eine mittäterschaftlich vollendete Körperverletzung an sich selbst nicht möglich ist, da A kein „anderer Mensch“ ist. Beim Versuch wurde nur auf den Tatentschluss (Tötung des Verfolgers) abgestellt!

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Expertentipp

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Sofern Ihnen der Aufbau und die Probleme des erfolgsqualifizierten Delikts nicht mehr präsent sein sollten, können Sie an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und dieses Thema wiederholen, welches im Skript „Strafrecht AT I“ dargestellt ist.

Bei erfolgsqualifizierten Delikten wird beim Grunddelikt nur die Tathandlung des jeweils anderen zugerechnet. Aus § 29 ergibt sich, dass der Täter nach seiner eigenen Schuld bestraft wird. Für die erfolgsqualifizierten Delikte bedeutet das, dass dem Mittäter hinsichtlich der besonderen Tatfolge selbst gem. § 18 wenigstens Fahrlässigkeit vorgeworfen werden muss. Das sorgfaltspflichtwidrige Verhalten des anderen Mittäters wird mithin nicht über § 25 Abs. 2 zugerechnet.

Geht nun ein Mittäter über den Tatplan hinaus und tötet das Opfer, dann kann die Tötung den anderen – wie im Beispiel unter Rn. 109 gesehen – nicht über das Vorsatzdelikt zugerechnet werden. Sofern aber das Risiko der Tötung schon im mittäterschaftlich begangenen Grunddelikt angelegt war, kommt eine Zurechnung über das erfolgsqualifizierte Delikt in Betracht.

Beispiel

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Die rechtsradikalen Jugendlichen A, B und C schlagen und treten seit einiger Zeit mit steigender Intensität gemeinsam auf ihr wehrloses Opfer X ein und haben ihn bereits zweimal gezwungen, in die Kante eines Schweinetrogs aus Stein zu beißen, als aufgrund eines plötzlichen Impulses A dem X, der gerade wieder in die Kante beißen muss, mit seinen Springerstiefeln auf den Kopf springt. X stirbt an den Verletzungen, die er sich dabei zuzieht.Fall nach BGH, Entscheidung vom 19.8.2004 („Schweinetrogfall“), 5 StR 218/04, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de; kommentiert von Heinrich NStZ 2005, 95 ff. Lesen Sie dazu auch BGH Entscheidung vom 16.9.2009, 2 StR 259/09, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.

Hier hat A sich des Mordes an X strafbar gemacht, indem er diesem auf den Kopf sprang. Ein mittäterschaftlich begangener Mord kommt für B und C nicht in Betracht, da das Springen nicht Teil des gemeinsamen Tatplans war, insoweit also ein Exzess des A vorliegt. Der BGH hat beide jedoch wegen mittäterschaftlich begangener Körperverletzung mit Todesfolge bestraft. Das Grunddelikt haben beide in gleichem Maße verwirklicht, indem sie auf X einschlugen und eintraten. Dann stellte sich für beide zunächst die Frage, ob die Körperverletzungshandlungen das Risiko bargen, dass A die Gewalt steigert und X auf den Kopf springt. In Betracht kommt auch ein, den Unmittelbarkeitszusammenhang unterbrechendes, eigenverantwortliches Dazwischentreten des A. Der BGH hat jedoch diese Eskalationsgefahr bei mittäterschaftlich begangenen Körperverletzungen als geradezu typisch bejaht. Dann musste in Anbetracht von § 18 nur noch danach gefragt werden, ob für B und C der Eintritt der Folge vorhersehbar war (die Sorgfaltspflichtwidrigkeit ergibt sich bereits aus der Verwirklichung des Grunddelikts), was der BGH ebenfalls bejaht hat.Anders BGH NStZ 2021, 735: hier wurde die Eskalationsgefahr verneint, wohl auch, weil nicht feststand, wie viele Personen sich an dem Angriff beteiligt hatten.

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Ob auch bei Fahrlässigkeitsdelikten eine Mittäterschaft möglich ist, ist umstritten. Beachten Sie aber, dass § 25 Abs. 2 dann nicht erforderlich ist, wenn beide Täter eine sorgfaltspflichtwidrige Handlung vornehmen. Diese Sorgfaltspflichtwidrigkeit kann auch schon in der Verabredung zur Vornahme sorgfaltspflichtwidriger Handlungen liegen.

Problematisch können jedoch die Fälle werden, in denen sich nicht genau nachweisen lässt, wer welche Handlung vorgenommen hat. Hier würde § 25 Abs. 2 helfen, da die Tathandlung – egal von wem – dem jeweils anderen zugerechnet würde, so dass es unerheblich ist, welcher Täter sie vorgenommen hat.

Beispiel

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A und B haben Langeweile und stellen sich deshalb auf die Autobahnbrücke, von welcher sie abwechselnd schwere Steine auf die unten fahrenden Autos hinabwerfen. Einen Tötungsvorsatz haben sie nicht, auch wenn sie wissen, dass ihr Treiben gefährlich ist. Einer dieser Steine durchschlägt die Windschutzscheibe des Autofahrers X und trifft ihn am Kopf. Infolge eines sofortigen Bewusstseinsverlustes fährt das Auto vor den Brückenpfeiler, wodurch X sich tödliche Verletzungen zuzieht. Im Nachhinein lässt sich nicht klären, wer den „tödlichen“ Stein geworfen hat.

Hier haben sich beide gem. § 315b Abs. 1 Nr. 3 strafbar gemacht. Fraglich ist, ob sie sich darüber hinaus auch der fahrlässigen mittäterschaftlichen Tötung gem. §§ 222, 25 Abs. 2 strafbar gemacht haben können. Hätten beide mit dolus eventualis gehandelt, so wäre eine Mittäterschaft unproblematisch.

Einer im Schrifttum vordringenden Auffassung zufolge kann eine sachgerechte strafrechtliche Fahrlässigkeitshaftung nur über die fahrlässige Mittäterschaft herbeigeführt werden, zumal der Wortlaut des § 25 Abs. 2 keine Eingrenzung auf Vorsatzdelikte vornimmt. Als gemeinsamer Tatplan wird der Entschluss angesehen, sich sorgfaltspflichtwidrig zu verhalten.Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 835; Rengier Strafrecht AT § 53 Rn. 6. Nach einer anderen Auffassung muss sich der Tatplan bei der Mittäterschaft auf die Verletzung des geschützten Rechtsguts richten. Auf eben diese Verletzung bezog sich der Tatplan aber nicht. Aus diesem Grund wird die fahrlässige Mittäterschaft abgelehnt.Bottke GA 2001, 463; Gropp GA 2009, 265.

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