Inhaltsverzeichnis
B. Abgrenzung der Täterschaft von der Teilnahme
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Aufgrund des dualistischen Beteiligungssystems müssen Sie in der Klausur in jedem Einzelfall klären, ob der Beteiligte als Täter oder Teilnehmer gehandelt hat, auch wenn sich dies – wie bei der Anstiftung – nicht auf den Strafrahmen auswirkt. Teilweise ist die Abgrenzung aufgrund der Konsequenzen, die sich aus dem tatbestandsbezogenen Täterbegriff ergeben, wie soeben gesehen, einfach. Schwierigkeiten bei der Abgrenzung kommen jedoch vor allem im Verhältnis zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung sowie zwischen Mittäterschaft und Beihilfe in Betracht. In beiden Fällen können die Tatbeiträge, die die Beteiligten erbringen, sehr ähnlich sein.
In Literatur und Rechtsprechung werden im Wesentlichen zwei Theorien zur Abgrenzung vertreten, die Sie kennen müssen.
I. Materiell-objektive Theorie oder Tatherrschaftslehre
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In der Literatur hat sich in unterschiedlichen Ausprägungen die materiell-objektive Theorie oder Tatherrschaftslehre durchgesetzt. Danach erfolgt die Abgrenzung in erster Linie anhand des objektiven Kriteriums der Tatherrschaft.
Definition
Definition: Tatherrschaft
Tatherrschaft bedeutet das vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs.Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 806; Schönke/Schröder-Cramer/Heine Vor § 25 Rn. 61 ff.; Rengier Strafrecht AT § 41 Rn. 10.
Nach der Tatherrschaftslehre ist Täter als Zentralgestalt des Geschehens derjenige, der mit seinem Tatbeitrag objektiv das Ob und Wie der Tatbestandsverwirklichung beherrscht und einen entsprechenden Willen zur Tatherrschaft besitzt. Teilnehmer ist, wer als Randfigur des realen Geschehens die Begehung der Tat lediglich veranlasst oder sonst wie fördert.Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 806. Je nach Täterschaft wird die Tatherrschaft wie folgt bestimmt:
• | Bei der unmittelbaren Täterschaft bedeutet Tatherrschaft Handlungsherrschaft, |
• | bei der mittelbaren Täterschaft besteht sie in der Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens oder Wollens, |
• | bei der Mittäterschaft tritt sie als funktionale Tatherrschaft in Erscheinung. |
II. Gemäßigt-subjektive Theorie
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Demgegenüber knüpft die vornehmlich in der Rechtsprechung vertretene, gemäßigt-subjektive Theorie an die innere Einstellung des Beteiligten zur Tat an. Demnach ist
• | Täter derjenige, der mit animus auctoris = Täterwillen handelt und die Tat als eigene will, |
• | Teilnehmer derjenige, der mit animus socii = Teilnehmerwillen tätig wird und die Tat als fremde Tat veranlassen oder fördern will.BGHSt 28, 346; StV 1990, 203; NStZ 1995, 285. |
Im Gegensatz zur Tatherrschaftslehre, bei der das Gewicht des Tatbeitrags maßgeblich ist, stellt die Rechtsprechung vornehmlich auf das Tatinteresse als Abgrenzungskriterium ab. Dabei nimmt der BGH jedoch eine Objektivierung vor, indem er zur Ermittlung des Täter- bzw. Teilnehmerwillens eine wertende Gesamtbetrachtung anhand objektiver Umstände macht. Anhaltspunkte sind
• | der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, |
• | der Umfang der Tatbeteiligung sowie auch |
• | die Tatherrschaft oder zumindest der Wille zur Tatherrschaft. BGH wistra 2001, 420; 2002, 255; NStZ-RR 2002, 74. |
Beispiel
X, Y und Z beschließen, eine Spielhalle zu überfallen und die erwartete Beute unter sich aufzuteilen. Y und Z bewaffnen sich mit Wissen und Billigung des X mit einer Softair-Pistole und einem Einhandmesser. A wählt nunmehr eine Spielhalle in W als Tatobjekt aus, leiht Y seine Jacke, die er bei der Tat tragen soll, begleitet Y und Z zum Tatort und wartet in der Nähe, während die anderen beiden die Tat ausführen. Der erste Versuch wird aufgrund eines von einem Mitarbeiter veranlassten Alarms abgebrochen, beim 2. Versuch werden 202 € erbeutet.
Der BGHBGH NStZ-RR 2018, 271; ebenso BGH NStZ 2021, 354 in einem vergleichbaren Fall; die Gesamtbetrachtung stärker betonend: BGH NStZ 2020, 22. hat unter Hinweis auf die fehlende Tatherrschaft eine Mittäterschaft verneint. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit X mit seinen Beiträgen maßgeblichen Einfluss auf die Tatausführungen nehmen konnte und mithin Tatherrschaft gehabt habe, so der BGH. Allein der Umstand, dass er durch sein Zutun die Taten förderte, reiche nicht aus. Gleiches gelte für das eigene finanzielle Interesse des A, da dieses auch der Beweggrund für das Handeln eines Teilnehmers sein könne und hier nicht das nötige Gewicht erreiche, um die Annahme eines mittäterschaftlichen Handelns begründen zu können.
Hinweis
Die Übernahme der objektiven Kriterien, insbesondere der Tatherrschaft zeigt, dass die materiell-objektive Theorie sowie subjektive Theorie nicht weit auseinanderliegen. Unterschiedlich ist jedoch die Herangehensweise an die Abgrenzung: Für die Tatherrschaftslehre ist wesentlicher Anknüpfungspunkt der Tatbeitrag und die sich daraus ergebende Tatherrschaft; die subjektive Theorie nimmt diese Tatherrschaft nur als ein Indiz im Rahmen einer Gesamtbewertung zur Ermittlung des animus auctoris.