Inhaltsverzeichnis
3. Rechtskauf/Kauf über sonstige Gegenstände (§ 453 Abs. 1 S. 1))
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Hinweis
Bitte beachten Sie, dass § 434 seit dem 1.1.2022 neu gefasst ist. Inhaltlich ergeben sich bezüglich des Videos jedoch keine Änderungen. Statt § 434 Abs. 1 Satz 1 nun § 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 zu zitieren. Das Video wird in Kürze neu gedreht.
Nach § 453 Abs. 1 S. 1 finden die Vorschriften über den Sachkauf auf den Kauf von „Rechten und sonstigen Gegenständen“ entsprechende Anwendung. Die Leistungspflichten des Verkäufers werden beim Rechtskauf also durch die §§ 453, 433 Abs. 1 beschrieben. Folgende Grundvarianten sind denkbar:
a) Forderungskauf
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Expertentipp
Wissen Sie noch, wo der Begriff der Forderung im BGB näher beschrieben ist?
Beim Forderungskauf (z.B. „echtes Factoring“BGH NJW 1977, 2207, (2208); Grüneberg-Grüneberg § 398 Rn. 39. Nach A.A. wird das Factoring nicht als Rechtskauf sondern als Darlehen eingeordnet, vgl. u.a. Looschelders Schuldrecht BT § 12 Rn. 13 m.w.N.) verpflichtet sich der Verkäufer, dem Käufer gegen Zahlung des Kaufpreises die vertraglich vereinbarte(n) Forderung(en) frei von Mängeln zu verschaffen, §§ 453 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 433 Abs. 1 (Verpflichtungsgeschäft). Die Verschaffung geschieht bei bestehenden Forderungen durch Abtretung an den Käufer der Forderung nach §§ 398 ff. (Verfügungsgeschäft).
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Wurde eine (noch) nicht bestehende Forderung verkauft, ist wie folgt zu differenzieren:
Weiß K nichts vom fehlenden Forderungsbestand, ist von einem Kaufvertrag gem. § 453 auszugehen. Seine Erfüllung ist dem V jedoch zumindest vorübergehend unmöglich (§§ 275 Abs. 1 ggf. Abs. 2, 311a Abs. 1). Ist dem K der fehlende Forderungsbestand bekannt, eine Verschaffung der Forderung aber noch möglich, liegt es nahe, wie im Parallelfall beim Sachkauf oben unter Rn. 19 ff. mit einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung zu arbeiten.
Bei noch nicht bestehenden Forderungen erfolgt die Verschaffung durch Vorausabtretung und Bewirkung des Forderungsübergangs gem. § 185 Abs. 2Vgl. dazu im Skript „Schuldrecht AT I“ Rn. 51 f. oder durch Begründung der Forderung zugunsten des Käufers.Grüneberg-Weidenkaff § 453 Rn. 11.
b) Kauf sonstiger Rechte
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Neben der Forderung kennt unsere Rechtsordnung noch eine Fülle sonstiger Rechte, die übertragbar sind und deshalb Gegenstand eines Kaufvertrages sein können.
Definition
Definition: Recht
Unter einem Recht versteht man eine Befugnis, die sich für den Berechtigten unmittelbar aus der geltenden Rechtsordnung ergibt.
Grüneberg-Weidenkaff § 453 Rn. 3.Beispiel
Verkauf von Anwartschaftsrechten, Gesellschaftsanteilen, Grundschulden, Erbbaurechten, gewerblichen Schutzrechten (insbesondere Patent, Geschmacksmuster, Marke, Firma) oder Nutzungsrechten an Urheberrechten (vgl. §§ 29, 31 UrhG).
Die Verschaffung des verkauften Rechts durch den Verkäufer richtet sich nach den für dieses Recht geltenden Bestimmungen. Grundsätzlich kommen §§ 413, 398 ff. zur Anwendung, wenn nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist. So wird etwa ein Anwartschaftsrecht analog §§ 929 ff. übertragen und nicht durch Abtretung.
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Das Eigentum scheidet als Gegenstand eines Rechtskaufs aus.BGH NJW 2020, 2104 (2109). Denn hierfür gelten die §§ 433 ff. direkt. Ebenfalls fällt der Besitz nicht unter § 453, da er kein Recht darstellt.
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Ist ein Recht verkauft, das zum Besitz einer Sache berechtigt, ist der Verkäufer gem. § 453 Abs. 3 verpflichtet, dem Verkäufer auch den Besitz an der Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Die Verbindung kann sich auch daraus ergeben, dass das gekaufte Recht in einer Urkunde verkörpert ist. Hier kann sich ein Mangel daraus ergeben, dass die Urkunde für die Legitimationswirkung nicht mehr geeignet ist.Medicus/Lorenz Schuldrecht II § 18 Rn. 8. So z.B. im Fall der Unleserlichkeit (Aktie, Kinokarte).
Beispiel
Beim Verkauf eines Erbbaurechts (§ 1 ErbbauRG) schuldet der Verkäufer nicht nur die Übertragung des Erbbaurechts, sondern auch die Besitzverschaffung am belasteten Grundstück. Für das Pfandrecht wird die Anwendbarkeit von § 453 Abs. 3 überwiegend abgelehnt, da das Pfandrecht nicht Gegenstand des Mietvertrags ist, sondern der gesicherten Forderung folgt (§ 1250 Abs. 1).Looschelders Schuldrecht BT § 12 Rn. 7.
c) Kauf sonstiger Gegenstände
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Als eine Art Auffangtatbestand enthält § 453 Abs. 1 noch die sonstigen „Gegenstände“, also handelbare Rechtsobjekte, die weder Sachen noch Rechte darstellen.
Beispiel
Gas, Strom, Know-How oder ein Unternehmen in seiner Gesamtheit, d.h. als Inbegriff aller materiellen und immateriellen Werte.
Den Verkäufer trifft hier ebenfalls eine Verschaffungspflicht, deren technische Ausgestaltung vom Gegenstand abhängt: Gas und Strom sind beispielsweise über Leitungen verfügbar zu halten, Know-How ist mitzuteilen.
Beim Kauf eines Unternehmens kommen zwei Varianten in Betracht:
Entweder vereinbaren die Parteien die Übertragung sämtlicher Einzelwerte (Sachen, Forderungen, sonstige Rechte und Gegenstände) des Unternehmens (sog. „asset deal“). Dann gelten für jeden Gegenstand die für ihn passenden Übertragungsregeln (§§ 398 ff., 873 ff., 929 ff., etc.).
Handelt es sich bei dem Unternehmensträger um eine Gesellschaft, können die Parteien alternativ vereinbaren, dass die Anteile am Unternehmensträger nach den dafür geltenden Bestimmungen (z.B. § 15 GmbHG i.V.m. §§ 398, 413) auf den Käufer übertragen werden sollen (sog. „share deal“).Grüneberg-Weidenkaff § 453 Rn. 7.
d) Verbrauchervertrag über den Kauf digitaler Inhalte
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§ 453 Abs. 1 S. 2, 3 stellt eine Scharniervorschrift dar und will die Anwendung der §§ 327 ff. sicherstellen. Diese Vorschriften sind durch die Vorgaben der Digitalen Inhalte Richtlinie in das BGB aufgenommen worden und gelten grds. vertragstypenneutral. Daher enthalten viele spezifische Vertragstypen solche Verweisvorschriften. So u.a. §§ 516a Abs. 1, 578b Abs. 1, 650 Abs. 2-4.
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Sind digitale Inhalte betroffen, muss sauber differenziert werden. Der Verkauf von standardisierter Software auf einem Datenträger unterfällt grds. den §§ 433 ff., hier ist im Fall eines Verbrauchervertrags § 475a Abs. 1 zu beachten. Software ohne Datenträger unterfällt i.d.R. § 453 Abs. 1 S. 1 Alt. 2. Bei Verbraucherverträgen gelten ergänzend die S. 2 und 3! Der Verweis greift dann, wenn ein Verbrauchervertrag (§ 310 Abs. 3) über den Verkauf digitaler Inhalte vorliegt. Dies ist anhand der §§ 327 ff. zu bewerten. Wo passend kann die Anwendung der §§ 327 ff. auch außerhalb des Verbrauchervertrags angeprüft werden. So kann bei digitalen Inhalten auf die Regelungen über die Bereitstellung (§ 327b Abs. 1, 3) zurückgegriffen werden.Looschelders Schuldrecht BT § 12 Rn. 20a.