Im Juli 2018 hatte der bayerische Landtag - als erstes und bisher einziges Bundesland - das Gesetz zur Errichtung einer Grenzpolizei beschlossen. Durch Art. 5 des Polizeiorganisationsgesetzes (Bay POG) wurde diese als Teil der Landespolizei wiedererrichtet, nachdem sie im Rahmen des Schengener Abkommens zum 01.04. 1998 als eigenständiger Verband aufgelöst wurde. Art. 29 Abs. 3 des Gesetzes über die Aufgaben der bayerischen Staatspolizei (Bay PAG) sieht nun vor, dass die Landespolizei ab dem 01. August 2018 auch grenzpolizeiliche Aufgaben wahrnehmen darf. Hiergegen wandten sich eine Landtagsfraktion sowie eine Einzelperson und machten geltend, beide Vorschriften verletzten das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Bayerische Landesverfassung – BV) und die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 101 BV), da sie mit der Kompetenzverteilung des GG unvereinbar seien. Für den Schutz der deutschen Außengrenze sei allein die Bundespolizei zuständig. Aus Sicht der Staatsregierung ist die Arbeit der Beamten durch eine Rechtsvereinbarung mit dem Bund gedeckt. Da die Bundespolizei weiter federführend agiere, seien auch deren Kompetenzen nicht nachteilig betroffen. Die Grenzpolizei wurde dabei immer nur nach Absprache mit der Bundespolizei tätig. In den vergangenen beiden Jahren sind ca. 67.000 Delikte (v.a.Verkehrsdelikte) von ihr bearbeitet worden; illegale Grenzübertritte wurden aber kaum erfasst.
Der bayerische Verfassungsgerichtshof hatte nun zu klären, ob Art. 5 POG bzw. Art. 29 PAG die bayerische Verfassung verletzen. Art. 5 POG erklärte die bayerische Grenzpolizei als Teil der Landespolizei zum 01. August 2018 wiedererrichtet. Art. 29 PAG enthält Regelungen über die Befugnisse der Grenzpolizei bei Grenzkontrollen und der Sicherung von Anlagen.Bayern hat etwa 1200 km Grenze zu Österreich und Tschechien. Die zunächst 500 Beamten der Bayerischen Grenzpolizei wurden dabei nicht neu eingestellt, sondern umgruppiert. Sie waren bisher schon in der grenznahen Fahndung im Korridor von 30 Kilometern zur Grenze (sog. „Schleierfahndung“) tätig. Derzeit gibt es in Bayern rund 700 Grenzpolizisten; bis 2023 sollten es 1.000 werden.
Im Urteil zu den Verfahren 12-VII-19 und 10-VIII-19 vom 28.08. 2020 stellten die sieben Richter nun einen teilweisen Verstoß gegen die bayerische Verfassung fest. Den Antrag der Landtagsfraktion erachteten sie als teils unzulässig. Art. 5 POG erachteten sie für rechtmäßig, in diesem sei kein Verstoß gegen die Kompetenzverteilung oder das Rechtsstaatsprinzip zu sehen (Leitsatz 4 bzw. Rn. 53 – 70). Teils handele sich hier nur um eine polizeiinterne Zuständigkeitsverteilung ohne neue Befugnisse, denn die „Schleierfahndung“ sei gem. Artikel 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG bereits Aufgabe der Landespolizei.
Nach Auffassung der Richter ist die Regelung des Art. 29 PAG, insbesondere dessen Absatz 3, aber verfassungswidrig (Ls. 5; Rn. 71ff.): Er verletze offensichtlich und schwerwiegend die Kompetenzverteilung des GG (Rn. 72), konkret werde die ausschließliche Zuweisung des Grenzschutzes an den Bund gem. Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG verletzt. Es greife weder eine Sonderzuweisung nach Art. 71 GG noch könne sich der bayrische Gesetzgeber auf die Zuständigkeit für das allgemeine Polizeirecht berufen (Rn. 74). In Art. 29 PAG gehe es um Regelungen zum Schutz der Bundesgrenze (Rn. 75-76) und damit um grundsätzlich nur dem Bund zustehende Regelungsbereiche (Rn. 77-81). Für den Grenzschutz ist in Deutschland die Bundespolizei (bis 2005: Bundesgrenzschutz) zuständig. Dieser Verstoß sei gravierend und auch offenkundig (Rn. 82-85). Damit sei die Bayerische Landesverfassung verletzt und Art. 29 PAG verfassungswidrig. An der Praxis der Kontrollen an der bayerischen Grenze wird sich aber wohl nichts ändern.