Google bietet (wie andere Suchmaschinenbetreiber auch) in seiner Suchmaske seit 2009 eine sog. autocomplete Funktion an. Gibt eine suchende Person ein Wort in die Eingabemaske der Suchmaschine ein, schlägt diese mehrere Begriffe vor, mittels derer die Suche verfeinert werden kann. Die vorgeschlagenen Begriffe wählt die Suchmaschine über einen vorgegebene Algorithmus aus: Je mehr Suchende die Begriffskombination suchen, desto eher wird die Begriffskombination vorgeschlagen. Die vorgeschlagene Begriffskombination hängt also maßgeblich davon ab, wie oft andere Suchende eben diese Begriffskombination verwenden. Der Kläger möchte erstens, dass Google es unterlasse seinen Namen mit bestimmten Begriffen (Betrug, Scientology) zu kombinieren und zweitens eine Entschädigung in Geld für bereits begangene Verletzungen seines Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (APR).
Der BGH prüft seiner ständigen Rechtsprechung folgend, einen Abwehranspruch aus einer Gesamtanalogie zu § 1004 BGB iVm Art. 2, 1 GG. Dieser Abwehranspruch ist mittlerweile zwar anerkannt, dennoch bietet es sich in der Klausur an, vor dem eigentlichen Einstieg in die Prüfung (kurz!) darzulegen wie bzw. woraus der Anspruch abgeleitet wird.
Problematisch ist vorliegend bereits die Beeinträchtigung des APR durch Google. Die Vorsinstanz lehnte eine solche noch mit der Begründung ab, dass allein den Ergänzungsvorschlägen durch die Suchmaschine kein Äußerungscharakter beizumessen sei. Dem widerspricht der BGH nun grundsätzlich: Zwar sei es richtig, dass allein mit der von Google als Ergebnis ausgegebenen Vorschlagsliste noch keine Darstellung in dem Sinne vorläge, als dass Google seinen Nutzern in irgendeiner Weise suggerieren würde, es halte die Wortkombination selbst inhaltlich für richtig - allerdings sei dies für die Qualifikation als Äußerung auch entbehrlich. Vielmehr sei entscheidend, dass Nutzer der Suchmaschine wahrscheinliche Wortkombinationen für häufig verwendet und damit relevant einstufen könnten. Damit werde aber unabhängig von Intentionenen des Suchmaschinenbetreibers eine Aussage über die Relevanz bestimmter Wortkombinationen getroffen und diese Aussage hat Äußerungscharakter. Durch diese Äußerung sei das APR des Betroffenen beeinträchtig.
An der Zurechenbarkeit (die auch erst auf Ebene der Rechtswidrigkeit/Duldungspflicht geprüft werden kann) könnte es mangeln, weil das TMG ein sog. Haftungsprivileg für Suchmaschinenbetreiber festlegt. Nach der mittlerweile wohl gefestigten Rechtsprechung handelt es sich hierbei aber lediglich um ein strafrechtliches/ordnungsrechtliches Haftungsprivileg, welches seinem Sinn und Zweck nach keine Aussage über die zivilrechtliche Verantwortungszuordnung treffe. Ebenfalls im Rahmen der Zurechnung behandelt der BGH den Topos "Nichtbeachtung zumutbarer Prüfpflichten" (welches als Fachterminus in den Sprachgebrauch Studierender in der Examensvorbereitung aufgenommen werden sollte). Hier hält der BGH fest, dass Google nicht verpflichtet sei, seine Suchsoftware so zu programmieren, dass unter sämtlichen Aspekten eine Rechtsbeeinträchtigung ausgeschlossen sei - jedoch sei eine Prüfung dann zumutbar, wenn ein Betroffener auf eine Rechtsverletzung hinweise. Spätestens nach dem Verlangen durch den Kläger hätte Google also die Pflicht, die genannten Wortkombinationen zu unterbinden.
Die Duldungspflicht wird von den Gerichten nicht weiter thematisiert und kann auch von Examenskandidaten nicht eingehender verlangt werden. Allerdings, misst man (wie es der BGH tut) der Wortkombination Äußerungsqualität bei, liegt es nicht fern zu prüfen ob die Äußerungen vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst sind. Bejahendenfalls müsste an dieser Stelle dann eine Güterabwägung stattfinden.
Auf Rechtsfolgen musste der BGH nicht eingehen, weil er das Verfahren an die untere Instanz zurückverwies. In der Klausur wäre im Rahmen eines Unterlassungsabspruchs zu thematisieren, ob eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht und/oder die Beeinträchtigung als Dauerzustand immer noch anhält. Hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs wäre die besondere Herleitung der "Schmerzensgeldähnlichen Entschädigung" unmittelbar aus Art. 2, 1 GG anzusprechen.
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