Im vorliegenden Fall verkaufte der Verkäufer V einen 40 Jahre alten Gebrauchtwagen und teilte im Inserat mit, dass die Klimaanlage "einwandfrei" funktioniere. Bei der Probefahrt sprachen die Parteien des späteren Kaufvertrags noch über die Bedeutung der Klimaanlage für den Kaufentschluss, dabei versicherte V wiederholt die uneingeschränkte Funktionsfähigkeit derselben. Im später geschlossenen Kaufvertrag wurde folgender Passus aufgenommen:
"Das Kraftfahrzeug wird unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft. Dieser Ausschluss gilt nicht für Schadensersatzansprüche aus Sachmängelhaftung, die auf einer grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Verletzung von Pflichten des Verkäufers oder seines Erfüllungsgehilfen beruhen sowie bei der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit."
Ist der Haftungsausschluss in Bezug auf Mängel der Klimaanlage (wirksam) vereinbart worden?
In der Examensklausur sollte man mit Haftungsausschlüssen sehr souverän umgehen können. Die typischen Fragestellungen sollten bekannt sein. Bei der Prüfungsreihenfolge bietet sich folgendes Vorgehen an:
1. Zunächst sollte geprüft werden, ob der Haftungsausschluss den prüfungsgegenständlichen Mangel überhaupt erfasst. Hier gilt es die konkrete Formulierung zu berücksichtigen und gerade auch das im vorliegenden Fall relevante Problem des Zusammentreffens eines umfassenden Haftungsausschlusses mit einer Beschaffenheitsvereinbarung.
2. Im 2. Schritt ist zu prüfen, ob der Haftungsausschluss nicht schon nach allgemeinen Regelungen unwirksam ist. So zum Beispiel gem. § 444.
3. Ergibt sich die Unwirksamkeit nicht bereits aus den zuvor genannten Kriterien, ist auf spezialgesetzliche Regelungen – insbesondere diejenigen des Verbrauchsgüterkaufs – zurückzugreifen.
4. Erst dann ist eine etwaige AGB-Prüfung vorzunehmen. Die speziellen AGB-Regelungen sind in der Klausur erst dann zu bemühen, wenn eine individualvertragliche Vereinbarung wirksam möglich wäre.
Hinweis
Freilich sollte diese Empfehlung zur Prüfungsreihenfolge in einem Gutachten nicht dazu führen, dass eine Vielzahl von Unwirksamkeitsgründen gar nicht erst angesprochen wird. Bei der konkreten Umsetzung in der Klausur sollte die Prüfungsabfolge eingehalten werden und im Fall der Unwirksamkeit nach Ziff. 1, 2 oder 3, auf die nachfolgenden Ziffern ausdrücklich nur hilfsweise eingegangen werden. Dabei sollten die hilfsweisen Ausführungen entsprechend ihrer Bedeutung knapp ausfallen.
Im vorliegenden Fall stellt sich schon die Frage, ob der Haftungsausschluss nicht wegen Vereinbarung einer bestimmten Beschaffenheit unwirksam ist. Hierfür müssen Sie in der Klausur zunächst den subjektiven Mangel im Sinne einer Beschaffenheitsvereinbarung prüfen. Diesen arbeiten Sie wie folgt ab:
1. Zunächst sollten Sie die Definition präsentieren. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH setzt eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB voraus, dass der Verkäufer in vertragsgemäß bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen.
Hinweis
Hier liegt auch der Unterschied zur Garantie. Bei der Garantie will der Erklärende für das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer bestimmten Eigenschaft verschuldensunabhängig einstehen.
2. Sodann sollte der Prüfungsmaßstab dargelegt werden. An das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung sind strenge Anforderungen zu stellen. Eine solche Vereinbarung kommt nur in eindeutigen Fällen in Betracht.
3. Ob eine Beschaffenheit im oben genannten Sinne vereinbart wurde, ist im Wege der Vertragsauslegung zu bestimmen. Zunächst sollte darauf hingewiesen werden, dass die Funktionsfähigkeit der Klimaanlage im Vertrag zumindest nicht ausdrücklich vereinbart wurde. Allerdings kommt eine stillschweigende Einbeziehung der vorherigen Abreden in den Vertrag in Betracht. Dabei ist zunächst die Angabe der Funktionsfähigkeit im Inserat zu berücksichtigen. Spätestens im Rahmen des Gesprächs im Rahmen der Probefahrt wurde für den Verkäufer erkennbar, dass dieses Merkmal für den Käufer von besonderer Bedeutung ist. Diese Umstände sind ausreichend, um eine Beschaffenheitsvereinbarung anzunehmen.
Der Gewährleistungsausschluss muss gem. §§ 133, 157, 242 ausgelegt werden. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist in den Fällen einer vereinbarten Beschaffenheit ein daneben vereinbarter allgemeiner Haftungsausschluss für Sachmängel dahin auszulegen, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für Mängel gemäß § 434 Abs. 3 gilt. Denn andernfalls wäre die gleichrangig neben dem Gewährleistungsausschluss stehende Beschaffenheitsvereinbarung für den Käufer – außer im Fall der Arglist des Verkäufers (§ 444 Alt. 1 BGB) – ohne Sinn und Wert.
Vertiefung
Übertragbarkeit auf objektive Mängel
Aus der Formulierung "gleichrangig" folgt, dass diese Grundsätze gerade nicht auf gesetzliche (objektive) Mängel übertragen werden können. Diese Mängel fußen gerade nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung und sind daher nicht gleichrangig und daher nicht mit demselben Gewicht im Rahmen der Auslegung berücksichtigungsfähig.
Vertiefung
(Üblicher) Verschleiß als subjektiver Mangel?
Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass die Klimaanlage grundsätzlich ein dem Verschleiß unterliegendes Fahrzeugbauteil darstellt. Ist die "einwandfreie" Funktion eines Bauteils vereinbart, liegt ein Sachmangel vor, wenn sich dieses Bauteil bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs in einem Zustand befindet, der seine einwandfreie Funktionsfähigkeit beeinträchtigt. Das gilt unabhängig davon, ob insoweit ein "normaler", das heißt ein insbesondere nach Alter, Laufleistung und Qualitätsstufe nicht ungewöhnlicher, die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigender Verschleiß vorliegt. Auch hier zeigt sich der unterschiedliche Maßstab zwischen subjektiven und objektiven Kategorien des Mangels.
Daraus folgt, dass der Gewährleistungsausschluss den Mangel der Klimaanlage schon gar nicht erfasst. Auf seine Wirksamkeit kommt es daher gar nicht an. Er betrifft ja nicht den in Streit stehenden Mangel. Etwaige weitere Unwirksamkeitsgründe wären daher bloß hilfsweise und geboten knapp darzulegen.
Diese Fragestellung ist und wird ein Dauerbrenner in Examensklausuren beider Staatsexamen bleiben; wer die Grundsätze beherrscht, kann hier sehr einfach Punkte mitnehmen.