Zunächst einmal müssten Sie in einer Klausur klären, ob Tateinheit gem. § 52 StGB oder Tatmehrheit gem. § 53 StGB angenommen werden muss.
Grundsätzlich gilt: verwirklichen mehrere Handlungen mehrere Straftatbestände oder denselben Straftatbestand mehrmals, dann liegt Tatmehrheit vor. Tateinheit hingegen wird angenommen, wenn eine Handlung mehrere Straftatbestände oder denselben Straftatbestand mehrmals verwirklicht. Der zentrale Abgrenzungspunkt ist also die „Handlung“.
Nun ist zu unterscheiden zwischen einer Handlung im natürlichen Sinn und einer Handlung im juristischen Sinn. Bei einer Handlung im juristischen Sinn werden mehrere natürliche Handlungen zu einer Handlung im juristischen Sinn zusammengefasst, so dass statt Tateinheit anstelle von Tatmehrheit angenommen wird. Voraussetzung dafür ist nach Auffassung des BGH „ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang …., aufgrund dessen sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitliches Tun erweist“ (BGH NStZ 2018, 144)
Die Handlungen, die zur Sachbeschädigung führen, sind in der Regel andere Handlungen als jene, die zur Wegnahme führen. Von daher liegen regelmäßig mehrere natürliche Handlungen vor. Zur Tateinheit gelangt man also nur, wenn man diese zu einer juristischen Handlung zusammenfasst, was der BGH tut, da die Sachbeschädigungshandlungen die spätere Wegnahme entweder ermöglichen oder aber während dieser Wegnahmehandlungen begangen werden. Ein enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang kann damit bejaht werden (anders Mitsch, Anm. zu BGH 2 StR 481/17, NJW 2019, 1086, der Tatmehrheit annimmt).
Nun stellt sich aber die Frage, ob die Sachbeschädigung nicht im Wege der Gesetzeskonkurrenz (hier Konsumtion) als üblicherweise mitverwirklichte Straftat, deren Unrechtsgehalt vom Wohnungseinbruchsdiebstahl mit umfasst ist, zurücktritt. Dies war bislang die vom BGH vertretene Rechtsauffassung. Von dieser Auffassung hat sich der BGH mit Beschluss vom 27.11.2018 (2 StR 481/17 – abgedruckt in NJW 2019, 1086) verabschiedet.
Hinweis
Da der 2. Senat nicht ohne weiteres von der bisherigen Rechtsprechung abweichen konnte, hat er zunächst die anderen Senate gefragt, ob diese an ihrer Rechtsprechung festhalten oder aber sich der neuen Auffassung des 2. Senats anschließen möchten. Die anderen Senate haben vorliegend beschlossen, sich anzuschließen und die bisherige Auffassung aufzugeben. Wäre nur ein Senat anderer Auffassung gewesen, hätte es der Anrufung des Großen Senats bedurft, § 132 III GVG.
Zur Begründung hat er u.a. auf folgende Argumente verwiesen:
Hinweis
Diese Argumente möchten wir Ihnen recht umfangreich wiedergeben, damit Sie sich noch einmal vor Augen führen können, wie eine gekonnte, juristische Argumentation aussehen kann.
„(1) Eine Einbruchtat im Sinne von § 244a Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Var. 1 StGB oder § 244a Abs. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 bzw. § 244 Abs. 1 Nr. 3 Var. 1 StGB geht nicht „regelmäßig“ oder „typischerweise“ mit einer Sachbeschädigung einher.
Schon in rechtlicher Hinsicht setzt die Tathandlungsvariante des Einbrechens eine Substanzverletzung im Sinne von § 303 Abs. 1 StGB nicht voraus. Vielmehr genügt es, dass der Täter Schließvorrichtungen oder andere Zugangshindernisse unter Aufwendung von nicht unerheblicher Kraftentfaltung überwindet……. So bricht der Täter ein, wenn er ein (nicht) verriegeltes Fenster kraftvoll aufdrückt, ohne es zu beschädigen…. Auch das mechanische Öffnen von Türen, die nur ins Schloss gezogen, nicht aber verschlossen sind, kann durch einen Täter durch Überwinden der Schließfalle mit einfachen Hilfsmitteln regelmäßig ohne weitere Beschädigungen bewerkstelligt werden und verwirklicht in rechtlicher Hinsicht das Merkmal des Einbrechens……..
Von einer regelmäßigen „Begleittypik“ der Sachbeschädigung kann daher – auch wenn es eine Vielzahl von zur Aburteilung gelangenden Sachverhaltsgestaltungen gibt, die auch mit Sachbeschädigungen einhergehen – nicht ausnahmslos ausgegangen werden. Die tatbestandliche Verwirklichung des § 303 Abs. 1 StGB ist bei einem Einbruchdiebstahl nicht vorgezeichnet. Sie hängt vielmehr im Einzelfall vom individuellen Vorgehen des Einbruchtäters und der Beschaffenheit des Tatobjekts ab.“
„(2) Gesetzessystematisch ist zu bedenken, dass bei den dem Einbruchdiebstahl gleichgestellten Begehungsvarianten des „Einsteigediebstahls“, des „Nachschlüsseldiebstahls“ und des „Verweildiebstahls“ (auch im Falle des schweren Bandendiebstahls bzw. des Wohnungseinbruchdiebstahls) eine Sachbeschädigung fernliegt …. Eine „Begleittypik“ des § 303 Abs. 1 StGB ist bei diesen Begehungsvarianten in aller Regel ausgeschlossen. Soweit der Täter untypischerweise dennoch eine Sachbeschädigung verwirklicht, wird stets von Idealkonkurrenz auszugehen sein. Die „Konsumtionslösung“ beim Einbruchdiebstahl führt damit zu dem systematischen Bruch, dass verschiedene Begehungsweisen innerhalb ein und derselben Tatbestandsgruppe konkurrenzrechtlich unterschiedlich zu beurteilen wären, obwohl vom Gesetzgeber eine Gleichstellung von „einbrechen“, „einsteigen“, „eindringen“ und „verborgen halten“ ersichtlich gewollt ist, wie die einheitliche Normierung in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB und der einheitliche Strafrahmen belegen.“
„(3) Gegen die – für die Annahme von Gesetzeseinheit erforderliche – erschöpfende Erfassung des Unrechts einer Sachbeschädigung durch eine Verurteilung wegen schweren Bandendiebstahls oder Wohnungseinbruchdiebstahls spricht auch, dass die geschützten Rechtsgüter und Rechtsgutsträger in vielen Fällen nicht identisch sind…. Dies betrifft alltägliche Fälle wie Einbruchdiebstähle in Mietwohnungen …. oder auch in unter Eigentumsvorbehalt stehende bzw. geleaste Kraftfahrzeuge. ….. Eine Verurteilung nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Diebstahls erfasst den Unrechtsgehalt des Gesamtgeschehens, bei dem es zur Beeinträchtigung eines weiteren Rechtsgutsträgers gekommen ist, nicht vollständig. …… Eine Beschränkung der Annahme von Idealkonkurrenz auf die häufigen Fälle fehlender Identität betroffener Rechtsgutsträger erscheint nicht sachgerecht. Sie führt je nach Zahl der betroffenen Rechtsgutsträger zu zufälligen Ergebnissen im Schuldspruch, ohne dass sich Handlungs- und Erfolgsunrecht, letzteres mit Ausnahme der Rechtsgutsträgerschaft, unterscheiden. Die konsequente Annahme von Idealkonkurrenz in Fällen des Einbruchdiebstahls stellt demgegenüber die erschöpfende Erfassung des verwirklichten Tatunrechts zum Nachteil aller Geschädigten im Schuldspruch sicher und trägt dadurch der Klarstellungsfunktion des Schuldspruchs Rechnung.“
„(4) Überdies eröffnen die konkurrenzrechtlichen Überlegungen zur Gesetzeseinheit zwischen Einbruchdiebstahl und Sachbeschädigung unter dem Gesichtspunkt der „Begleittypik“ der Sachbeschädigung praktische Abgrenzungsschwierigkeiten. ….. Denn die „Konsumtionslösung“ geht bisher davon aus, dass die Sachbeschädigung jedenfalls dann keine „typische Begleittat“ darstellt, wenn sie im konkreten Fall vom regelmäßigen Verlauf der Diebstahlstat abweicht …. Dies zwingt in jedem Einzelfall zu einem wertenden Vergleich des Unrechtsgehalts, der in der Wegnahme des Diebstahlsobjekts einerseits und in der Substanzverletzung durch den Einbruch anderseits zum Ausdruck kommt. So wäre zu klären, ob die Sachbeschädigung in ihrem Unrechtsgehalt aus dem regelmäßigen Verlauf des Einbruchdiebstahls heraussticht, was zum Entfallen der „Begleittypik“ und zur Annahme von Tateinheit führen würde….. Dieser wertende Vergleich setzt letztlich eine zweistufige Prüfung voraus. Zunächst ist in einem ersten Schritt darüber zu befinden, ob die Sachbeschädigung in ihrer konkreten Form allgemein „typisch“ für einen Einbruchdiebstahl ist. Ist dies der Fall, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die konkrete Sachbeschädigung in ihrem spezifischen Unrechtsgehalt aus dem konkreten Einbruchtatgeschehen heraussticht. Dieser Ansatz, der eine doppelt wertende Betrachtung erfordert, birgt Unschärfen….“
Hinweis
Bedenken Sie bei der Entscheidung „Tateinheit oder Gesetzeskonkurrenz“ immer, dass § 52 StGB auch eine Klarstellungsfunktion hat. So wie nicht bei jedem versuchten Mord zugleich eine vollendete Körperverletzung begangen wird (die Kugel könnte das Opfer verfehlt oder ins Bein getroffen haben), so wird nicht bei jedem Wohnungseinbruchsdiebstahl eine Sachbeschädigung begangen. Was aber immer mitverwirklicht wird, ist der Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB, da der Täter, wie auch immer er hineingekommen ist, dies gegen den Willen des Hausrechtsinhabers getan haben wird. § 123 StGB tritt also in Gesetzeskonkurrenz (Konsumtion) zurück.