Die Regelungen zu finanziellen Ausgleichszahlungen für bestimmte Kraftwerksbetreiber wegen des beschleunigten Atomausstiegs nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima müssen erneut einer Revision unterzogen werden. Die 16. Änderungsnovelle (2018) zum Atomgesetz (AtG) sei wegen formaler Mängel nie in Kraft getreten, die hierin enthalten Entschädigungsregelungen teils unzumutbar und somit verfassungswidrig. Der Gesetzgeber sei damit „weiterhin zur alsbaldigen Neuregelung verpflichtet“, wie es in dem Beschluss heißt (v. 29.09.2020, Az. 1 BvR 1550/19, veröffentlicht erst am 12.11.2020).
Nach der doppelten Katastrophe im japanischen Fukushima hatte die Bundesregierung 2011 eine kurz zuvor beschlossene Laufzeitverlängerung für alle deutschen Kernkraftwerke zurückgenommen. Die Meiler müssen nach einem festen Abschaltplan bis spätestens Ende 2022 vom Netz genommen werden.
2016 hatte das BVerfG geurteilt, dass die 13. Novelle des AtG in die Eigentumsrechte aus Art. 14 GG eingreife, denn die Nutzungsmöglichkeiten der Kraftwerkbetreiber würden durch die Änderungen zeitlich begrenzt (BVerfGE 143, 246 – 396). Diese Regelung, so die Richter damals, sei unverhältnismäßig, weil vorhersehbar gewesen sei, dass einige Unternehmen ihre zugewiesen Reststrommengen nicht mehr würden nutzen können. Die gesetzliche Eigentumsgestaltung an sich sei zwar zulässig, es mangele aber an der verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Ausgleichsregelung. Diese ist durch die sog. „Junktimklausel“ in Art. 14 Abs. 3 GG als notwendige Folge einer Enteignung zwingend vorgesehen. Die Firmen müssen also etwa für zwecklos gewordene Investitionen oder nicht mehr nutzbare Produktionsrechte angemessen entschädigt werden. Die 16. AtG-Novelle sollte diese Vorgaben durch Nachbesserungen erfüllen. Diese Neuregelung sei aber weiterhin ungeeignet, entschied das Karlsruher Gericht. Die 16. AtG-Novelle sei weder in Kraft getreten, noch reiche sie aus, die bereits 2016 festgestellten Grundrechtsverstöße zu beheben.
Der Grundrechtsverstoß liegt also bereits in der 13. AtG-Novelle und sollte durch die 16. AtG-Novelle beseitigt werden. Diese sei aber nicht in Kraft getreten: Denn weder liege eine Genehmigung der EU-Kommission vor, noch habe die Generaldirektion Wettbewerb eine „verbindliche Mitteilung“ erhalten – so sieht es Art. 3 der 16. AtG-Novelle aber vor.
Art. 82 Abs. 2 S. 1 GG gebe dem Gesetzgeber auf, den Tag des Inkrafttretens zu bestimmen. Dies dürfe aber auch von einer Bedingung abhängig gemacht werden. Für diesen Fall, so der erste Senat, müsse dann ein zeitlicher Geltungsbereich bestimmt werden, um den Normadressaten den Beginn ihres Berechtigt- oder Verpflichtetseins klar zu machen. Hierzu mangele es in der Novelle an hinreichend bestimmten Regelungen.
Neben diesen formalen Mängeln sehen die Richter aber auch in der Sache weiterhin erhebliche Unzulänglichkeiten. Die bereits gerügten Verstöße gegen das Eigentumsgrundrecht seien durch § 7f Abs. 1 AtG nicht behoben, die Ausgleichregelungen „unzumutbar“. Dieser schreibt vor, dass sich die Kraftwerkbetreiber zunächst selbst bemühen müssen, ihre durch die Laufzeitverlängerung zugewiesen Strommengen „zu angemessenen Bedingungen“ zu vermarkten. Erst danach können sie einen Ausgleichsanspruch geltend machen. Aus dieser Regelung erwachse aber für die Firmen eine unzumutbare Lage, da sie nicht wissen könnten, auf welche Bedingungen sie sich einlassen müssten. Die Unternehmen müssten entweder potenziell unangemessene Konditionen akzeptieren oder riskieren entschädigungslos auszugehen.
Daneben erklärte das BVerfG auch eine Regelung für verfassungswidrig, nach der ein Ausgleich für zwei Kernkraftwerke auf Anteile der Reststrommengen beschränkt ist. Diese Vorschrift sei zu unbestimmt, da der Gesetzgeber unterschiedliche gesellschaftsrechtliche Beteiligungen unberücksichtigt ließ. Ein möglicher Ausgleichsanspruch sei nicht klar genug zum Ausdruck gebracht.