Ein Zahnarzt tritt eine Forderung gegen eine Patientin an seine Abrechnungsstelle ab. Die Patientin hat ihren Wohnsitz im Bezirk des LG L. Die Abrechnungsstelle hat ihren Sitz in S. Die Abrechnungsstelle klagt die Forderung vor dem LG L ein. Die Patientin erhebt ihrerseits Widerklage gegen den Zahnarzt auf Feststellung, dass diesem kein Anspruch aus einer Behandlung zustehe. Die Beklagte beantragt, das LG L als für die Klage und Widerklage gemeinsam zuständig zu bestimmen. Der Drittwiderbeklagte tritt dem Antrag entgegen.
Die Normen der ZPO zur Widerklage sind rar gesät. Die wichtigste Grundnorm findet sich in § 33 ZPO unter der Überschrift „besonderer Gerichtsstand der Widerklage“. Diese Norm setzt die Zulässigkeit einer Widerklage voraus, besagt allerdings nichts zu deren Voraussetzungen. Die Rechtsprechung behandelt eine Widerklage durch die ein Dritter in den Streit gezogen wird unter dem Topos „Parteierweiternde Widerklage“ und wendet darauf die Vorschriften zu Klageerweiterung an, vgl. §§ 263 f. ZPO. Dabei handelt es sich allerdings stets um die Fallgestaltung, dass die Widerklage sich gegen eine weitere Person und den Kläger als Streitgenossen richtet. Die Konstellation, in der ein Beklagter eine am bisherigen Rechtsstreit unbeteiligte Person verklagt, wird als isolierte Drittwiderklage behandelt und von der Rechtsprechung nur restriktiv zugelassen. Die Norm des § 33 ZPO auf wird auf bisher unbeteiligte Dritte nicht angewandt. Soll heißen: In bestimmten Konstellationen ist die isolierte Drittwiderklage zwar an sich zulässig, ein besonderer Gerichtsstand wird für den isoliert Drittwiderbeklagten allerdings nicht begründet. Das Gericht der Klage ist demnach nur zuständig, wenn ein allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand bei dem Gericht der Drittwiderklage besteht, durch rügelose Einlassung begründet oder vom übergeordneten Gericht gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt wird.
Von dieser Linie rückt der BGH nun vor allem aus Praktikabilitätsgründen ab. Bei einer streitgenössischen Widerklage sei die Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO versperrt, wenn die Streitgenossen einen anderen gemeinsamen Gerichtsstand haben, womit dem Beklagten in solchen Fällen ein Vorgehen gegen beide Streitgenossen von vornherein unmöglich wäre. Bei der isolierten Drittwiderklage ist § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht anwendbar, weil es an gemeinsam verklagten Streitgenossen mangelt. Möglich wäre eine analoge Anwendung der Vorschrift, wobei dann stets eine gerichtliche Entscheidung notwendig wäre, obwohl nur dass Gericht der Klage als gemeinsames Gericht der Widerklage in Betracht käme. Aus diesen Gründen wendet der BGH § 33 ZPO analog für die Fälle an, in denen sich die isolierte Drittwiderklage gegen einen Zedenten der eingeklagten Forderung handelt. Sinn und Zweck des § 33 ZPO sei es dass eine Stoffkonzentration bei bestehendem Sachzusammenhang erreicht (Verfahrensökonomie) und ein prozessuales Gleichgewicht hergestellt würde. Dem Zedenten sei es zumutbar nicht an seinem allgemeinen Gerichtsstand verklagt zu werden, da er selbst – hätte er die Forderung nicht abgetreten – auf eine klageweise Geltendmachung am Gerichtsstand des Beklagten verwiesen wäre.
Das Problem stellt sich in einer Klausur im Zusammenhang mit der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts. Hier ist dann festzustellen, dass sich im Falle einer (ausnahmsweise zulässigen) isolierten Drittwiderklage der Gerichtstand nicht nach § 33 ZPO bestimmt, da sich die Widerklage nicht gegen den Kläger richtet. Sodann ist im Rahmen der Analogiebildung auf folgende Themen einzugehen: Sachzusammenhang bzw. Konnexität (vgl. auch Sachdienlichkeit iRd § 263 ZPO), Verfahrensökonomie, Schutzwürdigkeit des Drittwiderbeklagten. Argumentiert man hier mit dem konkreten Sachverhalt, sind Punkte fast sicher – unabhängig davon, ob man damit genau auf der Linie des BGH liegt oder nicht.
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