Der Entscheidung des BGH (Urt. v. 3.6.2015, 2 StR 422/14 - abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de) lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Das spätere Tatopfer F war eine wechselhafte und schwierige Beziehung mit dem späteren Täter T eingegangen, in deren Folge sie schwanger wurde. T, der aus familiären Gründen seine Beziehung zu F geheim gehalten hatte und der sich in seiner Lebensplanung nicht als Vater zu diesem Zeitpunkt sah, versuchte F zu einer Abtreibung zu bewegen, die diese allerdings trotz zahlreicher, teils auch massiver Überredungsversuche des T ablehnte. F plante vielmehr, in eine andere Stadt zu ziehen und das Kind unabhängig von einer Beziehung mit T auf die Welt zu bringen. Daraufhin entschloss sich T., F zu töten und so zugleich die Schwangerschaft zu beenden, um seine Vaterschaft nicht gegenüber seiner Familie offenbaren zu müssen und seine weitere Lebensplanung nicht zu gefährden. Er übermannte F bei Nachhausekommen, als diese gerade die Türe zu ihrer Wohnung aufgeschlossen hatte und versetzte ihr zahlreiche Messerstiche, die letztlich zum Tod der F und zum Absterben der Leibesfrucht führten.
Das LG Wiesbaden hat T wegen Mordes in Tateinheit mit Schwangerschaftsabbruch zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Als Mordmerkmale wurden die niedrigen Beweggründe sowie die Heimtücke bejaht.
Beweggründe sind niedrig, wenn sie sittlich verachtenswert und auf tiefster Stufe stehen. Der Beweggrund, als "guter Sohn" gegenüber der Familie darzustehen ist bereits durch große Eigensucht geprägt. Auch ist nicht erkennbar, dass die Lebensführung des T maßgeblich durch eine Vaterschaft eingeschränkt gewesen wäre, beabsichtigte F doch, in eine andere Stadt zu ziehen und das Kind unabhängig vom Vater aufzuziehen. Die Tötung eines Menschen, um primär den guten Ruf zu sichern, erscheint daher als besonders verachtenswert und niedrig.
Eine heimtückische Tötung wird angenommen, wenn der Täter bewusst die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers ausnutzt. Nach Auffassung des BGH muss dies in feindlicher Willensrichtung geschehen, nach Auffassung großer Teile der Lit. muss zusätzlich ein verwerflicher Vertrauensbruch vorliegen. In der Überrumpelung der ahnungslosen F, die gerade ihre Haustüre aufgeschlossen hatte, liegt unproblemtisch die bewusste und feindselige Ausnutzung der Arg- und infolge dessen auch Wehrlosigkeit der F. Inwieweit zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der vorangegangenen Streitigkeiten zwischen F und T noch von einem Vertrauensverhältnis ausgegangen werden kann, erscheint fraglich. Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II GG muss die Einschränkung allerdings abgelehnt werden. Unbillige Härten können mit der Rechtsfolgenlösung des BGH (§ 49 I Nr. 1 StGB analog) abgemildert werden. (a.A. selbstverständlich vertretbar).
Probleamtisch und vom BGH zu klären war nun die Frage, ob T nicht auch zur Ermöglichung einer anderen Straftat handelte als er F tötete, schließlich ging es ihm vor allem um den Abbruch der Schwangerschaft (§ 218 StGB), den er nur durch eine Gewalteinwirkung auf F meinte erreichen zu können. Der BGH führt dazu zunächst einmal folgendes zu den Voraussetzungen der Ermöglichungsabsicht aus:
"Zur Ermöglichung einer anderen Straftat im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB tötet, wer einen Menschen zur Erreichung eines weiteren kriminellen Ziels tötet. Der Tod des Opfers muss nicht notwendiges Mittel zur Ermöglichung der Tat sein ... es genügt, wenn ..die Tötungshandlung als Tatmittel geeignet erscheint. Die „andere Tat“ muss dabei nicht prozessual selbstständig im Sinne des § 264 StPO sein; es genügt vielmehr die tateinheitliche Verwirklichung eines gegen ein anderes Rechtsgut desselben oder eines anderen Tatopfers gerichteten weiteren Straftatbestandes... Ermöglichungsabsicht im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB setzt jedoch voraus, dass der Täter in der Absicht tötet, zusätzliches kriminelles Unrecht verwirklichen zu können; die besondere Verwerflichkeit der Tötung eines anderen zu diesem Zweck liegt darin, dass der Täter bereit ist, das Leben eines anderen als Mittel zur Begehung einer weiteren Tat einzusetzen, zur Verwirklichung seiner kriminellen Ziele also notfalls über „Leichen zu gehen“ .... Die Ermöglichung einer anderen Straftat muss dabei das handlungsleitende Motiv des Täters sein."
Diese Verwirklichung zusätzlichen kriminellen Unrechts hat der BGH vorliegend abgelehnt. Die Begründung, die er dazu angibt, lässt jedoch nicht eindeutig erkennen, warum er dies tut:
"Dies lag hier nach den Feststellungen des LG fern. Zwar tötete der Angekl. sein Tatopfer, damit diese das von ihm gezeugte Kind nicht zur Welt bringen konnte, ein Handlungsziel, das er – wie er wusste – auf andere Weise nicht erreichen konnte. Jenseits der Lebensvernichtung seines Tatopfers verfolgte der Angekl. jedoch keinen darüber hinausreichenden, eigenständigen und weiteren kriminellen Zweck. Das vom Angekl. durch die Beendigung der Schwangerschaft verwirklichte weitere Unrecht – die Tötung des noch ungeborenen Lebens – wird bei dieser Sachlage vollständig vom tateinheitlich verwirklichten Vergehen des Schwangerschaftsabbruchs erfasst."
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BGH die Ermöglichungsabsicht ablehnt, weil die beabsichtigte Straftat tatsächlich begangen wurde, auch wenn die Ausführungen, wonach das weitere Unrecht durch die §§ 218 StGB abgegolten sei, darauf schließen lassen könnten. Dies würde nämlich bedeuten, dass immer dann, wenn die beabsichtigte Straftat auch tatsächlich begangen wird, die Ermöglichungsabsicht zu verneinen wäre, da das beabsichtigte Unrecht durch das später verwirklichte Unrecht abgegolten wäre.
Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass das Merkmal "andere Straftat" verneint wurde, da die Tötungshandlung zugleich die Abtreibungshandlung darstellt. Damit ähnelt der Fall den Fällen des Raubmordes, bei denen die Wegnahmehandlung zugleich die Tötungshandlung ist, z.B. indem dem Opfer lebenswichtige Medikamente weggenommen werden. In diesen Fällen wird der Raubmord überwiegend verneint (vgl. Fischer StGB § 211 Rn 66 - anders jedoch, wenn die Tötungshandlung nur die Gewaltanwendung darstellt, der dann noch die Wegnahme folgen muss).
Ob dieses Ergebnis überzeugend ist, ist fraglich. Wie wäre der Fall zu beurteilen, bei dem der Täter mit einen einzigen Schuss aus einer großkalibrigen Waffe die sich schützend vor das Kind stellende Mutter und zugleich auch das dahinter stehende Kind tötet, um dessen Tod es ihm primär geht. Wie im vorliegenden Fall würde ein Schutz gewährender Dritter durch dieselbe Handlung getötet.
Wie immer kann also im Ergebnis mit entsprechender Argumentation vieles vertreten werden.
Weitere erhellende Ausführungen finden Sie in unseren ExO´s sowie im GuKO SR II. Einen Auszug aus dem Skript finden Sie hier:http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12491.