Inhaltsverzeichnis
1. Der Verein
a) Grundlagen und Erscheinungsformen
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Die §§ 21 ff. BGB enthalten das Vereinsrecht. Eine Legaldefinition findet sich dort jedoch nicht.
Definition
Definition: Verein
Ein Verein ist eine
• | auf Dauer angelegte Verbindung |
• | einer größeren Anzahl von Personen |
• | zur Verfolgung eines bestimmten Zwecks. |
Der Verein ist als Grundtypus der Körperschaften auf einen wechselnden Mitgliederbestand angelegt und körperschaftlich organisiert, d.h. er hat einen Vorstand und tritt nach innen und außen als von der Gesamtheit der Mitglieder abstrahierte Einheit auf.
Da das Recht der Körperschaften den engen Personenzusammenschluss des Personengesellschaftsrechts nicht kennt, sind die gesetzlichen Vorschriften nur in eingeschränktem Maße dispositiv. § 40 BGB nennt ausdrücklich jene Vorschriften, von denen in der Satzung abgewichen werden kann; alle anderen Vorschriften sind zwingendes Recht.
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Das Gesetz unterscheidet den nichtwirtschaftlichen (§ 21 BGB) und den wirtschaftlichen Verein (§ 22 BGB) als rechtsfähige Vereine und den nichtrechtsfähigen Verein gem. § 54 BGB sowie steuerlich zwischen gemeinnützigen (§ 52 AO) und nicht gemeinnützigen Vereinen. Gemeinnützige Zwecke sind solche, die der Allgemeinheit zugutekommen.
Vereine sind nicht gemeinnützig, die
• | nur eine geschlossene Personengruppe fördern und sich so von der Allgemeinheit absondern wie z.B. Betriebssportvereine, bei denen nur die Angehörigen eines bestimmten Unternehmens Mitglied werden können, |
• | zwar nach ihrer Satzung jedem offen stehen, die aber durch hohe Mitgliedsbeiträge/Aufnahmegebühren eine Schranke bilden, die viele von einem Beitritt abhalten; nicht mehr gemeinnützig sind Vereine, deren durchschnittliche Aufnahmegebühren 1534 € und Mitgliedsbeiträge 1023 € pro Jahr übersteigen. |
b) Der nichtwirtschaftliche eingetragene Verein (e. V.)
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Rechtsfähigkeit erlangt der nichtwirtschaftliche eingetragene Verein, wenn folgende Mindestvoraussetzungen vorliegen:
• | Die Gründung erfordert gem. § 56 BGB mindestens sieben Mitglieder. |
• | Diese müssen eine Satzung beschließen, die mindestens den Vereinszweck, den NamenOLG Frankfurt Beschluss vom 2.8.2011 (Az: 20 W 533/10), unter Tz. 21 ff.: Der Grundsatz der Firmenwahrheit, insbesondere das Irreführungsverbot gemäß § 18 Abs. 2 S. 1 HGB gilt auch im Vereinsrecht. und den Sitz des Vereins beinhaltet (§ 57 BGB). |
• | Aus der Satzung muss sich ergeben, dass der Verein in das Vereinsregister eingetragen werden soll. |
• | Gem. § 21 BGB darf der Zweck des Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sein. Andernfalls handelt es sich um einen wirtschaftlichen Verein. Die Rechtsprechung nimmt einen wirtschaftlichen Verein an, wenn er planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt anbietet, eine Gewinnerzielungsabsicht ist dabei unerheblich.BayObLG Beschluss vom 6.4.1989 (Az: BReg 3 Z 10/89), unter Tz. 61 = DNotZ 1990, 103. Demgegenüber soll die steuerliche Gemeinnützigkeit einen ideellen Zweck indizieren.BGH Beschluss vom 16.5.2017 (Az: II ZB 7/16), unter Tz. 23 = NJW 2017, 1943, 1944. Eine Eintragungsfähigkeit besteht bei Unterhalt eines Geschäftsbetriebs nur dann, wenn dieser bloßes Hilfsmittel eines nicht wirtschaftlichen Hauptzwecks des Vereins ist.Für den Gaststättenbetrieb bei einem steuerlich gemeinnützigen Verein zur Erhaltung und zum Betrieb einer „Dorfkneipe“ OLG Celle, Beschluß vom 6.10.2021 (Az. 9 W 99/21), unter Tz. 7 = NJW 2022, 555, 556. |
Der nichtwirtschaftliche eingetragene Verein nach § 21 BGB, der auch als Idealverein bezeichnet wird, erlangt seine Rechtsfähigkeit mit Eintragung in das Vereinsregister beim zuständigen Amtsgericht.
aa) Die Organe des Vereins
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(1) Die Mitgliederversammlung
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Die Mitgliederversammlung ist das oberste Willensbildungsorgan des Vereins. Sie beschließt die Vereinssatzung und bestellt und überwacht den Vorstand. Sie entscheidet über alle Angelegenheiten, die nicht in die Zuständigkeit des Vorstands fallen. In der Mitgliederversammlung werden die Angelegenheiten des Vereins durch Beschlussfassung geordnet.
Die Satzung bestimmt, wann die Mitgliederversammlung einberufen werden soll. Darüber hinaus ist sie einzuberufen, wenn das Interesse des Vereins es erfordert. Auch eine Minderheit kann unter Angabe von Zweck und Gründen eine Mitgliederversammlung einberufen (§ 37 Abs. 1 BGB).
Entschieden wird nach der Mehrheit der erschienenen Mitglieder (vgl. § 32 BGB), die Gesamtzahl der Mitglieder ist nicht maßgeblich. Mitglieder, die sich enthalten, gelten als nicht erschienen. Dieses Mehrheitserfordernis gilt gemäß § 28 Abs. 1 BGB auch für den Vorstand, wenn dieser aus mehreren Personen besteht.
Auch das Vereinsrecht kennt grundlegende Entscheidungen, die der Mitgliederversammlung vorbehalten sind. So sind für eine Satzungsänderung wie auch für die Auflösung nach § 41 BGB eine qualifizierte Mehrheit von dreiviertel der erschienenen Mitglieder erforderlich. Nicht nach den erschienenen, sondern nach der Gesamtzahl aller Mitglieder wird bei einer Änderung des Vereinszweckes entschieden, Nichterschienene müssen ihre Zustimmung schriftlich erklären (§ 33 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Gesetzgeber hat jüngst virtuelle und hybride Versammlungsformate zugelassen (§ 32 Abs. 2 BGB).
(2) Der Vorstand
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Gem. § 26 BGB muss der Verein einen Vorstand haben, der aus mehreren Personen bestehen kann. Die Zahl der Vorstandsmitglieder ist gesetzlich nicht festgelegt, sondern einer Satzungsregelung vorbehalten.
Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich, § 26 BGB. Besteht er aus mehreren Personen, wird er durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten (§ 26 Abs. 2 BGB). Die Bestellung des Vorstands, seine Abberufung und insbesondere seine Kontrolle erfolgen durch die Mitgliederversammlung (§ 27 Abs. 1, 2 BGB). Die Vertretungsmacht des Vorstands kann in der Satzung mit Wirkung gegenüber Dritten beschränkt werden, eine Beschränkung entfaltet aber erst Außenwirkung, wenn sie im Vereinsregister eingetragen oder dem Vertragspartner bekannt ist (§§ 68, 70 BGB). Ehrenamtliche Vereinsvorstände sowie solche, die eine jährliche Vergütung von bis zu 840 € erhalten, haften lediglich in den Grenzen des § 31a BGB, d.h. nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.Näher Unger NJW 2009, 3269 zur damals geltenden Vergütungsgrenze von 500 €.
Expertentipp
Vergleichen Sie § 15 Abs. 1 HGB und §§ 68, 70 BGB: Genauso wie sich der Eintragungspflichtige nicht auf eine im Handelsregister nicht eingetragene Tatsache berufen kann, hat eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vereinsvorstands im Außenverhältnis erst Wirkung bei Eintragung im Vereinsregister.
bb) Rechte und Pflichten der Mitglieder
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Durch die Mitgliedschaft ergeben sich für das Mitglied höchstpersönliche Rechte gegenüber dem Verein (§ 38 S. 2 BGB). Die Mitgliedschaftsrechte sind weder übertragbar noch vererblich (§ 38 S. 1 BGB).
Hinweis
Denken Sie auch hier an die schuldrechtliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehung: Die Mitgliedschaft begründet wechselseitige Sorgfaltspflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB und ist für das Mitglied sonstiges Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB.
Jedes Mitglied hat das Recht, während der Zeit seiner Mitgliedschaft an den Mitgliederversammlungen teilzunehmen und dort sein Stimmrecht auszuüben. Das Stimmrecht ist als höchstpersönliches Recht nicht entziehbar, im Sonderfall widerstreitender Interessen des Mitglieds aber ausgeschlossen (§ 34 BGB). Neben dem Stimmrecht bei Wahlen zum Vereinsvorstand, dem aktiven Wahlrecht, kann sich das Mitglied selbst zur Wahl stellen, das passive Wahlrecht.
Die Mitgliedschaftsrechte außerhalb der Mitgliederversammlung sind vom Grundsatz der Gleichbehandlung geprägt, eine sachwidrige Schlechterstellung einzelner Mitglieder gegenüber anderen ist ausgeschlossen. Vereinsleistungen kann das Mitglied daher im üblichen Umfang nach Maßgabe der Ausstattung des Vereins und der Satzung in Anspruch nehmen. Sonderrechte einzelner Mitglieder sind nur auf satzungsmäßiger Grundlage gestattet, vgl. § 35 BGB.
Die Pflichten des einzelnen Mitglieds beschränken sich im Wesentlichen auf die Leistung des vereinbarten Beitrags, der im Regelfall in Geld, im Einzelfall in Arbeitsleistung zu erbringen ist. Die Haftung von Vereinsmitgliedern richtet sich nach § 31b BGB, der für unentgeltlich tätige oder nur gering vergütete Mitglieder im Innenverhältnis zum Verein eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (Abs. 1) und im Außenverhältnis gegenüber Dritten einen Anspruch auf Befreiung gegen den Verein (Abs. 2) eingeführt hat. § 31b BGB ist nach dem Willen des Gesetzgebers zwingendes Recht, kann also durch Satzungsregelungen nicht abbedungen werden (vgl. § 40 BGB).BT-Drs. 17/11316 S. 17.
Beispiel
Die Satzung des Segelflugsportvereins S verlangt von jedem Mitglied pro Jahr die Ableistung von 100 Arbeitsstunden auf dem Flugplatz oder im Hangar. Ein Mitgliedsbeitrag wird nur erhoben, soweit diese Arbeitsleistung unterschritten wird.
Beiträge können nicht aufgrund Beschlusses der Mitgliederversammlung, sondern nur nach Festlegung in der Satzung erhoben werden. Nur die Höhe der Mitgliedsbeiträge kann in der Mitgliederversammlung beschlossen werden.
Die organschaftlichen Pflichten sind demgegenüber unbedeutend. Das Gesetz sieht eine Pflicht zur Amtsübernahme vor.
cc) Haftung
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Der Verein ist juristische Person und damit selbst Träger des Vereinsvermögens. Er haftet als juristische Person für Vereinsverbindlichkeiten unmittelbar.
Gem. § 31 BGB haftet der Verein außerdem für Schäden, die durch Pflichtverletzungen seiner Organe verursacht worden sind.
§ 31 BGB bezieht insoweit auch verfassungsmäßig berufene Vertreter in den Kreis der Organe mit ein. Verfassungsmäßig berufene Vertreter sind zunächst neben dem Vorstand weitere in der Satzung vorgesehene Vertreter (§ 30 BGB). Der Begriff der verfassungsmäßig berufenen Vertreter wird weit ausgelegt. Dies sind auch Personen, die laut Satzung zur Vertretung des Vereins berechtigt sind. Eine Nennung des einzelnen Vertreters in der Satzung ist nicht erforderlich, es genügt, dass der Vertreter durch die tatsächliche Handhabung wesensmäßige Funktionen des Vereins zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung wahrnimmt und den Verein derart repräsentiert.BGH Urteil vom 30.10.1967 (Az: VII ZR 82/65), unter Tz. 19 = BGHZ 49, 19 – Teilzahlungsverkäufer; BGH Urteil vom 21.9.1971 (Az: VI ZR 122/70), unter Tz. 14 = NJW 1972, 334. Bei der Haftung nach § 31 BGB handelt es sich mithin um eine Repräsentantenhaftung, für die die allgemeinen Vorschriften gelten.Siehe dazu im Skript „Schuldrecht AT II“ Rn. 45 ff.
Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 31 BGB haftet der Verein wegen Organisationsmangels. Der Verein ist verpflichtet, den Geschäftsbereich seiner Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgaben ein Vertreter berufen ist, bei Versäumnissen wird der Handelnde als verfassungsmäßiger Vertreter behandelt.BGH Urteil vom 10.5.1957 (Az: I ZR 234/55), unter Tz. 31= BGHZ 24, 200 – Spätheimkehrer; BGH Urteil vom 8.7.1980 (Az: VI ZR 158/78), unter Tz. 63 = NJW 1980, 2810 – Das Medizin-Syndikat II.
dd) Beendigung
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Das Vereinsrecht kennt mehrere Beendigungsgründe:
Der Verein kann durch Beschluss der Mitgliederversammlung aufgelöst werden (§ 41 BGB). Auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt zur Auflösung des Vereins. Dem Verein kann schließlich die Rechtsfähigkeit entzogen werden, wenn er durch einen gesetzwidrigen Beschluss der Mitgliederversammlung oder durch gesetzeswidriges Verhalten des Vorstandes das Gemeinwohl gefährdet (§ 43 BGB). Die Liquidation des Vereinsvermögens richtet sich nach §§ 47 ff. BGB.
c) Der wirtschaftliche Verein
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Der wirtschaftliche Verein erlangt seine Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung. Dabei gehen die vorhandenen Gesellschaftsformen, insbesondere die der Kapitalgesellschaften, grundsätzlich vor. Wirtschaftliche Vereine sind daher selten. Nach dem gesetzlichen Leitbild des Idealvereins sollen wirtschaftlich Tätige eine Gesellschaft betreiben, nicht einen Verein. Die Anerkennung als Verein ist nur möglich, wenn es für den Verein wegen besonderer Umstände unzumutbar wäre, sich in einer der vorgegebenen Rechtsformen zu organisieren.OLG Hamm Beschluss vom 20.1.2000 (Az: 15 W 446/99), unter Tz. 27 = BB 2000, 1161; OLG Düsseldorf Beschluss vom 10.12.1997, (Az: 3 Wx 488/97), unter Tz. 17 = NJW-RR 1998, 683.
Ein wirtschaftlicher Verein bietet planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt an. Ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb lediglich Nebenzweck, liegt ein nichtwirtschaftlicher Verein vor (so genanntes Nebenzweckprivileg).
d) Der nichtrechtsfähige Verein
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Nichtrechtsfähige Vereine sind Vereine, die nicht im Vereinsregister eingetragen sind oder keine staatliche Zulassung erhalten haben. Aber auch der nichtrechtsfähige Verein unterscheidet sich durch seine körperschaftliche Struktur von der Gesellschaft.
Nach § 54 Abs. 1 BGB sind auf Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und die nicht durch Eintragung in das Vereinsregister Rechtspersönlichkeit erlangt haben, die vorangehenden Vorschriften der §§ 24 ff. BGB entsprechend anzuwenden. Ist der Verein hingegen seinem Zweck nach auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet und hat er nicht durch staatliche Verleihung Rechtspersönlichkeit erlangt, sind die Vorschriften über die GbR entsprechend anzuwenden.