Handels- und Gesellschaftsrecht

Die Aktiengesellschaft - Organe der AG

e) Organe der AG

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Die Aktiengesellschaft hat drei Organe, den Vorstand, den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung. Daneben können ein Beirat und besondere Ausschüsse gebildet werden. Um ein Funktionieren der AG zu gewährleisten, sind die Aufgaben von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung gesetzlich zwingend voneinander abgegrenzt (§ 23 Abs. 5 AktG), aber aufeinander bezogen, wobei im Einzelnen diskutiert wird, ob die derzeitige Aufgabenteilung die Rechte der Hauptversammlung hinreichend berücksichtigt.

 

aa) Der Vorstand

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Der Vorstand führt die Geschäfte der AG und vertritt sie gerichtlich und außergerichtlich, §§ 76, 78 AktG. Die gesetzlichen Regelungen zum Vorstand enthalten die §§ 76–94 AktG.

(1) Geschäftsführung

575

Leitbild für die Geschäftsführung der Vorstandsmitglieder ist die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Entsprechend der Zulässigkeit der Fremdorganschaft ist derjenige Geschäftsleiter Maßstab, der nicht mit eigenen Mitteln wirtschaftet, sondern ähnlich einem Treuhänder fremde Vermögensinteressen wahrnimmt (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG).

Expertentipp

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Lesen Sie §§ 88, 93 AktG als zentrale Vorschriften für den Vorstand.

Besondere gesetzliche Ausprägungen der Sorgfaltspflichten enthalten

§§ 93 Abs. 1 S. 3 und 404 AktG hinsichtlich der Verschwiegenheitspflicht, die lediglich die Prüfstelle für Rechnungslegung ausnimmt; die Verschwiegenheitspflicht ist strafbewehrt;

§ 88 AktG hinsichtlich des Wettbewerbsverbots, das Vorstandsmitgliedern ohne Einwilligung des Aufsichtsrats den Betrieb oder die Tätigkeit für ein anderes Handelsgewerbe im Geschäftszweig der AG untersagt. Im Falle eines Verstoßes ist das Vorstandsmitglied schadensersatzpflichtigBGH Urteil vom 2.4.2001 (Az: II ZR 217/99), unter Tz. 7 = ZIP 2001, 958. oder hat die für eigene Rechnung getätigten Geschäfte als für Rechnung der Gesellschaft eingegangen zu behandeln, so dass die AG die Abtretung des Anspruchs auf die Vergütung verlangen kann (§ 88 Abs. 2 S. 2 AktG).

Das Gesetz sieht für den Vorstand mit mehreren Mitgliedern gemeinschaftliche Geschäftsführung vor, wobei die Satzung oder eine Geschäftsordnung des Vorstands das Mehrheitsprinzip anordnen können (§ 77 Abs. 1 AktG).

Der Vorstand ist in seiner Geschäftsführung weitestgehend frei. Er unterliegt grundsätzlich keinen Weisungen von Aufsichtsrat oder Hauptversammlung.

Der Aufsichtsrat hat in bestimmten Fällen lediglich ein Zustimmungsrecht, kann aber keine Maßnahmen auf eigene Initiative durchsetzen. Verweigert der Aufsichtsrat bei einer Maßnahme seine Zustimmung, kann der Vorstand verlangen, dass die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt (§ 111 Abs. 4 AktG).

Die Hauptversammlung erlangt Zuständigkeit nur auf Entscheidungsvorlage durch den Vorstand (§ 119 Abs. 2 AktG). Diese hat der Vorstand auszuführen (§ 83 Abs. 2 AktG). Im Übrigen kann sie nur bei der Vorbereitung der Hauptversammlung im Sinne der Versammlung der Aktionäre dem Vorstand Weisungen erteilen (§ 83 Abs. 1 AktG).

(2) Vertretung

576

Der Vorstand ist zugleich Vertreter der AG (§ 78 Abs. 1 S. 1 AktG). Die Vertretungsmacht des Vorstands im Außenverhältnis ist unbeschränkbar (§ 82 Abs. 1 AktG). Die Satzung kann eine Befreiung vom Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB durch den Aufsichtsrat zulassen, soweit der Vorstand als Vertreter der Gesellschaft und als Vertreter eines Dritten handelt (§§ 23 Abs. 5, 112 AktG). Sich selbst gegenüber kann er die Gesellschaft nicht vertreten, dies fällt in die Zuständigkeit des Aufsichtsrates (§ 112 AktG).

Folgende drei Ausnahmen sieht das Gesetz vor:

§ 112 AktG: Der Aufsichtsrat vertritt die AG gerichtlich und außergerichtlich gegenüber Vorstandsmitgliedern, da der Vorstand insoweit einem Interessenkonflikt ähnlich § 181 BGB unterliegt.Zur Vertretung durch den Aufsichtsrat BGH Beschluss vom 14.5.2013 (Az: II ZB 1/11) = ZIP 2013, 1274.

§ 246 Abs. 2 AktG: Vorstand und Aufsichtsrat vertreten die AG gemeinsam bei der Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses durch Anfechtungsklage. Im Falle der Anfechtungsklage seitens eines der Organe vertritt das jeweils andere die AG.

§ 78 Abs. 1 S. 2 AktG: Im Fall der Führungslosigkeit ist mit dem MoMiG eine Vertretung durch den Aufsichtsrat eingeführt worden.Das MoMiG verpflichtet die AG zudem, eine inländische Geschäftsanschrift zum Handelsregister anzumelden (§ 37 Abs. 3 AktG). Sowohl die Abgabe von Willenserklärungen als auch Zustellungen können wirksam an diese eingetragene Anschrift wie an den Geschäftssitz erfolgen (§ 78 Abs. 2 S. 3, 4 AktG).

Auch für die Vertretung sieht das Gesetz die Gesamtvertretung vor (§ 78 Abs. 2 S. 1 AktG). Die Satzung kann davon abweichend folgende Vertretungsregelungen bestimmen (§ 78 Abs. 3 AktG):

die gemeinschaftliche Vertretung durch mehrere, nicht alle Vorstandsmitglieder;

die Einzelvertretung durch einzelne Vorstandsmitglieder;

die unechte Gesamtvertretung als Vertretung einzelner Vorstandsmitglieder zusammen mit einem Prokuristen;

für einzelne Geschäfte oder bestimmte Arten von Geschäften eine gesonderte Ermächtigung einzelner Vorstandsmitglieder (§ 78 Abs. 4 S. 1 AktG).

(3) Zusammensetzung

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Der Vorstand kann grundsätzlich aus einer oder mehreren Personen bestehen. Mindestens zwei Personen sind vorgesehen bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 000 000 € (§ 76 Abs. 2 AktG) und bei Gesellschaften mit mehr als 2000, im Bereich der Montanmitbestimmung mit mehr als 1000 Arbeitnehmern. Das zweite Vorstandsmitglied ist hier der so genannte Arbeitsdirektor.

Die Zusammensetzung des Vorstands regelt die Satzung (§ 23 Abs. 3 Nr. 6 AktG). Die Zahl der Vorstandsmitglieder muss die Satzung nicht angeben, dies kann durch den Aufsichtsrat geschehen.BGH Urteil vom 17.12.2001 (Az: II ZR 288/99), unter Tz. 7 = ZIP 2002, 216. Die Berufung der Vorstandsmitglieder und jede Änderung in der Zusammensetzung des Vorstands sind zur Eintragung im Handelsregister anzumelden (§ 81 Abs. 1 AktG). 

(4) Bestellung des Vorstands

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Der erste Vorstand wird im Zuge der Gründung vor Eintragung der AG im Handelsregister bestellt, also im Rahmen der Vor-Aktiengesellschaft. Nur so kann er seiner Aufgabe nachkommen, die Einlagen einzufordern und die AG mit den Gründern zum Handelsregister anzumelden. Im Übrigen erfolgt die Bestellung durch den Aufsichtsrat für einen Zeitraum von jeweils maximal fünf Jahren (§ 84 AktG), jede längere Bestellung ist nichtig, wird also nicht auf das gesetzlich zulässige Höchstmaß reduziert.BGH Urteil vom 11.7.1953 (Az: II ZR 126/52), unter Tz. 16 = BGHZ 10, 187. Der Aufsichtsrat kann ein Vorstandsmitglied wiederholt bestellen, der entsprechende Beschluss darf aber frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden.

Wegen des drohenden Interessenkonflikts und der klaren Kompetenzverteilung kann ein Aufsichtsratsmitglied nicht zugleich Vorstandsmitglied sein (§ 105 Abs. 1 AktG).

Wie auch sonst ist zwischen Bestellung und Anstellung eines Vorstandsmitglieds zu unterscheiden. Durch die Bestellung wird das Vorstandsmitglied zum Mitglied des Organs, der Anstellungsvertrag als Dienstvertrag regelt die arbeitsrechtlichen Bezüge der Tätigkeit des Vorstandsmitglieds.Zur nachträglichen Änderung einer ergebnisabhängigen Tantieme eines Vorstands OLG Düsseldorf Urteil vom 27.10.2011 (Az: 6 U 42/11) = NZG 2012, 20. Beide sind grundsätzlich voneinander unabhängig. Seitens der AG ist für den Abschluss der Aufsichtsrat zuständig, der dies intern auf einen Aufsichtsratsausschuss delegieren kann (§ 107 Abs. 3 AktG).

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Die Vergütung des Vorstandsmitglieds hat in einem angemessenen Verhältnis zu seinen Aufgaben unter Berücksichtigung der Lage der Gesellschaft zu stehen (§ 87 AktG). Bei börsennotierten Gesellschaften hat der Aufsichtsrat ein Vergütungssystem zu beschließen, das insbesondere eine Maximalvergütung festlegt, das von der Hauptversammlung zu billigen ist (§ 87a AktG). Vorstand und Aufsichtsrat von börsennotierten Aktiengesellschaften, KGaA und SEs mit Satzungssitz in Deutschland haben jährlich einen klaren und verständlichen Bericht über die Vergütung jedes amtierenden und jedes ausgeschiedenen Mitglieds unter Namensnennung zu erstellen (§ 162 AktG).

(5) Die Haftung der Vorstandsmitglieder

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Prüfungsschema

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Wie prüft man: Voraussetzungen für Anspruch aus § 93 Abs. 2 AktG

I.

Pflichtverletzung eines Vorstandsmitglieds

II.

Verschulden

III.

Ersatzfähiger Schaden der AG (Differenzhypothese)

IV.

Art und Umfang des Schadensersatzes, §§ 249 ff. BGB

Vorstandsmitglieder sind im Falle der Pflichtverletzung der AG zum Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet (§ 93 Abs. 2 AktG). Dabei hat der Vorstand jedoch einen weiten Beurteilungsspielraum bei der Leitung der Gesellschaft. Bei unternehmerischen Entscheidungen haftet er erst dann, wenn die so genannte Business Judgement Rule verletzt ist, die verhindern soll, dass eine allzu enge nachträgliche Kontrolle des unternehmerischen Handelns erfolgt.

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Nach der Business Judgement Rule besteht eine Haftung nur bei einer deutlichen Überschreitung der Grenzen eines unternehmerischen Handelns, das von Verantwortungsbewusstsein getragen, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiert und auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhen muss. Dabei gesteht die Rechtsprechung dem handelnden Vorstandsmitglied in wirtschaftlicher Hinsicht eine weite Bereitschaft zu, unternehmerische Risiken einzugehen.BGH Urteil vom 21.4.1997 (Az: II ZR 175/95), unter Tz. 25 = BGHZ 135, 244 – ARAG-Garmenbeck, zuletzt BGH Urteil vom 22.2.2011 (Az: II ZR 146/09), unter Tz. 19 ff. = NZG 2011, 549, 550 f. Hinsichtlich der Rechtslage und der Beachtung von Gesetz und Rechtsprechung ist die Haftung streng. Der Vorstand soll ihr nur genügen können, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht.BGH Urteil vom 20.9.2011 (Az: II ZR 234/09), unter Tz. 18 = ZIP 2011, 2097, 2099 ff. Zu den prozessualen Auswirkungen Fest NZG 2011, 540; zu Interessenkonflikten im Kollegialorgan Bunz NZG 2011, 1294, und Redeke ZIP 2011, 59.

Aufgrund des zum Teil unabsehbaren Haftungsrisikos eines Vorstandsmitglieds können in der Satzung Haftungsvereinbarungen zwischen der AG und den Vorstandsmitgliedern vereinbart werden.Vgl. hierzu ausführlich Grunewald AG 2013, 813. Aufgrund der Regelungen der §§ 93 Abs. 1 S. 1, 23 Abs. 5 AktG können solche Vereinbarungen nicht eine Herabsetzung des Sorgfaltsmaßstabes, sondern allenfalls eine Vereinbarung einer Haftungshöchstsumme zum Gegenstand haben.  

582

Zur Durchsetzung der Ansprüche der AG ist grundsätzlich der Aufsichtsrat berufen. Er muss dabei einem entsprechenden Beschluss mit einfacher Stimmenmehrheit der Hauptversammlung binnen sechs Monaten seit dem Tag der Hauptversammlung Folge leisten (§ 147 Abs. 1 AktG).

583

Anstelle des Aufsichtsrates können Aktionäre mit Gesamtanteilen von zusammen 1 % des Grundkapitals oder einem anteiligen Gesamtbetrag von 100 000 € beim Landgericht die Zulassung beantragen, die Ansprüche der AG im eigenen Namen, aber auf Zahlung an die Gesellschaft als actio pro socio geltend zu machen (§ 148 AktG).

bb) Der Aufsichtsrat

584

Der Aufsichtsrat bestellt und überwacht den Vorstand (§ 111 AktG) und vertritt die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand gerichtlich und außergerichtlich (§ 112 AktG). Die gesetzlichen Regelungen zum Aufsichtsrat enthalten die §§ 95–116 AktG.

(1) Überwachung der Geschäftsführung

585

Der Aufsichtsrat hat die gesamte Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen (§ 111 AktG). Er hat dabei ein umfassendes Einsichts- und Prüfungsrecht in alle Bücher und Geschäftsaufzeichnungen der AG und kann externe Überprüfungen beauftragen (§ 111 Abs. 2 AktG). Der Vorstand ist ihm ergänzend zu umfassendem Bericht verpflichtet (§ 90 AktG).Zu Umfang und Grenzen des Informationsrechts Manger NZG 2010, 1255.

Die Überwachung ist weniger Sanktion als Beratung. Der Aufsichtsrat soll den Vorstand vorausschauend beraten und so über ihn auf die Geschäftspolitik Einfluss nehmen. Dies betont § 111 Abs. 4 S. 2 AktG mit der Möglichkeit, bestimmte Arten von Geschäften von der Zustimmung des Aufsichtsrates abhängig zu machen. Der Vorstand hat die Zustimmung grundsätzlich vor der Durchführung des Geschäfts einzuholen. Zustimmen muss der Aufsichtsrat im Plenum, eine Entscheidung nur des Aufsichtsratsvorsitzenden genügt nicht.BGH Urteil vom 10.7.2018 (Az: II ZR 24/17), unter Tz. 15, 20 = NJW 2018, 3574.

(2) Vertretung der AG gegenüber dem Vorstand

586

Der Aufsichtsrat vertritt die AG gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich (§ 112 AktG). Die Vertretung der AG gegenüber dem Vorstand meint zunächst die Prüfung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder.BGH Urteil vom 21.4.1997 (Az: II ZR 175/95), unter Tz. 11 = BGHZ 135, 244 – ARAG-Garmenbeck. Diese erfolgt in drei Stufen:    

Der Aufsichtsrat muss denkbare Ansprüche prüfen, sobald Anhaltspunkte für ein Überschreiten des dem Vorstand eingeräumten weiten Handlungsspielraums bei der Leitung der Gesellschaft vorliegen.

Kommt er zu dem Ergebnis, dass Ansprüche bestehen, muss er abwägen, ob die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche im Interesse der AG ist. Einer Durchsetzung kann beispielsweise entgegenstehen, dass sie zu einer Aufdeckung von Geschäftsgeheimnissen führen kann oder dass die Folgen für das betroffene Vorstandsmitglied außer Verhältnis zu dem Interesse der Gesellschaft am Ausgleich des erlittenen Schadens stehen.

Ergibt die Abwägung, dass eine Durchsetzung erfolgen muss, hat der Aufsichtsrat diese unverzüglich zu veranlassen, ein vorheriger Beschluss der Hauptversammlung darf nicht abgewartet werden (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG).

(3) Zusammensetzung

587

Der Aufsichtsrat besteht mindestens aus drei Mitgliedern. Bestimmt die Satzung eine höhere Zahl, muss auch diese durch drei teilbar sein, wenn dies zur Erfüllung mitbestimmungsrechtlicher Vorgaben erforderlich ist. Die Höchstzahl richtet sich nach dem Grundkapital der AG (§ 95 Abs. 1 AktG).

(4) Bestellung des Aufsichtsrates

588

Die Hauptversammlung bestimmt in eigener Zuständigkeit die Aufsichtsratsmitglieder mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 101 Abs. 1 S. 1 AktG).

Für die Bestellung gilt das Kontinuitätsprinzip (§ 96 Abs. 4 AktG): Der Aufsichtsrat ist grundsätzlich nach den gleichen Vorschriften wie der vorangegangene zusammenzusetzen. Dies soll Schwierigkeiten bei der Ermittlung des auf seine Zusammensetzung anwendbaren Rechts vermeiden.

Die Amtszeit kann maximal bis zur Beendigung derjenigen Hauptversammlung andauern, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach Beginn der Amtszeit beschließt; das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, wird nicht mitgerechnet (§ 102 Abs. 1 AktG).

(5) Die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder

589

Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben haben die Aufsichtsratsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Vorstandsmitglieds anzuwenden, die Sorgfaltspflichten sind dem Umfang nach daher identisch (§ 116 AktG). Das Aufsichtsratsmitglied muss sich so verhalten, wie sich ein pflichtbewusster „Überwacher“ über fremdes Vermögen im konkreten Fall verhalten würde.

Eine Pflichtverletzung wird ähnlich dem Vorstand jedenfalls bei unternehmerischen Entscheidungen nur außerhalb eines weiten Beurteilungsspielraums geahndet (§§ 116 S. 1 i.V.m. 93 Abs. 1 S. 2 AktG). Die Vertretung der AG erfolgt in diesem Fall durch den Vorstand (§ 78 Abs. 1 AktG) oder durch eine Aktionärsminderheit nach entsprechender Klagezulassung (§ 147 Abs. 2 AktG).

cc) Die Hauptversammlung

(1) Ordentliche und außerordentliche Hauptversammlung

590

Die Hauptversammlung als Versammlung aller Aktionäre kann als ordentliche oder als außerordentliche tagen. Die ordentliche Hauptversammlung hat einmal jährlich in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden (§§ 175 ff. AktG).In Reaktion auf die Covid-19-Pandemie hat der Gesetzgeber die Frist auf das Geschäftsjahr verlängert und weitere Erleichterungen vorgesehen, vgl. Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, verkündet als Art. 2 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht v. 27.3.2020 (BGBl. 2020 I 569). Alle anderen Hauptversammlungen sind außerordentliche Hauptversammlungen. Die Bestimmungen über Einberufung und Abhaltung sind nahezu identisch (§§ 121 ff., 129 ff., 133 ff. AktG).

(2) Aufgaben

591

Die Hauptversammlung hat im Einzelnen zunächst die in § 119 AktG beschriebenen Kompetenzen. Kernkompetenzen sind die Bestimmung ihrer Geschäftsordnung, die Bestellung und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder und die Festsetzung ihrer Vergütung, die Entscheidung über die Gewinnverwendung, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und die Bestellung des Abschlussprüfers. In ihren Kompetenzbereich fallen hinsichtlich der Satzung außerdem Maßnahmen der Kapitalbeschaffung oder Kapitalherabsetzung, die Zustimmung zu Umwandlungsmaßnahmen und zu Unternehmensverträgen, zum Abschluss eines Eingliederungsvertrags, schließlich die Auflösung der Gesellschaft nebst Feststellung der Liquidationseröffnungsbilanz und der Liquidationsjahresabschlüsse.

Daneben hat die Rechtsprechung eine Vielzahl ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten bei Maßnahmen von grundlegender Bedeutung für die AG entwickelt, so bei Ausgliederung des wertvollsten Betriebsteils auf eine TochtergesellschaftBGH Urteil vom 25.2.1982 (Az: II ZR 174/80), unter Tz. 28 = BGHZ 83, 122 – Holzmüller, dabei muss eine Größenordnung von 80 % des Gesellschaftsvermögens erreicht sein. und bei der Umstrukturierung einer Tochter- in eine Enkelgesellschaft.BGH Urteil vom 26.4.2004 (Az: II ZR 155/02), unter Tz. 36 ff. = BGHZ 159, 30 – Gelatine I; BGH Urteil vom 26.4.2004 (Az: II ZR 154/02), unter Tz. 42 ff. = ZIP 2004, 1001 – Gelatine II.

(3) Einberufung

592

Die Einberufung der Hauptversammlung richtet sich nach §§ 121 ff. AktG, die Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung außerdem nach § 175 AktG. Als „Vollversammlung“ kann die Hauptversammlung außerdem ohne Einberufung Beschlüsse fassen, wenn alle Aktionäre erschienen oder vertreten sind und kein Aktionär der Beschlussfassung widerspricht.Vertiefend zur Vollversammlung Polte/Haider-Giangreco AG 2014, 729.

Die Einberufung der Hauptversammlung erfolgt durch den Vorstand (§ 121 Abs. 2 S. 1 AktG), im Ausnahmefall durch den Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 3 AktG). Aktionäre können nach gerichtlicher Zulassung die Hauptversammlung einberufen, wenn der Vorstand sich einem entsprechenden Verlangen von Aktionären, deren Anteile insgesamt mindestens 5 % des Grundkapitals erreichen, widersetzt (§ 122 Abs. 3 AktG).

Verstöße bei der Einberufung führen grundsätzlich zur Nichtigkeit der in der vom unzuständigen Organ einberufenen Hauptversammlung gefassten Beschlüsse.

Die ordentliche Hauptversammlung ist einzuberufen, wenn der Bericht des Aufsichtsrats zum Jahresabschluss eingegangen ist (§§ 121 Abs. 1, 175 Abs. 1 AktG). Im Übrigen ist der Vorstand zur Einberufung verpflichtet, wenn das Wohl der Gesellschaft eine Hauptversammlung erforderlich macht (§ 121 Abs. 1 AktG). Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so dass das Vermögen der Gesellschaft zu Buchwerten nur noch die Hälfte des ausgewiesenen Grundkapitals deckt (§ 92 Abs. 1 AktG).     

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