Familien- und Erbrecht

Schutz der ehelichen Lebensgemeinschaft

2. Schutz der ehelichen Lebensgemeinschaft

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Die sich aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ergebenden Pflichten können auch einklagbare Ansprüche begründen.

a) Ansprüche gegen den Ehegatten

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Die Erhebung einer Leistungsklage auf Erfüllung der sich aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ergebenden Pflichten (Eheherstellungsklage) ist seit dem Inkrafttreten des FamFG entfallen, § 120 Abs. 3 FamFG. Ein darauf gerichtetes Urteil war aber schon früher nach § 888 Abs. 3 ZPO a.F. nicht vollstreckbar, soweit es höchstpersönliche Ansprüche betraf. Das Recht der Ehegatten auf Trennung kann indes Gegenstand einer Feststellungsklage sein (negative Herstellungsklage).

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Betrifft die Herstellung und die Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft dagegen nicht höchstpersönliche Ansprüche, sondern vermögensrechtliche Ansprüche, kommt sowohl ein darauf gerichteter Schadensersatzanspruch als auch eine Vollstreckung z.B. wegen der Mitwirkung bei einer Steuererklärung

BGH Urt. v. 18.9.2009 (Az. XII ZR 176/06) = NJW 2010, 1879. nach § 120 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 888 Abs. 1 ZPO in Betracht.

Beispiel

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Abgabe einer Willenserklärung zur gemeinsamen Veranlagung in einer Steuererklärung, wenn dadurch die Steuerschuld des Ehegatten, der die gemeinsame Veranlagung wünscht, verringert und die Steuerschuld des anderen nicht erhöht wird.

aa) Unterlassungsansprüche

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Bei einem ehewidrigen Verhalten eines Ehegatten hat der andere Ehegatte einen Unterlassungsanspruch aus § 1353, der allerdings nach § 120 Abs. 1, Abs. 3 FamFG nicht vollstreckbar ist. Eine Beeinträchtigung des ungestörten Fortbestands der Ehe kann auch quasi-negatorische Unterlassungsansprüche nach §§ 823, 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1, 812 S. 1 analog begründen. Solche Ansprüche sind indes ebenfalls eine Familiensache i.S.v. § 266 Abs. 1 Nr. 2 FamFG, die dem Vollstreckungsverbot des § 120 Abs. 3 FamFG unterliegen.

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Vor Inkrafttreten des FamFG wurde die Vollstreckung eines quasi-negatorischen Unterlassungsanspruches überwiegend wegen des Vollstreckungsverbots des § 888 Abs. 3 ZPO a.F. abgelehnt.

MüKo-Roth § 1353 Rn. 52. Der BGHBGH Urt. v. 26.6.1952 (Az. IV ZR 228/51) = BGHZ 6, 360. hat allerdings im Gegensatz zum RGRG Urt. v. 22.4.1909 (Az. VI 27/09) = RGZ 71, 85. einen im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbaren Anspruch auf Beseitigung der Störung und Unterlassung künftiger Störungen gegen den anderen Ehegatten gewährt, wenn der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe durch ein ehebrecherisches Verhältnis des anderen Ehegatten beeinträchtigt wird. Es handelte sich dabei um die Fälle, in denen der Ehegatte seine Geliebte in die Wohnung mit aufgenommen hatte. Der räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe wurde auch auf Geschäftsräume ausgedehnt, wenn sie ähnlich wie die Ehewohnung zu einem Teil des äußeren gegenständlichen Bereichs der Ehe geworden waren.BGH Urt. v. 26.6.1952 (Az. IV ZR 54/52) = LM Nr. 2 zu § 823 (Af).

bb) Schadensersatzansprüche

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Bei einem ehewidrigen Verhalten eines Ehegatten sind Schadensersatzansprüche des anderen Ehegatten wegen der Verletzung von höchstpersönlichen Ehepflichten und wegen der Verletzung des räumlich-gegenständlich Bereichs der Ehe nach der h.M.

BGH Urt. v. 30.1.1957 (Az. IV ZR 279/56) = BGHZ 27, 215; BGH Urt. v. 19.12.1989 (Az. IVb ZR 56/88) = FamRZ 1990, 367. ausgeschlossen.

Beispiel

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Der Ehemann erlaubt seiner Geliebten in die Ehewohnung einzuziehen. Die Ehefrau zieht in ein Hotel und macht die Übernachtungskosten gegenüber ihrem Ehemann geltend.

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Etwas anderes gilt dann, wenn zu dem ehewidrigen Verhalten eine sittenwidrig schädigende Verletzungshandlung des Ehegatten hinzutritt, die zu einer Schadensersatzpflicht nach § 826 führt. Eine solche Schädigung ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass ein Ehegatte den Ehebruch verschwiegen hat. Denn es besteht keine schadensersatzrechtlich sanktionierte Pflicht, dem anderen Ehegatten einen Ehebruch zu offenbaren.

BGH Urt. v. 19.12.1989 (Az. IVb ZR 56/88) = FamRZ 1990, 367; BGH Beschl. v. 2.7.2014 (Az. XII ZB 201/1) = juris Rn. 13.

Beispiel

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Ein Fall des § 826 kann vorliegen, wenn die Ehefrau, die bei einem Ehebruch ein Kind empfangen hat, Zweifel des Ehemannes an der Abstammung des Kindes durch unzutreffende Angaben oder durch ausdrückliches Leugnen des Ehebruchs zerstreut, oder wenn sie den Ehemann durch eine arglistige Täuschung oder auf andere Weise, etwa auch durch Drohung, an der Erhebung der Ehelichkeitsanfechtungsklage hindert.

BGH Urt. v. 8.4.1981 (Az. IVb ZR 584/80) = BGHZ 80, 235.

b) Ansprüche gegen den Ehestörer

aa) Unterlassungsansprüche

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Beschränkt sich das Verhalten eines Dritten auf die ehewidrige Beziehung zu dem Ehegatten – ohne dass in den räumlich gegenständlichen Bereich der Ehe eingegriffen wird – steht dem anderen Ehegatten nach der Rechtsprechung

RG Urt. v. 23.4.1936 (Az. IV 304/35) = RGZ 151, 160; BGH Urt. v. 26.6.1952 (Az. IV ZR 228/51) = BGHZ 6, 360. gegen den Dritten kein Unterlassungsanspruch zu. Solche Ansprüche werden verneint, weil dadurch entgegen der Wertung des § 120 Abs. 3 FamFG mittelbar auch gegen den anderen Ehegatten ein Rechtszwang zur ehelichen Lebensgemeinschaft ausgeübt werde.

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Greift der Ehestörer dagegen in den räumlich gegenständlichen Bereich der Ehe ein, steht dem anderen Ehegatten ein quasi-negatorische Unterlassungsanspruch gegen den Dritten zu, da er insoweit das Persönlichkeitsrecht des anderen Ehegatten verletzt.

BGH Urt. v. 26.6.1952 (Az. IV ZR 228/51) = BGHZ 6, 360; BGH Urt. v. 26.6.1952 (Az. IV ZR 54/52) = LM Nr. 2 zu § 823 (Af).

bb) Schadensersatzansprüche

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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

BGH Urt. v. 26.6.1952 (Az. IV ZR 228/51) = BGHZ 6, 360; BGH Urt. v. 6.2.1957 (Az. IV ZR 263/56) = BGHZ 23, 279; BGH Urt. v. 8.1.1958 (Az. IV ZR 173/57) = BGHZ 26, 217; BGH Urt. v. 3.11.1971 (Az. IV ZR 86/70) = BGHZ 57, 229; BGH Urt. v. 8.4.1981 (Az. IVb ZR 584/80) = FamRZ 1981, 531. gewähren die §§ 823 ff. gegen den ehestörenden Dritten keine Schadensersatzansprüche aus Delikt. Der BGH stützt dies darauf, dass die Ursachen für die Ehestörung im Verhältnis der Ehegatten zueinander liegen würden, für die dem Dritten keine Verantwortung auferlegt werden könne.

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Demgegenüber bejaht ein Teil der Literatur

Böhmer AcP 155, 181; Schwab Jus 1961, 142; Bosch FamRZ 1958, 101. gegen den ehestörenden Dritten Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 1.

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Die Ansicht des Bundesgerichtshofs verdient den Vorzug, da die eheliche Lebensgemeinschaft im Verhältnis zu Dritten ein absolutes Recht auf Ungestörtheit der Beziehung nicht begründen kann. Allerdings ist der Dritte verpflichtet, die Schäden zu ersetzen, die er durch eine schuldhafte Verletzung der Gesundheit oder anderer in § 823 Abs. 1 geschützte Rechte verursacht. Entsprechendes gilt, wenn ein Verhalten die Voraussetzungen des § 826 erfüllt, indem zu dem ehestörenden Verhalten ein sittenwidrig schädigendes Verhalten hinzutritt und der Dritte dabei mit zumindest bedingten – auf eine Schadenszufügung gerichteten – Vorsatz gehandelt hat.

BGH Urt. v. 19.12.1989 (Az. IVb ZR 56/88) = FamRZ 1990, 367.

Expertentipp

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Bei der Klausurbearbeitung ist zwischen den Ansprüchen der Ehegatten untereinander und den Ansprüchen des betrogenen Ehegatten zu dem Dritten zu trennen. Innerhalb der jeweiligen Rechtsverhältnisse sind dann die Ansprüche auf Unterlassung und auf Schadensersatz zu prüfen.

c) Ansprüche wegen eines Ehebruchskindes

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Hat der betrogene Ehemann und Scheinvater für ein während der Ehe geborenes nichteheliches Kind Unterhalt gezahlt, hat er gegen den Erzeuger des Kindes einen Anspruch aus § 1607 Abs. 3 auf Erstattung der Unterhaltskosten. Einen Anspruch auf Ersatz der Entbindungskosten gewährt der Bundesgerichtshof

BGH Urt. v. 8.1.1958 (Az. IV ZR 173/57) = BGHZ 26, 217. dem Ehemann über die Rückgriffskondiktion des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, weil er den Erzeuger von seiner Unterhaltspflicht aus § 1610 befreit hat. Er kann weiter nach §§ 1607 Abs. 3, 1610 Abs. 2 analog den Ersatz der Kosten der Vaterschaftsanfechtung von dem Scheinvater verlangen.BGH Urt. v. 3.11.1971 (Az. IV ZR 86/70) = BGHZ 57, 229. Für die Geltendmachung dieser Ansprüche ist indes Voraussetzung, dass nach § 1600d Abs. 4 die Vaterschaft festgestellt ist. Die Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4, wonach die Rechtswirkungen der Vaterschaft grundsätzlich zwar erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können, kann im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes in besonders gelagerten Einzelfällen zwar auf die Weise durchbrochen werden, dass die Vaterschaft inzident festgestellt wird. Die Durchbrechung der Rechtsausübungssperre im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes setzt jedoch voraus, dass der Scheinvater zuvor seine Vaterschaft wirksam angefochten hat. Nach Ablauf der dafür gemäß § 1600b geltenden Frist kommt auch die inzidente Feststellung eines anderen Mannes als Vater nicht mehr in Betracht.BGH Urt. v. 11.1.2012 (Az. XII ZR 194/09) = NJW 2012, 852; BGH Urt. vom 9.11.2011 (Az. XII ZR 136/09) = BGHZ 191, 259. Der Bundesgerichtshof hat dem Scheinvater ein Auskunftsanspruch gegen die Mutter des Kindes zugebilligt.BGH Beschl. v. 2.7.2014 (Az. XII ZB 201/1) = juris Rn. 13. Weder ein von der Ehefrau begangener Ehebruch noch das bloße Verschweigen der hieraus folgenden möglichen Nichtvaterschaft gegenüber dem Ehemann führt zu einer Schadensersatzpflicht der (geschiedenen) Ehefrau hinsichtlich des von ihm geleisteten Unterhalts für das scheineheliche Kind.BGH Beschl. v. 20.2.2013 (Az. XII ZB 412/1) = BGHZ 196, 207.

Die Durchbrechung der Rechtsausübungssperre im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes setzt jedoch voraus, dass der Scheinvater zuvor seine Vaterschaft wirksam angefochten hat. Nach Ablauf der dafür gemäß § 1600b geltenden Frist kommt auch die inzidente Feststellung eines anderen Mannes als Vater nicht mehr in Betracht (Rn. 32).

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