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Baurecht Baden-Württemberg - 2. Ausnahmsweise Zulässigkeit eines Normenkontrollverfahrens gegen Flächennutzungspläne mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB

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Baurecht Baden-Württemberg

2. Ausnahmsweise Zulässigkeit eines Normenkontrollverfahrens gegen Flächennutzungspläne mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB

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Umstritten ist, ob ein Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO gegen Flächennutzungspläne, die die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB entfalten, wie z.B. bei der Ausweisung einer Konzentrationsfläche für Windenergieanlagen, (s. Rn. 74) möglich ist.

Expertentipp

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Lesen Sie § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB und machen Sie sich klar warum das dargestellte Problem besteht. Nur wenn Sie einen Streitstand verstehen, können Sie diesen in einer Klausur überzeugend darstellen.

Hinweis

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Dieses Problem stellt sich, da mit der Zuweisung eines privilegierten Vorhabens i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB auf bestimmte Außenbereichsstandorte wegen der Regelung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB quasi spiegelbildlich die Aussage getroffen wird, dass derartige Vorhaben außerhalb der gewählten Standorte unzulässig sind.

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(1) Teilweise wird die Möglichkeit eines Normenkontrollverfahrens gegen derartige Flächennutzungspläne verneint.

Niedersächsisches OVG NVwZ-RR 2007, 444, vgl. auch Herrmann NVwZ 2009, 1185.

Hier wird angeführt, dass durch eine Ausweisung an anderer Stelle im Flächennutzungsplan kein Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens begründet werde. Vielmehr könne diesem Vorhaben lediglich ein öffentlicher Belang entgegenstehen.

Weiterhin unterlägen Flächennutzungspläne nicht der Normenkontrolle gemäß § 47 Nr. 1 VwGO. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erfasse nur Satzungen nach dem BauGB. Ein Normenkontrollverfahren im Städtebaurecht gegen andere Regelungen als Satzungen, insbesondere gegen den Flächennutzungsplan, sei daher nicht möglich.

§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sei im Bereich des Städtebaurechts abschließend. Wegen der bundeseinheitlichen Regelung des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO könne nicht angenommen werden, dass der Bundesgesetzgeber dem Landesrecht die Möglichkeit habe offenlassen wollen, den Flächennutzungsplan durch die allgemeine landesrechtliche Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO dennoch einer Überprüfung im Normenkontrollverfahren zuzuführen.

Ferner sei die Möglichkeit eines inzidenten Rechtsschutzes im Rahmen einer Klage auf Erteilung der jeweiligen Genehmigung ausreichend.

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Ein Verweis auf eine (vermeintlich) herrschende Meinung ersetzt keinesfalls eine Argumentation. Überzeugen können Sie Ihren Korrektor nur mit Sachargumenten.

Heute wird diese Frage von der herrschenden Meinung bejaht.

Innerhalb dieser Auffassung ist umstritten, ob sich die Statthaftigkeit des Normenkontrollverfahrens aus § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog oder aus § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ergibt.

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Dem Bundesverwaltungsgericht zufolge ist der Flächennutzungsplan analog § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO einer Überprüfung zugänglich, wenn sich der Antragsgegenstand auf Darstellungen des Flächennutzungsplanes bezieht, in der die planerische Entscheidung der Gemeinde zum Ausdruck kommt, mit der Ausweisung von Flächen für privilegierte Nutzungen nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB an Standorten außerhalb der ausgewiesenen Flächen eintreten zu lassen.

BVerwGE 128, 382 ff., s. die Nachweise bei Kopp/Schenke VwGO § 47 Rn. 21 Fn. 55; vgl. auch Bringewat NVwZ 2013, 984.

Hinweis

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Die Analogie wird vom Bundesverwaltungsgericht nur auf solche Darstellungen bezogen, in denen der Wille der Gemeinde zum Ausdruck kommt, das mit der Ausweisung im o.g. Sinne die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB an Standorten außerhalb der ausgewiesen Flächen (Negativflächen) eintreten soll. Nur in derartigen Konstellation ist die unmittelbare Außenwirkung eines Flächennutzungsplanes gegeben, die die Analogie zu § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO rechtfertigt.

§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO findet daher keine analoge Anwendung auf einfache Konzentrationsflächen, die lediglich den dargestellten Standort gegenüber anderen Nutzungen dahingehend sichern, dass auf der Fläche nur andere Nutzungen ausgeschlossen werden, aber darin gerade nicht ausgesagt wird, dass privilegierte Anlagen ausschließlich dort zulässig sind.

Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 446.

Die Analogie zu § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO sei erforderlich, weil seit der Einführung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB und der damit verbundenen unmittelbaren Rechtswirkung derartiger Flächennutzungspläne nachträglich eine planwidrige Regelungslücke entstanden und eine vergleichbare Interessenlage

Korrekterweise müsste es sich um eine vergleichbare Wertungs- und nicht um eine reine Interessenlage handeln, da von einem Interesse nicht unvermittelt auf ein Sollen geschlossen werden kann. Vgl. hierzu statt aller Rath Das Verhältnis des Wertes und des Sollens zum Sein, passim. entstanden sei.

Eine Anwendung des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO scheide aus, da der Gesetzgeber in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO eine Sonderregelung für den Rechtsschutz im Bereich des Städtebaurechts getroffen habe. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO bezwecke einen effektiven, rechtzeitigen und bundeseinheitlich ausgestalteten Rechtsschutz bei Satzungen und Verordnungen nach dem BauGB.

Ein Flächennutzungsplan mit dem Inhalt des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB treffe eine abschließende Planaussage. Die Ausweisung von Konzentrationsflächen weise eine Ausschlusswirkung auf: Nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB privilegierte Vorhaben seien bauplanungsrechtlich unzulässig, wenn der Flächennutzungsplan ihrer Verwirklichung an einer anderen als der beantragten Stelle vorsehe. In diesem Fall stünden öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB entgegen. Die Zuweisung bestimmter privilegierter Vorhaben auf bestimmte Außenbereichsstandorte sage also im Umkehrschluss aus, dass derartige Vorhaben außerhalb der gewählten Standorte unzulässig sind. Es sei daher eine unmittelbare Auswirkung auf die Zulässigkeit von Vorhaben gegeben.

Die Regelung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB verleihe den genannten Darstellungen dadurch eine derartige Verbindlichkeit, dass diese einem Bebauungsplan gleichkommt. Dies werde auch in der Regelung des § 5 Abs. 2b BauGB deutlich, nach der für solche Darstellungen ein sachlicher Teilflächennutzungsplan aufgestellt werden kann. Wegen dieser ausnahmsweise gegebenen Gleichstellung könne sich das Normenkontrollverfahren auf Flächennutzungspläne mit den Wirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB beziehen.

Hierfür kann auch die Möglichkeit der Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 Abs. 3 BauGB mit Blick auf Flächennutzungspläne mit den Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB angeführt werden, wodurch derartigen Plänen ebenfalls Außenwirkung zukommt. Der Gesetzgeber hat dadurch für die Planung von Konzentrationsflächen ein bislang den Bebauungsplänen vorbehaltenes Sicherungsmittel zur Verfügung gestellt.

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Ein Teil der Rechtsprechung

OVG Rheinland-Pfalz NVwZ 2006, 1442. geht mit Teilen der LiteraturKment NVwZ 2004, 314, 315; Loibl UPR 2004, 419, 422; Guckelberger DÖV 2006, 973, 981. von der Statthaftigkeit des Normenkontrollantrags nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m mit dem landesrechtlichen Ausführungsgesetz, d.h. in Baden-Württemberg i.V.m. § 4 AGVwGO, aus.

Die Darstellung einer Konzentrationszone mit einer Ausschlusswirkung i.S.v. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB unterfalle dem Begriff der Rechtsvorschrift gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Für die Einstufung einer Bestimmung als Rechtsvorschrift komme es (auch) darauf an, ob es sich um eine abstrakt-generelle Regelung mit verbindlicher Außenwirksamkeit handelt.

Umstritten ist, ob materielle oder formelle Kriterien für das Vorliegen einer Rechtsvorschrift i.S. des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO maßgeblich sind, vgl. Kopp/Schenke VwGO § 47 Rn. 27 m.w.N. Bei Darstellungen i.S.d. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB erfülle der Flächennutzungsplan eine dem Bebauungsplan vergleichbare Funktion. Derartige Darstellungen sind abstrakt-generelle Regelungen mit verbindlicher Außenwirkung und somit eine der Normenkontrolle unterliegende Rechtsvorschrift.

Hinweis

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Die dargestellt ausnahmsweise gegebene Möglichkeit der Normenkontrolle müssen Sie kennen. Kommentieren Sie sich in Ihrem Gesetzestext neben § 47 Abs. 1 VwGO, § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB. So übersehen Sie dies in einer Klausur nicht versehentlich.

In einer Klausur kann die Frage nach dem Rechtsschutz gegen Flächennutzungspläne daher nicht pauschal, sondern nur mit Blick auf die Darstellungen des Flächennutzungsplanes beantwortet werden.

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