Baurecht Baden-Württemberg

Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben - Anwendbarkeit der §§ 30 ff. BauGB

B. Anwendbarkeit der §§ 30 ff. BauGB

I. Bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB

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Die Anwendbarkeit der §§ 30 ff. BauGB fordert zunächst das Vorliegen einer baulichen Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB. Bei diesem Begriff der baulichen Anlage handelt es sich um einen eigenständigen bundesrechtlichen Begriff.

Expertentipp

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Definieren Sie die baulichen Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB auf keinen Fall, indem Sie auf den Begriff der baulichen Anlange des § 2 Abs. 1 BauGB abstellen. In Prüfungsarbeiten wird ein Korrektor diesen Fehler als gravierend ansehen.

Zwar sind die Begriffe der baulichen Anlage des § 29 Abs. 1 BauGB und des § 2 Abs. 1 BauGB weitgehend, jedoch nicht schlechthin, deckungsgleich. Dennoch verbietet sich eine Hinzuziehung des § 2 Abs. 1 LBO: Dies folgt zum einen daraus, dass der Begriff der baulichen Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB eigenständig zu bestimmen ist, da der Bund gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG eine Gesetzgebungskompetenz ausschließlich für das Bodenrecht hat. Zum anderen kann ein bundesrechtlicher Begriff nicht durch einen landesrechtlichen Begriff bestimmt werden. Ferner weisen das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht unterschiedliche Zielsetzungen auf (s. Rn. 11 ff.).

Definition

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Definition: bauliche Anlage

Eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB ist eine auf Dauer mit dem Erdboden verbundene künstliche Anlage, die aus Baustoffen und Bauteilen hergestellt worden ist und eine planungs- bzw. bodenrechtliche Relevanz aufweist.

BVerwG NVwZ 2001, 1046, 1047 m.w.N.

Hinweis

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Das Kriterium der Dauerhaftigkeit kann bereits dann erfüllt sein, wenn die Anlage regelmäßig auf- und abgebaut wird und damit als Ersatz für ein festes Bauwerk dient.

OVG Nordrhein-Westfalen DÖV 2004, 170.

Definition

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Definition: Planungsrechtliche Relevanz

Planungsrechtliche Relevanz hat eine Anlage, wenn sie Belange i.S.v. § 1 Abs. 5 und 6 BauGB derart berührt, dass das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorgerufen wird.

BVerwGE 44, 59, 62.

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§ 29 Abs. 1 BauGB beschreibt auch die bauplanungsrechtlich relevanten Vorgänge. Diese sind in einer Errichtung, Änderung und in einer Nutzungsänderung zu sehen. Nur wenn einer dieser Punkte gegeben ist, sind die §§ 30 ff. BauGB anwendbar. Aus diesem Grund ist § 29 BauGB immer vor den §§ 30 ff. BauGB zu prüfen.

Definition

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Definition: Errichtung

Errichtung ist die erstmalige Herstellung einer Anlage oder deren Aufstellung.

Stollmann Öffentliches Baurecht § 13 Rn. 12.

Änderung ist der Eingriff in eine bereits vorhandene bauliche Anlage in Form von Umbau, Anbau oder Erweiterung, ohne dass der baulichen Anlage eine andere Zweckbestimmung zukommt.

Eine Nutzungsänderung ist gegeben, wenn die bauliche Anlage zu einem anderen als dem ursprünglich genehmigten Zweck genutzt werden soll, die neue Nutzung die in §§ 1 Abs. 5, Abs. 6 BauGB genannten Belange berühren und damit planungsrechtlich relevant sein kann,

BVerwG NVwZ-RR 2000, 416, 417. so dass sich die Genehmigungsfrage neu stellt.Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 523.

Regelmäßig ist eine bauplanungsrechtliche Genehmigungspflicht gegeben, wenn mit der Nutzungsänderung bauliche Veränderungen verbunden sind. Jedoch kann eine solche auch ohne bauliche Veränderungen gegeben sei. Insbesondere kann sich die bauplanungsrechtliche Relevanz durch einen erhöhten Bedarf an Stellplätzen oder aus der Tatsache ergeben, dass die Umnutzung nicht mehr dem lokalen Gebietstypus entspricht.

Brenner Öffentliches Baurecht Rn. 523.

Beispiel

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Die bauplanungsrechtliche Relevanz ist gegeben bei einer

Umwandlung einer Gaststätte in eine Diskothek.

Umstellung einer Alm-Gaststätte für Skiläufer auf ganzjährigen Betrieb, der neue Gäste aus dem Bereich der Auto- und Bustouristik anzieht und daher einen erhöhten Bedarf an Stellplätzen hervorruft.

Sie fehlt z.B. hingegen, wenn eine Modeboutique in ein Spielwarengeschäft umgewandelt wird.

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Das Objekt der bauplanungsrechtlichen Prüfung für die Änderungsgenehmigung ist das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt ist. Der rechtliche Prüfungsmaßstab hingegen bilden die von der Änderung berührten bebauungsplanungsrechtlichen Anforderungen.

II. Die weiteren Vorhaben i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB

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Neben der Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung einer baulichen Anlage erfasst § 29 Abs. 1 BauGB auch Aufschüttungen und Abgrabungen größeren Umfangs sowie Ausschachtungen und Ablagerungen einschließlich Lagerstätten.

Definition

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Definition: Aufschüttungen

Aufschüttungen sind künstliche Erhöhungen der Erdoberfläche, wie etwas Abraumhalden und die Lagerung von überschüssigem Boden.

Battis/Krautzberger/Löhr-Mitschang/Reidt BauGB § 9 Rn. 94.

Abgrabungen sind künstliche Absenkungen des vorhandenen Bodenniveaus oder Vertiefungen des borgefundenen Bodenniveaus.

Battis/Krautzberger/Löhr-Mitschang/Reidt BauGB § 9 Rn. 95.

Sie sind größeren Umfangs, wenn sie bodenrechtliche Relevanz aufweisen, d.h. wenn ein Bedürfnis nach regelnder Bauleitplanung hervorgerufen werden kann.

Battis/Krautzberger/Löhr- Reidt BauGB § 29 Rn. 23.

Hinweis

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Sind die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 BauGB nicht gegeben, ist Ihre bauplanungsrechtliche Prüfung beendet, da die §§ 30 ff. BauGB nicht anwendbar sind. Die Zulässigkeit des Vorhabens bestimmt sich dann alleine nach dem Bauordnungsrecht und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, vgl. § 29 Abs. 2 BauGB.

III. Ausnahmen von der Anwendbarkeit der §§ 30 ff. BauGB

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Expertentipp

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Diese Ausnahmen sind nicht Klausurenrelevant.

In den Fällen der §§ 37 f. BauGB finden sich Ausnahmen von der Anwendbarkeit der §§ 30 ff. BauGB. In den Fällen des § 37 BauGB gelten die Vorschriften der §§ 29 ff. BauGB nur mit Einschränkungen. § 38 BauGB normiert einen Vorrang der Fachplanung.

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