Inhaltsverzeichnis
A. Einführung
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Die Urkundendelikte sind in den §§ 267 ff., 348 geregelt. Einige von Ihnen sind von großer Klausurrelevanz, zumal sie häufig in Zusammenhang mit Vermögensdelikten, insbesondere dem Betrug, in der Klausur zu prüfen sind.
Beispiel
A fälscht einen Darlehensvertrag, aufgrund dessen B verpflichtet sein soll, ein am 1.1.2008 fälliges Darlehen in Höhe von 15 000 € zurückzuzahlen und erhebt Klage vor dem LG Köln. Der Richter gibt der Klage statt, da er von der Echtheit des Dokuments überzeugt ist.
Hier hat A sowohl einen (Prozess-)Betrug als auch eine Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 Alt. 1 und 3 begangen.
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Das geschützte Rechtsgut ist allgemein die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Urkunden, technischen Aufzeichnungen oder Daten als Beweismittel im Rechtsverkehr.Wessels/Hettinger/Engländer Strafrecht BT 1 Rn. 775. Die einzelnen Normen schützen dabei unterschiedliche Aspekte dieser Sicherheit und Zuverlässigkeit.
Wir werden uns nachfolgend ausführlich mit den §§ 267, 268, 269, 271 (348) und 274 beschäftigen. Hinsichtlich der übrigen Normen reicht es aus, wenn Sie diese aufmerksam lesen. Sie sind nur selten Gegenstand einer gutachterlichen Prüfung.
Hinweis
Der Corona Pandemie nachfolgend sind in den letzten Jahren (2022 beginnend) verschiedene Entscheidungen der Oberlandesgerichte zu den §§ 277-279 a.F. ergangen. Diese stellten die Fälschung von Gesundheitszeugnissen, das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse und den Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse nur dann unter Strafe, wenn Behörden oder Versicherungsgesellschaften getäuscht werden sollten.
Nach einer vornehmlich in der LiteraturErb NStZ 2022, 742. vertretenen Auffassung entfalteten diese Normen gegenüber den §§ 267 ff. eine Sperrwirkung, so dass Täter, die gefälschte Impfpässe außerhalb von Behörden verwendeten, straflos bleiben sollten. Die Rechtsprechung hat sich zunehmend von dieser Position abgewandt und die Sperrwirkung verneint.OLG Schleswig NStZ 2022, 689; OLG Celle BeckRS 2022, 12898.
Die Eingrenzung auf Behörden oder Versicherungen hat der Gesetzgeber Ende 2021 aufgehoben. Zudem sind die jetzigen § 277 und § 279 StGB subsidiär gegenüber den sonstigen Urkundendelikten. Aufgrund des sich aus Art. 103 Abs. 2 GG ergebenden Rückwirkungsverbots sind Sachverhalte, die sich vor Inkrafttreten der neuen Regeln ergeben haben, aber nach altem Recht zu begutachten.
Auch wenn die Fälle keine allzu große Klausurrelevanz haben dürften, möchten wir Ihnen kurz folgende mögliche Konstellationen vorstellen, die nach neuem Recht zu lösen wären:
- Trägt Ärztin A eine nicht stattgefundene Impfung im Impfpass des F ein, dann kommt nur eine Strafbarkeit gem. § 278 StGB in Betracht. § 267 StGB scheidet aus, da keine Täuschung über den Aussteller vorliegt. Es liegt nur eine schriftliche Lüge vor, die aber von § 267 Abs. 1 StGB nicht strafbar ist.
- Stellt der Medizinstudent A eine entsprechende Bescheinigung unter dem Namen eines approbierten Arztes Z aus, dann hat er sich gem. § 267 Abs. 1 Var. 1 strafbar gemacht, der nunmehr den § 277 Abs. 1 verdrängt. Das gilt auch dann, wenn er den bereits von Z ausgestellten Impfpass verändert, indem er eine nicht stattgefunden habende Impfung hinzufügt. Hier hat er sich erneut gem. § 267 Abs. 1 Var. 1 strafbar gemacht, da jede einzelne Eintragung eine Urkunde ist. Ein Verfälschen einer Urkunde käme nur dann in Betracht, wenn der Impfpass eine Gesamturkunde wäre, was aber abzulehnen ist, da er keine Abgeschlossenheits- oder Vollständigkeitserklärung beinhaltet. Sofern F diesen Impfpass anschließend verwendet, hat er sich gem. § 267 Abs. 1 Var. 3 StGB strafbar gemacht, der den § 279 StGB verdrängt.