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G. Tätige Reue, § 306e
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Gem. § 306e kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen gem. § 49 Abs. 2 mildern oder ganz von Strafe absehen, wenn der Täter den Brand freiwillig löscht, bevor ein erheblicher Schaden entsteht. Sofern der Brand ohne Zutun des Täters gelöscht wurde, bevor ein erheblicher Schaden entstanden ist, genügt gem. § 306e Abs. 3 auch sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, dieses Ziel zu erreichen.
Beachten Sie, dass § 306e nur dann in Betracht kommt, wenn die Brandstiftung vollendet ist. Liegt hingegen nur eine versuchte Brandstiftung vor, so ist ausschließlich § 24 anwendbar.
Hat der Täter nur eine fahrlässige Brandstiftung gem. § 306d begangen, so wird er gar nicht bestraft (persönlicher Strafaufhebungsgrund), wenn er freiwillig den Brand löscht, bevor ein erheblicher Schaden entsteht.
Beispiel
A möchte erneut sein Wohnhaus in Brand setzen und verursacht dazu einen Kurzschluss an seiner Waschmaschine. Unmittelbar nachdem das Gerät Feuer gefangen hat, überkommt ihn jedoch das schlechte Gewissen, so dass er den Brand mit mehreren Litern Wasser löscht.
Da der Brand hier noch nicht wesentliche Bestandteile des Gebäudes erfasst hatte, ist ein vollendetes Inbrandsetzen zu verneinen. A hat jedoch den Tatentschluss, eine Brandstiftung gem. § 306a Abs. 1 Nr. 1 zu begehen. Entsprechend diesem Tatentschluss hat er auch unmittelbar angesetzt. Allerdings ist er gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 strafbefreiend von diesem Versuch zurückgetreten, indem er die Vollendung freiwillig verhindert hat.
Tätige Reue gem. § 306e käme in Betracht, wenn der Brand bereits auf die Wände und den Fußboden des Gebäudes übergegriffen hätte. In diesem Fall, wäre die Brandstiftung vollendet gewesen.
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Die Erheblichkeit des Schadens richtet sich nach dem betroffenen Objekt. Da bei Gebäuden insgesamt ein sehr hoher Sachschaden eintreten kann, hat der BGH ausgeführt, dass ein erheblicher Schaden vorliege, wenn mindestens 2500 € zur Schadensbeseitigung erforderlich seien.BGH JuS 2003, 409. Ansonsten kann teilweise auf die Wertgrenze des § 315c Abs. 1 zurückgegriffen werden, so dass ein erheblicher Schaden bei einer Summe von 750 € bis 1200 € vorliegt.BGH JuS 2003, 409.
Bei einer Körperverletzung, wird teilweise schon eine einfache Körperverletzung als erheblicher Schaden angesehen.SK-Wolters/Horn § 306e Rn. 12. Einer anderen Auffassung zufolge sollen nur Körperverletzungen mit erheblicher Verletzungsgefahr i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 2 als erheblich angesehen werden.Joecks/Jäger § 306e Rn. 5.
Der Täter, der sich auf § 306e berufen will, muss ausweislich des Wortlauts der Norm den Brand tatsächlich löschen. Löschversuche reichen nicht aus. Allerdings ist ein eigenhändiges Löschen nicht erforderlich. § 306e ist auch dann anwendbar, wenn der Täter sich der Hilfe Dritter bedient.BGH NStZ 2003, 264.
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Fraglich ist, ob § 306e auch dann anwendbar ist, wenn der Täter den Brand zwar nicht löscht, dafür aber das in eine konkrete Gefahr geratene Opfer rettet.
Beispiel
Der 65-jährige A befand sich in einer Liebesbeziehung zu der 17-jährigen J. Da beide beschlossen hatten, gemeinsam auf dem Leben zu scheiden, schüttete A im Innenraum seines Wohnwagens Benzin aus und zündete es an, während beide sich im Wohnwagen aufhielten. Nachdem das Feuer sich innerhalb kürzester Zeit ausgebreitet hatte, entschloss sich A, sich selbst und auch F in Sicherheit zu bringen, was ihm auch gelang. F erlitt Verbrennungen am Rücken, Unterarm, Knie und Wade und musste stationär behandelt werden. Der Wohnwagen brennt komplett aus.
Da § 306e ausdrücklich ein Löschen des Brandes verlangt, stellte sich für den BGHBGH NStZ 2021, 290. die Frage, ob eine analoge Anwendung in Betracht kommen könnte. Da es sich um eine Analogie zugunsten des Täters handeln würde, verstieße diese nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG.
Im Ergebnis hat der BGH die analoge Anwendung bejaht. Zunächst hat er eine planwidrige Regelungslücke festgestellt, die ebenso wie im Zivilrecht Voraussetzung für eine Analogie ist. Weitere Voraussetzung ist, dass aufgrund der Ähnlichkeit des gesetzlich nicht geregelten Falls mit dem gesetzlich geregelten Fall die analoge Anwendung dem Gerechtigkeitsgebot entspricht:
„Durch die vom Gesetzgeber in § 306e StGB gewählte Formulierung bleibt aber unberücksichtigt, dass es Situationen geben kann, in denen eine andere Gefahrbeseitigung als das Löschen des Brandes effektiver sein kann, etwa wenn ein Löschen nicht mehr ohne weiteres möglich ist, die Gefahr aber durch Verbringung der Person aus dem Gefahrbereich unproblematisch abgewendet werden kann. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nur bei den Brandstiftungsdelikten andere Formen der Gefahrabwendung ausschließen wollte, sondern diese Konstellation bei den §§ 306ff. StGB übersehen hat.“
Schließlich müssen Sie bei der tätigen Reue noch die Freiwilligkeit prüfen – hier gelten die Grundsätze des § 24. Danach handelt der Täter freiwillig, wenn er aus autonomen Motiven heraus den Brand gelöscht hat.Fischer § 24 Rn. 19.