Inhaltsverzeichnis
A. Überblick
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Die Schuld ist ebenso wie die Verwirklichung des tatbestandlichen, rechtswidrigen Unrechts Voraussetzung der Strafbarkeit. In § 46 Abs. 1 S. 1 wird festgestellt, dass „die Schuld des Täters Grundlage für die Zumessung der Strafe“ ist.
Während es beim Tatbestand und der Rechtwidrigkeit um die Beantwortung der Frage geht, ob die Tat im Widerspruch zur Rechtsordnung steht, wird bei der Schuld die Frage beantwortet, ob dem Täter diese rechtwidrige Tat auch persönlich vorzuwerfen ist.
Das Strafrecht geht damit vom Schuld- und Verantwortungsprinzip aus. Dieses Prinzip setzt die Entscheidungsfreiheit des Menschen voraus. Ob es diese Entscheidungsfreiheit des Menschen allerdings tatsächlich gibt, ist seit jeher umstritten. Den Vertretern des sog. Indeterminismus zufolge ist der menschliche Wille frei, weshalb es ihm möglich sei, zwischen Unrecht und Recht zu unterscheiden. Die Anhänger des Determinismus glauben, dass das menschliche Verhalten kausalgesetzlich eingeschränkt, also determiniert sei, weshalb das Verbrechen das Produkt von Anlage und Umwelt sei. Beide Positionen sind bislang wissenschaftlich nicht beweisbar (auch nicht durch die moderne Hirnforschung). Das Strafrecht geht von der Willens- und Entscheidungsfreiheit des Menschen als unumstößliche Realität der sozialen Existenz aus.BGHSt 2, 194 ff.; Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 625 ff.
Bei der Schuld geht es um die Feststellung des Gesinnungsunwerts. Wie in den vorherigen Prüfungsebenen auch ist der Anknüpfungspunkt für die Bestimmung dieses Gesinnungsunwertes die Handlung. Der Schuldvorwurf bezieht sich nur auf die vom Täter begangene Tat (Tatschuld), nicht auf eine evt. Charakterschuld oder Lebensführungsschuld. Vorgeworfen wird dem Täter die zum Zeitpunkt der Tat vorliegende, fehlerhafte Einstellung zur Rechtsordnung.Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 626 ff.
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Nach dem heute herrschenden, normativen Schuldbegriff erfolgt in der Klausur die Prüfung der Schuld in vier Schritten, wobei Sie die einzelnen Prüfungspunkte nur dann thematisieren müssen, wenn der Sachverhalt konkrete Anhaltspunkte liefert.
Prüfungsschema
Wie prüft man: Die Schuld
I. | Schuldfähigkeit |
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| 1. | Schuldunfähigkeit wegen Alters gem. § 19 |
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| 2. | Schuldunfähigkeit wegen eines biologischen Defekts gem. §§ 20, 21 |
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| Vollrausch-Berechnung des BAK Wertes | Rn. 242 |
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| actio libera in causa | Rn. 247 |
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| error in persona und actio libera in causa | Rn. 250 |
II. | Unrechtsbewusstsein, fehlt bei Irrtümern gem. § 17 |
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III. | Schuldform |
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IV. | Entschuldigungsgründe |
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| 1. | § 33 Notwehrüberschreitung |
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| 2. | § 35 Entschuldigender Notstand |
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| 3. | Übergesetzlicher entschuldigender Notstand |
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| 4. | Handeln auf Anordnung oder Befehl |
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| 5. | Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens |
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