Inhaltsverzeichnis
- C. Methodik der Fallbearbeitung
- I. Erster Schritt: Sachverhalt und Fragestellung richtig erfassen und bei der Lösung immer vor Augen haben!
- II. Zweiter Schritt: Gliederungspunkte schaffen nach Tatkomplexen, Beteiligten und Tatbeständen!
- III. Dritter Schritt: Tatbestände finden, spontan und organisiert anhand des Inhaltsverzeichnisses!
- IV. Vierter Schritt: Tatbestände ordnen
- V. Fünfter Schritt: Prüfung der einzelnen Delikte, Finden und Gewichten der Probleme
- VI. Sechster Schritt: Loslegen und Schreiben!
C. Methodik der Fallbearbeitung
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Um die Examensklausur erfolgreich meistern zu können, benötigen Sie nicht nur ein fundiertes Wissen der strafrechtlichen Materie, sondern vor allem, insbesondere in Anbetracht der Fülle der examensrelevanten Probleme, methodische Fähigkeiten, welche Sie in die Lage versetzen, auch den unbekannten Fall, welcher Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit im Examen erwarten wird, vertretbar zu lösen.
Freuen Sie sich in der Klausur nicht voreilig über einen vermeintlich bekannten Fall, den Sie erst gestern noch meinen gelesen zu haben! Gehen Sie vielmehr davon aus, dass Ihr Klausurfall in Nuancen anders sein kann, als der Fall, den Sie gestern noch gelesen haben. Beachten Sie diese zumeist „weichenstellenden“ Nuancen nicht, so lösen Sie zwar den Fall, den Sie gestern noch gelesen haben, nicht aber Ihren Klausurfall und wundern sich später über ihr unerwartetes, schlechtes Abschneiden.
Zwingen Sie sich vielmehr auch in diesen verlockenden und deswegen gefährlichen Fällen dazu, systematisch und Schritt für Schritt die Tatbestände durchzuprüfen. Gehen Sie davon aus, dass Ihr Denkvermögen weitaus besser ist als Ihr Erinnerungsvermögen und bedenken Sie ferner, dass Jura eine Geisteswissenschaft ist, d.h. nichts ist naturgegeben, alles ist durch Denken entstanden. Das was andere sich „ausgedacht“ haben, können Sie ebenso gut „nach-denken“.
I. Erster Schritt: Sachverhalt und Fragestellung richtig erfassen und bei der Lösung immer vor Augen haben!
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Unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Lösung der Klausur ist zunächst, dass Sie den Sachverhalt richtig erfassen. Lassen Sie ihn unbefangen auf sich wirken und stellen Sie sich das geschilderte Geschehen tatsächlich vor. Sollte ein Sachverhalt Ihrer Ansicht nach unvollständig sein, ergänzen Sie ihn vorsichtig durch eine wirklichkeitsnahe Betrachtung, die der allgemeinen Lebenserfahrung und dem regelmäßigen Verlauf der Dinge entspricht. Sind bei natürlicher Lebensbetrachtung mehrere Alternativen denkbar, so muss das in der Lösung Ihrer Klausur berücksichtigt werden. Hüten Sie sich aber davor, nur um Probleme zu konstruieren, die sie zufällig lösen können, einen eigenen Sachverhalt zu schaffen.
Beispiel
Enthält der Sachverhalt keinerlei Hinweise darauf, dass die Vorstellung des Täters nicht mit den objektiven Gegebenheiten übereinstimmt, so wäre es völlig verfehlt, eine Irrtumsproblematik zu konstruieren, nur weil Sie zufällig noch wissen, wie der Erlaubnistatbestandsirrtum zu behandeln ist.
Achten Sie schließlich auch genau auf die Aufgabenstellung und etwaige Einschränkungen, damit Sie nicht versehentlich die Strafbarkeit eines Beteiligen prüfen, nach dessen Strafbarkeit überhaupt nicht gefragt ist.
Beim Erfassen des Sachverhalts werden Ihnen erste Probleme oder Normen einfallen. Markieren Sie diese nicht am Rande des Sachverhalts, da dies unübersichtlich ist. Legen Sie vielmehr einen sog. „Assoziationszettel“, also ein separates Blatt Papier an. Hierauf vermerken Sie stichwortartig das, was Ihnen einfällt. Am Sachverhalt selber markieren sie nur die Beteiligten und die Handlungen bzw. Unterlassungen sowie die einzelnen Handlungsabschnitte. Ferner sollten Sie Vorstellungen der Täter markieren, da es häufig um Irrtümer gehen wird.Zur richtigen Vorgehensweise in der Klausur können Sie sich ein erklärendes Video von mir ansehen. Sie finden es unter www.juracademy.de/recht-praktisch.
II. Zweiter Schritt: Gliederungspunkte schaffen nach Tatkomplexen, Beteiligten und Tatbeständen!
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Sobald Sie Klarheit über den Sachverhalt und die Fragestellung haben, folgt die rechtliche Prüfung.
Diese Prüfung beginnt damit, dass Sie Gliederungspunkte schaffen. Auf der ersten Ebene gliedern Sie den Fall nach Tatkomplexen. Ein Tatkomplex ist eine in sich geschlossene Sachverhaltseinheit. Zweckmäßigerweise werden die Tatkomplexe mit großen Buchstaben in der Gliederung gekennzeichnet.
Beispiel
Fahrgast A erblickt, während er sich zusammen mit B von Taxifahrer T nach Hause bringen lässt, dessen auf dem Beifahrersitz liegendes Portemonnaie. Nach einer kurzen Abstimmung hält B dem T, unmittelbar nachdem dieser angehalten hat, eine Waffe an den Kopf, woraufhin A das Portemonnaie ergreift. Beide verlassen nun fluchtartig das Auto, wobei T, seinerseits nun mit einem Schlagknüppel ausgestattet, die Verfolgung aufnimmt. Um das Portemonnaie zu sichern, gibt B einen Schuss auf T ab, der diesen im Oberschenkel trifft.
A. | Geschehen im Taxi |
B. | Geschehen während der Flucht |
Auf der nächsten Ebene erfolgt eine Gliederung nach Beteiligten. Jeder potenzielle Beteiligte wird getrennt geprüft, wobei der Täter vor dem Teilnehmer platziert werden muss. Sofern möglich, können Mittäter zusammen geprüft werden.
Beispiel
A. | Geschehen im Taxi
|
Auf der letzen Ebene prüfen Sie dann die in Frage kommenden Tatbestände, welche in der Gliederung mit arabischen Nummern versehen werden.
III. Dritter Schritt: Tatbestände finden, spontan und organisiert anhand des Inhaltsverzeichnisses!
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Expertentipp
IV. Vierter Schritt: Tatbestände ordnen
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Haben Sie nun alle infrage kommenden Tatbestände notiert, so müssen Sie die gefundenen Tatbestände ordnen. Bei der Ordnung hilft Ihnen das oben dargestellte Verhältnis der Tatbestände zueinander.
So ist zunächst zu unterscheiden zwischen unverbundenen und verbundenen Tatbeständen. Unverbundene Tatbestände stehen selbstständig nebeneinander. Als Aufbauregel ist hier zu beachten, dass – üblicherweise nach Höhe der Strafandrohung – die gewichtigeren Tatbestände zuerst geprüft werden.
Beispiel
A reißt vom Zaun seines Nachbarn N eine Latte und erschlägt damit B. Hier haben der Totschlag nach § 212 und die Sachbeschädigung gem. § 303 nichts miteinander zu tun. Da in diesem Fall aufgrund der Strafandrohung der Totschlag das schwerere Delikt ist, wird er zuerst geprüft, das Verhältnis der Delikte zueinander dann nach den Regeln der Konkurrenzlehre behandelt.
Bei miteinander verbundenen Tatbeständen gibt es die bereits geschilderten Möglichkeiten der unselbstständigen und der selbstständigen Abwandlung sowie der alternativen Tatbestände. Bei unselbstständigen Abwandlungen beachten Sie die oben dargestellten Aufbaumöglichkeiten.
Bei selbstständigen Abwandlungen kann es verfehlt sein, zunächst das Grunddelikt zu prüfen, so z.B. wenn die Abwandlung das Grunddelikt verdrängt. Beginnen Sie dann direkt mit der Prüfung der Abwandlung.
Beispiel
A erbeutet vom Taxifahrer T unter Vorhalten einer Waffe dessen Portemonnaie.
Beginnen Sie hier direkt mit der Prüfung des Raubes gem. § 249. Die mitverwirklichten §§ 240 und 242 treten im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter dem Raub zurück. Eine gesonderte Prüfung ist nicht erforderlich.
Bei alternativen Tatbeständen kann nur, wie das Wort schon sagt, der eine oder andere Tatbestand in Betracht kommen. Beginnen Sie die Prüfung mit dem Tatbestand, dessen Erfüllung wahrscheinlicher ist. Haben Sie den Tatbestand bejaht, ist eine Prüfung des alternativen Tatbestandes obsolet. Gelegentlich kann es auch sinnvoll sein, mit dem zu verneinenden Tatbestand zu beginnen, um ein spezielles Problem deutlich zu machen.
Beispiel
B hat sich von A ein Buch ausgeliehen, das C ihm mit der wahrheitswidrigen Behauptung, A habe ihn gebeten, das Buch zu ihm zurückzubringen, entlockt hat.
In diesem Fall ist es wahrscheinlicher, dass sich C wegen Betrugs gem. § 263 strafbar gemacht hat, so dass Sie mit der Prüfung dieser Norm anfangen sollten.
Auf Strafzumessungsregeln ist, sofern es sich um unbenannte Strafzumessungsregeln handelt (z.B. minder schwerer Fall des Raubes gem. § 249 Abs. 2) nicht zwingend einzugehen, da Fragen der Strafzumessung grundsätzlich nicht zu behandeln sind, es sei denn, der Sachverhalt enthält eindeutige Hinweise. Anders ist es bei den benannten Strafzumessungsregeln, den sog. Regelbeispielen (z.B. § 243). Diese werden zusammen mit den jeweiligen Tatbeständen nach der Schuld geprüft.
Beispiel
Um eine Perlenkette zu stehlen, steigt A nachts durch das geöffnete Fenster des Juweliers ein. Hier könnte A sich gem. §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 strafbar gemacht haben.
V. Fünfter Schritt: Prüfung der einzelnen Delikte, Finden und Gewichten der Probleme
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Haben Sie die gefundenen Tatbestände auf diese Art und Weise geordnet, so müssen Sie sich nunmehr noch Gedanken über die Art der Verwirklichung machen.
Sie kommen nun zum wichtigsten Teil der Klausur, der in der Praxis leider nur allzu oft übersprungen wird, was man den Klausuren dann zumeist auch anmerkt, weil plötzlich mit Tippex oder mit Durchstreichungen oder aber noch schlimmer mit „X“ und „XX“ gearbeitet wird. Bei der Feingliederung, bei der wir jetzt angekommen sind, durchdenken Sie Ihre Klausur! Dieses Denken sollte nicht beim Schreiben, sondern vorher stattfinden!
Fehlt es offensichtlich und unproblematisch am tatbestandlichen Erfolg, so kann direkt mit der Versuchsprüfung begonnen werden, im Rahmen derer zu Beginn eine kurze Feststellung über die fehlende Vollendung getroffen wird. Eine ausführliche Prüfung des vollendeten Deliktes wäre hier verfehlt.
Beispiel
A zielt auf B, schießt jedoch daneben. Unsinnig wäre es hier, zunächst vollendeten Totschlag vorab zu prüfen, da unstreitig B dieses Attentat überlebt hat, weshalb sogleich mit versuchtem Totschlag begonnen werden sollte.
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Beachten Sie bei der Erstellung Ihrer Gliederung und damit dem Gerüst Ihrer Klausur stets die Regeln der Logik und der Zweckmäßigkeit. Logisch ist es, aufgrund der Akzessorietät den unmittelbaren Täter vor dem Anstifter oder Gehilfen zu prüfen. Logisch ist es auch, zumindest gedanklich vor der Versuchsprüfung die Vollendungsprüfung vorzunehmen. Zweckmäßig ist es, den speziellen Tatbestand vor dem allgemeinen zu prüfen, da im Falle der Verwirklichung der Allgemeine vom Speziellen verdrängt wird, eine Prüfung mithin nicht mehr erforderlich ist.
Haben Sie nunmehr die grobe Gliederung erstellt, beginnen Sie innerhalb der Gliederung mit der Prüfung der einzelnen Delikte. Das Ergebnis halten Sie stichwortartig in Ihrer Gliederung fest.
Expertentipp
Achten Sie darauf, dass Sie Ihre Gliederung nur stichwortartig erstellen. Gewöhnen Sie sich im Laufe der Zeit Abkürzungen oder Zeichen an, die umfangreichen Text ersetzen können. Ein ausführliches Niederschreiben der Gliederung kostet zuviel Zeit und verfehlt den Zweck. Die Gliederung dient der gedanklichen Disziplinierung und soll beim nachfolgenden Schreiben der Leitfaden sein.
Beispiel
(s. Rn. 51)
A. | Geschehen im Taxi
|
Bei der Prüfung der Tatbestände ist es unabdingbar, dass Sie sich „zu geistiger Disziplin zwingen“, das heißt, dass Sie jedes einzelne Tatbestandsmerkmal anhand des Aufbaus gedanklich durchprüfen, auch wenn es Ihnen auf den ersten Blick unproblematisch erscheint. So ist wiederum gewährleistet, dass nichts übersehen wird.
Bleiben Sie bei der Prüfung auf jeden Fall innerhalb der Gliederung. Fallen Ihnen spontan Probleme ein, die erst bei einem späteren Punkt relevant werden oder von denen Sie noch nicht wissen, wo sie unterzubringen sind, notieren Sie diese Einfälle auf Ihrem Assoziationszettel! So geht Ihnen nichts verloren und Sie bleiben gleichzeitig in Ihrer geistigen Disziplin.
Sie werden bei der Bearbeitung nun auf Probleme stoßen. Die meisten (Examens-)Klausuren enthalten im Schnitt etwa 5 bis 8 Probleme, die zu erörtern sind. Häufig entstehen Probleme dadurch, dass sich der Sachverhalt nicht glatt unter die Deliktsnorm subsumieren lässt. Umgekehrt ist es auch möglich, dass sich der Sachverhalt zwar subsumieren lässt, das Verhalten des Täters jedoch nicht oder nicht in diesem Umfang als strafwürdig empfunden wird.
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Gehen Sie grundsätzlich davon aus, dass Sie den Problemfall, mit dem Sie es in der Klausur zu tun haben, zwar kennen, aber eventuell noch nicht in diesem Zusammenhang kennen gelernt haben oder aber wieder vergessen haben. Sollten Sie das Problem kennen, so überprüfen Sie kritisch, ob im vorliegenden Fall nicht eine Abweichung vorliegt, die zu einer anderen Lösung führt. Wie bereits angemerkt, sollten Sie nicht den Fehler begehen, schematisch auswendig gelernte Examensfälle stur auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Rechnen Sie immer damit, dass jeder Fall prinzipiell in Nuancen unterschiedlich ist.
Für gewöhnlich ist Ihr Erinnerungsvermögen weitaus schlechter als Ihr Denkvermögen. Verzweifeln Sie also nicht, wenn Sie keine ad hoc Lösung für das vorliegende Problem in Ihrem Gedächtnis finden.
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Um das Problem in den Griff zu bekommen, helfen zumeist die oben schon skizzierten Argumentationsmuster. Zunächst einmal ist es sinnvoll, sich den Normalfall vor Augen zu führen und anhand dieses Normalfalles die Abweichung zu benennen, mit welcher Sie es im Examensfall zu tun haben. Haben Sie sich so gedankliche Klarheit verschafft, fragen Sie sich, ob diese Abweichung nach Ihrem Rechtsgefühl noch unter den Tatbestand subsumiert werden kann oder nicht. Ihr Rechtsgefühl stellt den Kompass dar, der Ihnen die Richtung vorgibt bei der Lösung des Problems. Versuchen Sie dann eine eigenständige Argumentation anhand der Auslegungsmethoden. Berücksichtigen Sie darüber hinaus noch kriminalpolitische Erwägungen. Das Strafrecht dient, wie bereits ausgeführt, dem Rechtsgüterschutz, Strafe soll dementsprechend Rechtsgutsverletzungen verhindern. Fragen Sie sich jeweils im konkreten Fall, ob Strafbarkeitslücken entstehen werden, wenn der vorliegende Sachverhalt nicht unter die Norm subsumiert wird, wobei Sie daran denken, dass es grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers ist, Strafbarkeitslücken zu schließen (Art. 103 Abs. 2 GG). Gedanken machen kann man sich auch, ob die Strafandrohung noch im Verhältnis zu der vom Täter begangenen Tat steht oder ob nicht eventuell eine teleologische Reduktion in Betracht kommen könnte.
Bei Ihrer Argumentation ist es wichtig, dass es keine monotone Wiederholung theoretischer Ansätze ist, sondern dass Sie lebensnah und überzeugend argumentieren.
Stellen Sie sich vor, dass Sie als Richter/in den vor Ihnen sitzenden Angeklagten erklären müssen, warum und mit welchen Folgen Sie das Verhalten als strafwürdig erachten. Bedenken Sie, dass es Ihre Aufgabe ist, einen Lebenssachverhalt einer vertretbaren und praktischen Lösung zuzuführen.
Wenn Sie die in einer Klausur enthaltenen Probleme gefunden haben, gewichten Sie diese. Verlieren Sie nicht zu viel Zeit damit, auf Nebenkriegsschauplätzen zu kämpfen. Wichtig ist, dass Sie in der Lage sind, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden.
Sind Sie mit Ihrer Gliederung fertig, dann machen Sie bitte am Schluss noch einmal einen Double Check mit dem Assoziationszettel und dem Sachverhalt und stellen Sie sicher, dass nichts übersehen wurde.
VI. Sechster Schritt: Loslegen und Schreiben!
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Bedenken Sie: mit logischem und zweckmäßigem Aufbau, gutem Schreibstil und vertretbarer Argumentation „am Fall“ haben Sie bereits gewonnen – auch wenn Sie nicht jede einzelne Theorie zum Erlaubnistatbestandsirrtum kennen!
Hinsichtlich des Stils stehen Ihnen zwei Möglichkeiten zur Verfügung, nämlich der Gutachten- und der Urteilsstil. Der Gutachtenstil ist durch vier Schritte gekennzeichnet:
• | Obersatz |
• | Definition |
• | Subsumtion des Sachverhaltes |
• | Conclusio |
Beispiel
(s. Rn. 51)
A. | Geschehen im Taxi |
I. | Strafbarkeit des A |
1. | Raub gem. § 249 A könnte sich wegen Raubes gem. § 249 strafbar gemacht haben, indem er das auf dem Beifahrersitz liegende Portemonnaie des Taxifahrers T an sich nahm und damit das Taxi verließ. Erforderlich dafür ist zunächst die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache. Das Portemonnaie des T müsste für A fremd gewesen sein. Fremd ist eine Sache, wenn sie nicht herrenlos ist und auch nicht im Alleineigentum des Täters steht. Vorliegend war T Eigentümer der Brieftasche. Mithin ist die Brieftasche für A fremd. |
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Neben dem Gutachtenstil steht Ihnen grundsätzlich auch der Urteilsstil zur Verfügung. Wird beim Gutachtenstil zunächst eine Frage aufgeworfen, die alsdann erörtert und schließlich beantwortet wird, so ist die Darstellung beim Urteilsstil genau umgekehrt.
Hier wird das Ergebnis an den Anfang und nicht wie beim Gutachtenstil an den Schluss gestellt und im Anschluss begründet.
Beispiel
Im obigen Beispiel (s. Rn. 51) hätte die Darstellung auch wie folgt aussehen können:
Die Brieftasche des Taxifahrers T war für A fremd, da sie im Alleineigentum des T stand.
Im ersten Staatsexamen und schon gar in den Scheinklausuren wird der Urteilsstil aber nicht gerne gesehen. Sie sollten ihn von daher möglichst vermeiden. Sofern Tatbestandsmerkmale völlig unproblematisch sind, können Sie den „verkürzten“ Gutachtenstil verwenden. Hier steigen Sie in der Subsumtion ein und machen damit deutlich, dass Sie die Definition kennen, und kommen dann zur Conclusio.
Beispiel
Im obigen Beispiel (s. Rn. 51) können Sie alternativ auch wie folgt argumentieren:
Die Brieftasche stand im Alleineigentum des T. Sie war damit für A eine fremde Sache.
Expertentipp
Sollten Sie dazu neigen, den Urteilsstil zu verwenden, können Sie dies mit einem einfachen Trick ändern: drehen Sie Ihre Sätze einfach um! Statt „Die Brieftasche des Taxifahrers T war für A fremd, da sie im Alleineigentum des T stand.“ zu schreiben, nehmen Sie die beiden Satzteile und drehen die Reihenfolge um. Dabei verbinden Sie sie noch mit Worten wie „somit“, „damit“ etc. und gelangen so zu folgendem Satz: „Die Brieftasche stand im Alleineigentum des T. Sie war damit für A eine fremde Sache.“
Achten Sie insgesamt darauf, dass Ihre Darstellung schlüssig ist und sich gut lesen lässt. Verschonen Sie den Prüfer mit Verweisen „x, xx und xxx“, bei denen selbst der Geübteste den Überblick und die Lust verliert. Wenn Sie eine gute Gliederung gemacht und die Lösung stichwortartig festgehalten haben, sind Sie in der Lage, die Arbeit „runterzuschreiben“. Last but not least: Bedenken Sie, dass die Sprache das Handwerkszeug des Juristen ist. So wie der Chirurg das Skalpell, so müssen Sie die deutsche Sprache beherrschen.