Schuldrecht Besonderer Teil 3

Die ungerechtfertigte Bereicherung - Die einzelnen Kondiktionen

B. Die einzelnen Kondiktionen

I. Die Anzahl der Kondiktionen

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Wir haben bis hierhin gelernt, dass es die Leistungskondiktionen als vorrangige Ansprüche gibt (dort haben wir jemanden, der bewusst und zweckgerichtet fremdes Vermögen vermehrt hat) und eben Sachverhalte, in denen eine solche Leistung nicht festgestellt werden kann, die Nichtleistungskondiktionen.

Sie stellen fest, dass ich bei beiden Kondiktionsarten den Plural verwende. Tatsächlich ist der Begriff Leistungskondiktion der Oberbegriff für insgesamt fünf Anspruchsgrundlagen. Je nach Zählweise kommen vier Anspruchsgrundlagen, die zu den Nichtleistungskondiktionen zählen, hinzu.Einen guten Überblick über die verschiedenen Kondiktionsarten erhalten Sie bei Lorenz/Cziupka, JuS 2012, 777. 

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Hinweis

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Summa summarum sind es also neun Anspruchsgrundlagen, die im Wesentlichen das Bereicherungsrecht ausmachen. Das ist im Vergleich zu dem, was Sie bisher schon alles gelernt haben, doch verblüffend wenig.

II. Die Leistungskondiktionen

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Expertentipp

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Ob dies sich bei der Anfechtung ebenso verhält, wird an späterer Stelle unter Rn. 166 besprochen.

Die erste Leistungskondition findet sich in § 812 Absatz 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Hier ordnet das Gesetz eine Herausgabe des rechtsgrundlos Geleisteten an, wenn der rechtliche Grund von Anfang an gefehlt hat. Diesen Anspruch nennt man „condictio indebiti“.Indebitus, lat: nicht gebührend, unverdient.

Beispiel

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Der typische Fall ist die Leistung aufgrund eines nichtigen Vertrages.

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§ 813 BGB regelt einen Spezialfall der gerade genannten condictio indebiti des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, den wir in Rn. 236 näher behandeln werden.

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Die dritte Leistungskondiktion findet sich in § 812 Abs. 1 S. 2 Alt 1 BGB. Wenn der rechtliche Grund einer Leistung später wegfällt, ist ebenfalls die Herausgabe des so Erlangten geschuldet. Dieser Anspruch wird „condictio ob causam finitamFrei übersetzt etwa: Kondiktion wegen beendeten Rechtsgrunds. genannt.   

Beispiel

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Ein solcher Fall tritt etwa dann ein, wenn der Rechtsgrund zunächst bestanden hat und dann aufgrund einer auflösenden Bedingung später weggefallen ist (siehe § 158 Abs. 2 BGB).

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Viertens schließlich kann auch dann eine Leistung kondiziert (herausverlangt) werden, wenn der mit der Leistung bezweckte Erfolg nicht eingetreten ist. Dieser in § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB geregelte Tatbestand trägt den lateinischen Namen „condictio ob rem“.Etwa: „Kondiktion wegen des Zwecks“.

Beispiel

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Eine solche Kondiktion ist beispielsweise dann gegeben, wenn der Ehemann ein Schuldanerkenntnis über einen Betrag von 100 000 € abgibt, um zu verhindern, dass der Arbeitgeber die Frau des Mannes wegen Veruntreuung anzeigt. Trotz dieses Anerkenntnisses zeigt der Arbeitgeber die Frau an. Das Schuldanerkenntnis kann mit der condictio ob rem (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) herausverlangt werden.Vgl. Looschelders, Schuldrecht BT, § 54 Rn. 26 mit Verweis auf BGH, NJW-RR 1990, 827.

III. Die Nichtleistungskondiktionen

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An dieser Stelle sei noch einmal auf das Gesetz verwiesen. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB unterscheidet die Leistungskondiktion(en) von den Ansprüchen „in sonstiger Weise“. Ähnlich wie oben bei der Leistungsfunktion gibt es auch bei der Nichtleistungskondiktion verschiedene Anspruchsgrundlagen, die allerdings den Vorteil haben, keine lateinischen Namen zu tragen. Auch an dieser Stelle zähle ich zur besseren Übersicht die Tatbestände auf. Alle Detailfragen werden dann später eingehend besprochen:

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Die (allgemeine) Eingriffskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB ist dadurch gekennzeichnet, dass der Bereicherte eine geschützte Rechtsposition des Gläubigers zu eigenen Zwecken nutzt und hierdurch sein Vermögen auf Kosten des Entreicherten mehrt.Vgl. Looschelders, Schuldrecht BT, § 55 Rn. 1; Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, § 39 Rn. 3. Im Gegensatz zur Leistungskondiktion bekommt der Bereicherte hier nicht etwas, sondern er nimmt es sich.

Beispiel

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Student S kann sich die Übernachtung auf einer Reise nicht leisten und schleicht sich in ein Hotel. Dort legt er sich in ein freies Bett und verbringt die Nacht. Neben möglichen deliktischen Ansprüchen kann hier der Hotelier gegen S aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB vorgehen.

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Ein sehr wichtiger Anwendungsfall der Nichtleistungskondiktion ist die sogenannte „Verwendungskondiktion“ nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Ihre Bedeutung hat sie wegen § 951 BGB. Diese Vorschrift im Anschluss an die Tatbestände der §§ 946 bis 950 BGB besagt, dass derjenige, der infolge dieser Normen einen Rechtsverlust erleidet, eine Vergütung in Geld nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung verlangen kann. Nach wohl allgemeiner Meinung handelt es sich hierbei um eine Rechtsgrundverweisung.Vgl. statt aller Palandt/Herrler, § 951 Rn. 2. Das heißt, dass der volle Tatbestand der Eingriffskondiktion vorliegen (und damit von Ihnen geprüft) werden muss.

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Drei Spezialfälle eines Eingriffs in fremde Rechtspositionen sind in § 816 BGB enthalten, den man insgesamt getrost als Kind und Korrektiv der Tatbestände des gutgläubigen Erwerbs bezeichnen kann.Vgl. Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, § 42 Rn. 17. Wenn also der bloße Besitzer einer Sache diese an einen gutgläubigen Dritten veräußert, so erwirbt der Dritte gemäß § 932 Abs. 1 BGB Eigentum. Damit ist der Eigentümer entreichert und der Verfügende um (z.B.) den Kaufpreis bereichert, den der (ehemalige) Eigentümer gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 BGB von diesem verlangen kann. Sollte die Übertragung an den Dritten unentgeltlich erfolgt sein (Schenkung), so trifft diese Verpflichtung den Dritten. § 816 Abs. 2 BGB behandelt den strukturell vergleichbaren Fall, dass jemand an den „falschen Gläubiger“ zahlt und der eigentliche Gläubiger dann seine Forderung nicht mehr geltend machen kann (zum Beispiel wegen § 407 BGB).   

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Der als „Durchgriffskondiktion“ nach § 822 BGB bezeichnete Anspruch gleicht Ungerechtigkeiten aus, die aus § 818 Abs. 3 BGB herrühren. Danach ist nämlich ein Anspruch aus Kondiktion ausgeschlossen, wenn der Empfänger der Leistung nicht mehr bereichert ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er den fraglichen Gegenstand nicht mehr hat, weil er ihn beispielsweise verschenkt hat. Im Falle einer solchen unentgeltlichen Weggabe räumt das Gesetz einen Durchgriff auf den Empfänger der unentgeltlichen Leistung ein, der das Erlangte unter Umgehung des Leistenden (Durchgriff) an den Entreicherten herausgeben muss.

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Schließlich gibt es noch eine weitere als „Rückgriffskondiktion“ bezeichnete Konstellation, bei der ein Ersatzanspruch bei Bezahlung fremder Schulden geschaffen wird.

IV. Weitere Besonderheiten des Bereicherungsrechts

1. Besonderheiten beim Umfang Anspruchs

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Bislang hatten Sie vornehmlich mit vertraglichen Ansprüchen zu tun. Dort unterschieden Sie zwischen den Primäransprüchen und den sekundären Ansprüchen. Die Kondiktionen des Bereicherungsrechts haben ihre eigenen, speziellen Regeln, was Inhalt und Umfang des Anspruchs betrifft (insbesondere § 818 Abs. 3 BGB). Dies mag zunächst verwirrend erscheinen, wird aber zum sprichwörtlichen Kinderspiel, wenn die methodische Reihenfolge der Prüfung, wie wir Sie Ihnen vorschlagen, eingehalten wird.

Expertentipp

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Wir empfehlen Ihnen, die Probleme des Anspruchsumfangs unter „Anspruch entstanden“ in einem eigenen Prüfungspunkt nach Abarbeitung aller anderen anspruchsbegründenden Merkmale zu prüfen. So haben wir die nachfolgenden Prüfungsschemata auch aufgebaut. Ist ein zunächst entstandener Kondiktionsanspruch wegen nachträglicher Entreicherung später weggefallen, sollten Sie dies freilich systematisch als rechtsvernichtende Einwendung unter „Anspruch erloschen“ prüfen.

2. Besonderheiten bei Mehrpersonenverhältnissen

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Erfahrungsgemäß fällt die Lösung von Fällen, in denen bereicherungsrechtliche Ansprüche mit mehreren Personen geprüft werden müssen, schwer. Besonderen Schrecken verbreiten insbesondere die sog. Anweisungsfälle. Auch hier möchte ich Ihnen die Sorge nehmen; diese komplexen Sachverhalte werden Sie mit konsequenter Anwendung der Methodik lösen können (siehe dazu unter Rn. 364).

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