Inhaltsverzeichnis
- 1. Aufwendungsersatz aus § 539 Abs. 1
- a) Anspruchsentstehung
- aa) Wirksamer Mietvertrag
- bb) Ersatzfähige Aufwendungen
- cc) Voraussetzungen einer echten GoA, § 677
- (1) Fremdgeschäftsführungswille des Mieters
- (2) Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
- dd) Berechtigung der Geschäftsführung
- ee) Umfang
- ff) Sonderfall: Unberechtigte Geschäftsführung
- gg) (Kein) Wirksamer Ausschluss
- b) Rechtsvernichtende Einwendungen
- c) Durchsetzbarkeit
1. Aufwendungsersatz aus § 539 Abs. 1
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Prüfungsschema
Wie prüft man: Aufwendungsersatzanspruch aus § 539 Abs. 1
I. | Anspruchsentstehung |
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| 1. | Wirksamer Mietvertrag |
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| 2. | Aufwendungen auf die Mietsache |
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| a) | Abgrenzung zu § 536a Abs. 2 |
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| b) | Abgrenzung zu § 539 Abs. 2 |
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| 3. | Voraussetzungen der echten GoA, § 677 |
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| 4. | Voraussetzungen der §§ 683, 670 |
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| 5. | Sonst: Ersatz nach §§ 684 S. 1, 818 |
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| 6. | (Kein) Vertraglicher Ausschluss |
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II. | Rechtsvernichtende Einwendung |
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| 1. | Erfüllung und Erfüllungssurrogate |
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| 2. | Sonstige |
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III. | Durchsetzbarkeit |
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| 1. | Fälligkeit |
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| 2. | Einreden |
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| Verjährung bei Eintritt eines Grundstückserwerbers | Rn. 246 |
a) Anspruchsentstehung
aa) Wirksamer Mietvertrag
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Der Aufwendungsersatz kann nach Maßgabe des § 539 Abs. 1 nur für solche Aufwendungen verlangt werden, die im Rahmen eines wirksamen Mietvertrages entstanden sind.Palandt-Weidenkaff § 539 Rn. 2.
bb) Ersatzfähige Aufwendungen
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Der Mieter kann vom Vermieter nach § 539 Abs. 1 Aufwendungsersatz nach den Vorschriften über die GoA verlangen, sofern ihm der Vermieter diese Aufwendungen nicht schon nach § 536a Abs. 2 zu ersetzen hat.
Der Vorbehalt einer Erstattung nach § 536a Abs. 2 im Tatbestand des § 539 Abs. 1 ist so zu verstehen, dass der Mieter über § 539 keine Aufwendungen ersetzt verlangen kann, die ihm aufgrund eigener Mängelbeseitigung entstanden sind. Für diese Aufwendungen stellt § 536a Abs. 2 eine abschließende Regelung dar, die den Vorrang der Mängelbeseitigung durch den Vermieter (vgl. auch § 543 Abs. 3 S. 1) sicherstellen soll und deren besondere Voraussetzungen nicht durch andere Ansprüche unterlaufen werden dürfen.BGH Urteil vom 18.1.2008 (Az.: VIII ZR 222/06) unter Tz. 18 ff. = NJW 2008, 1216 ff.
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Der Aufwendungsersatz gem. § 539 Abs. 1 ist außerdem von der Regelung über „Einrichtungen“ des Mieters abzugrenzen. § 539 Abs. 2 ist bezüglich „Einrichtungen“ (dazu sogleich unter Rn. 244 ff.) Spezialregelung gegenüber § 539 Abs. 1.Palandt-Weidenkaff § 539 Rn. 8. Aufwendungen, die der Anschaffung und dem Einbau von „Einrichtungen“ dienen, werden also nicht über § 539 Abs. 1 ersetzt.
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Angesichts der vorstehend genannten Abgrenzungen bleiben für § 539 Abs. 1 nur solche Aufwendungen, die weder der Mängelbeseitigung noch der Anschaffung und dem Einbau von „Einrichtungen“ dienen. Es handelt sich vor allem um Modernisierungs- und Verschönerungsmaßnahmen, die den Zustand des Mietobjekts jenseits des vertraglichen Standards verbessern sollen.
Beispiel
Austausch eines Teppichfußbodens durch Parkett oder Einbau neuer Fliesen im Badezimmer; Ausbau des Dachgeschosses des gemieteten Hauses etc.
cc) Voraussetzungen einer echten GoA, § 677
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Die ganz herrschende Meinung versteht den Verweis auf „die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag“ in § 539 Abs. 1 als vollständige Rechtsgrundverweisung.BGH Urteil vom 18.1.2008 (Az.: VIII ZR 222/06) unter Tz. 15 = NJW 2008, 1216 ff. Der Ersatzanspruch richtet sich also entweder nach den Regeln der echten berechtigten GoA (§§ 677, 683, 670; ggf. noch § 684 S. 2 oder § 679) oder der echten unberechtigten GoA (§§ 677, 684 S. 1, 818). In jedem Fall müssen also die Voraussetzungen einer echten GoA nach § 677 Hs. 1 gegeben sein.
(1) Fremdgeschäftsführungswille des Mieters
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Wie sich aus der Formulierung „für einen anderen“ in § 677 ergibt, muss der Mieter bei Vornahme der Aufwendungen mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben.
Definition
Definition: Fremdgeschäftsführungswillen
Mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt, wer ein Geschäft nicht als eigenes, sondern mit dem Willen besorgt, zumindest auch im Interesse eines anderen tätig zu werden.Palandt-Sprau § 677 Rn. 3.
Der Mieter muss also den Willen gehabt haben, die Aufwendungen zumindest auch im Interesse des Vermieters zu tätigen. Wenn der Mieter ausschließlich im eigenen Interesse handelt, scheidet ein Aufwendungsersatz nach § 539 Abs. 1 aus.
Beispiel
Mieter M lässt die Grastapeten im Wohnzimmer seiner Mietwohnung entfernen, weil er ihren Anblick nicht mehr ertragen kann.
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Liegen die Voraussetzungen des § 677 nicht vor, steht dem Mieter aber ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 zu, wenn dem Vermieter nach Rückgabe der Mietsache noch Wertvorteile der Aufwendungen zufließen.
(2) Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
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Ein Aufwendungsersatz nach den Regeln der GoA setzt weiter voraus, dass zwischen den Parteien keine Vereinbarungen getroffen wurden, die den Mieter zur Vornahme der Aufwendungen berechtigen oder verpflichten. Auch darf der Mieter die Aufwendungen nicht durch eigenes Verschulden veranlasst haben, weil er dann zur Kostentragung aus §§ 280 Abs. 1, 249 (ggf. auch §§ 823 Abs. 1, 249) verpflichtet ist.MüKo-Bieber § 539 Rn. 10.
dd) Berechtigung der Geschäftsführung
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Der Mieter kann nach §§ 677, 683, 670 Ersatz derjenigen Aufwendungen beanspruchen, die er für erforderlich halten durfte und deren Übernahme dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen und Interesse des Geschäftsherrn entsprochen hat.
Beispiel
Mieter M lässt die Grastapeten im Wohnzimmer seiner Mietwohnung entfernen, weil er ihren Anblick nicht mehr ertragen kann. Seinem Vermieter V erging es genauso, weshalb V die Entfernung selbst bereits geplant hatte.
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Auf den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen bei Übernahme der Geschäftsführung kommt es nicht an, wenn der Vermieter die Aufwendungen später genehmigt (§ 684 S. 2) oder wenn sein entgegenstehender Wille nach § 679 unbeachtlich ist (§ 683 S. 2).
ee) Umfang
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Der Mieter kann nach §§ 683 S. 1, 670 Ersatz derjenigen Aufwendungen beanspruchen, die er für erforderlich halten durfte. Wie bei § 536a Abs. 2 werden also nicht nur die objektiv notwendigen Aufwendungen ersetzt (siehe oben unter Rn. 157).
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Hat der Mieter sein Vermögensopfer noch nicht erbracht, sondern ist er „nur“ einem Dritten gegenüber zur Leistung verpflichtet, richtet sich der Anspruch auf Freistellung nach § 257.
ff) Sonderfall: Unberechtigte Geschäftsführung
242
Liegen die Voraussetzungen der berechtigten GoA nach §§ 683 S. 1, 683 S. 2 i.V.m. § 679 bzw. § 684 S. 2 nicht vor, kann der Mieter vom Vermieter aus §§ 684 S. 1, 818[1]Nach h.M. handelt es sich bei § 684 S. 1 um eine Rechtsfolgenverweisung, Palandt-Sprau § 684 Rn. 1. die Herausgabe einer etwaigen Bereicherung verlangen, wenn dem Vermieter nach Rückgabe noch Wertvorteile zugeflossen sind.BGH NJW-RR 2006, 294; MüKo-Bieber § 539 Rn. 11.
Beispiel
M hatte eigenmächtig die Teppichfußböden in der von V gemieteten Wohnung gegen Parkett austauschen lassen, obwohl V im Vertrag derartige Maßnahmen von seiner Zustimmung abhängig gemacht hatte. Nach Rückgabe der Wohnung ist der Mietwert der Wohnung durch den Einbau der hochwertigen Parkettfußböden immer noch so gesteigert, dass V von neuen Mietern eine höhere Miete verlangen kann.
gg) (Kein) Wirksamer Ausschluss
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Der Aufwendungsersatzanspruch aus § 539 Abs. 1 kann vertraglich – auch durch AGB – ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.Palandt-Weidenkaff § 539 Rn. 1.
b) Rechtsvernichtende Einwendungen
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Der Anspruch aus § 539 Abs. 1 erlischt nach den allgemeinen Regeln durch Erfüllung und Erfüllungssurrogate.
Eine Verwirkung wird angesichts der kurzen Verjährung nach § 548 Abs. 2 kaum in Betracht kommen.MüKo-Bieber § 539 Rn. 9.
c) Durchsetzbarkeit
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Der Anspruch wird im Falle einer berechtigten GoA (§ 539 Abs. 1 i.V.m. §§ 677, 683 S. 1, 670) sofort in dem Moment fällig, in dem die Aufwendungen entstanden sind.Palandt-Weidenkaff § 539 Rn. 2. Folgt der Anspruch aus § 539 Abs. 1 i.V.m. §§ 677, 684 S. 1, 818 wird der Anspruch erst fällig, wenn dem Vermieter die Vorteile auch tatsächlich zugeflossen sind.
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Der Anspruch verjährt in der kurzen Frist des § 548 Abs. 2, also in sechs Monaten nach rechtlicher Beendigung des Mietverhältnisses. Bei Auswechslung der Person des Vermieters nach § 566 gilt das Gleiche wie bei § 536a Abs. 2: Der Beginn der Verjährung setzt auch Kenntnis des Mieters vom Eigentumserwerb des eintretenden Vermieters voraus (siehe oben unter Rn. 170).