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359c
Eine Ware kann digitale Produkte enthalten oder mit diesen verbunden sein. Für den Anwendungsbereich der jeweiligen Vorschriften ist entscheidend, ob die Ware ihre Funktion auch ohne diese digitalen Produkte erfüllen kann.
Beispiel
Hierunter fallen u.a. Handy, Smartwatch, Smart-TV, -Kühschrank, -Backofen, -Lampe …
Kann die Ware ohne die digitalen Produkte ihre Funktionen erfüllen, so sind gemäß § 475a Abs. 2 auf diejenigen Bestandteile des Vertrags, welche die digitalen Produkte betreffen, die in Nr. 1 und Nr. 2 der Vorschrift genannten Normen der §§ 433 ff. nicht anzuwenden. An Stelle dieser Vorschriften treten wie in der zuerst dargestellten Konstellation die §§ 327 ff.. Die Anwendbarkeit der §§ 327 ff. im Rahmen der sogenannten Paketverträge (Legaldefinition in § 327a Abs. 1 Satz 1 lesen!) folgt aus § 327a Abs. 2. Für die Sache selbst gelten die kaufrechtlichen Vorschriften.
Hinweis
Bei Verbindung mit nicht funktionsnotwendigen digitalen Produkten wird differenziert. 1. Für die Ware selbst gilt das (Verbrauchsgüter-) Kaufrecht. 2. Für die digitalen Produkte gelten im Wesentlichen die §§ 327 ff..
Kann die Ware ohne die digitalen Produkte ihre Funktionen jedoch nicht erfüllen liegt nach der Legaldefinition in § 327a Abs. 3 Satz 1 eine Ware mit digitalen Elementen vor. In diesen Fällen ist § 327a Abs. 2 gemäß § 327a Abs. 3 Satz 1 nicht anwendbar. In dieser Konstellation sind die §§ 475b ff. als Sondervorschriften zu beachten. Hier gilt ein modifizierter Mangelbegriff.
Hinweis
Die Sondervorschrift aus § 475c findet nur dann Anwendung, wenn eine Ware mit digitalen Elementen, bei denen (zusätzlich) die digitalen Elemente dauerhaft über einen gewissen Zeitraum bereitgestellt werden, vorliegt.
Noch ist unklar, wann angenommen werden kann, dass die Ware ohne die digitalen Produkte „ihre Funktionen“ nicht erfüllen kann. In der Klausur kann hier Vieles vertreten werden. Unproblematisch ist derjenige Fall erfasst, in dem die Ware ihre Grundfunktion nicht erfüllen kann. Leuchtet die smarte Lampe infolge eines Fehlers des digitalen Produkts gar nicht mehr, so liegt ein Fall von § 475b vor. Problematisch sind diejenigen Fälle, in denen das Produkt noch gewisse Grundfunktionen erfüllt, jedoch besondere „features“ nicht mehr erbringt. Lässt sich die smarte Lampe mit angepriesenen 2 Mio. Farben über den Lichtschalter noch anschalten und leuchtet grell, lässt sich aber nicht mehr farblich umstellen oder dimmen, stellt sich die Frage, ob die Ware ihre Funktionen noch erfüllt. Da bei einer solchen Lampe der Farbwechsel und die Dimmbarkeit wohl noch als Grundfunktion angesehen werden können, wäre hier der Anwendungsbereich von § 475b wohl eröffnet. Ist bei einem smarten Backofen mit Anbindung an eine Cloud, die das Kochen begleitet, diese Funktion gestört, beeinträchtigt dies die Funktion des Ofens im Übrigen nicht. Hier würde man im Rahmen einer objektiven Betrachtung (alternativ wäre es gut vertretbar, auf die Verkehrsanschauung abzustellen) wohl dazu kommen, dass die wesentlichen Produktfunktionen nicht betroffen sind. Damit wäre im Wesentlichen auf die §§ 327 ff. abzustellen. Bei enger Betrachtungsweise würde den §§ 475b ff. ein eher kleiner praktischer Anwendungsbereich zukommen und das Verbrauchsgüterkaufrecht würde im Fall des Zusammentreffens mit digitalen Produkten überwiegend von den §§ 327 ff. verdrängt werden.
Hinweis
In der Klausur sollte man hier bloß nachvollziehbar argumentieren, dann ist aktuell sehr viel vertretbar! Im Rahmen der Argumentation darf gerne noch auf § 327m Abs. 5 hingewiesen werden. Die Norm entschärft die Relevanz des Streits zumindest vom Ergebnis her. Eignet sich die Sache infolge eines Mangels des digitalen Produkts nicht zur gewöhnlichen Verwendung, kann sich der Verbraucher vom gesamten Vertrag lösen. Die gewöhnliche Verwendung ist (hier) unter Berücksichtigung der „smarten“ Eigenschaften der Sache zu bestimmen.