Schuldrecht Allgemeiner Teil 2

Herausgabe eines stellvertretenden commodums (§ 285)

B. Herausgabe eines stellvertretenden commodums (§ 285)

345

Prüfungsschema

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Wie prüft man: Anspruch auf Herausgabe/Abtretung des stellvertretenden commodums nach § 285

I.

Anspruch entstanden

 

1.

Anspruchsvoraussetzungen

 

 

a)

Schuldverhältnis

 

 

b)

Anspruchsgegner nach § 275 von der Leistungspflicht befreit

 

 

c)

Anspruchsgegner hat Ersatz oder Ersatzanspruch erlangt

 

 

d)

Adäquater Kausalzusammenhang zwischen Unmöglichkeit und erlangtem Ersatz/-anspruch

 

 

e)

Kongruenz zwischen ursprünglich geschuldeter Leistung und erlangtem Ersatz/-anspruch

 

2.

Kein Anspruchsausschluss nach allgemeinen Grundsätzen

II.

Anspruch (nicht) erloschen

III.

Anspruch durchsetzbar

 

1.

Anspruch fällig, § 271

 

2.

Einredefrei

 

3.

Kein Einwand des Rechtsmissbrauchs, § 242

Erlangt der Schuldner infolge des Umstandes, aufgrund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht, einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch (sog. „stellvertretendes commodum“

„Commodum“ = Lateinisch für „Vorteil“.), so kann der Gläubiger nach § 285 die Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen.

I. Schuldverhältnis

346

Grundvoraussetzung des Anspruchs aus § 285 ist zunächst das Bestehen eines (vertraglichen oder gesetzlichen) Schuldverhältnisses. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Ein vertragliches Schuldverhältnis muss nicht unbedingt vorliegen (vgl. auch die systematische Stellung des § 285 im 2. Buch des BGB).

II. Leistungsbefreiung des Schuldners

347

Der Herausgabeanspruch aus § 285 verlangt zunächst eine anfängliche oder nachträgliche Leistungsbefreiung nach § 275 Abs. 1 bis 3. Die Prüfung richtet sich daher zunächst nach den vorstehenden Ausführungen zu § 275.

Auf die Frage nach dem Vertretenmüssen kommt es bei § 285 nicht an.

348

Fraglich ist, ob § 285 Abs. 1 auch auf die Befreiung von unkörperlichen Dienst- und Werkleistungen sowie Unterlassungspflichten anzuwenden ist. Dies lehnt die herrschende Meinung ab, weil § 285 von einem „geschuldeten Gegenstand“ spricht, den es bei unkörperlichen Leistungserfolgen im Wortsinne nicht geben kann.

Palandt-Grüneberg § 285 Rn. 5. Allerdings nimmt § 285 Abs. 1 auch die Fälle des § 275 Abs. 3 in Bezug. § 275 Abs. 3 betrifft höchstpersönliche Leistungspflichten, die typischerweise bei Dienstleistungen anzutreffen sind (vgl. §§ 613 S. 1, 664 Abs. 1 S. 1).

Hinweis

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Beide Ansichten sind vertretbar. Achten sie aber auf Folgendes: Wird ein Arbeitnehmer infolge der Verletzung durch einen Dritten arbeitsunfähig, erwirbt der zur Entgeltfortzahlung verpflichtete Arbeitgeber die Ersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Dritten in Höhe seiner Entgeltsfortzahlung kraft Gesetzes (§ 6 EFZG). Auf § 285 kommt es dann nicht an. Wer § 285 auf Dienstleistung in sonstigen Fällen nicht anwenden will, muss einen Abtretungsanspruch aus ergänzender Vertragsauslegung erwägen.

Palandt-Grüneberg § 285 Rn. 5.

III. Erlangung eines Ersatzes

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Erlangter Ersatz oder Ersatzanspruch kann z.B. eine erlangte Versicherungssumme oder ein Anspruch gegen einen Dritten sein, der die geschuldete Sache zerstört, und dadurch die Unmöglichkeit der Leistung verursacht hat.

IV. Adäquater Kausalzusammenhang zwischen Unmöglichkeit und erlangtem Ersatz/Anspruch

350

§ 285 erfordert weiter, dass zwischen dem Umstand, der zur Unmöglichkeit der Leistung geführt hat, und der Erlangung des Ersatzes durch den Schuldner ein adäquater Kausalzusammenhang besteht.

Beispiel

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Dem Autohändler V wird durch Brandstiftung des B ein Gebrauchtwagen zerstört, den er bereits an den K verkauft, aber noch nicht übergeben hatte. Die Brandstiftung führt nicht nur zur Unmöglichkeit der dem K gem. § 433 Abs. 1 geschuldeten Übereignung und Übergabe, sondern auch zur Entstehung eines Schadensersatzanspruches gegen B. Der Ersatzanspruch stellt daher ein nach § 285 herauszugebendes Surrogat dar.

Nichts anderes gilt dann, wenn V das Fahrzeug gegen Brandschäden versichert hatte und er deshalb einen Zahlungsanspruch gegen die Versicherung erlangt.

Die zur Erfüllung dieser Ansprüche gezahlten Geldbeträge wären als „Ersatz“ i.S.d. § 285 ebenfalls herauszugeben.

351

Beispiel

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Autohändler V verkauft einen bestimmten Gebrauchtwagen an den A und wenig später an den B. Da B den Kaufpreis sofort bar begleicht, gibt V dem B das Fahrzeug samt Papieren mit. A verlangt später von B erbost die Zustimmung zur Übereignung an ihn. B lehnt dies ab.

Hier hat die Übereignung an B und dessen Weigerung zur Eigentumsaufgabe die Pflicht des V gegenüber A zur Eigentumsverschaffung unmöglich werden lassen. Dadurch hat V unmittelbar keinen Ersatz erlangt. Da aber zwischen der Übereignung an B und dem zwischen V und B geschlossenen Kaufvertrag wiederum ein Kausalzusammenhang besteht, kann man nur in dem von B an den V gezahlten Kaufpreis ein Surrogat i.S.d. § 285 erblicken (sog. „rechtsgeschäftliches Surrogat“).

BGH Urteil vom 15. Oktober 2004 (Az. V ZR 100/04) unter Ziff. II 2a = NJW-RR 2005, 241 m.w.N.

V. Kongruenz zwischen stellvertretendem Commodum und ursprünglich geschuldeter Leistung

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Schließlich verlangt § 285, dass der Schuldner den Ersatzgegenstand gerade für den geschuldeten Gegenstand, dessen Leistung ihm unmöglich geworden ist, erlangt hat.

BGH Urteil vom 10. Mai 2006 (Az. XII ZR 124/02) = NJW 2006, 2323 m.w.N.

Hier ist sehr „spitzfindiges“ Vorgehen gefragt.

Beispiel

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V vermietet dem M ein Haus, das er gegen Zerstörung und Beschädigung durch Feuer versichert hat. Das Haus brennt eines Tages wegen Blitzeinschlages ab. Die Versicherung zahlt dem V die Versicherungssumme aus.

Hier besteht keine Identität, so dass M die Versicherungssumme nicht über § 285 herausverlangen kann. Dem V ist durch den Brand die gem. § 535 geschuldete Überlassung des Hauses unmöglich geworden. Die Versicherungssumme ist aber nicht der Ersatz für den Besitz, sondern der Ersatz für das zerstörte Eigentum. Eigentum schuldete der V dem M aber nicht.

353

Welchen Wert das Surrogat im Vergleich zu dem geschuldeten Gegenstand hat, ist nach dem Tatbestand des § 285 unerheblich. Der Gläubiger hat in jedem Fall Anspruch auf das gesamte Surrogat, auch wenn es den Wert der unmöglich gewordenen Leistung übersteigt.

Palandt-Grüneberg § 285 Rn. 9.

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