Der Kläger mietete ein Wohnhaus des Beklagten im Jahr 2003. Das Mietverhältnis verlief reibungslos, bis sich im Jahr 2010 Schimmel in großem Ausmaß und an verschiedenen Stellen des Wohnhauses zeigte. Der Kläger zeigte dies dem Beklagten schriftlich an und verlangte Beseitigung des Schimmels. Der Beklagte weigerte sich: Der Kläger habe den Schimmel durch falsches Lüften selbst zu vertreten. Der Kläger hingegen bestand auf die Beseitigung und setzte dem Beklagten eine angemessene Frist zur Beseitigung des Schimmels. Diese Frist verstrich. Der Kläger ließ die Schimmelstellen von einem Sachverständigen begutachten. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Schimmel auf einer ungünstigen Isolierung der Außenfassade beruht. Der Kläger ließ das Mietverhältnis daraufhin in seinem Namen durch seinen Anwalt schriftlich kündigen. Das Kündigungsschreiben des Anwalts enthielt keinen ausreichenden Nachweis der Bevollmächtigung. Der Beklagte wies die Kündigung aus diesem Grund zurück. Dennoch räumte der Kläger umgehend das Wohnhaus und mietete stattdessen ein anderes Wohnhaus zu einem höheren Mietzins. Der Kläger verlangt nun vom Beklagten die Mehrkosten durch die Miete des anderen Wohnhauses. Besteht ein entsprechender Anspruch?
Anspruchsgrundlage ist § 536a Abs. 1 Var. 2 BGB. Danach hat der Vermieter Ersatz für einen nachträglich (von ihm zu vertretenden) durch Mangel an der Mietsache entstandenen Schaden zu leisten. Um zum Schadensersatz verpflichtet zu sein, müsste zwischen den Parteien ein Mietvertrag bestanden haben und es müsste nachträglich ein vom Vermieter zu vertretender Mietmangel zu Tage getreten sein.
Das Bestehen eines Mietvertrages ist zwischen den Parteien nicht streitig. Dass der Vertrag möglicherweise wirksam gekündigt wurde, schließt das Vorliegen des Mietvertrages nicht aus: die Kündigung wirkt ex-nunc.
Ein nachträglicher Mietmangel könnte in der Schimmelbildung an verschiedenen Stellen des Wohnhauses bestehen. Ein Mietmangel liegt vor, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache von der vertraglich vereinbarten abweicht. Notwendig ist, dass die vertraglich vereinbarte Gebrauchstauglichkeit erheblich beeinträchtigt oder aufgehoben ist. Eine Schimmelbildung kann gesundheitsgefährdend sein und beeinträchtigt zudem das Erscheinungsbild einer Wohnung. Damit liegt ein Sachmangel vor. Dieser Sachmangel trat erst nach Vertragsschluss und damit nachträglich iSd § 536a Abs. 1 BGB auf. Dass der Vermieter den Sachmangel zu vertreten hat, wird vermutet, wenn der Mangel aus dem Herrschafts- und Organisationsbereich des Vermieters herrührt. Bei baussubstanzlichen Mängeln ist das in aller Regel der Fall. Zwar ist zur Ursache der Schimmelbildung nichts vorgetragen. Allerdings kann der Vortrag des Beklagten, der Kläger habe den Mangel zu vertreten, so verstanden werden, dass er aus dem Herrschaftsbereich des Klägers stamme. Allerdings ist allein diese Behauptung nicht geeignet, das Ergebnis des Sachverständigen zu erschüttern. Danach ist die Ursache eine unsachgemäße Isolierung und stammt damit aus dem Herrschaftsbereich des Vermieters. Damit wird das Vertretenmüssen des Beklagten vermutet.
Damit besteht die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch des Klägers.
Der Umfang richtet sich nach der Differenzhypothese. Zu fragen ist also, wie die Lage des Klägers mit und ohne das schädigende Ereignis wäre. Ohne den Schimmel würde kein Mangel bestehen, der Kläger würde noch in der Wohnung wohnen und nicht Mehrkosten für ein anderes Wohnhaus „aufwenden“ müssen. Damit hat der Kläger einen Schaden im Umfang der Mehrkosten für den Mietzins des neuen Wohnhauses. Allerdings – und hier liegt der „Clou“ des Falles, hat der Beklagte die Kündigung wegen gravierender Pflichtverletzung iSd §§ 569, 543 BGB zu Recht aufgrund mangelnden Nachweises ausreichender Vollmacht durch den Anwalt des Klägers zurückgewiesen: Bei der Kündigung handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung und um ein einseitiges Rechtsgeschäft. Damit ist § 174 BGB anwendbar. Damit gilt die Kündigung nicht als zugegangen und ist damit nicht wirksam.
Der Beklagte und die Instanzgerichte argumentierten nun, dass der Mieter nur dann Mehrkosten für eine neue Wohnung als Schaden geltend machen könnte, wenn er wirksam gekündigt hätte. Das war vorliegend gerade nicht der Fall. Nur dann nämlich, beruhte die neue Miete auf dem Sachmangel. Zwar seien die Voraussetzungen für den Schadensersatz gem. § 536a Abs. 1 BGB und die einer außerordentlichen Kündigung (etwa nach §§ 569, 543 BGB) nicht identisch, wenn aber der Mieter eine neue Wohnung mieten dürfte und die Kosten für die neue Wohnung beim Vermieter geltend machen könnte, dann wäre der Vermieter faktisch so gestellt, wie wenn eine Kündigung aufgrund Pflichtverletzung bestanden hätte.
Der BGH lehnt diese Argumentation ab: Die Kündigungsregeln würden nicht umgangen, sondern betreffen einen anderen Punkt. Die Kündigung betreffe das Recht sich von einem Dauerschuldverhältnis mit Wirkung für die Zukunft zu lösen, während der Schadensersatz aufgrund eines Mietmangels einen Ausgleich für eine begangene Pflichtverletzung in Gestalt der Mangelleitstung regele. Wenn aber ein Mietmangel das Wohnen in dem betreffenden Haus zur Gesundheitsgefahr werden ließe, müsse der Mieter nicht erst „berechtigt“ werden eine Ausweichunterkunft anzumieten. Die dadurch verursachten Mehrkosten bestünden neben dem Vertrag weiter. Gegen die Ansicht der Instanzgerichte spricht zudem, dass der Mieter sonst verpflichtet wäre sich von dem Mietvertrag zu lösen – und dies selbst in Fällen, in denen er zwar den Schaden ersetzt, aber grundsätzlich am Mietvertrag festhalten wolle.
Nach alldem ist eine wirksame Kündigung kein Erfordernis, Mehrkosten einer Ausweichunterkunft geltend zu machen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch zu.
Mehr über das Mietrecht und den Umfang des besonderen Schadensersatzanspruchs des § 563a BGB lernen Sie in unserem GuKO ZR III oder einem entsprechenden ExO. Einen Einblick in unser Probeskript zum Mietrecht erhalten Sie hier.