Dem Urteil des BGH (v. 16.01.2015 – Az. V ZR 110/14, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de = NJW 2015, 2023 = BeckRS 2015, 08716 [beck-online]) lag folgender – leicht abgewandelter – Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien sind Mieter in einem Mehrfamilienhaus in Brandenburg. Die K wohnen im ersten Stock, die B im Erdgeschoss. Die Balkone der Wohnungen liegen übereinander. Die B sind Raucher und nutzen ihren Balkon mehrmals am Tag zum Rauchen, wobei der Umfang des täglichen Zigarettenkonsums streitig ist. Die K fühlen sich als Nichtraucher durch den aufsteigenden Tabakrauch im Gebrauch ihrer Wohnung gestört. Sie haben – soweit hier von Interesse – beantragt, die B zu verurteilen, das Rauchen auf dem Balkon während bestimmter Stunden zu unterlassen.
Die K tragen vor, dass der von dem Balkon der Beklagten aufsteigende Rauch als störend wahrzunehmen ist. Darüber hinaus machen die K geltend, dass mit dem Tabakrauch Feinstaubpartikel auf ihren Balkon bzw. in ihre Wohnung gelangen, hinsichtlich derer der fundierte Verdacht besteht, dass sie geeignet sind, die Gesundheit zu schädigen.
Besteht der geltend gemachte Anspruch der K gegen B?
Anmerkung: Der von den K geschilderte Sachverhalt ist als wahr zu unterstellen.
Falllösung:
A. Anspruch der K gegen B aus §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB
Die K könnten gegen B einen Anspruch auf Unterlassung des Rauchens auf dem Balkon während bestimmter Stunden gemäß §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB haben.
I. Anspruchsberechtigung
Anspruchsberechtigter ist der unmittelbare oder mittelbare Besitzer (PWW/Prütting, 9. Aufl. 2014, § 862 Rn. 5). Hier sind die K unmittelbare Besitzer der Wohnung und des oben liegenden Balkons.
II. Besitzstörung, § 858 Abs. 1 BGB
Es müsste eine Besitzstörung gemäß § 858 Abs. 1 BGB gegeben sein. Besitzstörung meint eine nicht durch Besitzentziehung gegebene Beeinträchtigung der tatsächlichen Sachherrschaft (vgl. PWW/Prütting, § 858 Rn. 3).
Der BGH bejaht dies im Ergebnis mit folgender Begründung:
„a) Eine Besitzstörung kann darin begründet sein, dass der Besitzer bei dem Gebrauch der Sache durch Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB beeinträchtigt wird [...]. Dass einem Mieter ein Abwehranspruch nach § 862 Abs. 1 BGB gegen Besitzstörungen durch den von einem anderen Mieter verursachten Lärm zustehen kann, ist in der Rechtsprechung [...] anerkannt und ist auch in der von dem Berufungsgericht zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs zur sog. Versorgungssperre [...] nicht anders gesehen worden. Dem Besitzer wird - obwohl ihm an der Sache kein dingliches Recht zusteht - durch den Abwehranspruch ein dem § 1004 BGB entsprechender Schutz gegen von außen kommende Störungen seiner Sachherrschaft gewährt. Er wird insoweit behandelt, als wäre er Eigentümer der Sache [...]. Für Besitzstörungen durch Rauch und Ruß kann grundsätzlich nichts anderes gelten.“
III. Verbotene Eigenmacht
Die Störung muss eine verbotene Eigenmacht darstellen. Diese entfällt insbesondere bei Zustimmung des Besitzers oder bei gesetzlicher Gestattung (PWW/Prütting, § 862 Rn. 2).
Im Ergebnis bejaht der BGH verbotene Eigenmacht mit folgender Begründung:
„b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob den Beklagten das Rauchen im Verhältnis zu ihrem Vermieter gestattet ist.
aa) Verbotene Eigenmacht ist nicht deswegen zu verneinen, weil das Rauchen im Verhältnis zwischen Mietvertragsparteien im Allgemeinen zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehört [...]. Nach § 858 Abs. 1 BGB ist allein maßgeblich, dass die Entziehung oder Störung des Besitzes ohne den Willen des Besitzers erfolgt und nicht durch das Gesetz gestattet ist. Vertragliche Vereinbarungen des Störers mit Dritten vermögen eine Besitzstörung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen.
Das gilt auch für die hier zu beurteilenden Besitzstörungen durch andere Mieter. Allerdings kann sich für den gestörten Mieter aus seinem Mietvertrag und einer darin in Bezug genommenen Hausordnung ergeben, dass er Störungen durch Mitmieter in einem bestimmten Umfang (etwa durch das Musizieren oder durch die Haustierhaltung in einer anderen Wohnung) dulden muss und daher nicht nach § 862 Abs. 1 BGB abwehren kann [...]. Fehlt es jedoch - wie hier - an einer vertraglich begründeten Duldungspflicht, steht dem Mieter der Anspruch nach § 862 Abs. 1 BGB unabhängig davon zu, ob dem Mitmieter der die Beeinträchtigungen verursachende Gebrauch nach seinem Mietvertrag erlaubt ist oder nicht. [...]
c) Zur Bestimmung der Grenzen dessen, was der Mieter an Immissionen (hier durch Tabakrauch) hinzunehmen hat, die von dem Gebrauch der anderen Wohnung ausgehen, ist der in § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB bezeichnete Maßstab entsprechend anzuwenden [...]. Demnach kann der Mieter Einwirkungen durch das Rauchen eines anderen Mieters nicht verbieten, wenn sie ihn in dem Gebrauch der Mietsache nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Wann eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist [...].“
Es kommt also zunächst darauf an, ob die Kläger durch den aufsteigenden Tabakrauch, in dem Gebrauch ihrer Wohnung wesentlich beeinträchtigt sind.
„d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheidet die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung der Kläger nicht deshalb von vornherein aus, weil das Rauchen auf dem Balkon in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG fällt.
aa) Vor dem Inkrafttreten der Nichtraucherschutzgesetze ist ein Abwehranspruch des Mieters gegen Beeinträchtigungen durch das Rauchen eines Mitmieters im Freien allerdings mit der Begründung verneint worden, dass das Rauchen sozialadäquat und in der Gesellschaft akzeptiert sei. Da Rauchen durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützt sei, müsse das Interesse des nichtrauchenden Mieters an einer von Tabakrauch nicht gestörten Nutzung seiner Wohnung zurücktreten [...]. Für das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter vertritt das Landgericht Berlin [...] die Auffassung, dass der Vermieter einem Mieter das Rauchen auf dem Balkon auch im Hinblick auf das Interesse eines anderen Mieters an einer von Tabakrauch ungestörten Nutzung seiner Wohnung nicht untersagen könne, weil das Rauchen grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehöre [...].
bb) Das Schrifttum ist demgegenüber der Ansicht, dass auch das Recht des nicht rauchenden Mieters auf ungestörten Gebrauch seiner Mietsache zu beachten und der rauchende Mieter daher verpflichtet sei, sich auf maßvolles Rauchen zu beschränken [...]. Im Verhältnis zum Vermieter wird vom Landgericht Hamburg [...] und vom Landgericht Berlin [...] ein Mangel der Mietsache (§ 536 Abs. 1 Satz 2 BGB) durch die von dem Rauchen auf dem Balkon einer anderen Wohnung ausgehenden Einwirkungen bejaht, weil der in die Wohnung eines Nichtrauchers eindringende Tabakrauch deren Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch mindere.
cc) Der Senat teilt den im Schrifttum vertretenen Ansatz. Angesichts der Nichtrauchergesetze von Bund und Ländern kommt die Annahme, durch Rauchen erzeugte Immissionen seien als sozialadäquat einzustufen und damit von stets unwesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB, heute nicht mehr in Betracht. Deutlich (intensiv) wahrnehmbarer Rauch ist vielmehr grundsätzlich als eine wesentliche Beeinträchtigung anzusehen; das gilt auch dann, wenn sie nur eine Zigarettenlänge andauert.
Allerdings besteht der Unterlassungsanspruch nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenüber als wesentlich anzusehenden Beeinträchtigungen durch Tabakrauch nicht uneingeschränkt, weil der gestörte Mieter auf das Recht des anderen Mieters Rücksicht nehmen muss, seine Wohnung vertragsgemäß zu nutzen, wozu grundsätzlich auch das Rauchen in der Wohnung und auf dem Balkon gehört [...]. Bei Störungen durch solche Immissionen kollidieren die durch die Mietverträge begründeten Besitzrechte. Diese Rechtspositionen sind grundrechtlich geschützte Eigentumsrechte im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, da jede Partei auf den Gebrauch der Wohnung zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse wie zur Freiheitssicherung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit angewiesen ist [...]. Sie müssen daher - unter Einbeziehung des ebenfalls betroffenen Grundrechts des Rauchers aus Art. 2 Abs. 1 GG - in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden.
(1) Fehlt es an für beide Teile verbindlichen vertraglichen Regelungen in einer Hausordnung, bestimmen sich die Grenzen des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigungen nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme [...]. Aus der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt sich für jeden Hausbewohner die Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Interesse des anderen, die von ihm genutzte Wohnung für seine Lebensbedürfnisse und zur Entfaltung seiner Persönlichkeit zu gebrauchen. In Anbetracht dieser Verpflichtung kann die Ausübung auch eines an sich bestehenden Unterlassungsanspruchs des Mieters nach § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB unzulässig sein [...].
(2) Bei Beeinträchtigungen durch Tabakrauch führt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme - wenn eine Verständigung der Parteien untereinander nicht möglich ist - im Allgemeinen zu einer Gebrauchsregelung für die Zeiten, in denen beide Mieter an einer Nutzung ihrer Balkone interessiert sind. Dem Mieter sind Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts darf der nichtrauchende Mieter nicht darauf verwiesen werden, seinen Aufenthalt auf dem Balkon zurückzustellen, sobald sich der andere Mieter entschließt zu rauchen. Es muss ihm vielmehr möglich sein, seinen Balkon mindestens stundenweise zu nutzen, ohne jederzeit eine Unterbrechung des Aufenthalts gewärtigen zu müssen.“
IV. Ergebnis
Mithin haben die K gegen B einen Anspruch auf Unterlassung des Rauchens auf dem Balkon während bestimmter Stunden gemäß §§ 862 Abs. 1, 858 Abs. 1 BGB.
B. Anspruch der K gegen B aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog i.V.m. 823 Abs. 1 BGB
Die K könnten gegen B einen Anspruch auf Unterlassung des Rauchens auf dem Balkon während bestimmter Stunden gemäß §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog i.V.m. 823 Abs. 1 BGB haben.
I. Gefahr der Verletzung eines absoluten Rechts
Für die Bejahung eines solchen Anspruchs müsste die Gefahr der Verletzung eines absoluten Rechts i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB bestehen. Über den Wortlaut hinaus kommt damit nicht nur eine Beeinträchtigung des Eigentums, sondern auch z.B. der Gesundheit in Betracht (PWW/Englert, 9. Aufl. 2014, § 1004 Rn. 3).
Fraglich ist, ob durch den vom Balkon der Beklagten aufsteigenden Tabakrauch eine Gefahr einer Verletzung der Gesundheit der Kläger angenommen werden kann. Ein solcher Anspruch käme in Betracht, wenn das Rauchen der Beklagten zwar zu keiner oder nur zu einer unwesentlichen Beeinträchtigung durch Qualm oder Geruch führte, aber die konkrete Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung bei dem Gebrauch des Balkons der Kläger mit sich brächte.
Hierzu führt der BGH folgendes aus:
„b) Gesundheitsschädliche Immissionen durch Tabakrauch sind wesentliche Beeinträchtigungen, die nicht geduldet werden müssen. Das gilt auch im Verhältnis von Mietern untereinander [...]. Sie überschreiten stets die Grenze dessen, was der beeinträchtigte Mieter hinzunehmen hat [...].
c) Rechtsfehlerhaft sind aber die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Feststellbarkeit einer solchen Gefahr verneint.
aa) Richtig ist allerdings die Erwägung, dass die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden durch das Einatmen der im Tabakrauch enthaltenen krebserzeugenden Substanzen aus der Raumluft (Passivrauchen) grundsätzlich geringer einzuschätzen ist, wenn nicht in geschlossenen Räumen, sondern - wie hier - im Freien geraucht wird. Nicht zu beanstanden ist auch, dass sich die Gefahr gesundheitlicher Schäden bei einer größeren Distanz zwischen der Stelle, an der geraucht, und derjenigen, an der die mit dem Rauch belastete Luft eingeatmet wird (hier ein Höhenunterschied von ca. drei Metern) und bei einem dazwischen liegenden Hindernis (Balkondach) eher als gering einzuschätzen ist.
bb) Nicht zulässig ist es jedoch, die Gefahr gesundheitlicher Schäden auch unter Berücksichtigung des auf eine Feinstaubmessung gestützten und unter Beweis gestellten Vortrags der Kläger zu verneinen, dass während des Rauchens der Beklagten erhöhte Belastungen der Luft durch die im Tabakrauch enthaltenen Feinstaubpartikel festgestellt worden seien, die eine Gefahr für die Gesundheit bei einem Aufenthalt auf dem Balkon bedeuteten.
(1) Wird im Freien geraucht, ist allerdings grundsätzlich davon auszugehen, dass damit keine Gefahr für die Gesundheit anderer verbunden ist. Insoweit kommt den Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der Länder, die im Grundsatz das Rauchen nur in Gebäuden und in vollständig umschlossenen Räumen verbieten [...], eine indizielle Bedeutung bei der Einschätzung der Gefahren durch Passivrauchen zu. Der Anwendungsbereich dieser Gesetze ist zwar auf öffentliche Einrichtungen und öffentlich zugängliche Bereiche privater Grundstücke beschränkt; mit Wohnhäusern bebaute Grundstücke, zu denen nur Eigentümer, Mieter und Besucher Zutritt haben, fallen nicht darunter. Die diesen Gesetzen zugrunde liegende Einschätzung ist jedoch im Hinblick auf das Rauchen im Freien bei der Beurteilung der Gefahr von Gesundheitsschäden heranzuziehen, die von dem Rauchen in nicht öffentlich zugänglichen Bereichen ausgehen. Das rechtfertigt sich aus dem Zweck der genannten Gesetze, Nichtraucher vor den im Tabakrauch enthaltenen gesundheitsgefährdenden Giftstoffen zu schützen [...]. Die Gefahr gesundheitlicher Schäden ist grundsätzlich nicht anders zu beurteilen, wenn nicht im öffentlichen Raum, sondern auf einem privaten, nicht frei zugänglichen Grundstück geraucht wird.
(2) Den Verboten in den Nichtraucherschutzgesetzen kommt jedoch lediglich eine Indizwirkung dafür zu, dass mit dem Rauchen im Freien keine gesundheitlichen Gefahren für Dritte durch das Passivrauchen einhergehen. Diese kann im Einzelfall erschüttert sein. Auch wenn in Gesetzen, Verordnungen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften für bestimmte Immissionen Grenz- oder Richtwerte festgelegt sind, bei deren Einhaltung nach § 906 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB in der Regel von einer unwesentlichen Beeinträchtigung auszugehen ist, kommt eine davon abweichende Beurteilung bei einer besonderen Gefahrenlage im Einzelfall stets in Betracht [...]. Das gilt erst recht, wenn sich das für die Ungefährlichkeit des Rauchens im Freien sprechende Indiz - wie hier - allein aus den auf das Rauchen in geschlossenen Räumen beschränkten und nur für öffentlich zugängliche Grundstücke geltenden Verbotsgesetzen entnehmen lässt.
Dem nicht rauchenden Mieter kann deshalb gegenüber dem rauchenden Mieter ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen der Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens auch dann zustehen, wenn im Freien geraucht wird. Er muss dazu allerdings das sich aus den Nichtraucherschutzgesetzen ergebende gegenteilige Indiz erschüttern. Das setzt voraus, dass sich auf Grund der besonderen Verhältnisse vor Ort im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung durch Feinstaubpartikel ergibt, die auf den Balkon oder in die Wohnung des nicht rauchenden Mieters gelangen. Verhält es sich so, kommen die allgemeinen Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast zur Anwendung; es muss dann der rauchende Mieter beweisen, dass die von seiner Wohnung ausgehenden Immissionen nur eine unwesentliche Beeinträchtigung bedeuten [...].
Die Kläger haben Umstände dargelegt und unter Beweis gestellt, die geeignet sind, die Annahme, Passivrauchen im Freien sei ungefährlich, für den konkreten Fall zu erschüttern. Sie haben unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Feinstaubmessungen vorgetragen, dass immer dann, wenn die Beklagten rauchen, in einem für die Gesundheit gefährlichen Umfang toxische Feinstaubpartikel auf ihren Balkon und in ihre Wohnung gelangen. [...]
cc) Sollte sich dieses Vorbringen als richtig erweisen, erfordert das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme wiederum eine Gebrauchsregelung nach Zeitabschnitten [...]."
Laut Sachverhalt besteht auch durch die Feinstaubpartikel eine Gefahr für die Gesundheit.
II. Störer
Die B müssten auch Störer sein. Hier kommt eine Handlungs- oder Zustandsstörereigenschaft in Betracht. Handlungsstörer ist, wer eine Beeinträchtigung eines absoluten Rechts eines anderen durch seine Handlung unmittelbar oder mittelbar adäquat kausal verursacht (vgl. BGH, NJW-RR 2001, 232; PWW/Englert, § 1004 Rn. 4 BGB). Hier haben die B durch das Rauchen und die so erzeugten Feinstaubpartikel unmittelbar verursacht und die Gesundheitsgefahr hervorgerufen.
III. Duldungspflicht, § 1004 Abs. 2 BGB
Die K dürften gemäß § 1004 Abs. 2 BGB nicht zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet gewesen sein. Wie dargestellt, müssen Gesundheitsgefahren nicht hingenommen werden, sodass grundsätzlich auch keine Duldungspflicht besteht (s.o.).
IV. Ergebnis
Die K haben gegen B einen Anspruch auf Unterlassung des Rauchens auf dem Balkon während bestimmter Stunden gemäß §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog i.V.m. 823 Abs. 1 BGB.
Anmerkung: Für eine Vertiefung der Problematik kann auf die Urteilsanmerkung von Bub/Bernhard (FD-MietR 2015, 369297 [beck-online]) verwiesen werden. Zum am 18.02.2015 entschiedenen Fall bzgl. einer Kündigung wegen angeblich aus der Wohnung ins Treppenhaus ziehenden Zigarettendunstes siehe BGH, NZM 2015, 302. Weitere Ausführungen zu diesem Thema finden Sie auch in unseren ExO`s und im GuKO ZR. Eine Leseprobe aus unserem Skript finden Sie hier: http://www.juracademy.de/web/skript.php?id=37368.