Der zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich im wesentlichen aus der obigen Darstellung, allerdings mit noch einer weiteren Besonderheit. Das Protokoll über die nichtöffentliche Vernehmung Kachelmanns vor dem Haftrichter wurde drei Monate nachdem die Bildzeitung Auszüge veröffentlicht hatte in der öffentlichen Hauptverhandlung zu Beweiszwecken verlesen.
Ein Anspruch aus Unterlassung der weiteren Verbreitung der Einlassung vor dem Haftrichter könnte sich aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog (sog. quasinegatorischer Unterlassungsanspruch) ergeben. Dazu müsste ein rechtswidriger Eingriff in eine von § 823 Abs. 1 BGB geschützte Rechtsposition vorliegen, es müsste eine Wiederholungsgefahr drohen und der Anspruch müsste sich gegen den Störer als maßgeblichen Anspruchsgegner richten. Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG ist durch die Verbreitung von Details sexueller Vorlieben unstreitig gegeben. Bei Rahmenrechten wie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht wird die Rechtswidrigkeit nicht durch die tatbestandsmäßige Eingriffshandlung indiziert, sondern muss positiv festgestellt werden. Zur Feststellung der Rechtswidrigkeit ist eine umfassende Güter- und Interessenabwägung durchzuführen, dabei ist bei der Abwägung neben dem beeinträchtigten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers auch die der Beklagten zustehenden durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützte Pressefreiheit zu berücksichtigen. Der BGH stellt hierzu zunächst fest, die Rechtswidrigkeit entfalle nicht schon, weil es sich um eigene, und daher als wahr zu unterstellende Aussagen des Klägers handele. Denn auch bei wahren Aussagen könne der Äußernde ein berechtigtes Interesse daran haben, dass diese Interessen nicht an die Öffentlichkeit geraten. So beinhalteten insbesondere Details über sexuelle Vorlieben die Gefahr einer besonderen Stigmatisierung, sozialen Ausgrenzung und Isolierung des Betroffenen. Beim weiteren Abwägungsprozess folgt der BGH seiner üblichen Unterscheidung innerhalb des allgemeinen Persönlichkeitsrecht zwischen Intim-, Privat- und Sozialsphäre, mit dem ein abgestuftes Schutzkonzept verbunden ist. Dazu führt er aus, dass Aussagen zur Sexualität zwar grundsätzlich zum absolut geschützten Intimbereich gehören; dies jedoch nicht mehr gelten könne, sofern sie im Zusammenhang zum Verdacht einer Straftat der betroffenen Person stehen. Die Veröffentlichung erfolge in so einem Fall nämlich nicht mehr nur, um „Neugier und Sensationslust“ der Öffentlichkeit zu befriedigen, sondern sie gebe der Öffentlichkeit auch Aufschluss über Motive und Voraussetzungen der Tat und könne daher für die Bewertung der Schuld des Täters wesentlich sein. Damit verlasse die Aussage den Intimbereich und sei vielmehr der Privatsphäre zugehörig. Somit ist sie einer umfassenden Abwägung zugänglich. Hierzu stellt der BGH fest, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit durch die prominente Position des Kläger zwar erhöht sei, jedoch beachtet werden müsse, dass die Beklagte die Informationen, die aus einer nichtöffentlichen Vernehmung stammen, noch während des Ermittlungsverfahren publiziert hat. Zu diesem Zeitpunkt komme der Unschuldsvermutung (Art. 6 EMRK), die eine der Grundprinzipien des rechtsstaatlichen Strafverfahrens darstelle, ein besonderes Gewicht zu. Diese gebiete eine besonders zurückhaltende Berichterstattung. Damit war die Veröffentlichung der Einlassung des Angeklagten unzulässig. Ein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers liegt damit vor. Weiterhin müsste eine Wiederholungsgefahr (vgl. Wortlaut des § 1004 BGB „weitere Beeinträchtigungen zu besorgen“) gegeben sein. Eine solche liegt nur vor, wenn in Zukunft weitere rechtswidrige Eingriffe drohen. Hierzu führt der BGH aus, dass nachdem das Protokoll der Vernehmung in zulässiger Weise in der öffentlichen Hauptverhandlung verlesen worden sei, auch die spätere Verbreitung ihres Inhalts in den Medien rechtmäßig sein müsse. Werde nämlich in der öffentlichen Hauptverhandlung eine Aussage einer größeren Öffentlichkeit bekannt, so entfalle die Schutzbedürftigkeit des Klägers, die Verbreitung dieser Aussage in den Medien zu unterbinden. Damit drohen keine weiteren rechtswidrigen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kläger. Eine Wiederholungsgefahr liegt nicht vor. Damit sind die Voraussetzungen des quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB nicht gegeben.
Weitere Informationen zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gibt es in unserem GuKO ZR IV sowie dem dazugehörigen ExO. Einen Einblick in das Probeskript gibt es hier.