Die Klägerin ist die Witwe aus zweiter Ehe des Erblassers. Sie klagt aus einem (ursprünglichen) Recht des Erblassers. In erster Ehe war der Erblasser verheiratet mit der Beklagten. Diese zeugte außerehelich mit einem anderen Mann ein Kind, ohne dies jedoch dem Erblasser mitzuteilen. Nach der Scheidung und vollzogenem Vaterschaftstest flog der „Ehebruch“ auf. Der Erblasser machte gegen seine frühere Ehefrau einen Schadenersatzanspruch geltend: Ihm sei es unmöglich gewesen gegen den leiblichen Vater einen Unterhaltsregressanspruch geltend zu machen. Dadurch sei ihm ein kausaler/zurechenbarer Schaden entstanden.
Der BGH zeichnet zunächst seine bisherige Rechtsprechungslinie nach. Danach sei ein Rückgriff auf die allgemeinen deliktischen Schadensersatzansprüche iR familienrechtlicher Verbindungen ausgeschlossen. Das Familienrecht enthalte spezielle Vorschriften, die Rechte und Pflichten unter Familienmitgliedern abschließend regelten. Das in der Literatur teilweise proklamierte „sonstige absolute Recht“ iSd § 823 BGB lehnt der BGH damit weiterhin ab. Zu denken sei in diesem Zusammenhang allerdings an § 826 BGB. Denn anders als im Rahmen des § 823 BGB enthalte das Familienrecht keine Spezialregelung für Fälle, in denen zu der bloßen Beeinträchtigung des Familienverhältnisses noch weitere Umstände hinzutreten (Sittenverstoß und Schädigungsvorsatz). Sowohl der Sittenverstoß als auch ein zumindest bedingter Schädigungsvorsatz, so der BGH, seien zum einen in dem Ehebruch als auch darin zu sehen, dass die erste Ehefrau nicht mitteilte, möglicherweise von einem anderen Mann schwanger zu sein. Der Schädigungsvorsatz beziehe sich auf die unterlassene Anfechtung der Vaterschaft und die damit zusammenhängenden Unterhaltspflicht.
Bevor der BGH sodann auf den Schaden eingeht, thematisiert er einen anderen Rechtsgrund für einen Schadensersatz. Ein solcher könnte nämlich auch aus § 280 BGB folgen. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform 2002 eine allgemeine Schadensersatznorm für schuldrechtliche Sonderverbindungen eingeführt. Eine solche Sonderverbindung sei dadurch charakterisiert, dass gegenseitige (besondere) Rechte und Pflichten bestünden. Damit spricht der BGH nicht direkt aus, was er voraussetzt: Ein Schuldverhältnis ist alles woraus Ansprüche (vgl. § 194 BGB) folgen. Sowohl Ehe als auch Elternschaft sind solche Verhältnisse. Unabhängig von einem eventuellen Vertragscharakter der Ehe schreibt das Gesetz besondere Rechte und Pflichten für Ehepartner vor; dies gilt ebenso für Eltern (auch: untereinander). Damit besteht ein Schuldverhältnis, woraus unabhängig von der deliktischen Grundfrage ein Schadensersatz dem Grunde nach gegeben ist.
Am Ende scheidet ein Schadensersatzanspruch dennoch aus. Das hängt aber mit einer unterhaltspezifischen Besonderheit zusammen: Denn der eventuelle Regressanspruch gegenüber dem leiblichen Vater des nichtehelichen Kindes ist nur so hoch, wie die tatsächliche Unterhaltsverpflichtung des leiblichen Vaters gewesen wäre. Der Schaden des Erblassers wäre also der Betrag, der von dem leiblichen Vater an das Kind (und die Mutter) geschuldet wäre. Die Witwe des Erblassers hat aber nicht darlegen können, wie hoch diese Verpflichtung gewesen wäre. Sie konnte ihren Schaden nicht schlüssig beziffern.
In einer Klausur wäre natürlich mit dem Anspruch aus § 280 zu beginnen. Hier wäre das BGH-Verständnis von der schuldrechtlichen Sonderverbindung anzubringen. Im Rahmen der deliktischen Ansprüche ist die Problematik eingangs unter der Frage des „sonstigen Rechts“ zu thematisieren.
Das Urteil ist im Grunde weniger kompliziert als es anmutet. Wie so häufig im Zivilrecht hilft eine Skizze mit den Beziehungen der Personen weiter. Dennoch: Wer die Entscheidung gelesen und verstanden hat, der ist schon einen großen Schritt in der Examensvorbereitung gegangen. Die Materie wird für die Klausursituation aufbereitet und erklärt in unserem GuKO ZR IX oder dem entsprechenden ExO. Einen Auszug aus unserem Skript zum Familienrecht finden Sie hier.