Hinweis
Die Urteile können Sie u.a. auf der Seite des Bundesverfassungsgerichts - unter www.bundesverfassungsgericht.de - oder des Bundesverwaltungsgerichts - unter www.bverwg.de - abrufen.
A. Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats vom 02. Februar 2023, - 1 BvR 187/21 - , Ausschluss eines NDP-Mitglieds aus Sportverein rechtens
I. Der Beschwerdeführer, langjähriges Mitglied und Landesvorsitzender der NPD, wurde aus einem Sportverein ausgeschlossen, nachdem dieser seine Satzung geändert hatte und sich fortan ausdrücklich zur FDGO bekannte und Mitgliedern fremdenfeindlicher Organisationen die Mitgliedschaft verweigerte. Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung des Diskriminierungsverbots aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG
II. Die Kammer wies die Beschwerde als unzulässig ab. Zur Begründung führte sie an, ein Verein habe aufgrund der Vereinigungsfreiheit, Art. 9 GG, das Recht, selbst über Aufnahme und Ausschluss von Mitgliedern zu entscheiden. Wenn sich ein Verein ein Bekenntnis zur FDGO in die Satzung schreibt und sich ausdrücklich gegen extremistische Bestrebungen wendet sei dies nicht zu beanstanden.
B. Beschluss der 2. Kammer des 2. Senats vom 14. Februar 2023, - 2 BvR653/20 -, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch bei Erkrankung am letzten Tag der Frist
I. Der Beschwerdeführer war am letzten Tag der Einspruchsfrist erkrankt. Darauf gestützt beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Antrag wurde vom Jobcenter und danach auch vom zuständigen AG verworfen mit der Begründung er sei ja vorher während der kompletten Frist nicht gehindert gewesen Einspruch zu erheben. Der Beschwerdeführer rügt nun Verletzung von Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4, 20n Abs. 3, 101 Abs. 1 S. 2 und 103 Abs. 1 GG
II. Die Kammer gab der Beschwerde statt und sah eine Verletzung von Art. 19 Abs 4 und Art. 103 Abs. 1 GG. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert effektiven Rechtsschutz. Dieser umfasst das Recht überhaupt Gerichte einschalten zu können und desweiteren, dass diese effektiven Schutz bieten. Art. 103 Abs. 1 GG gewährt den Anspruch auf rechtliches Gehör. Beides wird versagt, wenn keine Wiedereinsetzung gewährt wird.
Die Kammer führt aus, es sei niemandem vorzuwerfen, wenn man eine Frist bis zum letzten Tag ausschöpft. „Lediglich dann, wenn dem Betroffenen hinsichtlich der Fristversäumnis ein Verschulden zur Last gelegt werden kann, kann ihm die Säumnis vorgehalten werden mit der Folge, dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verweigert werden kann. Der Betroffene hat beispielsweise den Aufwand zu kalkulieren, der zeitlich und organisatorisch erforderlich ist, um den rechtzeitigen Eingang seiner Prozesserklärung in der vorgeschriebenen Form zu ermöglichen.“ Eine Erkrankung am letzten Tag der Frist die dann zur Versäumung dieser Frist führt ist also insoweit nicht verschuldet. Damit war Wiedereinsetzung zu gewähren.
C. Urteil des 3. Senats des BVerwG vom 09. März 2023, - 3 C 15.21 -, Pflicht zur Angabe von Gewicht und Stückzahl bei vorverpackten Süßwaren
I. Die Klägerin bringt die von ihr hergestellten Bonbons und Schokoladen-Spezialitäten unter anderem in Beuteln in den Verkehr, in denen sich mehrere einzeln mit Bonbonpapier umwickelte oder auf ähnliche Weise umhüllte Stücke befinden. Ein Gesamtgewicht ist angegeben. Das Landesamt für Mess- und Eichwesen bemängelte das Fehlen der Angabe zur Anzahl der Einzelstücke und deren Einzelgewicht und leitete ein Ordnungswidrig-keitenverfahren ein. Klage, Berufung und Revision blieben erfolglos.
II. Hierzu führte der Senat aus: „Nach Art. 23 Abs. 1 und 3 i.V.m. Anhang IX Nr. 4 LMIV sind auf einer Vorverpackung, die aus zwei oder mehr Einzelpackungen besteht, die nicht als Verkaufseinheiten anzusehen sind, die Gesamtnettofüllmenge und die Gesamtzahl der Einzelpackungen anzugeben. Die Produkte der Klägerin unterfallen dieser Vorschrift. Für ihre Annahme, die Vorschrift sei auf Vorverpackungen nicht anzuwenden, die kleinere, einzeln verpackte Stücke enthalten, findet sich im maßgeblichen Unionsrecht kein Anhaltspunkt. Die Pflicht zur Angabe der Anzahl der in der Verpackung enthaltenen Stücke greift nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte der Lebensmittelunternehmer ein. Die Angabe hat für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen zusätzlichen Informationswert und fördert den durch die LMIV verfolgten Zweck, sie bei ihrer Kaufentscheidung in die Lage zu versetzen, das für ihre Bedürfnisse passende Lebensmittel auszuwählen. Durch diese Pflicht werden die Lebensmittelunternehmer nicht unangemessen belastet.“
D. Urteil des 8. Senats des BVerwG vom 14. März 2023, - 8 A 2.22 - , Anordnung der Treuhandverwaltung über deutsche Rosneft-Töchter ist rechtmäßig
I. Mit Bescheid vom 14. September 2022 ordnete das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gemäß § 17 Energiesicherungsgesetz die Treuhandverwaltung der Stimmrechte aus den Geschäftsanteilen an zwei deutschen Tochterfirmen des russischen Rosneft-Konzerns an. Während dieser Zeit werden die Stimmrechte der Klägerinnen durch die Bundesnetzagentur wahrgenommen. Geschäftspartner hatten die weitere Zusammenarbeit aufgrund internationaler Sanktionen verweigert, den beiden für die Grundversorgung wichtigen Firmen drohte die Insolvenz.
II. Das BVerwG sah diese Anordnung als rechtmäßig an. Eine Anhörung sei wegen Gefahr im Verzug überflüssig gewesen. § 17 Energiesicherungsgesetz hält der Senat für verfassungskonform, insbesondere stelle dieser eine verhältnismäßige Beschränkung der Berufs- und unternehmerischen Freiheit sowie der Rechte von Anteilseignern (Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 GG) dar.
Die Voraussetzungen der Ermächtigung seien ebenso gegeben gewesen: „Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestand die konkrete Gefahr, dass [die beiden Tochtergesellschaften] ohne eine Treuhandverwaltung ihre Aufgabe, ihren bisherigen Beitrag zur Energieversorgung weiter zu erbringen, künftig nicht erfüllen könnten. Im Rahmen seiner Beweiswürdigung hat der Senat die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen und die Angriffe gegen die Glaubwürdigkeit einzelner Zeugen im Einzelnen geprüft. Auf die hilfsweise unter Beweis gestellten Tatsachen kam es nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung nicht an. Die dem Ministerium Mitte September 2022 bekannten und für es erkennbaren Umstände rechtfertigten die Prognose, dass [die beiden Tochtergesellschaften] ihren Versorgungsbeitrag im Fall einer Unterbrechung der russischen Rohöllieferung, auf die Versuche zum Kapitalabzug hindeuteten, nicht mehr leisten könnten. Sie hatten für diesen Fall keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, obwohl das Klagevorbringen selbst eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer solchen Unterbrechung einräumt. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit sind wegen der überragenden Bedeutung der Versorgungssicherheit gering.“