Einer der 5 Beschwerdeführer, nennen wir ihn der Einfachheit halber A, war zusammen mit den anderen 4 Beschwerdeführern Vorstand einer Bank und in dieser Funktion auch mit der Vergabe von Krediten befasst. Im Oktober 1996 bewilligte er für den Ankauf von Plattenbauten einen Kredit über DM 19.589.000. Über Grundschulden wurde ein Betrag in Höhe von DM 16.560.000 abgesichert. Als weitere Sicherheit wurden Mietzahlungen aus dem Objekt abgetreten, deren Realisierbarkeit aber ungewiss war. Bei der Kreditvergabe verstieß A gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Bonitätsprüfung gem. § 18 KWG. Außerdem erfolgte eine ordnungsgemäße Abwägung von Chancen und Risiken nicht. Schließlich sind noch Indizien für die Unbeherrschbarkeit des Kreditengagements unbeachtet geblieben. Diese Unbeherrschbarkeit ergab sich vor allem auch aus dem Verhalten der Kreditnehmer, die in einem ungebremsten Kaufrausch diverse Immobilien erwarben.
Das Landgericht verurteilte A aufgrund des Abschluss des Vertrages aus § 266 StGB. Die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht wurde in den o.g. Pflichtverletzungen gesehen, die als gravierend bezeichnet wurden. Der Schaden wurde über die konkrete schadensgleiche Vermögensgefährdung begründet, die schon im Abschluss des Vertrages lag. Der Höhe nach wurde dieser Schaden in der nicht durch Grundschulden abgesicherten Darlehnssumme gesehen. Deren Rückzahlung (nebst Zinsen) war zwar noch nicht in Gänze fällig, der Schaden wurde aber mit der Verlustgefahr bei Abschluss des Vertrages begründet. Das LG führte dazu aus, dass „aus den Erwägungen der Pflichtwidrigkeit der Kreditvergabe …eine aufs Äußerste gesteigerte Verlustgefahr bei einer nur höchst zweifelhaften Aussicht auf einen günstigen Verlauf, mithin eine über das allgemeine Risiko bei Kreditgeschäften hinausgehende höchste Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs der Bank“ bestanden habe.
In der Revision rügte der BGH (5 StR 260/08), dass die Annahme völliger Wertlosigkeit der Darlehnsrückzahlungsforderung (sofern nicht durch Grundschulden abgesichert) insbesondere in Ansehung der über zwei Jahre aus den Mieteinkünften geleisteten Zinszahlungen verfehlt sei. Gleichwohl sei eine schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung darin zu sehen, dass mit der Kreditgewährung ein allzu weit gegangenes Risiko eingegangen worden sei. Auf eine erneute Berechnung dieses Risikos hat der BGH verzichtet.
Das BVerfG hat zunächst deutlich gemacht, dass sowohl das Tatbestandsmerkmal „Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht“ als auch der Begriff der „konkreten schadensgleichen Vermögensgefährdung“ mit Art 103 Abs. 2 GG vereinbar sei, sofern die Rechtsprechung dem Präzisierungsgebot nachkomme und den zugegebener Maßen weiten Begrifflichkeiten durch eine kontinuierliche Auslegung feste Konturen gebe.
Bei der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht stellt sich natürlich das Problem, dass sich diese Verletzung entweder aus einem Verstoß gegen außerstrafrechtliche Normen ergebe, die ihrerseits nicht immer bestimmt seien in der Formulierung der Voraussetzungen und ggfs. auch einen Ermessensspielraum vorsehen, oder aber aus einer Verletzung der Pflichten eines ordentlichen Kaufmanns ergebe, die wertend zu ermitteln ist. So oder so schwingt sich der Richter ex post zu einem Geschäftsführer o.ä. auf und bewertet Risiken und damit auch Pflichtwidrigkeiten. Das Eingehen von Risiken gehört jedoch zum Alltag unternehmerischen Handels. Um einer uferlosen Weite dieses Tatbestandsmerkmals zu begegnen, verlangt die Rechtsprechung dementsprechend eine „gravierende“ Pflichtverletzung. Eine solche wurde im vorliegenden Fall aufgrund der Vielzahl der problematischen Aspekte bei der Kreditvergabe angenommen.
Die schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung birgt das Risiko einer Prognose, da bereits zum Zeitpunkt des Abschluss eines Vertrages das zukünftige Risiko eines Ausfalls oder Wertverlustes der Forderung bestimmt werden muss. Da eine solche Risikobestimmung jedoch zum alltäglichen unternehmerischen Handeln gehöre – mit entsprechenden Auswirkungen z.B. auf Abschreibungen -, hat das BVerfG keine grundsätzlichen Probleme mit diesem Begriff. Es macht jedoch deutlich, dass der Schaden der Höhe nach bestimmt, zumindest anhand objektiver Faktoren geschätzt werden muss. Der Gefahr der Unbestimmtheit könne begegnet werden, indem (auch) Gefährdungsschäden von den Gerichten in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise nach anerkannten Bewertungsverfahren und –maßstäben festgestellt werden; soweit komplexe wirtschaftliche Analysen vorzunehmen seien, werde die Hinzuziehung eines Sachverständigen erforderlich sein.
Der BGH hat den Schaden allein mit der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht begründet, indem er ausführt, dass sich schon aus dieser Pflichtverletzung die Minderwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs ergebe. Eine Berechnung nach den obigen Grundsätzen erfolgte nicht. Damit hat er aber dem Tatbestandsmerkmal des „Nachteils“ die eigenständige Bedeutung genommen.
Das BVerfG führt dazu aus:
„Der Verzicht auf eine eigenständige Ermittlung des Nachteils, wozu angesichts der Schwierigkeiten der Beurteilung bei Kreditvergaben in der Regel die Konkretisierung des Schadens der Höhe nach anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens gehört, begegnet durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Er ist geeignet, die eigenständige strafbarkeitsbegrenzende Funktion des Nachteilsmerkmals zu unterlaufen, indem an die Stelle der vom Gesetzgeber gewollten wirtschaftlichen Betrachtung eine weitgehend normativ geprägte Betrachtungsweise tritt, wie die zitierten Formeln der Rechtsprechung (weite Abweichung von den Geboten kaufmännischer Sorgfalt, Handeln nach Art eines Spielers) zeigen. Ein eigenständiger, über das Merkmal der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht hinausgehender Gehalt des Nachteilsmerkmals ist bei solcher Auslegung nicht mehr zu erkennen; es findet eine „Verschleifung“ der Tatbestandsmerkmale entgegen der gesetzgeberischen Intentionen statt.“
Aus diesem Grund wurde das Urteil des BGH aufgehoben. Unter Hinweis auf das Erfordernis einer konkreten Berechnung hat das BVerfG (Entscheidung vom 07.12.2011 (2 BvR 2500/09)im Übrigen ein Jahr später ein Urteil des BGH zum Sportwettenbetrug aufgehoben. Auch hier hatte der BGH sich nicht die Mühe einer konkreten Berechnung gemacht.
Weitere Ausführungen zur Untreue finden Sie in unserem GuKO SR III sowie in unseren ExO`s. Einen Einblick in unsere Kursunterlagen erhalten Sie unter http://www.juracademy.de/web/topic.php?id=12536 .