Der Entscheidung des BGH (Urteil vom 4.5.2022 – XII ZR 64/21) lag folgender Sachverhalt (vereinfacht) zugrunde:
In der Praxis reagierten Betreiber der Fitnessstudios auf den jeweiligen „Lockdown“ entweder durch weitere Abbuchung der monatlichen Beiträge (so im aktuellen Fall des BGH), wobei die Monate, welche in den Lockdown fielen, dann als beitragsfreie Monate an das Ende der Vertragslaufzeit angehängt wurden, oder die Abbuchung der jeweiligen Beiträge wurde ausgesetzt, wobei allerdings von einer Verlängerung des Vertrags, um die in den Lockdown fallenden Monate ausgegangen wurde.
Unproblematisch ist der Fall, bei welchem im Rahmen der Privatautonomie eine Vereinbarung zwischen dem Kunden und dem Betreiber des Fitnessstudios erfolgt. Hier steht es den Parteien selbstverständlich frei, abweichende Vereinbarungen zu treffen.
Liegt eine solche Vereinbarung jedoch nicht vor, stellt sich die Frage, ob die Fälle nach Unmöglichkeit oder nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage zu beurteilen sind.
Hinweis
Zur Frage der Auswirkungen der Schließungsanordnungen auf Fitnessstudioverträge sind dieser Entscheidung vorangehend bereits einige Urteile ergangen, so z.B. das Urteil des AG Paderborn (Urt. vom 9.7.2021 – 57a C 245/20) sowie das Urteil des LG Osnabrück (Urt. vom 9.7.2021 – 2 S 35/21).
Zu dieser Kernfrage wurde von den Untergerichten unterschiedlich ausgeführt, wobei die Mehrzahl der Gerichte die Lösung über das Unmöglichkeitsrecht favorisierte.
Einer Lösung über die Störung der Geschäftsgrundlage hat der BGH eine Absage erteilt. Die maßgebliche Anspruchsgrundlage für die Rückforderung der bereits gezahlten Beiträge stellt §§ 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 346 Abs. 1 BGB dar.
Im Zeitraum der Schließungsanordnung lag für die Betreiber der Fitnessstudios rechtliche Unmöglichkeit vor. Sie konnten ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht nicht erfüllen. Der Anwendbarkeit des Unmöglichkeitsrechts steht auch nicht die bloß zeitweise Unmöglichkeit entgegen.
„Obwohl die Beklagte das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen musste, liegt kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vor, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde. Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden könnte, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Wird - wie im vorliegenden Fall - für einen Fitnessstudiovertrag eine mehrmonatige feste Vertragslaufzeit gegen Zahlung eines monatlich fällig werdenden Entgelts vereinbart, schuldet der Betreiber des Fitnessstudios seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Aufgrund dessen sind für den Vertragspartner gerade die regelmäßige und ganzjährige Öffnung und Nutzbarkeit des Studios von entscheidender Bedeutung. Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner die Nutzungsmöglichkeit des Studios zeitweise nicht gewähren, etwa weil er - wie hier - das Fitnessstudio aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie schließen muss, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar.“
Eine Verlängerung der Vertragslaufzeit nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage kommt nicht in Betracht. Dies gilt schon aus konkurrenzrechtlichen Gründen. Das Unmöglichkeitsrecht geht in seinem Anwendungsbereich § 313 BGB vor. Ergänzend gilt es die besonderen Vorschriften für den Übergangszeitraum zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat in Art. 240 § 5 II EGBGB besondere Vorschriften geschaffen („Gutscheinlösung“), welche einen Rückgriff auf § 313 BGB nicht erlauben.
Hinweis
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