Mit dieser Frage musste sich jüngst der BGH (Urt. v. 12.08.2021 – 3 StR 415/20) befassen und hat sich dabei erstmalig zur Strafbarkeit der versuchten Erfolgsqualifikation bei nur versuchtem Grunddelikt geäußert. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
A möchte das Haus der ihm verhassten Eheleute X und Y niederbrennen und nimmt dabei auch deren Tod billigend in Kauf. In der Tatnacht wirft er zunächst eine mit Wasser gefüllte Flasche durch die Fensterscheibe des Schlafzimmers, um diese einzuschlagen. Kurz danach wirft er einen Molotow-Cocktail (eine mit Benzin gefüllte Flasche nebst brennendem Tuch als Anzünder) durch dasselbe Fenster. Entgegen den Erwartungen des A verteilt sich das Benzin aber nur auf dem Fußboden, ohne zu brennen und auch die Eheleute, die vom Lärm geweckt das Schlafzimmer verlassen, kommen nicht zu Tode.
Durch den ersten Wurf der Flasche hat A sich gem. § 303 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Unproblematisch hat er sich auch wegen versuchtem Mord gem. §§ 211, 212, 22, 23 StGB strafbar gemacht. Als Mordmerkmale sind die Heimtücke sowie die gemeingefährlichen Mittel verwirklicht. Durch das Werfen des Molotow-Cocktails hat er sich gem. §§ 306 Abs. 1 Nr. 1, 306a Abs.1 Nr.1 und § 306a Abs. 2 StGB – jeweils im Versuch gem. §§ 22, 23 StGB strafbar gemacht. Fraglich ist, ob er sich darüber hinaus auch wegen versuchter schwerer Brandstiftung mit Todesfolge gem. §§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 306c, 22, 23 StGB strafbar gemacht hat.
Hinweis
Sofern § 306c im Versuch verwirklicht ist, tritt § 306a Abs. 2 im Versuch ebenso zurück wie § 306 Abs. 1 Nr. 1. Als Anknüpfungspunkt für die Erfolgsqualifikation kommt daher § 306a Abs. 1 Nr. 1 – das Inbrandsetzen einer Wohnung – in Betracht.
306c StGB ist eine Erfolgsqualifikation, was Sie unschwer an der Formulierung „verursacht der Täter durch…..den Tod…“ erkennen können. Normalerweise reicht gem. § 18 StGB im Hinblick auf die Herbeiführung der Folge wenigstens Fahrlässigkeit aus. Da hier aber eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden darf, muss der Täter wenigstens leichtfertig (= grob fahrlässig) handeln.
Sofern die Erfolgsqualifikation auf den Versuch trifft, sind 3 Konstellationen denkbar:
- Das Grunddelikt ist im Versuch stecken geblieben, die Folge ist aber eingetreten („erfolgsqualifizierter Versuch“).
- Das Grunddelikt ist vollendet, die schwere Folge, auf dessen Herbeiführung der Vorsatz des Täters gerichtet war, ist aber nicht eingetreten („versuchte Erfolgsqualifikation“).
- Das Grunddelikt ist im Versuch stecken geblieben und auch die schwere Folge, auf dessen Herbeiführung der Vorsatz des Täters gerichtet war, ist nicht eingetreten (ebenfalls „versuchte Erfolgsqualifikation“).
Der „erfolgsqualifizierte Versuch“ ist der „Prüfungs-Klassiker“, vor allem wenn es um die versuchte Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 223, 227 StGB geht und der Tod erst durch die Flucht des Opfers eintritt. Problematisch sind zum einen der Anknüpfungspunkt (Handlung oder Erfolg des § 223) sowie die Frage nach der Unterbrechung der Zurechnung aufgrund einer möglichen, eigenverantwortlichen Selbstgefährdung.
Einer Strafbarkeit der versuchten Erfolgsqualifikation ist hingegen einfach verwirklicht und bereitet in einer Klausur in der Regel keine Probleme. Im vorliegenden Fall musste sich der BGH (a.a.O.) mit der 3. Variante befassen und er hat anhand der Auslegungsmethoden (= „juristisches Handwerkszeug“, welches Sie im Schlaf beherrschen sollten) die Strafbarkeit begründet.
„Die sogenannte versuchte Erfolgsqualifikation liegt vor, wenn der Täter das Grunddelikt verwirklicht, der von ihm in Kauf genommene oder sogar beabsichtigte qualifizierte Erfolg aber nicht eintritt. Die Variante ist deshalb anzuerkennen, weil die schwere Folge zwar "wenigstens" fahrlässig oder leichtfertig verursacht werden muss, erst recht aber vorsätzlich herbeigeführt werden kann.
(Der) Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts (ist) auch möglich … durch bloßes unmittelbares Ansetzen zum Grunddelikt mit dem Vorsatz der Herbeiführung der schweren Folge. Bleibt diese aus, handelt es sich um einen Unterfall der versuchten Erfolgsqualifikation.
Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 22 StGB in Verbindung mit den jeweiligen erfolgsqualifizierten Delikten. Wer die Ausführung des Grunddelikts versucht und dabei zudem Vorsatz in Bezug auf die Herbeiführung der schweren Folge hat, setzt nach seiner Vorstellung von der Tat sowohl unmittelbar zum Grunddelikt als auch zur Verursachung der schweren Folge an.
Hierfür sprechen ebenfalls systematische Erwägungen. Nach § 11 Abs. 2 StGB ist das "Zwittergebilde" … erfolgsqualifiziertes Delikt insgesamt als vorsätzliche Tat anzusehen. Damit gelten die allgemeinen Versuchsbestimmungen. Diese setzen nicht voraus, dass der Täter ein Tatbestandsmerkmal objektiv verwirklicht, sondern nur, dass er nach seiner Vorstellung von der Tat hierzu unmittelbar ansetzt. Vor diesem Hinter-grund ist es nicht gerechtfertigt, für den Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts die Vollendung des Grundtatbestands oder den Eintritt der schweren Folge zu verlangen.
Für das genannte Ergebnis streiten schließlich Sinn und Zweck des hier relevanten Normengefüges. Der Grund für die Versuchsstrafbarkeit ist - wie der untaugliche Versuch zeigt - die in den Vorstellungen des Täters liegende Gefährlichkeit seines Tuns …. Dieser subjektive Handlungsunwert tritt bei demjenigen, der mit seinem Verhalten die Verwirklichung des Grunddelikts und den Eintritt der hierin angelegten schweren Folge anstrebt, unabhängig davon zutage, ob er das Grunddelikt im Ergebnis nur versucht oder vollendet. Auf einen wie auch immer gearteten objektiven Erfolgsunwert kommt es beim Versuch nicht an und deshalb ebenso wenig darauf, dass Teilabschnitte des erfolgsqualifizierten Delikts verwirklicht sind … Die erfolgsqualifizierten Delikte sollen vielmehr den besonderen (Todes-)Gefahren entgegenwirken, die von ihren Grundtatbeständen ausgehen. Es entspricht daher der ratio legis, auch denjenigen Täter zu ahnden, der Grunddelikt und Qualifikation intendiert und an beiden Zielen scheitert.
Aus den genannten Gründen sind etwa die §§ 178 und 251 StGB versucht, wenn das Opfer die Gewaltanwendung entgegen dem Tatplan überlebt und auch Beischlaf oder Wegnahme fehlschlagen. … Entsprechendes gilt für die Freiheitsberaubung, den erpresserischen Menschenraub oder die Geiselnahme (§§ 239, 239a, 239b StGB): Hat der Täter Vorsatz bezüglich der Todesfolge, reichen schon der Versuch des Einsperrens, des Sichbemächtigens oder Entführens für den Versuch der Erfolgsqualifikation, unabhängig davon, ob das Opfer überlebt. Für den Versuch einer schweren Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist es unerheblich, ob der Schütze, der dem Opfer die Zeugungsfähigkeit nehmen will, es in den Unterleib trifft oder danebenschießt.
Nichts anderes gilt schließlich bei der Brandstiftung mit Todesfolge gemäß § 306c StGB. Auch diese ist versucht, wenn der Täter mit dem Tod der Bewohner des Hauses rechnet, das er - wie hier - in Brand zu setzen versucht.“
Schauen wir uns nun noch an, wie Sie die versuchte schwere Brandstiftung mit Todesfolge in einer Klausur prüfen würden:
I. Vorprüfung
fehlende Vollendung
Strafbarkeit des Versuchs
II. Tatentschluss
gerichtet auf die Verwirklichung des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB
gerichtet auf die Verwirklichung des § 306c StGB
III. Unmittelbares Ansetzen
IV. Rechtswidrigkeit und Schuld
V. Rücktritt gem. § 24 StGB
Hinweis
Auf Konkurrenzebene stehen aus Klarstellungsgründen der versuchte Mord und die versuchte Brandstiftung mit Todesfolge zueinander in Tateinheit.